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Couchsurfing im Iran - eBook-Ausgabe Couchsurfing im Iran

Stephan Orth
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Meine Reise hinter verschlossene Türen

„Spannend, authentisch, menschlich.“ - Focus

Alle Pressestimmen (20)

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Couchsurfing im Iran — Inhalt

So haben Sie den Iran noch nie gesehen: „Couchsurfing im Iran“ ist der faszinierende Erfahrungsbericht eines Reisenden, der hinter die Kulissen blickt.  

 Der Journalist Stephan Orth reist durch ein Land, in dem Couchsurfing eigentlich verboten ist. Doch auf diese Weise lernt er den Iran und seine Bewohner hautnah kennen.   

Der Iran ist für Fremde nicht unbedingt ein zugängliches Land. Freizügigkeit ist dort undenkbar, Alkohol verboten. Doch Stephan Orth schafft als Couchsurfer den Sprung auf die Sofas und Perserteppiche unzähliger Haushalte. Dabei lernt er ein nach außen geheimnisvolles und strenges Land kennen, das innen vor Lebensfreude und Gastfreundschaft sprudelt.   

Jung, bunt, rebellisch – das authentische Porträt eines jungen Landes  

„Stephan Orth macht da Urlaub, wo andere eine Diktatur führen“, schreibt Leyla Arfai von der Buchhandlung Basel in ihrer Lektüreempfehlung. Das macht „Couchsurfing im Iran“ zu einer faszinierenden Reisereportage, die den Leser an ungewöhnliche Orte mitnimmt.  

„Ein wunderbares Buch“ Süddeutsche Zeitung 

Orth taucht tief in den Iran ein, erlebt dabei irrwitzige Abenteuer – und ein Land, das so gar nicht zum Bild des Schurkenstaates passt.   

Abseits des Mainstreams: ein Journalist mit einem Faible für „Länder mit einem schlechten Ruf“  

Der Journalist und SPIEGEL-Bestsellerautor Stephan Orth bereist am liebsten Gegenden, in die sich andere Touristen nicht so schnell verlaufen: Länder abseits des Mainstreams oder gefährliche Zonen.. In der gleichen Reihe sind erschienen:

  • Couchsurfing in Saudi-Arabien
  • Couchsurfing in Russland
  • Couchsurfing im Iran
  • Couchsurfing in der Ukraine
€ 9,99 [D], € 9,99 [A]
Erschienen am 09.03.2015
240 Seiten
EAN 978-3-492-97016-7
Download Cover
€ 14,00 [D], € 14,40 [A]
Erschienen am 02.10.2017
256 Seiten, Broschur
EAN 978-3-492-31083-3
Download Cover
„Stephan Orth ist mit ›Couchsurfing im Iran‹ ein wunderbares Buch über dieses Land im Schwebezustand gelungen.“
Süddeutsche Zeitung

Leseprobe zu „Couchsurfing im Iran“

An der Grenze

Wenn du Schiss hast, so richtig Schiss, wenn du denkst, jetzt geht’s dir an den Kragen, dann nimmst du plötzlich alles in doppelter Schärfe wahr. Das Gehirn schaltet in den Alarmmodus, in dem nur das Hier und Jetzt zählt. Für Dinge, die nichts damit zu tun haben, ist kein Platz mehr. Bei mir zeigt sich das daran, dass mir auf die Frage des Polizisten meine Postleitzahl nicht mehr einfällt.

Ich sitze in einem Verhörzimmer der iranischen Polizei. Die Einrichtung besteht aus einem großen Schreibtisch mit Samsung-Computer, einem flachen [...]

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An der Grenze

Wenn du Schiss hast, so richtig Schiss, wenn du denkst, jetzt geht’s dir an den Kragen, dann nimmst du plötzlich alles in doppelter Schärfe wahr. Das Gehirn schaltet in den Alarmmodus, in dem nur das Hier und Jetzt zählt. Für Dinge, die nichts damit zu tun haben, ist kein Platz mehr. Bei mir zeigt sich das daran, dass mir auf die Frage des Polizisten meine Postleitzahl nicht mehr einfällt.

