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Dr. B.

Dr. B.

Daniel Birnbaum
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Roman

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Dr. B. — Inhalt

Ein Karton voll vergessener Briefe erzählt die wahre Geschichte des „Dr. B.“

Ein Karton voll vergessener Briefe erzählt die wahre Geschichte des „Dr. B.“

Stockholm 1940. Das neutrale Schweden bietet deutschen Emigranten Zuflucht vor den Nazis. Auch Gottfried Bermann Fischer, der legendäre Verleger, ist in die schwedische Hauptstadt geflohen. Mithilfe einflussreicher Freunde gelingt es ihm, einen Exilverlag zu gründen, in dem auch Thomas Mann und Stefan Zweig ihre Werke publizieren. Doch Stockholm wird zunehmend unsicher, und Bermann Fischer will ausreisen. Das Visum dazu könnte ihm sein Mitarbeiter Immanuel Birnbaum verschaffen, ein ebenfalls ausgereister deutscher Journalist. Aber Birnbaum gerät wegen Kollaboration in Haft und bringt damit auch Bermann Fischer in Gefahr.

„Die Geschichte eines vereitelten Anschlags, die schicksalhafte Geschichte des eigenen Großvaters, die beste Geschichte der Welt.“ Svenska Dagbladet


€ 19,99 [D], € 19,99 [A]
Erschienen am 29.07.2021
Übersetzt von: Ursel Allenstein, Hedwig M. Binder
320 Seiten, WMePub
EAN 978-3-492-99627-3
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Leseprobe zu „Dr. B.“

Sein Gesicht zeigte nicht einen Hauch von Röte, aber seine Scham reichte tief. Er stand mit dem Rücken zur Wand des Ganges und spürte die kühle Mauer an seinem Hinterkopf. Das Licht einer Glühbirne, die von der abblätternden Decke hing, fiel auf sein blasses Gesicht. So endete es nun also.

Er hätte sich gern zurückgezogen und blieb doch in dieser hell erleuchteten Ecke stehen, genau dort, wo im ersten Stock des Gefängnisses Kronoberg der östliche Korridor abzweigte. Hier hatte man beide Richtungen im Blick. Er sah sofort, wenn die Wärter einen [...]

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Sein Gesicht zeigte nicht einen Hauch von Röte, aber seine Scham reichte tief. Er stand mit dem Rücken zur Wand des Ganges und spürte die kühle Mauer an seinem Hinterkopf. Das Licht einer Glühbirne, die von der abblätternden Decke hing, fiel auf sein blasses Gesicht. So endete es nun also.

Er hätte sich gern zurückgezogen und blieb doch in dieser hell erleuchteten Ecke stehen, genau dort, wo im ersten Stock des Gefängnisses Kronoberg der östliche Korridor abzweigte. Hier hatte man beide Richtungen im Blick. Er sah sofort, wenn die Wärter einen Neuankömmling in die Zelle führten oder den scheppernden Wagen mit der Suppe herbeischoben. Hier konnten die Häftlinge einander auch kurz begegnen, auf dem Weg zur Wäschekammer, wo die Laken in der Morgendämmerung abgegeben und am Abend wieder abgeholt wurden.

Warum er stehen bleiben durfte, wusste er nicht, die Wärter kamen und gingen an ihm vorüber, als wäre er unsichtbar. Und in genau dieser Ecke entdeckte ihn der Verleger.

Im Schein der Glühbirne sah Immanuel, wie er mit seinem Blick Abstand nahm. Von ihm, der noch vor Kurzem der Neuzugang unter den Lektoren gewesen war, der Journalist mit dem Kürzel Dr. B., der neue Mitarbeiter, den alle schon bald kennengelernt und Immanuel genannt hatten. Jetzt riet der Anwalt des Verlags dringend von jedem Kontakt mit ihm ab. Er hatte ein Verbrechen begangen, das für einen jüdischen Emigranten unverzeihlich war. Offenbar hatte der Anwalt genau dies betont, das Unverzeihliche.

Immanuel hatte ihn um Unterstützung bei der Kontaktaufnahme mit seiner Ehefrau und Familie gebeten. Allein aus Sorge um sie hatte er die lähmende Scham überwunden, die ihn ansonsten so unter Kontrolle hatte, dass jede Bewegung unmöglich schien. Seine Familie lebte in völliger Ungewissheit, ein Zustand, der für seine Frau unerträglich sein musste.

