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Die geniale Rebellin (Bedeutende Frauen, die die Welt verändern 9)

Agnes Imhof
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Ada Lovelace – Sie stürzte sich ins Leben und revolutionierte die Mathematik

„Die Sprache des Romans ist lebendig, ohne Pathos, einfühlsam und lässt beim Lesen Raum für eigene Gedanken.“ - Literatur Radio Hörbahn „Hörbahn on Stage“

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Die geniale Rebellin (Bedeutende Frauen, die die Welt verändern 9) — Inhalt

Ada Lovelace: Ikone der Wissenschaft, visionäre Mathematikerin, leidenschaftliche Liebende

England, 1833. Die sechzehnjährige Ada soll nach einer skandalösen Affäre endlich gesellschaftsfähig werden. Doch sie ist rebellisch, und ihr Lebenshunger so unstillbar wie ihre Wissbegier. In London gibt es in diesen Tagen nur ein Gesprächsthema: eine Maschine des genialen Charles Babbage, die rechnen kann! Ada ist fasziniert von dem schrankgroßen Wunderwerk.

Leidenschaftlich versucht sie, bei Babbage Unterricht zu bekommen, doch vorerst vergeblich. Ada ist zutiefst enttäuscht, aber dann lernt sie Lord William King kennen. Auch ihn fasziniert die Wissenschaft – und mehr noch die schöne Ada …

Ein spannender historischer Roman über die außergewöhnliche Frau, die als erste Programmiererin die Zukunft erfand.

Bedeutende Frauen, die die Welt verändern 
Mit den historischen Romanen unsere Reihe »Bedeutende Frauen, die die Welt verändern" entführen wir Sie in das Leben inspirierender und außergewöhnlicher Persönlichkeiten!

Auf wahren Begebenheiten beruhend erschaffen unsere Autorinnen ein fulminantes Panormana aufregender Zeiten und erzählen von den großen Momenten und den kleinen Zufällen, von den schönsten Begegnungen und den tragischen Augenblicken, von den Träumen und der Liebe dieser starken Frauen.

€ 15,00 [D], € 15,50 [A]
Erschienen am 28.04.2022
432 Seiten, Klappenbroschur
EAN 978-3-492-06217-6
Download Cover
€ 9,99 [D], € 9,99 [A]
Erschienen am 28.04.2022
400 Seiten, WMePub
EAN 978-3-492-60112-2
Download Cover

Leseprobe zu „Die geniale Rebellin (Bedeutende Frauen, die die Welt verändern 9)“

Lass mich, von Lust, von Schmerz getrieben,
Noch einmal leben! Wieder lieben!

Lord Byron


1

Hampstead, 12. Mai 1824


Das verhüllte Bild hing links an der Wand. Eine Eichentreppe dominierte die Eingangshalle, rechts und links davon zweigten Türen ab. Jetzt war alles verlassen, nur der Geruch nach Bohnerwachs kitzelte in der Nase. Durch die hohen Sprossenfenster fielen Lichtstreifen, in denen Staub tanzte. Ada wusste, dass sich hinter dem grünsamtenen Vorhang das Gesicht ihres Vaters verbarg. Immer wieder schnappte sie Fetzen von Gesprächen auf, die bei ihrem [...]

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Lass mich, von Lust, von Schmerz getrieben,
Noch einmal leben! Wieder lieben!

Lord Byron


1

Hampstead, 12. Mai 1824


Das verhüllte Bild hing links an der Wand. Eine Eichentreppe dominierte die Eingangshalle, rechts und links davon zweigten Türen ab. Jetzt war alles verlassen, nur der Geruch nach Bohnerwachs kitzelte in der Nase. Durch die hohen Sprossenfenster fielen Lichtstreifen, in denen Staub tanzte. Ada wusste, dass sich hinter dem grünsamtenen Vorhang das Gesicht ihres Vaters verbarg. Immer wieder schnappte sie Fetzen von Gesprächen auf, die bei ihrem Anblick sofort verstummten. Um ein finsteres Schloss in Schottland ging es dabei, wo der Vater zügellose Orgien feierte (was auch immer das bedeuten mochte) und aus Totenschädeln trank. Um dunkle Geheimnisse, ferne Länder, Korsaren und Dämonen. Womöglich war er sogar selbst ein Pirat, jedenfalls war er so grausam, dass Mamma ihn mit der neugeborenen Ada vor acht Jahren hatte verlassen müssen. Aber auch hinreißend schön, und das machte seinen Anblick gefährlich. Deshalb maskierte man das Porträt. Doch Namen konnte man nicht maskieren.

