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Der kleine MachiavelliDer kleine Machiavelli

Der kleine Machiavelli

Hans Rudolf Bachmann
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Handbuch der Macht für den alltäglichen Gebrauch

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Der kleine Machiavelli — Inhalt

Im Mittelpunkt dieses „Handbuchs“ steht der Manager, der erfolgreiche Aufsteiger der Neuzeit, dem jedes Mittel recht ist, wenn es nur der eigenen Karriere dient. Daran hat sich wenig geändert, seit Niccolò Machiavelli in seiner Streitschrift „Il principe“ die Regeln des Machtspiels beschrieben hat. Machtgewinn heißt das erklärte Ziel, es gilt, sich möglichst perfekt die „Powerplay“-Gesetze anzueignen. Eine erfrischende Satire auf die Wirtschaft und ihre Drahtzieher.

€ 11,00 [D], € 11,40 [A]
Erschienen am 01.06.2018
176 Seiten, Broschur
EAN 978-3-492-31306-3
Download Cover
€ 8,99 [D], € 8,99 [A]
Erschienen am 15.10.2013
176 Seiten, WMePub
EAN 978-3-492-96269-8
Download Cover

Leseprobe zu „Der kleine Machiavelli“

Vorwort

Den größten Teil dieser Seiten habe ich zusammen mit Peter Noll unmittelbar vor seinem Tod geschrieben. Das Phänomen der Macht hat ihn zeitlebens beschäftigt; er wollte darstellen, wie die Macht in den verschiedensten Gruppierungen der mensch­lichen Gesellschaft zum Ausdruck kommt: in der Kirche, im Militär, in der Wissenschaft und eben in der Wirtschaft. In der Wirtschaft haben ihn vor allem die Macht­träger fasziniert und auch belustigt. Die wirtschaftlichen Machthaber tragen keine Uniformen oder ­Talare, sie tragen auch keine Orden. Vom Gehabe [...]

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Vorwort

Den größten Teil dieser Seiten habe ich zusammen mit Peter Noll unmittelbar vor seinem Tod geschrieben. Das Phänomen der Macht hat ihn zeitlebens beschäftigt; er wollte darstellen, wie die Macht in den verschiedensten Gruppierungen der mensch­lichen Gesellschaft zum Ausdruck kommt: in der Kirche, im Militär, in der Wissenschaft und eben in der Wirtschaft. In der Wirtschaft haben ihn vor allem die Macht­träger fasziniert und auch belustigt. Die wirtschaftlichen Machthaber tragen keine Uniformen oder ­Talare, sie tragen auch keine Orden. Vom Gehabe her sind sie nicht extravagant wie Mussolini oder Napoleon. Sie sind meist recht phantasielose Normalbürger, die die Früchte der Macht mit gezieltem und wohldosiertem Hedonismus genießen. Meistens wer­den sie in der Unternehmung selbst zurechtgebogen. Fast schlimmer sind die risikofreien und todsicheren Selektionsverfahren der Consultants, auch headhunter genannt. Diese Berater ­liefern den Unternehmen uniforme und vor­programmierte Manager-Nachfolgeprodukte. Die Alpha- oder Betatypen, vorzugsweise rekrutiert aus Ausbildungsstätten wie der Harvard oder der A. Huxley University, können naturgemäß nicht besonders kreativ sein und reagieren in der Regel sehr schematisch auf die dauernden Veränderungen des Marktes. Diese standardisierten Zuchtfolgen, diese fast jesuitisch anmutende Ordenskultur lassen traurig in die Zukunft blicken. Oder kann man sich vorstellen, daß im Aufsichtsrat eines Konzerns Colani oder Salvador Dalí Platz nehmen? Und das, obwohl Dalí die Swatch-Uhr wahrscheinlich bereits I950 auf den Markt gebracht hätte!