Aber Gottfried Bermann Fischer war nicht einmal stehen geblieben. Er drehte sich auch nicht um, als Immanuel ihn ansprach: „Gottfried, so hören Sie mir doch zu.“

Nein, sein Vergehen war offenbar wirklich nicht zu verzeihen. Und was würde jetzt aus ihnen werden, aus seiner eigenen Familie, aus der des Verlegers? Einer Ausweisung schienen sie kaum mehr entgehen zu können. Stockholm hatte sie gerettet. Bis jetzt. Aber was blieb ihnen nun noch? Die Welt war geteilt. Es gab jene Gebiete, in denen Juden nicht leben konnten. Und jene Gebiete, zu denen sie keinen Zutritt hatten.

Immanuel sah den Verleger auf dem Gang verschwinden.

In der Zelle war es zu dunkel, um den Bericht und all seine ausführlichen Anlagen zu studieren. Allerdings hatte er sie schon so oft gelesen, dass sich bestimmte Passagen fest in sein Bewusstsein gebrannt hatten. Einige konnte er sogar auswendig. Der Brief, um den sich alles drehte, war transkribiert und übersetzt worden, auch die unsichtbaren Zeilen. Jetzt lag der dicke Dokumentenstapel auf dem Boden neben seiner Pritsche. Hin und wieder tastete er im Dunkeln nach ein paar Seiten und führte den Text so nah an die Augen, dass er ihn mit großer Anstrengung schließlich doch entziffern konnte. Nach der Hausdurchsuchung hatte ein beharrlicher Herr vom Geheimdienst, derselbe hoch aufgeschossene Kommissar, von dem Immanuel verhört worden war, eine Schriftprobe mit der Schreibmaschine der Familie Weil angefertigt. Immanuel entzifferte Buchstabe für Buchstabe:

Diese Schriftprobe wurde mit einer Maschine der Marke Rheinmetall erstellt:

Asdfghjköäyxcvbnm,. - qwertzuioüßßßßßß= e987654321“—

)))))§§§§§§§§////////^++++++++++++++++++++++++++++

 

Die Werknummer der Schreibmaschine lautet 161732. Unseren Informationen zufolge gehört sie Weil.

 

23456789é`=

qwertzuiopüß

asdfghjklöa

yxcvbnm,.----

 

Die Maschine unterscheidet sich von anderen, da der Buchstabe Å fehlt. Es darf angenommen werden, dass der Inhaftierte bisweilen mit einer solchen Maschine schrieb, denn wie mir aufgefallen ist, hat er in mehreren Briefen handschriftlich Punkte über den Buchstaben ergänzt. Ferner sind ihm bei der Wahl der Buchstaben einige Fehler unterlaufen. Die Juden Weil geben zwar an, sie hätten ihre Maschinen nicht verliehen, aber auf diese Aussage ist kein Verlass. Und es wäre doch gut, wenn sich herausstellen würde, dass die Briefe auf dieser Maschine verfasst wurden, weil wir dann auch etwas gegen die Juden Weil in der Hand hätten.

 

14. April 1940 / O. D.

 

Es schien, als würden hier die eigenen Überlegungen des Kommissars einfließen, ohne dass sie für das Protokoll überarbeitet worden wären. Der eigentliche Bericht begann mit einer Aufzählung all der Sichtvermerke und Stempel in Immanuels Pass, die er mittlerweile im Schlaf aufsagen konnte. Es folgte eine Erklärung zur Rassenzugehörigkeit des Verdächtigen: Obwohl der Pass des Festgenommenen keinen J-Stempel enthält, besteht er darauf, Jude zu sein. Als er diese Stelle nun zum siebten oder vielleicht sogar achten Mal las, überkam ihn eine solche Müdigkeit, dass seine Augenlider zufielen und das Dämmerlicht in seiner Zelle vom sanfteren Dunkel des Schlafs abgelöst wurde. Im Traum buchstabierte er sich weiter durch den Text: Sein Vater war zweifelsohne Volljude. Die Abstammung der Mutter ist hingegen nicht restlos geklärt.