Lord Byron.

Wie er wohl aussah? Es gab so viele Arten von Schönheit: Die, bei der alles perfekt und hell war. Dann die markante Schönheit, bei der ein Makel das Gesicht erst interessant machte. Und schließlich die düstere Schönheit, die ihren Reiz aus einer verborgenen Finsternis zog, wie bei einem Dämon. Ada wusste, dass der Vater Gedichte schrieb, aber Mamma sah es nicht gern, wenn sie sie las. Stattdessen ließ sie Ada in Mathematik unterrichten, als Heilkur. Denn Poesie war Leidenschaft, und Leidenschaft war die Wurzel der Bosheit. Man musste sie um jeden Preis bekämpfen.

Als die Großmutter noch gelebt und auf Ada aufgepasst hatte, war sie nie ohne zwei Pistolen zu Bett gegangen, aus Angst, dass Lord Byron Ada entführen lassen würde. Aber jetzt war er weit weg in Griechenland, und es war ja nur ein Bild. Das Bedürfnis, den Schleier zu heben, war so stark, dass Ada nicht widerstehen konnte. Als ob das ganze Universum seine Geheimnisse hinter dem grünen Samt verbergen würde. Ada stellte sich auf die Zehenspitzen in ihren adretten Schnürstiefelchen. Mühsam erreichte sie den Zipfel des Tuchs und versuchte, die Maske des Bildes zu lüften.

Sie war zu klein. Es fiel gerade genug Licht unter das Tuch, dass sie Kleidung in dunklen Farben erkennen konnte.

Ada blickte sich um. Mamma war noch oben. Vorhin war ein Bote gekommen, und die Nachricht schien wichtig gewesen zu sein. Ihre Stimme war nicht zu hören. Lautlos schlich sich Ada in die kleine Abstellkammer, wo das Fußbänkchen stand, mit dem sich die Wirtschafterin manchmal behalf, um beim Putzen an schwer erreichbare Stellen zu kommen. Sie nahm es und schleppte es in die Halle, kletterte hinauf und wollte das Tuch heben.

„Miss Ada!“

Eliza Briggs. Die Nanny. Ada fuhr zusammen und riss dabei versehentlich den grünen Samt herunter.

Doch ehe sie die Gunst des Augenblicks nutzen konnte, legte sich eine Hand auf ihre Augen. Ein furchtbares Gezeter erfüllte die Halle, eilige Schritte hasteten die Treppe herunter, und Ada nahm ein modernes Parfüm wahr, das von Lady Annabella Noel-Byron. Mamma.

„Hat sie es gesehen?“, hörte sie sie kreischen. Die sonst so kühle metallische Stimme klang schrill.

Briggs hielt noch immer die Hand auf Adas Augen und verneinte. Mamma stieß ein paar Beschimpfungen aus, und endlich ließ die Nanny Ada los. Aufatmend wollte sie Luft holen, da landete die Hand ihrer Mutter in ihrem Gesicht.

„Wie oft habe ich dir gesagt, dass du das Bild nicht anzusehen hast!“, schrie sie. „Habe ich dir nicht wieder und wieder gesagt, wie gefährlich es ist?“

Ada schossen die Tränen in die Augen. „Das sagst du immer!“, schrie sie zurück. „Immer ist alles verboten!“ Sie schielte noch einmal nach dem Bild, aber der Vorhang war wieder darübergehängt worden.

„Du bist das zügellose Balg eines zügellosen Vaters!“, kreischte Mamma. „Rücksichtslos und egoistisch! Warum nur musste ich mit dir gestraft werden!“

Briggs packte Ada an den Schultern. „So spricht man nicht mit seiner Mutter, Ada! Ich erwarte, dass du dich sofort entschuldigst.“

Ada atmete heftig und flach. Ein paar Sekunden musste sie sich ganz auf ihren Atem konzentrieren. Sie hatte das Gefühl, vor lauter Wut gleich ohnmächtig zu werden. Es ist nicht gerecht, dachte sie, dass ich es bin, die sich entschuldigen soll. „Verzeihung“, sagte sie gepresst. Ihr war noch immer nicht klar, was so schlimm daran war, das Bild ihres Vaters sehen zu wollen.