Hans Rudolf Bachmann



Dieses Buch ist eine Satire. Denn es erwies sich als zu schwierig, ja, als unmöglich, über das Thema anders als satirisch zu schreiben. Machtkämpfe im wirtschaftlichen Management haben – aus kritischer Distanz betrachtet – so viele groteske Aspekte, daß gerade eine wahrheitsgetreue Schilderung zwangsläufig satirisch wird. Alles, was in diesem Buch beschrieben wird, hat sich in der Wirklichkeit zugetragen. Auch die Akteure haben wir keineswegs karikiert. Wohl aber hat uns die beabsichtigte kritische Distanz dazu geführt, fast alle Namen der beschriebenen Personen und Unternehmen abzuändern, denn es kam uns darauf an, die allgemeinen Strukturen, Mechanismen und Gesetzmäßigkeiten aufzuzeigen, die immer und überall ähnlich anzutreffen sind. Das Ganz-klein-Karierte haben wir soweit wie möglich weggelassen. So gese­hen sind die Figuren, die in diesem Buch auftreten, eher etwas größer und edler als die Personen der historischen Realität. Trotzdem wird unsere Darstellung allen von Nutzen sein, die über Anpassungsfähigkeit verfügen und einem gesunden Opportunismus nicht moralisierenderweise abhold sind. Nichts von dem, was wir dem Aufsteiger empfehlen, liegt außerhalb des Systems und seiner Legalität.