Ich sitze in einem Verhörzimmer der iranischen Polizei. Die Einrichtung besteht aus einem großen Schreibtisch mit Samsung-Computer, einem flachen Glastisch in der Mitte und sieben Sesseln, deren braune Lederbezüge noch in Plastikfolie eingehüllt sind. Eine schmale Tür führt zum Eingangsbereich, eine andere zu einem Gang mit weiteren Bürotüren. Die hellgrüne Wand ist mit dem Landesemblem verziert, vier Mondsicheln und ein Schwert, daneben hängt golden gerahmt das obligatorische Diktatoren-Doppelporträt. Khomeini blickt finster drein wie immer, Chamenei dagegen grinst breit, noch nie habe ich ihn so lächeln sehen. Vielleicht ist er an Orten wie diesem besonders in seinem Element.

„Vor zwei Jahren wurden hier zwei Spione verhaftet“, sagt Yasmin, meine Begleiterin. „Die sind immer noch im Gefängnis in Teheran.“

„Was haben sie denn gemacht?“

„Weiß ich nicht.“ Aber im Iran ist es ein Kinderspiel, in Spionageverdacht zu geraten. Ein paar Erinnerungsfotos von Flughäfen oder Regierungsgebäuden reichen da schon.

Oder der Umstand, dass man sich in der Nähe der Grenze zum Irak aufhält. Wir befinden uns in Nowsud im iranischen Kurdistan; nur zehn Kilometer sind es von hier bis ins Nachbarland.

„Wir haben den Hinweis bekommen, dass sich Ausländer hier aufhalten“, sagt einer der beiden Beamten. Er trägt eine kurdische Pumphose und ein khakifarbenes Hemd. „Eigentlich haben wir heute frei“, fügt er hinzu, um die fehlende Polizeiuniform zu erklären. Bulliges Gesicht, muskulöse Oberarme. Er scheint viel Zeit an Kraftgeräten im Fitnessstudio zu verbringen. Sein Kollege in Rosa dagegen wirkt sanfter, wohlwollender, er hat einen Bauchansatz unter dem breiten Gürteltuch und erweckt den Eindruck, als sei ihm die ganze Sache selbst unangenehm. „Bad cop“ und „good cop“, die Rollen sind eindeutig verteilt.

Meine Postleitzahl?

Ich nenne vor lauter Angst eine falsche.

Der „good cop“ fragt, ob wir Tee möchten, im Iran gibt es immer Tee. Kurz darauf bringt ein junger Mann in Militäruniform ein Tablett herein. Beim Trinken merke ich, dass meine Hand zittert, dabei wäre es jetzt wirklich besser, keine Nervosität zu zeigen.

„Guck lieber noch mal, ob du nicht doch deinen Pass findest“, sagt Yasmin. Vorher hatte ich nur eine Kopie gezeigt und behauptet, der Ausweis sei im Hotel. In Wirklichkeit habe ich seit Wochen keine Nacht in einem Hotel verbracht.

Ich wühle angemessen lange in diversen Rucksackfächern und fördere mit gespielter Überraschung das verlangte Dokument zutage. Ein Mitarbeiter im Anzug kommt durch die hintere Tür herein und nimmt den Pass mit in den Nebenraum.

„Er macht Kopien und ruft die Einreisebehörde an, ob alles in Ordnung ist“, erklärt Yasmin.

Weiter mit dem Verhör. Handynummer? Familienstand? Name des Vaters?

Der Khakimann hält meine Daten auf einem DIN-A4-Blatt mit Durchschlag fest, Typ Pelikan Handicopy 303H. Yasmin übersetzt die Fragen und Antworten.

Beruf?

„Er ist Student“, lügt sie, ohne mich zu konsultieren. Beim Visumsantrag hatte ich noch „Website Editor“ angegeben, das ist näher an der Wahrheit.

Wie alt?

„34.“

„Was studierst du?“, übersetzt sie eine Nachfrage.

„Englische und amerikanische Literatur“, sage ich. Das war vor acht Jahren, das anschließende Journalismusstudium erwähne ich nicht.

Was machen Sie hier?

Wie ist euer Verhältnis?

„Er ist ein Freund meiner Familie. Er macht Urlaub hier“, sagt Yasmin.

Ein Soldat holt unser Gepäck von draußen aus dem Taxikofferraum und lehnt die Sachen an den Glastisch in der Mitte.

„Alles auspacken“, verlangt der Khakimann.