„Ab mit dir, hoch auf dein Zimmer. Liegekur! Ich will dich den Rest des Tages nicht mehr hier sehen!“

Ada starrte sie an. Dann gehorchte sie wortlos.

„Sie hat sein Temperament“, hörte sie Briggs flüstern, als sie die Eichentreppe hinaufstieg, deren siebte Stufe wie jedes Mal unter ihren Füßen knirschte. „Er hielt sich auch nie an Vorschriften.“

Und dann Mamma: „Es ist gekommen, wie ich befürchtet hatte. Wir müssen diese schrecklichen Anlagen niederzwingen. Koste es, was es wolle.“

 

Ada schloss die Tür hinter sich und legte sich auf das Holzbett. Gähnend streckte sich Mistress Puff auf der Fensterbank. Adas Perserkatze war ihr Ein und Alles.

„Hallo, Puff“, meinte Ada. „Da bin ich mal wieder.“

Anfangs hatte man ihr für gutes Benehmen Kärtchen gegeben, die man ihr bei schlechtem wieder entzog. Viele Kärtchen bedeuteten eine kleine Belohnung, wenige eine Strafe. Aber seit Ada einmal vor Wut eine Holzleiste zerbissen und eine überforderte Gouvernante namens Miss Lamont ihren Hut hatte nehmen müssen, war man zu mehr Strenge übergegangen.

Nach ein paar Minuten kamen die Schmerzen. Sie pochten in der gesamten linken Hälfte ihres Kopfs und ließen Punkte vor ihren Augen flimmern. Ada hatte das Gefühl, nichts mehr zu sehen. Aber sie wagte nicht, aufzustehen. Wenn sie nicht reglos liegen blieb, schnürte man ihr die Hände in schwarze Beutel. Sie begann, sich in imaginäre Landschaften zu träumen, stellte sich vor, sie könne fliegen. Über eine Moorlandschaft, wild, stürmisch, magisch. Wo sich ein Fluss in unübersichtliche Höhlen stürzte, um in ein sonnenloses Meer zu fallen. Gebiete voller Gefahren für den Geist und die Moral, wo das unersättliche Denken sich verlieren durfte. Wo Zahlen nicht die Gouvernanten ihrer Fantasie waren, sondern Feen und Kobolde, lockende Irrlichter, die sie in ferne, unbekannte Zauberreiche entführten.

Unten hörte sie noch immer die aufgebrachten Stimmen. Sie bemühte sich, so still und steif zu liegen wie nur irgend möglich. Dabei sehnte sie sich nach einer Berührung. Einer Umarmung wie von Tante Augusta. Das Gefühl eines anderen Körpers, der sie wärmte, ihr Trost gab. Aber Tante Augusta durfte nur noch selten kommen, weil sie schlechten Einfluss auf Ada hatte. Denn Augusta war die Schwester ihres Vaters.

„Augusta Ada!“

Briggs trat herein, gefolgt von Mamma. Lady Annabella Noel-Byron hatte das italienische Wort für „Mama“ selbst eingeführt. Es war mondän, und so hörte man gleich, dass sie ihrer Tochter eine gute Ausbildung zuteilwerden ließ. Mamma war etwas über dreißig, nicht schön und nicht hässlich, mit rotblondem Haar, rundem Gesicht mit schmalen Lippen und kühlen blauen Augen. Ada mit ihren braunen Locken war beinahe ihr genaues Gegenteil. In der Gegenwart ihrer Mutter fühlte sie sich, als würde ein Teil ihres Lebens aus ihr fliehen und sie zu einer Puppe machen. Ihre eigenen Gefühle und Gedanken zogen sich an einen sicheren Ort zurück, tief in ihr Inneres, wo niemand herankam, nicht einmal Ada selbst. Und ließen sie als leere Hülle zurück.