Peter Noll



Das Gesetz der 50jährigen Männer

Als der Autogigant Chrysler im Jahre I979 nahezu Pleite machte, da griff sich jedermann an den Kopf: Wie konnten diese brillanten Manager eine Ent­wicklung verschlafen, die doch jeder vorausge­sehen hatte! Seit I973 gab es die Ölkrise; man wußte, daß der Ölpreis weiter und weiter steigen und die Ölreserven bald zu Ende gehen würden. Trotzdem hatte sich Chrysler – und übrigens auch General Motors – darauf kapriziert, weiterhin Autos zu produzieren, die eher wie Fregatten aus­sahen und entsprechend viel Sprit soffen. Dabei waren längst schon die Deutschen und die Japaner mit kleinen, sparsamen, teils sogar schmucken Autos auf dem Markt. Die Manager von Chrysler und General Motors aber blieben ruhig auf ihren Autohalden sitzen. Das Unternehmen hat die Entwicklung verschlafen, wie man so schön sagt. Haben auch die Manager geschlafen? Keineswegs. Waren die Manager dumm oder blind? Natürlich trifft auch dies nicht zu. Wenn sie es auch nicht sagten, haben sie doch ziemlich genau die Entwicklung vorausgesehen, nicht anders als die ausländische Konkurrenz. Warum haben sie dann aber nichts getan? Warum haben sie weiterhin ihre kaum verkäuf­lichen großen Fregatten produziert? Wir alle, Anhänger der freien Marktwirtschaft, sind der festen Überzeugung, daß es der Wirtschaft und den Unternehmungen gutgeht, wenn und weil es den Managern gutgeht. Diese sind voll kreativer Kraft, optimieren die Ge­­winne, verhelfen über das Konkurrenzprinzip den Kunden zu günstigen Angeboten und werden dafür von ihrer Firma entsprechend belohnt. Zwischen den Interessen des Unternehmens und den Interessen der Manager besteht keinerlei Widerspruch. Leider müssen wir an dieser idyllischen Vorstellung einige kleinere Korrekturen anbringen, die sich nicht zuletzt mit den Beispielen von Chrysler und General Motors und etwa auch mit der Uhrenindustrie in der Schweiz begründen lassen. Grob gesagt: Das Interesse des Managers kann mit dem Interesse des Unternehmens übereinstimmen, tut es auch hin und wieder, muß es aber nicht. Wenn das Interesse des Managers mit dem des Unternehmens kollidiert, dann zieht der ­Manager regelmäßig sein eigenes Interesse dem Interesse der Firma vor. Natürlich hofft er, daß ­solche Kollisionen nie entstehen; aber wenn sie entstehen, dann ist er eben leider gezwungen, seinem eigenen Ego den Vortritt zu geben. Im Grunde stand das Management von Chrysler vor einem gänzlich unlösbaren Dilemma. Hinterher läßt es sich leicht sagen, man hätte eben schon I973 die Produktion von großen Autos einstellen und nur noch kleine, sparsame Wagen, gewissermaßen mit japanischen Schlitzaugen produzieren sollen. Diese an und für sich richtige Entscheidung, eine Entscheidung für eine eigentliche chirurgische Operation, mochte ganz einfach niemand verantworten. Das Unternehmen hätte eine grauenhafte Durststrecke durchschreiten müssen; die Gewinne wären auf mindestens fünf Jahre hinaus ausgeblieben, die Aktionäre hätten aufgeheult; wahrscheinlich hätten sogar Arbeiter entlassen werden müssen. Wohl wurde hin und wieder im Aufsichtsrat von der möglichen Notwendigkeit einer so scharfen Maßnahme gesprochen; doch bald einigte man sich darauf, mehr Energie für die Suche nach Argumenten zu verwenden, die dazu dienten, sich selbst und dem Publikum plausibel zu machen, daß nichts ge­­än-dert wurde. Schließlich war ja nicht Chrysler daran schuld, daß die OPEC ständig die Ölpreise ­hinauftrieb, noch weniger daran, daß die US-Regierung unfähig war, im Persischen Golf eine Präsenz aufzubauen, die den Benzinpreis niedrig gehalten hätte. Auf der anderen Seite war ebenso klar, daß man die Aktionäre, die Arbeiter und die Kunden nicht nur mit solchen Sprüchen abspeisen konnte. Etwas mußte doch getan werden, und es wurde auch etwas getan. Nach langen Diskussionen im Aufsichtsrat einigte man sich darauf, einem besonders un­gestümen Unternehmungsleiter zu gestatten, ein I0 cm kürzeres Modell zu produzieren und diese Gattung auf den Namen compact car zu taufen. Dabei war man sich bewußt, daß diese compact cars immer noch größer waren als die mittelgroßen europäischen und japanischen Autos. Immerhin hatte man gezeigt, daß man den Zug der Zeit erkannte, und schließlich war das Ganze ein recht vernünftiger Kompromiß, mit dem alle zufrieden sein konnten. Eigentlich aber wußte jeder schon damals, daß die große Krise trotzdem kommen würde. Um das Verhalten der Männer zu erklären, die offenen Auges in die Krise hineinfuhren (mit großen Wagen und mit compact cars) und sich trotzdem für den