Staatsführer Chamenei scheint noch etwas breiter von seiner Wand zu grinsen. Gute Zähne für sein Alter, er ist über siebzig. Während ich die ersten Klamottentüten herausziehe und ein Handtuch, das nach nassem Hund riecht, gehe ich in Gedanken alles durch, was ich dabeihabe.

Reiseführer und Iran-Bücher? Nichts Kritisches im Gepäck, das einzige verbotene Buch, „Persepolis“ von Marjane Satrapi, habe ich in Teheran gelassen. Zum Glück habe ich kein deutsches Nachrich­tenmagazin dabei und keine Illustrierte, in der unverschleierte Frauen zu sehen sind.

Drogen, Alkohol, Schweinefleisch? Nicht vorhanden.

Die Notizbücher? Sehr verdächtig. Ich habe schon zweieinhalb Moleskine-Kladden vollgeschrieben. Auf der jeweils ersten Seite steht unübersehbar „Iran 1“, „Iran 2“ und „Iran 3“.

Presseausweis? In der Geldbörse. Ich Idiot, den hätte ich zu Hause lassen sollen.

Die Kamera? Da wird es heikel. Militäranlagen, ein Atomkraftwerk, Mädchen ohne Schleier, Alkoholpartys, alles dabei. Ich könnte sogar ein paar meiner Freunde in Gefahr bringen damit. Wenigstens sind einige besonders brisante Bilder auf einer Speicherkarte, die sich nicht in der Kamera befindet, sondern etwas versteckt in der Fototasche.

Erstes Interesse erregt der Kulturbeutel mit meiner Reiseapotheke. Der Beamte in Pumphose schaut sich jede Tablettenpackung genau an. Imodium, GeloMyrtol, Aspirin, Paracetamol, Iberogast, Umckaloabo. Ein Drogenschmuggler bin ich offensichtlich nicht. Dann mein Netbook: einmal anschalten, auf dem Desktop findet er keine verdächtigen Ordner, ist alles mit unverfänglichen Dateinamen getarnt. Ich darf wieder ausschalten. Interessiert dreht und wendet er den E-Book-Reader, lässt ihn ungeschickt auf den Boden fallen, entschuldigt sich, dann schmökert er ein bisschen im „Dumont-Kunst-Reiseführer Iran“. Sehr touristisch, sehr harmlos, sehr gut.

Er findet einen Notizblock, einen iranischen allerdings, den mir ein Gastgeber geschenkt hat. „In the name of god, presented to Mr Stephan during his travel to Lorestan Province, 3.2.1393.“ Der Polizist blättert alle Seiten durch: nach der Widmung vorn nur leeres Papier, ein besseres Geschenk habe ich nie bekommen. Zum Glück findet der Kerl die anderen Notizbücher nicht, die zwischen ein paar Eintrittskarten und Rechnungen verborgen sind.

Fertig. Alles wieder einpacken. Ich muss mich beherrschen, nicht tief durchzuatmen. Wäre auch deshalb nicht so klug, weil das Verhörzimmer unverkennbar nach feuchtem Handtuch riecht. Ich zurre die Rucksackgurte fest, setze mich wieder auf den Plastikfolienstuhl und greife nach meinem Teeglas. Die Hand zittert nicht mehr.

„Und jetzt zeigen Sie mal Ihre Kamera“, sagt der Khakimann, und hinter ihm an der Wand lacht Chamenei in seinen ­Riesenbart. Er lacht und lacht und hört gar nicht mehr auf damit.

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Teheran

Einwohner: etwa 10 Millionen
Provinz: Teheran

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Welcome to Iran!

„Pass auf vor Terroristen und Entführern!“ Ein Freund

„Das ist wie Saudi-Arabien, oder? Schau bloß keiner Frau in die Augen.“ Ein Reisejournalist

„Lässt du dir einen Bart wachsen? Bringst du mir einen Teppich mit?“ Eine Freundin

„Du bist verrückt. Ich verstehe nicht, was du da willst.“ Ein Arbeitskollege aus dem Iran


Vier Wochen vorher. Sobald die Räder des Flugzeugs TK898 aus Istanbul den Boden berühren, gilt eine andere Zeitrechnung. Iran­zeit, zweieinhalb Stunden vor, 621 Jahre zurück. Willkommen am Imam-Khomeini-Flughafen, wir schreiben den 7. Farwar­din 1393, „happy Nowruz“, frohes neues Jahr. Ein rundlicher Mann auf 14B kippt sich den letzten Schluck einer mitgebrachten Flasche Efes-Bier in den Rachen, ein Teenagermädchen auf 17F zieht sich Socken über, um die Knöchel zu verbergen. Schwarze, blonde, braune, rote, graue, gefärbte, gestylte, gekämmte, verwuschelte, kurze und lange Haare verschwinden unter schwarzen, braunen und roten Kopftüchern.