„Lord Byron ist verstorben“, sagte Mamma. Es klang sachlich, als spräche sie von einem Fremden. „Das war die Nachricht, die vorhin kam. Vor ein paar Wochen, am 19. April.“

Aus irgendeinem Grund schnürte es Ada den Hals zu. Der Vater ist böse, sagte sie sich. Sie müsste froh sein, dass er tot war. Aber es gelang ihr nicht. Sie begann zu weinen.

„Warum weint das Kind denn?“, fragte Briggs ungeduldig. „Sie kannte ihn doch gar nicht.“

„Es ist meinetwegen“, erwiderte Mamma. „Aber das musst du nicht. Hörst du? Schluss damit.“ Sie reichte ihrer Tochter ein schwarzes Samttuch, in das etwas eingeschlagen war.

Ada wischte sich hastig die Tränen aus dem Gesicht. Sie setzte sich auf und faltete das Tuch auf. Ein Ring lag darin, eine gefasste dunkle Haarlocke und die Miniatur eines Textes.

„Das kam vor wenigen Wochen von ihm. Den Ring trug er als Talisman. Eine Locke seines Haars. Und eine Miniatur seines Gedichts Mädchen von Athen. Dein Porträt, das ich ihm habe schicken lassen, hat ihm große Freude gemacht. Er wollte, dass du auch etwas von ihm hast.“ Mamma erhob sich. „Nun leg dich wieder hin. Ich lasse dir Bescheid geben, wenn du aufstehen darfst.“

Kaum war sie allein, richtete sich Ada auf, um den Inhalt des Tuchs noch einmal zu betrachten. Das erste und einzige Geschenk, das ihr Vater ihr je gemacht hatte.

Ada presste Ring und Locke an sich, als könnten sie ihr die Wärme einer menschlichen Umarmung geben, die sie so sehr ersehnte.


2


Mamma, du wirst staunen. Ich bin schon eine richtige Expertin für Flugologie«, erklärte Ada, während sie die große Flügeltür öffnete. Für ihre dreizehn Jahre war sie mager, aber groß, und ihr dunkelbraunes Haar war ordentlich zu einem Knoten gewunden. Überall standen die Fenster offen. Wie in einem der Jane-Austen-Romane, die Mamma so liebte, duftete es betörend nach frischem Grün und tausend Blüten. In Adas Fluglabor – einer kleinen Turnhalle in einem hellen Raum des Herrenhauses Bifrons bei Canterbury – hingen Seile von den Wänden, und in den Ecken türmten sich die Papierabfälle. Adas ganzer Stolz hing in der Mitte von einem der Seile herab: ein Flügelpaar aus zusammengeklebten Papierstücken mit gut zwei Metern Spannbreite.

Ada schwang sich mit einem Satz hinauf und steckte die Arme hinein. Mithilfe des von der Decke hängenden Seils schwang sie hin und her, schwebte durch den Raum. Sie liebte das Gefühl der Freiheit in den Seilen. Das berauschende Gefühl, nicht aufzuhalten zu sein, gierig nach ständig neuen Horizonten. Nach dem, wovon man nur hinter vorgehaltener Hand zu tuscheln wagte: einem Leben, wild und wuchernd wie unberührter Urwald auf unerforschten Inseln am Rande der Welt, wo ihr nichts die Luft nahm. Fliegen bedeutete, über die Begrenzungen der Natur zu siegen. Tun zu können, was für einen nicht vorgesehen war, mit nichts als dem eigenen Verstand.

„In den Wochen, die du so krank warst, hat sich viel verändert“, rief Ada von oben herab, während sie sich in immer wildere Schwingungen versetzte. „Puff klettert neuerdings immer aufs Dach zum Kamin, und sie kommt nicht ins Haus, wenn sie nicht ihr feinstes Heringsfilet bekommt. Sogar meine kleinen Patenkinder, ihre Jungen, haben das schon gelernt.“ Sie zog die Arme aus den Flügeln und sprang mit einem Satz wieder auf den Boden, der Mamma pikiert zusammenzucken ließ.

„Wenn ich größer bin, möchte ich ein dampfbetriebenes Flugpferd bauen, mit dem könnte ich richtig fliegen! Was denkst du?“ Sie hoffte so sehr darauf, Mamma zu gefallen. Doch je glühender sie sich für etwas begeisterte, desto mehr Sorgen schien sich ihre Mutter zu machen.