Niedergang des Unternehmens nicht eigentlich verantwortlich fühlen konnten, müssen wir einen Blick auf die inneren Strukturen eines solchen Unternehmens werfen. Auf der ganzen Welt sind die großen Konzerne ­ähnlich aufgebaut. Es gibt die Generalversammlung der Aktionäre, die natürlich ebensowenig zu sagen hat wie in der Demokratie das Volk, so jedenfalls bei Publikumsgesellschaften, wo die Aktien sich auf zahllose kleine und kopflose ­Sparer verteilen. Ge­­­hört die ganze Gesellschaft einem einzigen Mann oder einigen wenigen, dann haben wir es mit einem ganz anderen Fall zu tun, dem wir ein eigenes Kapitel widmen müssen. ­Bleiben wir also bei der Publikums-Aktiengesellschaft. Zuoberst thront der Aufsichtsrat (in der Schweiz Verwaltungsrat genannt), der bei großen Konzernen aus etwa 20 Personen besteht, die sich in der Regel dadurch auszeichnen, daß sie von der betreffenden Branche nichts verstehen, jedoch dafür bekannt sind, daß sie noch in anderen Aufsichtsräten sitzen, wo sie ebenfalls vom betreffenden Geschäft nichts verstehen, aber mit ihrem bekannten Namen dafür bürgen, daß es sich bei dem Unternehmen um eine angesehene Sache handelt. Natürlich spielen dann auch noch Beziehungen eine gewisse Rolle, vor allem zu den Banken. Der Aufsichtsrat tut eigentlich nichts anderes, als sich vierteljährlich zusammenzusetzen, um die Vorschläge der Generaldirektion (in vielen Unternehmen auch Vorstand genannt) zu genehmigen. Dieses allgemeine Ja-Sagen kommt nun allerdings nicht etwa schlicht dadurch zustande, daß die Generaldirektion den Aufsichtsrat fest im Griff hätte oder daß gar die Aufsichtsräte vor den General­direktoren Angst hätten, sondern es handelt sich, wie überall in hierarchischen Organisationen, um das folgende Phänomen: Da der Aufsichtsrat die Generaldirektion gewählt hat, muß er, schon um sein eigenes Gesicht nicht zu verlieren, mit den Vorschlägen der Generaldirektion einverstanden sein; andernfalls könnte man ihm vorhalten, er habe falsche Wahlen getroffen. Auf der anderen Seite ist auch die General­direktion nicht daran interessiert, Vorschläge zu unterbreiten, die der Aufsichtsrat nicht genehmigt. Mindestens in heiklen Fragen wird also alles vorher abgesprochen. Letztlich aber liegt die ganze Macht bei der Generaldirektion. Wir können davon aus­gehen, daß im allgemeinen die einzelnen General­direktoren ungefähr informiert sind über den Teil­bereich des Unternehmens, dem sie vorstehen. Sie können ihre Informationen dem Aufsichtsrat unterbreiten oder sie auch zurückhalten. Zurückgehalten werden vor allem Informationen, die besonders wichtig sind, bei denen man Einwände des Aufsichtsrates befürchtet, und natürlich besonders solche, die unangenehm sind. Z. B. wird ein Gene­­ral­direktor, der ein sehr expansives Programm aufbauen möchte, dieses höchstens in ganz verwässerter Form dem Aufsichtsrat unterbreiten, weil das Generaldirektionsmitglied weiß, daß der Aufsichtsrat immer nur bremst und dämpft. Das hängt auch mit dem Alter der betreffenden Burschen zusammen: Aufsichtsrat wird man erst im Spätherbst eines Managerlebens. In den Aufsichtsräten finden wir denn auch regelmäßig die geballte Weisheit und Mäßigung des Alters. Da die Aufsichtsräte sehr schlecht informiert sind, ist es im allgemeinen auch leicht, ihre Entscheidungen so zu gestalten, wie man sie von der General­direktion her will. Es geschieht zwar glücklicherweise selten, aber doch hin und wieder, daß ein Mitglied des Aufsichtsrates eine geradezu unverschämte Frage stellt wie z. B. die folgende: »Wie kommt es, meine Herren, daß die bud­getierten Kosten von I0 Mio für ein zentrales Lagerhaus um mehr als die Hälfte überschritten wurden und wir nun sage und schreibe I6,2 Mio ausgeben müssen? Es wäre mir sehr angenehm, dafür eine plausible Erklärung zu bekommen.« Generaldirektor Luther ist etwas überrascht, faßt sich aber schnell: »Sie sollten selbst wissen, Herr Doktor Eck, daß der Aufsichtsrat seinerzeit das Projekt aufgrund einer bloßen Grobanalyse genehmigt hat. Inzwischen hat die Feinevaluie­rung ergeben, daß mit nur 6,2 Mio Mehrkosten die Lagerkapazität auf das Dreifache ausgedehnt wird und die Unternehmung damit ihre logistischen Bedürfnisse nicht nur, wie ursprünglich vorgesehen, bis Ende der ­achtziger-, sondern sogar bis Mitte der neun­ziger Jahre mit Sicherheit befriedigen kann, und dies mit nur 6,2 Mio Mehrkosten. Es wäre schlicht unverantwortlich gewesen, wenn wir diesen Zeithorizont, der sich uns nach den neueren Studien aufgedrängt hat, nicht in dieser Weise ausgeschöpft hätten.