Ausländerinnen unterscheiden sich von Iranerinnen dadurch, dass bei ihnen das ungewohnte Stück Stoff schon beim Öffnen des Gepäckfaches in den Nacken rutscht und sie es neu binden müssen. „Respected Ladies: Observe the Islamic dress code“, steht auf einem Poster im Terminal, ohne „please“ oder „thank you“, versteht sich.

Über einer Leuchtreklame für Sony-Handys am Gepäckband begrüßen mich die ersten Poster der beiden Bartträger, in zehnfacher Lebensgröße. Ruhollah Khomeini blickt listig und düster, selbst auf einem Foto scheinen seine Augen alles zu durchdringen. Mit großer Klugheit und unendlicher Kälte blickt der Revolutionsführer auf die Welt hinab. Der amtierende Oberste Führer Ali Chamenei dagegen wirkt mit seiner zu großen Brille und ausdruckslosen Augen einfältig und harmlos, was bemerkenswert ist, weil Chamenei zu den mächtigsten und brutalsten Staatsführern der jüngeren Geschichte gehört.

Aber vielleicht ist die Blässe nur relativ: Neben der dunklen Eminenz Khomeini würden selbst Saddam Hussein und Muammar Gaddafi wie nervöse Koranschüler beim Auswendiglerntest wirken. Der Blick der beiden Ajatollahs sagt: Ab jetzt beobachten wir dich, egal wo du hingehst. Die Porträts hängen in jedem Shop und jedem Restaurant, an Wohnhäusern und Regierungsgebäuden, in Moscheen, Hotels und Busterminals. Wer im Iran den Bildnissen von Khomeini und Chamenei entkommen will, muss sich in einer Wohnung einschließen oder blind sein.

7. Farwardin 1393. Auch was die Gesetzeslage angeht, muss ich um ein paar Jahrhunderte umdenken. Im Iran herrscht die Scharia, im Iran gelten Frauen gesetzlich halb so viel wie Männer und können für Ehebruch gesteinigt werden. Im Iran bin ich ein Verbrecher, weil ich 1,5 Kilo Lübecker Marzipan im Rucksack habe (mit ein bisschen Alkohol drin) und ein paar Kabanossi aus Schweinefleisch. Fehlen nur noch ein paar „Playboy“-Hefte, und ich hätte einen Pokal verdient mit der Aufschrift „Teherans größter Einreisedepp“. Andererseits: Ohne ein paar Gesetzesverstöße ist das, was ich vorhabe, nicht zu machen. Warum also nicht gleich damit anfangen? Je früher ich mich an meine neue Rolle als Gauner, Schwindler und Schauspieler gewöhne, desto besser.

7. Farwardin 1393. Mein Handy weigert sich, die Jahreszahl einzustellen, unter 1971 (warum 1971?) geht nichts. Zur Strafe für seine Befehlsverweigerung führe ich dem rebellischen Gerät eine iranische SIM-Karte ein. Für ihren Erwerb muss ich gleich drei auf Persisch bedruckte Formulare unterschreiben. Ich frage den Verkäufer, was da draufsteht, er spricht nicht gut Englisch.

„No problem!“, antwortet er, und als er meinen zweifelnden Blick sieht, wiederholt er noch einmal in einem sanfteren, fast freundschaftlichen Ton: „No problem!“

Ich brauche unbedingt eine einheimische Handykarte, also unterschreibe ich. Vielleicht habe ich gerade mein Einverständnis erklärt, dass jedes Gespräch und jede SMS vom Geheimdienst überprüft wird, aber das wäre auch wurscht. Machen die sowieso, steht sogar im Sicherheitshinweis des Auswärtigen Amtes.