Lady Annabella tupfte sich mit einem Spitzentaschentuch die Stirn. „Hm.“

Eine halbe Stunde später hörte Ada, wie sie zu Miss Stamp sagte: „Ada ist die Zeit ohne meine Fürsorge nicht gut bekommen. Sie wirkt überspannt.“

„Mit Verlaub, Lady Byron, sie ist glücklich mit ihren Flugversuchen“, erwiderte Stamp. Sie hielt sich erstaunlich gut, wenn man bedachte, wie schnell Lamont und einige andere glücklose Gouvernanten vor ihr ihren Hut genommen hatten. „Und sie ist doch noch ein Kind.“

„Ich weiß. Und im Allgemeinen bin ich mit Ihrer Arbeit auch recht zufrieden. Sie haben diese unselige Fantasie gut im Griff. Dennoch, die Gefahr ist bei Weitem nicht gebannt. Ich werde meinem Freund, dem alten Mr Frend, schreiben, er soll sich ihrer annehmen. Vielleicht kann er ihr Geometrieunterricht geben. Seine Tochter Sophia ist ebenfalls klug, aber er meint, das könne man bekämpfen. Soll er zeigen, was er kann.“

 

Mr Frend war ein älterer Herr, der bald darauf mit seiner Tochter Sophia einzog. Ada hatte sich gefreut, ein anderes Mädchen kennenzulernen. Sophia war älter als sie, aber wenn sie ebenfalls klug war, würde sie in ihr vielleicht eine Freundin finden. Allerdings stellte sie schnell fest, dass Sophia nicht fürs Fliegen zu haben war.

Da auch Mamma nicht viel davon hielt, beschloss Ada, sich auf anderen Planeten nach neuen Welten umzusehen. Sie besorgte sich eine Sternkarte, und Mr Frend, der eigentlich der Geometrie wegen gekommen war, sah sich alsbald mit der Aufgabe konfrontiert, den Astronomen zu geben. Als sie im Schulzimmer darüber sprach, ferne Planeten mit Fluggeräten zu erkunden, stand Sophia auf. „Wenn Gott gewollt hätte, dass wir zu anderen Planeten fliegen, wären wir längst dort. Du solltest bei dem bleiben, was man uns lehrt, nicht ständig Neues ausprobieren. Das ist gefährlich, es sind schon Mädchen an geistiger Überanstrengung gestorben.“

Sie legte Ada eine Liste auf deren Pult. „Ach, und ich soll dich fragen, ob du schon die Liste mit den Pflichten der Kinder gegenüber ihren Eltern auswendig kannst.“

Ada verdrehte die Augen. Es gab so viel Lesenswertes, aber Mamma schien nur die Lektüre von Pflichten und frommen Geistlichen zu interessieren. Ächzend blickte sie nach der Biografie des Pfarrers John Barclay, die im Regal stand. Sein spektakulärstes Lebensereignis hatte darin bestanden, in Sack und Asche gekleidet durch Aberdeen zu laufen.

Zum Teufel mit Mamma und ihrer Jane-Austen-Welt, wo es nur um Cottagegärten und den richtigen Ehemann ging! Warum lasen die Heldinnen in diesen Büchern keine Astronomiebücher, warum erlebten sie keine wilden Abenteuer mit Piraten in exotischen Ländern? Hatten sie nie das unwiderstehliche Bedürfnis, ein verbotenes Bild zu entschleiern? Immer bei dem Bekannten bleiben, das war wie eine einzelne Farbe aus einem Regenbogen zu reißen und nie das Ganze zu sehen.

Kaum entließ Mr Frend sie, rannte Ada hinaus in den Garten. Seit ein paar Tagen graste nebenan ein Pony, und Puff schien sich über den Familienzuwachs zu freuen. Sie schoss wie ein geölter Blitz durch den Rasen, machte Sprünge und warf sich auf den Rücken. Ada liebte es, sie durchs hohe Gras zu jagen, und dieses Mal rannte sogar das Pony mit. Es duftete nach Herbst, der Holunder hatte dicke schwarze Beeren, und das Donnern der kleinen Hufe erschütterte den Boden. Ada ließ sich ins Gras fallen, und die Katze begann, ihre Hand zu jagen und spielerisch zu beißen.