« Darauf Dr. Eck: »Ich glaube im Namen aller meiner Kollegen zu sprechen, wenn ich dem Herrn Luther dafür danke, daß er so weitblickend und in ­eigener Verantwortung für das Wohl der Firma vorgesorgt hat.« In den nächsten zwei Jahren hat Dr. Eck dann in den Aufsichtsratssitzungen keine Fragen mehr gestellt. In Wirklichkeit hatte das Ganze mit weitblickender Vorausplanung und Feinevaluierung überhaupt nichts zu tun, sondern ausschließlich mit Schlamperei: Generaldirektor Luther hatte es ganz einfach unterlassen, mit den Bauunternehmen klare und sichere Verträge abzuschließen. Das mit der höheren Lagerkapazität stimmte natürlich überhaupt nicht. Der Fall zeigt, wie einfach es ist, Einwände des Aufsichtsgremiums vom Tisch zu wischen. Zurück zu unserer Frage, warum Chrysler auf die Herausforderung des Ölmarktes und der japa­nischen Autoimporte ganz einfach nicht richtig reagieren konnte. In der Generaldirektion saßen I5 Mitglieder, und wir können davon ausgehen, daß ihr Wissensstand mindestens so hoch war wie derjenige der Wirtschaftsjournalisten, die seit langem darüber berichteten, daß man die bisher produzierten Autos nicht mehr absetzen könne. Gesetzt den Fall, Generaldirektionsmitglied J. R. Edsel habe sich nach langen inneren Kämpfen entschlossen, das, was alle seine Kollegen wissen und woran sie auch wie er ständig denken, endlich offen auszusprechen. Zuvor hat er sich mit seinem ihm am nächsten stehenden Kollegen H. F. Dart vertraulich besprochen, und beide sind sie über­einstimmend zur Auffassung gekommen, es müsse etwas Energisches getan werden, weil es tatsächlich um Sein oder Nichtsein des Unternehmens ging. Man wird nicht bestreiten können, daß hier eine gewisse Selbstlosigkeit am Werk war. Bei der nächsten Sitzung der Generaldirektion legte Edsel ein Konzept vor, worin er vorschlug, die gesamte Angebotspolitik dramatisch zu verändern: Kleine, kleine, kleine Autos. Die Antwort, die Edsel von seinen Kollegen erhielt, kam für keinen Kenner unerwartet: »Sie sprechen uns aus dem Herzen, Herr Kollege Edsel, und sicher glauben Sie uns, daß auch wir, Tag und Nacht von denselben Sorgen geplagt, wie Sie über die gleichen Probleme und Projekte nachgedacht haben. Die Idee von den kleinen, kleinen, kleinen Autos haben wir auch schon erwogen; sie hat in der Tat etwas Bestechendes, wenn sie auch, das müssen Sie zugeben, ziemlich auf der Hand liegt. Auf der anderen Seite ist das, was Sie uns verschreiben wollen, eine ausgesprochene Roßkur. Wir können dieses Ziel, das uns allen wohl gemeinsam vorschwebt, nur durch eine Politik der kleinen Schritte erreichen. Stellen Sie sich doch einmal ganz konkret vor, was bei der Verwirklichung Ihres Vorschlages geschehen wird. Wir werden sofort massiv in die ­roten Zahlen abrutschen. Die Folgen kennen Sie genausogut wie wir. Die Aktienkurse sinken ins Bodenlose, es gibt Aufruhr in der Öffentlichkeit, die Gewerkschaften werden zum Streik aufrufen und schon damit das ganze Projekt zu Fall bringen. Wollen Sie wirklich die Verantwortung dafür übernehmen, daß wir Tausende von Arbeitern auf die Straße setzen müssen? Aber lieber Herr Edsel, eigentlich brauchen wir uns gar nicht allzulange den Kopf über Ihr Projekt zu zerbrechen; denn wir wissen doch alle, daß wir diese Idee unserem Aufsichtsrat überhaupt nicht verkaufen können.« Edsel wehrt sich, nun schon fast verzweifelt: »Aber ich bitte Sie, meine Herren, wenn wir die ­Entwicklung der letzten Jahre bei der gegebenen Unternehmenspolitik auf die nächsten Jahre extrapolieren, werden wir das Unternehmen mit Sicherheit in den Ruin treiben. Was Sie an kosmetischen Änderungen vorschlagen, das hat doch nur zur Folge, daß die Katastrophe ein bißchen hinausge­zögert wird, dann aber um so schwerer ­hereinbricht. Mein Vorschlag dagegen wird uns zunächst in ein Tal bringen, aber nach einigen Jahren wieder in die Höhe.« Nun neigt sich Generaldirektor Chevrolet, ein sonst eher schweigsamer Mann, bedeutungsvoll mit dem Oberkörper über den Tisch: »Ich muß nun doch ein ganz offenes Wort reden und Ihnen sagen, Herr Edsel, daß ich von Ihnen enttäuscht bin. Was Sie uns einreden wollen, das ist doch nichts anderes als eine Absage an die Chrysler Corporation. Wer den Glauben an sein Produkt verloren hat, den Glauben daran, was in unseren Werkstätten von fleißigen Männern Tag und Nacht geschaffen wird, der ist hier am falschen Platz. Ich dagegen muß für mich gestehen, und ich hoffe, auch im Namen der anderen Kollegen hier zu sprechen, daß ich nicht bereit bin, unser Unternehmen umzubringen; ich bin nicht für ­Euthanasie, sondern für Heilung, und