Mehr Freude habe ich beim Geldwechseln: Ein Mitarbeiter am Schalter der Melli Bank sagt, er könne 35.000 Rial pro Euro zahlen, aber ein Stockwerk höher sei eine Wechselstube, wo ich 40.000 bekäme. Tatsächlich kriege ich dort sogar 41.500, kein schlechter Kurs. Bis in den Iran musste ich reisen, um einmal von einem Bankangestellten gut beraten zu werden.

Ich werde es noch mit einigen Geldwechslern zu tun bekommen, weil die hiesigen Automaten keine europäischen Karten akzeptieren. Das ist unpraktisch für Langzeitreisende, ich habe für zwei Monate 2000 Euro und 1000 US-Dollar in kleinen Scheinen dabei, strategisch gut verteilt in verschiedenen Ecken des Gepäcks. Hoffentlich erinnere ich mich noch an die Stellen, wenn ich das Geld brauche.

Der Flughafen ist mit sechs Gepäckbändern kleiner, als man es bei einer Zehn-Millionen-Metropole wie Teheran erwarten würde. Hohe Säulen, viel Glas, viel Beton. Kein Starbucks, kein McDonald’s, kein Louis Vuitton, nur einheimische Fast-Food-Läden, Banken und Souvenirshops. Ein riesiges Poster wünscht alles Gute zum neuen Jahr. Darauf ist ein Goldfischglas abgebildet, das steht für das Leben. Wahrscheinlich gibt es kein anderes Land auf der Welt, in dem ein Fisch im Glas ein Lebenssymbol ist.

Komplette Großfamilien warten mit Blumensträußen auf Neuankömmlinge. Mitten in der Nacht sind sie aufgestanden, um rechtzeitig hier zu sein. Jetzt ist es kurz nach vier. Bei ihrem Anblick fühle ich mich sehr blond und relativ groß. Sagen wir es mal so: Die Wahrscheinlichkeit, dass mich jemand auf der Straße nach dem Weg fragen wird, geht gegen null.

„Welcome to Iran“, sagen stattdessen zwei junge Frauen, die Tschadors tragen. Tschador heißt auf Persisch „Zelt“, und damit ist über Wesen und Weiblichkeit dieses Kleidungsstücks eigentlich alles gesagt. „Where are you from?“, wollen sie wissen. „Are you married or single?“, und schon schweben sie grinsend davon in ihren schwarzen Gespensterzelten.

Besonders verbreitet ist ihr Outfit am Flughafen nicht, die meisten Frauen tragen einfache Kopftücher. Je jünger die Trägerin, desto modischer die Farben. Und desto länger wirkt der Hinterkopf, weil Hochsteckfrisuren total angesagt sind: Mit Tuch drüber wirkt das ein bisschen so, als hätten viele junge Iranerinnen Schädel wie die Aliens von HR Giger. Die meisten Männer dagegen tragen keine Kopfbedeckung, die Kombination Turban und Vollbart ist viel seltener, als Iranklischees vermuten lassen. Ich sehe sie nur zweimal im ganzen Terminal.

Wenn nach Begegnungen mit einem wohlwollenden Banker und flirtenden Tschadormädchen jetzt noch der Taxifahrer davon absieht, mich zu bescheißen, muss ich schon nach einer Stunde Iran meinen Vorurteilskompass neu justieren.

Jeder Iranbesucher, der am Internationalen Flughafen ankommt, muss auf der Fahrt ins Zentrum an den Märtyrern vorbei und an Khomeini persönlich, es gibt keinen anderen Weg in die Stadt. Links vom Highway ruhen 200.000 Opfer des Irakkriegs auf dem größten Friedhof des Landes. Und gegenüber, auf der rechten Straßenseite, ruht Khomeini selber, der Mann, der so viele von ihnen in den Tod schickte. Jeder der vier Türme um sein prachtvolles Mausoleum ist 91 Meter hoch, ein Meter für jedes Lebensjahr. Eine riesige goldene Kuppel reflektiert nächtliches Scheinwerferlicht. Der erste religiöse Prachtbau, den Touristen zu Gesicht bekommen, ist der Schrein des Ajatollah. Dies ist mein Land, hier gelten meine Regeln, signalisiert Khomeini noch fünfundzwanzig Jahre nach seinem Tod jedem Gast.