„Mistress Puff!“ Ada lachte und angelte nach ihrem verrutschten Haarband, um die Locken wieder zu bändigen. „Du bist eine wilde, ungebärdige Person, ich werde dringend eine Gouvernante für dich benötigen! Und sei froh, wenn sie so nett und verständnisvoll ist wie Miss Stamp.“

 

Lord Byrons Tod hatte Lady Annabella von der Sorge befreit, er könne doch noch irgendwann versuchen, seine Tochter zu entführen. Endlich durfte Ada reisen. Sie besuchten Italien und die Schweiz, und sie erhielt ihren ersten richtigen Gesangsunterricht. Im Frühjahr 1829 erkrankte Ada an Masern und musste mehrere Wochen das Bett hüten. Als sie endlich wieder aufstehen durfte, drohte sie vor Tatendrang zu platzen.

„Wann kann ich denn nun endlich Reiten lernen?“, fragte Ada. Sie stand an der Ottomane, auf der Mamma dekorativ in ihrem eleganten blauen Kleid lag. Natürlich nicht in ihrem Schlafzimmer, dort hätte ja niemand ihr Leid gesehen, sondern im Salon. Die Läden der großen Sprossenfenster waren geschlossen, und es roch nach Essig und dem Zeug, das in Mammas Riechfläschchen war. Ada sehnte sich danach, reiten zu können, über Wiesen und Felder zu sprengen, über Bäche zu setzen. Es musste ein Gefühl sein wie zu fliegen, ein Gefühl von Freiheit, von Leben. Der Gedanke, sich einem Pferd auf Gedeih und Verderb anzuvertrauen, zwölf Zentner wilder Kraft, jagte ein angenehmes Kribbeln durch ihren Körper.

„Hör auf, mich zu bedrängen“, erwiderte Mamma. „Du bist überspannt.“

„Aber …“

„Es reicht!“ Lady Annabella richtete sich auf. „Zuerst das Fluglabor. Dann die Sternkarte. Danach hast du ein Planetarium gebaut. Und jetzt auch noch Reiten! Damit sollte man nicht zu früh anfangen, es ist gefährlich und schadet der Wirbelsäule. Außerdem siehst du doch, dass ich Kopfschmerzen habe. Hast du denn gar kein Empfinden für andere?“

Ada schluckte. Sie sehnte sich so sehr danach, einmal nur auf dem Rücken des Ponys sitzen zu dürfen. „Ich brauche doch nur deine Erlaubnis, Mamma. Du musst gar nichts tun. Stamp hat einen Sattel gefunden, sie legt ihn auf das Pony und passt auf. Bitte!“

„Bitte? Höre ich da etwa Leidenschaft?“ Lady Annabella zog sich das nasse kalte Handtuch von der Stirn, richtete sich etwas auf und fasste ihre Tochter scharf ins Auge. „Du weißt, dass das die Wurzel allen Übels ist. Du musst dagegen ankämpfen. Geh auf dein Zimmer.“

Ada spürte die Wut so stark, dass sie nichts mehr dagegen tun konnte. Es brach aus ihr hervor. „Ich will nicht auf mein Zimmer!“, schrie sie ihre Mutter an. „Warum ist alles falsch, was schön ist? Ich will verdammt noch mal reiten!“

Lady Annabella wurde wachsbleich. „Hast du geflucht? Auf dein Zimmer, Liegekur, sofort!“

„Zur Hölle damit, und wenn schon! Ich will nicht liegen, ich will reiten! Stamp hilft mir.“

„Charlotte Stamp wird uns verlassen“, entgegnete Mamma kalt. „Sie heiratet. Kein Wunder. Ein so ungebärdiges Kind zu erziehen ist eine echte Last.“