161732. O. D. All diese Nummern und Abkürzungen verwirrten ihn.

Er lehnte sich auf der Pritsche zurück. Bildete er es sich nur ein, oder hörte er durch die Wand das Klappern einer Schreibmaschine? Oder kam das Geräusch von oben, durch die Decke? Vielleicht erinnerte er sich falsch, aber hatte nicht jemand behauptet, die Untersuchungsberichte würden im selben Gebäudeteil getippt, in dem auch die Zellen lagen, lediglich in einem anderen Stockwerk? Jedenfalls wurde das Geräusch lauter, um anschließend wieder abzuklingen. Dann tauchte es erneut auf, jetzt noch deutlicher. Klack, klack, klack. Vielleicht hatte man auch seinen Haftbefehl in diese Schreibmaschine gehämmert.

Er hatte immer gern seiner Frau gelauscht, wenn sie abends die Artikel ins Reine schrieb, die er tagsüber diktiert hatte. Im Vergleich hierzu war das jedoch ein leises Summen gewesen; das Pling am Zeilenende und das Rasseln des Wagenrücklaufs. Das emsige Klappern hier hatte jedoch eher etwas Metallisches an sich wie das Zirpen von Grillen. Jetzt glaubte er zu erlauschen, dass es mehrere Maschinen waren. Das durchdringende Geräusch sickerte in den Raum hinein. Mittlerweile waren seine Lider so schwer, dass er sie nicht mehr öffnen konnte.

Draußen vor seinem Fenster schien es zu brennen. Es musste das Feuer in der deutschen Kirche St. Gertrud sein, dessen heller Schein und Hitze bis zum Gefängnis reichten. Jenes Feuer, bei dem der Turm eingestürzt und die Spitze mit ihrem goldenen Hahn krachend zu Boden gefallen war, glücklicherweise ohne einen einzigen Fußgänger auf dem Tyska Brinken zu verletzen. Auch der Hahn war unbeschadet geblieben, wie er bei seinem Besuch in der Kirche unlängst selbst festgestellt hatte. Damals hatte er den Jungen oben im Turm verschwinden sehen. Ob er sich wegen des Feuers Sorgen machen musste?

Aber was, wenn es Brandstiftung war, flüsterte eine freundliche Stimme ganz deutlich. Das Schreibmaschinenklappern war verstummt, stattdessen hörte er wieder und wieder das Flüstern. Verstehen Sie doch, es war ganz sicher Brandstiftung. Er erkannte die Stimme wieder, nur wie kam es, dass sie bis hierher drang? Das war Rickman, ganz eindeutig. Alfred Frederick Rickman, der lachende Engländer. Ob Brandstiftung oder nicht, jetzt waren die Flammen sehr nah. Doch es war nicht das Feuer in der St. Gertrud Kirche, dessen Hitze er spürte, das hätte er sofort begreifen müssen. Es war die Redaktion der Norrskensflamman, die brannte. Und gewiss war es Brandstiftung, das wussten alle, und noch dazu war sonnenklar, dass der Redakteur von der Konkurrenz aus Luleå dahintersteckte. Vielleicht hatte er aber auch ein Komplott geschmiedet, gemeinsam mit dem Kreis um den deutschen Konsul, der diesen Polarforscher eingeladen hatte. Wie merkwürdig. Plötzlich war er sich nicht mehr sicher, ob er wirklich Rickmans Stimme hörte oder vielmehr die des deutschen Polarforschers. Jetzt wurden die Stimmen aber ohnehin von Glockengeläut übertönt. Waren das die Glocken der Kirche vor dem Gefängnis, oder jene von St. Gertrud in Gamla Stan, die er tagsüber manchmal vernahm? Das Geläut wurde lauter, aber die Melodie war schwer zu erkennen. Eigentlich fehlte die Tonfolge gänzlich, und sie klangen eher wie die Hammerschläge in einer Schmiede.

Schweißgebadet setzte Immanuel sich auf. Er war eingedöst und hatte wohl fantasiert. Was er gehört hatte, war nichts als das Geräusch von Zellentüren, die unvorsichtig geöffnet wurden. Es waren keine Glocken gewesen, nur das Klirren von Schlüsseln und der unangenehme Lärm, der entstand, wenn der schwere Riegel hochgestellt wurde und gegen den Türrahmen schlug. Flammen waren auch nicht zu sehen, dafür fiel starkes Sonnenlicht durch das kleine Fenster in seine Zelle.