das heißt in unserem Fall, daß wir, vom festen Glauben an die Zukunft unseres Unternehmens getragen, auf bewährtem Wege fortschreiten müssen. Ein so großes Unternehmen wie das unsere lebt nicht von Experimenten und darf auf Modeerscheinungen nicht eingehen. Sehen Sie hier die großen Männer, die unser Unternehmen gegründet und später geführt haben (Chevrolet weist mit der Hand auf die an der Wand hängenden großen Portraits der frü­heren Aufsichtsratsvorsitzenden); bleiben wir ih­­ren Gedanken treu, und erinnern wir uns daran, was der Gründer unseres Unternehmens zu sagen pflegte: Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg. Ich danke Ihnen, meine Herren, für Ihre Aufmerksamkeit.« So haben diese Männer gesprochen, gedacht jedoch ganz anders. Gedacht haben sie nach dem Gesetz der 50jähri­gen Männer. Das Managerleben geht mit 60 Jahren zu Ende. Wie viele Jahre des Ruhestandes sich daran noch reihen, hängt vom Lebenswandel und der individuellen Konstitution des einzelnen ab. Aber Manager ist man in jedem Falle nach sechzig nicht mehr. Unverrückbare, eherne Gesetze sorgen da-für, daß in kritischen Situationen ein großer Konzern mit Sicherheit mindestens an den Rand der Pleite kommt. Warum gelten diese Regeln? Die Sache verhält sich sehr einfach und wird vielleicht gerade deswegen nur von wenigen durchschaut. General­direktor wird man erst mit etwa 50 Jahren; denn der Bau der eigenen Karriere in großen Organisationen braucht viel Zeit. Jede Führungsstufe, die man nach Abschluß der Hochschule absolvieren muß, dauert etwa fünf Jahre, und vier Stufen sind es immer mindestens. Was macht ein 50jähriger Fa­milienvater mit Spitzeneinkommen, aber ohne Millionenvermögen, in der Krisensituation seines Unternehmens? Schon als Familienvater ist er verpflichtet, an seine Frau und seine Kinder zu denken, was es ihm erheblich erleichtert, auch an sich zu denken. Er wird sich also überlegen, ob er mit Kollege Edsel in die Talsohle fahren will, mit dem Ergebnis, daß zwar in zehn Jahren die Firma wieder blüht, die nächste Füh­rungs­­generation aber die Früchte erntet. Soviel Selbstverleugnung ist selbst einem Manager schlechterdings nicht zuzumuten. Er wird sich also dazu entschließen, seine ihm verbleibenden zehn Jahre möglichst unauffällig und ohne Kollaps der Firma hinter sich zu bringen und vor allem seine eigene Position dabei zu halten. Also wird er jeden Vorschlag un­­terstützen, der Zeitgewinn bringt. Möglichst wenig Änderungen und vor allem keine radikale Operation, selbst wenn sie die einzige ­Rettungsmöglichkeit für das Unternehmen wäre. Natürlich wird man nicht einfach gar nichts tun, schon um sich nicht Vorwürfen auszusetzen, man habe den Zug der Zeit verschlafen. In der Tat haben unsere I5 Männer wirklich nicht geschlafen, sondern sie haben sehenden Auges das Schiff ihrer Firma ganz allmählich auf die Sandbank gesteuert. Die Gesetzmäßigkeit des Vorganges verhilft den dafür verantwortlichen Männern zugleich zu schlagenden Argumenten. Nicht nur bei Chrysler, auch bei General Motors und bei Ford besteht selbstverständlich die Generaldirektion aus 50jäh­rigen Männern, die genau in der gleichen Weise denken und handeln und ihr Unternehmen in genau die gleiche Krise hineinmanövrieren. Das ist eine sehr tröstliche Tatsache. Das Problem bleibt damit nicht das indi­viduelle Problem eines einzigen Unternehmens, das möglicherweise von unfähigen Männern geführt wird, sondern es ist ein Problem der gesamten Branche, also letztlich eine Naturkatastrophe. Sowenig wie man den Bürgermeister von San Francisco für das Erdbeben, das demnächst in Kalifornien stattfinden wird, verantwortlich machen kann, sowenig wird man die Männer von Chrysler, Ford und General Motors dafür verantwortlich machen, daß sie von den japanischen und europäischen Autos überrollt worden sind.

Über Hans Rudolf Bachmann

Biografie

Hans Rudolf Bachmann, geboren 1930, gestorben 1989, war Manager und lehrte an verschiedenen Wirtschaftshochschulen Europas. Er arbeitete besonders auf dem Gebiet der Corporate Identity und saß in mehreren Aufsichtsräten von Schweizer Firmen. Zusammen mit Peter Noll veröffentlichte er »Der kleine...

Peter Noll

Über Peter Noll

Biografie

Peter Noll, geboren 1926, gestorben 1982, war zuletzt Professor für Strafrecht an der Universität Zürich. Postum wurden seine berühmten „Diktate über Sterben & Tod“ veröffentlicht. Zusammen mit Hans Rudolf Bachmann veröffentlichte er »Der kleine Machiavelli. Handbuch der Macht für den alltäglichen...

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