Ada wurde schwarz vor Augen. Ihre Beine gaben nach. Die überschäumende, alles überwältigende Wut wich einer plötzlichen Schwäche, die ihren ganzen Körper ergriff. Eine tödliche Kälte breitete sich in ihr aus. Das Gefühl für die Wirklichkeit verschwamm, die Welt um sie herum wurde undeutlich wie hinter einer regengepeitschten Fensterscheibe. Sie verlor sich selbst. Spürte ihren Körper nicht mehr, als wäre sie gleichzeitig da und nicht da. Tot, aber noch nicht völlig verschwunden, sondern eingeschlossen in einer geisterhaften Existenz, in der sie alles sehen, aber keinen Kontakt aufnehmen konnte. Ein Albtraum. Sein und gleichzeitig Nichtsein. Alles, was sie ausmachte, war verschwunden – weg, hinter einer Milchglasscheibe, unwirklich. Fremd. Wie ein Trugbild, das außerhalb von ihr stand und das sie mit teilnahmslosem Interesse betrachtete.

 

Eine Stunde später lag sie in ihrem Bett. Gefühllos, taub. Stumm. Alles war verschwommen, die Welt, ihre Gefühle, ihr Ich. Man hatte den Arzt gerufen – er sah allerdings zuerst nach Mamma, denn die Szene, die Ada gemacht hatte, hatte ihre Kopfschmerzen verschlimmert. Ada nahm es zur Kenntnis, aber es prallte an ihr ab wie an einer Walnussschale.

„Hysterie“, sagte der Arzt, als er endlich auch an Adas Bett stand. Sie starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an und versuchte, ihn zu erkennen, aber alles war auf einmal unscharf. Dort, wo vermutlich sein Bart wuchs, war ein verschwommener Fleck. Sie roch Essig und irgendetwas Süßliches, vielleicht das opiumhaltige Laudanum, das er erwähnt hatte. Den Geruch getragener Kleidung.

„Deine Mutter sagt, dass deine Wirbelsäule schwach sei. Die Masern können Lähmungen auslösen, aber da es so plötzlich kam, denke ich, es ist die Hysterie. Du musst liegen.“

Liegen.

Die Lebendigkeit, die Ada in den letzten Monaten in Bifrons gespürt hatte, verflog wie eine leise Musik. Wieder blieb sie zurück als kraftlose Hülle.

„Ich kann nichts sehen. Wie soll ich denn so lesen?“

„Lesen wird wohl nicht mehr gehen“, meinte der Arzt. „Und laufen und reiten auch nicht. Du wirst vermutlich ans Bett gefesselt bleiben.“

Ada spürte Tränen über ihr Gesicht laufen. „Wie lange?“, flüsterte sie. „Für immer?“

Agnes Imhof

Über Agnes Imhof

Biografie

Agnes Imhof, geboren 1973 in München, studierte Philosophie, ist promovierte Islam- und Religionswissenschaftlerin und spricht unter anderem Arabisch, Persisch und Italienisch. Die Islamexpertin ist in klassischem Gesang ausgebildet und liebt den Schwertkampf. Zusammen mit ihrem Mann und ihrer...

Ada Lovelace – eine Ikone der Wissenschaft

Ada Lovelace (1815-1852) soll über sich selbst gesagt haben: „Ich bin als Prophetin in die Welt geboren worden, und diese Überzeugung erfüllt mich mit Demut, Zittern und Beben.“

Mit ihrem Ehemann und den drei Kindern hätte sie ein beschauliches Jane-Austen-Leben führen können, aber nicht umsonst war sie die einzige legitime Tochter des berüchtigten Skandaldichters und Abenteurers Lord Byron. Sie war brillant, eine hochbegabte Mathematikerin, musikalisch und abenteuerlustig.

Die Beschränkung auf die Mutterrolle unterforderte sie, stattdessen wurde sie eine der interessantesten Frauen der Romantik und des frühen Industriezeitalters.

Berühmtheit erlangte sie durch ihre visionäre Arbeit zur Rechenmaschine von Charles Babbage. Anfangs sollte sie lediglich einen Artikel dazu übersetzen, doch Ada stellte eigene Berechnungen an. Manche nennen ihre Notizen mit einer Liste von Befehlen das erste Computerprogramm der Welt. Weniger bekannt ist, dass sie auch mit Andrew Crosse, dem Vorbild von Mary Shelleys Doktor Frankenstein, an Elektrizität experimentierte.

Ihr Leben lang war sie auf der Suche – nach der großen Entdeckung und den großen Gefühlen. Leider starb sie sehr jung, mit nur 36 Jahren.