Sein Nachthemd war durchnässt, und sein Herz raste vor Angst. Er setzte seine Füße in genau dem Moment auf den kühlen Steinboden, als die Tür aufging und kommentarlos ein Teller mit Haferbrei auf seinem Nachttisch abgestellt wurde. Dann verließ der wortkarge Wärter die Zelle, die Tür schlug mit einem lauten Scheppern zu, und Immanuel war wieder allein.

Inzwischen war es im Zimmer immerhin so hell, dass er all die Dokumente zusammensuchen konnte, die auf dem Boden verstreut lagen. Ganz oben auf dem Stapel, den er auf seine Pritsche legte, befand sich der Bericht über das Glasgefäß mit der unsichtbaren Tinte und dem deutschen Füller, den er im Sekretär versteckt hatte. Und den Brief an Redakteur Kutzner in Berlin hatten sie nun also transkribiert, und die Zeilen über die Engländer und ihre Pläne waren sichtbar geworden.

Er las:

Die Staatliche Kriminaltechnische Stelle erhielt am 19. April 1940 vom 3. Dezernat der Kriminalpolizei folgendes Material zur Untersuchung: Ein Glasgefäß, das ca. 25 cl einer schwach gelbgrünen Flüssigkeit enthält. Das Gefäß ist mit einem Etikett mit der Aufschrift „T“ versehen. Einen Tintenkuli der Marke „Rotring“. Die Untersuchung soll dem Zweck dienen, die Beschaffenheit der Flüssigkeit im Gefäß zu bestimmen.

 

Die chemische Analyse hat ergeben, dass sie aus einer 0,4 %igen Lösung aus Wasser und gelbem Blutlaugensalz (K4Fe(CN)6) besteht, was hiermit auf Ehre und Gewissen versichert wird.

 

Alles war entdeckt worden.

Hier endete nun also, was nur wenige Monate zuvor in einer unruhigen, aber doch lichten Zeit begonnen hatte. Einer Zeit des Aufbruchs, einer Zeit so hell, dass sie einen blenden konnte. Einer Zeit, in der Immanuel noch Auswege geseh

Daniel Birnbaum

Über Daniel Birnbaum

Biografie

Daniel Birnbaum, Jahrgang 1963, ist Direktor der Londoner Kunstagentur Acute Art. Zuvor leitete er die Städelschule in Frankfurt und das Moderna Museet in Stockholm. "Dr. B." ist sein erster Roman, die Geschichte seines Großvaters Immanuel Birnbaum.

Von Emigranten, Büchermachern, Spionen und Diplomaten - Exil und Emigration zur Zeit des Nationalsozialismus

Ihr biografisches Buch hat in Schweden ein großes Echo gefunden. Hat Sie das überrascht, und was hat Sie besonders daran erfreut?

Viele der Kritiker haben das Buch als ein spannendes Portrait der Stadt Stockholm beschrieben. Das hat mich gefreut. Die Rolle Schwedens während des Krieges ist merkwürdig wenig geschildert.

Für die deutsche Ausgabe gibt es ein eigens geschriebenes Nachwort. Was erwarten Sie für die Publikation in Deutschland, welche Verbindung haben Sie heute noch dorthin?

Ich unterrichte regelmäßig in der Städelschule in Frankfurt wo ich vor zehn Jahren Rektor war. Viele der Protagonisten des Buches kommen aus dem deutschsprachigen Raum.

Sie selbst haben lange im Ausland gelebt, arbeiten aktuell in London – spüren Sie eine besondere Verbindung zu Ihrem Großvater, der im Zentrum Ihres Buches steht? Warum verspürten Sie das Bedürfnis, seine Geschichte in ein Buchprojekt zu fassen?

Sein Schicksal während des Krieges liest sich wie einen Thriller. Der Name ‚Dr B‘ hat mich in den Bereich der Fiktion katapultiert. Das Buch ist kein realistisches Portrait meines Großvaters, ich kannte ihn kaum (war zu jung). Aber es versucht eine spezifische Situation voller Ambivalenzen und Ambiguitäten zu schildern.

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