Das Taxi stoppt, der Fahrer will kein Geld, für einen Freund wie mich sei die Fahrt umsonst. Ich lehne so entschieden ab, wie es das komplizierte Höflichkeitsprotokoll Irans verlangt, und er sagt: „70.000.“

„Rial oder Toman?“, frage ich. Es gibt zwei Währungsbezeichnungen, die sich um eine Null unterscheiden, was es für Touristen nicht einfacher macht.

„Toman natürlich.“ Also alles mal zehn.

Ich drücke ihm zwei Hunderttausender und einen Fünfhunderttausender in die Hand. Knapp drei Euro mehr, als auf einer Tafel am Flughafen als angemessener Preis angeschlagen war. Charmanter Kerl, aber natürlich bescheißt er. Wenigstens auf die Taxifahrer ist Verlass.

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Bezahlen im Iran

  • Preis anhören
  • Sich wundern, dass es so günstig ist
  • Den genannten Betrag von Toman in Rial umrechnen: eine Null dazudenken
  • Begreifen, dass es doch nicht so günstig ist, aber billiger als zu Hause
  • Nach entsprechenden Geldscheinen suchen (hierfür ­anfangs 30 bis 60 Sekunden Zeit einplanen)
  • Bezahlen

Das Schönste an Teheran sind die Elburs-Berge nebenan, die im Norden der Stadt bis auf 4000 Meter ansteigen. Die meisten Wochen des Jahres sind sie unsichtbar, weil sich die Stadt in eine Smogwolke hüllt. Das tägliche Verkehrschaos ist legendär, auf zehn Millionen Einwohner kommen fast vier Millionen Autos. Die meisten ihrer fast vier Millionen Auspuffe können über Begriffe wie „Katalysator“ oder „Euro-5-Norm“ nur rußheiser lachen. Der Chef der Verkehrspolizei hat mal ausgerechnet, dass die Luftverschmutzung so hoch ist, als wären 48 Millionen Autos mit modernen Abgasanlagen unterwegs: Teherans Dreckschleudern erzeugen mehr Kohlenstoffmonoxid als alle in Deutschland rollenden Fahrzeuge zusammen. Jedes Jahr sterben Tausende an den Folgen des Smogs. Es soll gesünder sein, vierzig Zigaretten am Tag zu rauchen, als an vernebelten Tagen ein paar Stunden durch die iranische Hauptstadt zu laufen.

Frühmorgens während der Neujahrsferien schläft der graue Gigant Teheran allerdings noch. Kaum Verkehr, okaye Sicht. Hinter dem Milad-Fernsehturm sind die Berge zu sehen, sobald das erste Licht darauf fällt, oben liegt viel Schnee.

In so einer schlummernden Stadt, deren Geschäftsjalousien noch geschlossen sind und deren Menschen noch zu Hause, nimmt man als Erstes die Schilder wahr. Werbetafeln, Wegweiser, Logos. Noch ungewohnt sind die persischen Schriftzeichen mit ihren dekorativen Linien und Kringeln. Den höchsten Wiedererkennungswert hat die Ziffer fünf, weil sie aussieht wie ein umgedrehtes Herz.

Ein Friseurladen scheint nur acht Herrenhaarschnitte im Programm zu haben, jedenfalls sind die alle aufgemalt über seinem Eingang. Nur die Haare, ohne Köpfe darunter. Weniger realistisch ist die Werbung eines Supermarktes. Sie zeigt einen Kunden, dessen Einkaufswagen komplett von einem Riesenapfel ausgefüllt wird, so groß wie ein Medizinball.

Ein paar Meter weiter steht ein Laden mit Mercedes-Stern an der Fassade. Er verkauft Peugeot und Hyundai und Saipa, die iranische Eigenmarke, aber keine Mercedes. Ansonsten scheint Teheran überproportional viele Banken zu haben. Bank Sepah, Bank Pasargad, Samen Credit Institution, Bank Saderat, Melli Bank. Die Namen bekannter internationaler Geldhäuser sucht man vergeblich, vor ein paar Jahren zogen sich UBS, Credit Suisse und HSBC aus dem Iran zurück.