 

 

"Adas Geschichte macht Mut, sich selbst zu akzeptieren - auch wenn man noch so anders ist." Autorin Agnes Imhof im Interview

Ganz ohne Zweifel ist Ada eine bedeutende Frau. Aber Sie sprechen auch über ihre Selbstzweifel und ihr Gefühl, in der Welt nicht zu Hause zu sein.

Ada wurde zerrissen zwischen ihrer brillanten Intelligenz und ihrer Leidenschaft, die immer wieder zu zerstören drohte, was sie sich aufgebaut hatte. Heute würde sie vermutlich ein völlig anderes Leben führen, aber damals? Ein die Epoche prägendes Genie bei einer Frau war nicht vorgesehen. Das Problem ist nur: So eine Begabung kann man nicht einfach ablegen wie einen Kleidungsstil. Sie nicht ausleben zu können, treibt einen zwangsläufig in den Wahnsinn oder in die totale Rebellion. Bei Ada war von beidem etwas dabei.

Was beeindruckt Sie am meisten an Ada? Hat ihre Geschichte auch etwas mit Ihrem eigenen Leben zu tun?

Absolut. Ich habe ein Buch über Hochbegabung insbesondere bei Frauen geschrieben, und Ada ist eine hochbegabte Frau wie aus dem Lehrbuch. Ihre Konflikte kennt jede intelligente Frau. Beeindruckend finde ich natürlich, wie Ada sich ihre intellektuelle Entfaltung erkämpft hat. Sie wusste ganz genau, dass sie mit Charles Babbage etwas Großes erreichen kann.

Bemerkenswert finde ich auch, wie sie sich immer wieder bemühte, Gefühl und Verstand zusammenzubringen. Wenn Mut nicht bedeutet, keine Angst zu haben, sondern sich seinen Ängsten zu stellen, dann war sie unfassbar mutig.

Was können wir von Ada lernen?

Sich selbst so zu akzeptieren, wie man ist. Letztlich geht es in diesem Roman um eine Frau, die lernt, sich selbst zu lieben. Mit all ihrer Unangepasstheit, ihrer Intelligenz, all dem, was die Gesellschaft um sie herum irritiert, vielleicht sogar erschreckt. Ich finde, Adas Geschichte macht Mut, sich selbst zu akzeptieren – auch wenn man noch so anders ist.

Wie relevant ist Ada heute?

Computer beherrschen inzwischen fast jeden Aspekt unseres Lebens und Arbeitens – und es war Ada, die den Grundstein dafür gelegt hat. Die Digitalisierung ist eine technologische Revolution, so bedeutend wie die Entwicklung des Ackerbaus. Das birgt allerdings auch Risiken: Repression, Überwachung, Zensur.

Es ist faszinierend, dass in der Person, die am Anfang des Computers steht, all das schon angelegt ist: das Visionäre, die Möglichkeiten, aber auch der Kampf gegen eine intolerante Gesellschaft, in der, ähnlich wie heute, kein Platz für Nonkonformisten ist.

Doch Nonkonformismus ist der Motor des Genialen. Durch Gehorsam und Anpassung wurden noch nie große wissenschaftliche Entdeckungen oder künstlerische Leistungen vollbracht. Ohne Nonkonformisten ist eine Gesellschaft langweilig, geistlos und gleichgeschaltet. Ada macht Mut zum Unkorrekten, zum Schockierenden.

Wäre sie nicht so unangepasst gewesen, würde ich diese Sätze heute vielleicht mit der Schreibmaschine tippen – wahrscheinlicher aber gar nicht.

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„Die Sprache des Romans ist lebendig, ohne Pathos, einfühlsam und lässt beim Lesen Raum für eigene Gedanken.“

Mainhattan Kurier

„Absolut lesenswert!“

geniessen-reisen.de

„Ein spannender historischer Roman“

lese_sessel

„Sehr eindrucksvoll und interessant beschreibt Agnes Imhof das Leben Adas, ihren Werdegang und das, was sie umtreibt - die Wissenschaft. Sie schafft eine Brücke in dir damalige Zeit, man fühlt mit Ada mit und befindet sich von Anfang an mitten in der Geschichte. Der Schreibstil ist locker, leicht und gut verständlich.“

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