Es ist noch zu früh, um meiner Gastgeberin für heute Nacht zu schreiben, also lasse ich mich in der Nähe der früheren amerikanischen Botschaft absetzen und mache einen Spaziergang. Auf beiden Seiten der Straße reihen sich Apartmentblocks aneinander wie überdimensionale graue Schuhkartons. Teheran versteckt sich: Zum Bürgersteig hin verbergen Mauern und Eisengitter die Vorhöfe, die Fenster sind mit Milchglas, Spiegelglas oder geschlossenen Vorhängen vor Einblicken geschützt.

Ich laufe zehn Minuten und finde kein Fenster, durch das sich auch nur das geringste Detail eines Wohnzimmers oder einer Küche erspähen ließe. Irans Wohnungen sind die Rückzugsorte von Menschen, die etwas zu verbergen haben, Trutzburgen gegen das Draußen. Denn nur wenn du von Mauern umgeben bist, so geht eines von vielen Paradoxen in Khomeinis Reich, kannst du frei sein.

Ich bin auf der Suche nach den kleinen und großen Freiheiten der Iraner. Ich will dem Land seine Geheimnisse entlocken und herausfinden, was hinter blinden Fenstern und verschlossenen Türen passiert. Meine Eintrittskarten dafür habe ich im Internet gelöst, auf Onlineportalen wie Couchsurfing, Hospitality Club oder BeWelcome, wo Menschen Schlafplätze für Reisende anbieten. Schon mehr als 10.000 Mitglieder gibt es im Iran, Tendenz stark steigend. Und das, obwohl Ärger mit der Polizei droht, wenn man Ausländer beherbergt.

Im Reisehinweis des Auswärtigen Amtes steht: „Iraner wurden aufgefordert, keine Kontakte mit Ausländern ›über das normale Maß‹ hinaus zu pflegen. In Einzelfällen wurden deutsche Staatsangehörige, die ihre Unterkunft in Iran über soziale Netzwerke im Internet organisiert hatten, von den iranischen Behörden überprüft und um sofortige Ausreise gebeten.“ Und weiter: „Bei Übernachtungen bei iranischen Einzelpersonen oder Familien, deren Anschriften nicht bei Visabeantragung oder Einreise angegeben wurden, muss mit Passentzug und Gerichtsverfahren gerechnet werden.“

Ich habe etwa fünfzig Couchsurfer vor dem Abflug angeschrieben, ein paar weitere kenne ich von meiner ersten Iranreise vor einem Jahr. Die meisten antworteten schnell und gaben mir ihre Handynummer, damit ich sie von unterwegs kontaktieren kann. Niemanden von ihnen habe ich beim Visumsantrag genannt, weil so viele Privatkontakte verdächtig wirken würden. Einem Bekannten von mir wurde das Visum verweigert, weil er die Teheraner Adresse eines iranischen Freundes als Reiseunterkunft angab. Ein paar Jahre vorher konnte er noch ohne Probleme einreisen, weil er nur Hoteladressen in Touristenstädten auf das Formular geschrieben hatte.

Zwei Monate Schurkenstaat, Sommerfrische auf der „Achse des Bösen“. Ich mache da Urlaub, wo andere Diktatur machen. Ich werde nicht das Land von West nach Ost durchqueren oder von Nord nach Süd oder mich von Reiseführertipps und Must-see-Sehenswürdigkeiten leiten lassen. Wo ich hingehe, bestimmen die Menschen. Eine ungefähre Route habe ich geplant, bin aber jederzeit bereit, alles umzuschmeißen, wenn die Iraner etwas Besseres mit mir vorhaben. Und wenn sie schlechtere Ideen haben, mache ich auch mit. When in Qom, do as the Qomans. Oder so.

Mein Reiseziel ist Assimilierung: In den nächsten Wochen will ich abendländischer Blondschopf mich in einen Iraner verwandeln, zumindest ein bisschen. Ach so, und eine Hochzeit ist auch geplant. Die To-do-Liste sieht also folgendermaßen aus: 1. Geheimnisse aufdecken, 2. Iraner werden, 3. heiraten, 4. lebendig wieder rauskommen.

An: Yasmin Teheran

Hey Yasmin, how are you, my dear? This is my
iranian number. When can I come to your place?

An: Masoud Kish

Hey Masoud,this is Stephan from CS,how are you?
I will arrive on Kish in a few days,could you host me
for 1 or 2 nights? Would be great!:)



Stephan Orth

Über Stephan Orth

Biografie

Stephan Orth, Jahrgang 1979, studierte Anglistik, Wirtschaftswissenschaften, Psychologie und Journalismus. Von 2008 bis 2016 arbeitete er als Redakteur im Reiseressort von SPIEGEL ONLINE, bevor er sich als Autor selbstständig machte. Für seine Reportagen wurde Orth mehrfach mit dem Columbus-Preis...

Medien zu „Couchsurfing im Iran“






Für dieses Video ihrer HAPPY-Version sind sechs Jugendliche aus Teheran 2014 vorübergehend im Gefängnis gelandet.
Pressestimmen
Süddeutsche Zeitung

„Stephan Orth ist mit ›Couchsurfing im Iran‹ ein wunderbares Buch über dieses Land im Schwebezustand gelungen.“

Clever reisen!

„Als Couchsurfer reist der Buchautor kreuz und quer durch den Iran und erlebt erstaunliche Abenteuer.“

annabelle (CH)

„In seinem Buch zeichnet er nun ein ganz neues Bild des Landes.“

Die Welt

„Sich arglos im Ausland zu bewegen, gerät als Schreibhaltung manchmal aufklärerischer als jeder journalistische Kommentar von den Dauerkrisenherden der Welt.“

Augsburger Allgemeine

„Das Buch ist eine peppige Reiselektüre mit vielen unterhaltsamen Geschichten.“

Börsenblatt - Spezial Reise und Sprachen

„Eine spannende Alltagsreportage für Leser, die erfahren wollen, was normale Menschen im Iran tatsächlich bewegt.“

Steyrer Amtsblatt

„Hier tut sich eine Welt auf, die weitaus spannender ist als die alten Steinmauern persischer Paläste.“

Neue Presse

„Orth ist so überwältigt von der iranischen Gastfreundschaft, dass seine Euphorie auf den Leser überspringt. Man ertappt sich plötzlich dabei, über eine Iran-Reise nachzudenken.“

NDR Info

„›Couchsurfing im Iran‹ ist eine etwas andere Reiselektüre voll bezaubernder Geschichten.“

Stern

„Guter Journalismus kann sich auch in in einer Reisegeschichte offenbaren. Was etwa Kollege Orth bei seinem Aufenthalt in iranischen Privathaushalten erlebt hat, sagt über das Land mehr als die meisten messerscharf analysierenden Politikgeschichten.(...) Ein prima Buch, auch für Italien-Urlauber.“

Gießener Allgemeine

„Eine kurzweilige und spannende Lektüre, die einen Blick hinter die Kulissen der iranischen Bevölkerung zulässt. Ein Buch, das man nicht aus der Hand legen, sondern in einem Rutsch durchlesen möchte.“

Schweizer Illustrierte (CH)

„Er erlebt absurde, lustige und interessante Begegnungen. Ein authentischer Einblick in die iranische Kultur.“

Börsenblatt

„Orth beschreibt seine heimliche und vom ersten bis zum letzten Tag abenteuerliche Reise quer durchs Land.“

Abenteuer Wege

„Dem Leser geht es ähnlich wie dem Autor selbst: Die Herzlichkeit dieser Menschen und die Normalität ihres Alltags lässt zwischendurch vergessen, in welch autoritär regiertem Land er unterwegs ist. Das Bild des Iran ist nach der Lektüre ein anderes.“

Neue Westfälische

„Mit jeder Geschichte werden die Vorurteile über dieses Land mehr abgebaut und man lernt auf den 240 Seiten mehr als in jeder Nachrichtensendung. Unbedingt lesen!“

Focus

„Spannend, authentisch, menschlich.“

Voralberger Nachrichten

„Ein fesselnder Bericht über ein gastfreundliches Land und die kleinen Freiheiten und großen Sehnsüchte der Bevölkerung.“

Schleswig-Holstein am Sonntag

„Sehr überraschend!“

Frankfurter Neue Presse

„Nach der Lektüre ist man zwangsläufig bis über beide Ohren verliebt in dieses (...) gastfreundliche Volk“

Süddeutsche Zeitung

„Stephan Orth ist mit ›Couchsurfing im Iran‹ ein wunderbares Buch über dieses Land im Schwebezustand gelungen.“

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