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Der Mond leuchtet in jeder Pfütze

Abt Muho
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Zazen oder der Weg zum Glück

„In leichtem Ton, humorvoll und zugleich profund erzählt der Autor (…) noch einmal seinen Lebensweg.“ - Buddhismus Aktuell

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Der Mond leuchtet in jeder Pfütze — Inhalt

Lass los und sieh: Es füllt deine Hände!
Wir alle haben es selbst in der Hand, hier und heute glücklich zu leben, doch dafür müssen wir lernen loszulassen - nicht zuletzt unser Streben nach Glück selbst. Der bekannte Zen-Meister und Buchautor Muho stellt anhand seiner bewegten Lebensgeschichte und mit vielen Beispielen aus dem Alltag in einem buddhistischen Kloster die dafür nötige geistige Haltung vor. Darüber hinaus gibt er praktische Tipps für ihre Umsetzung in verschiedenen Lebensbereichen. Er zeigt, wie uns die Praxis des Zen helfen kann, unseren eigenen Weg zum Glück zu finden.
Muho hat viele Jahre das Zen-Kloster in Antaiji geleitet, ehe er sich 2019 dazu entschlossen hat, künftig mit seiner Familie in der Großstadt Ôsaka zu leben. Auch davon, von Abschied und Neubeginn, erzählt dieses Buch.

€ 22,00 [D], € 22,70 [A]
Erschienen am 02.03.2020
240 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag
EAN 978-3-8270-1392-7
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€ 4,99 [D], € 4,99 [A]
Erschienen am 02.03.2020
240 Seiten, WMePub
EAN 978-3-8270-8003-5
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Leseprobe zu „Der Mond leuchtet in jeder Pfütze“

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Einleitung: Wenn nicht ich, wer dann?

Das Kloster in den Bergen

Erkennen, dass es an nichts fehlt

Ziegen, japanische Nudeln und kein Licht am Ende des Tunnels

Das Nirwana liegt im Diesseits

Wie begegnet man einem Ungeheuer?

Im Gefängnis ist es wenigstens warm

Hör auf, danach zu streben, glücklich zu sein

Zurück nach Antaiji

Das Leben ist wie der Atem, ohne Anfang und ohne Ende

Meditieren unter freiem Himmel

Und plötzlich stehst du da als Abt

Wir müssen bei uns selbst beginnen

Meditation – wie geht das?

Die Praxis des Zazen

Im Nebel des Satori

M [...]

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Einleitung: Wenn nicht ich, wer dann?

Das Kloster in den Bergen

Erkennen, dass es an nichts fehlt

Ziegen, japanische Nudeln und kein Licht am Ende des Tunnels

Das Nirwana liegt im Diesseits

Wie begegnet man einem Ungeheuer?

Im Gefängnis ist es wenigstens warm

Hör auf, danach zu streben, glücklich zu sein

Zurück nach Antaiji

Das Leben ist wie der Atem, ohne Anfang und ohne Ende

Meditieren unter freiem Himmel

Und plötzlich stehst du da als Abt

Wir müssen bei uns selbst beginnen

Meditation – wie geht das?

Die Praxis des Zazen

Im Nebel des Satori

Man muss die Fackel weiterreichen, solange sie noch brennt

Das Lächeln des Mondes


Vorwort

Fünfzehn Jahre ist es nun her, dass mich die Anfrage erreichte, ob ich nicht Lust hätte, ein autobiografisches Buch über das Glück zu schreiben. Bei meiner Antwort konnte ich es mir nicht verkneifen, mit einem Zitat des japanischen Zen-Meisters Sawaki Kodo Roshi zu antworten: „Du suchst nach Glück und Frieden? Mach dir erst mal ordentlich Sorgen!“ Wie zum Teufel war die Dame nur darauf gekommen, ausgerechnet mir dieses Thema anzutragen? Warum glaubte sie, ich könnte den Menschen auf ihrer Suche nach dem Glück etwas mitzuteilen haben, was sie noch nicht wussten?

Damals veröffentlichte ich regelmäßig kurze Artikel auf der Homepage unseres Klosters, des Klosters Antaiji in den japanischen Bergen. Meine sowohl auf Englisch als auch auf Japanisch verfassten Texte drehten sich allerdings nicht um Glück, sondern um die Opfer, die die Praxis des Zen-Wegs von jedem verlangt, der sich für ihn entscheidet. Die Zahl meiner Leser blieb überschaubar. Sie bewegte sich konstant im zweistelligen Bereich. Dennoch war ich schon einige Male gebeten worden, die Artikel auch auf Deutsch zu veröffentlichen. Aber dazu fehlte mir die Zeit. Überhaupt erschien es mir wichtiger, erst einmal die Werke des bereits erwähnten Sawaki Kodo Roshi auf Deutsch zugänglich zu machen. Von ihm, meinem Vor-Vor-Vor-Vorgänger im Amt des Abts von Antaiji, hatte ich viel gelernt. Es war mir ein Bedürfnis, seine Texte in meine Muttersprache zu übersetzen. Vielleicht würden sich auch deutsche Leser von ihnen inspirieren lassen können.

Zeit verging, aber der Gedanke, auch einmal meine eigene Geschichte in einem Buch zu erzählen, blieb. Die Idee reizte mich mehr, als ich mir anfangs eingestanden hatte. Ich gab mein Einverständnis. Warum eigentlich auch nicht? Philosophen, Hirnforscher, Psychologen, Ernährungswissenschaftler, Lifestyle-Gurus, Astrologen, sogar der Dalai-Lama – seit der Antike hatten sich schon viele am Thema Glück versucht. Jeder war davon überzeugt gewesen, die Antwort gefunden zu haben, nach der Generationen unglücklicher Menschen vor ihm oder ihr vergeblich gesucht hatten. Ich sah dieses anscheinend nie endende Jagen nach dem Glück durchaus kritisch. Vielleicht sollte ich ja gerade darüber schreiben?

Ich ließ mich auf das Wagnis ein, obwohl mich zu jener Zeit in Deutschland nur sehr wenige kannten, und die höchstwahrscheinlich von einem Dokumentarfilm mit dem Titel „Der Abt von Antaiji“, der in einigen dritten Programmen gelaufen war.

Das Buch Zazen oder der Weg zum Glück erschien schließlich im Januar 2007. Darin wechselten sich eher theoretische Überlegungen zum Thema Glück mit Kapiteln über mein bisheriges Leben ab: Kindheit und Jugend, Arbeit und Familie, die Praxis des Zen, die Liebe und das Leben im Kloster. Ich ließ nichts aus. Wenn ich das Buch heute zur Hand nehme, kommt es mir vor, als hätte ich beim Schreiben manchmal die Orientierung verloren und sei zu weit vom Weg abgekommen. Deshalb habe ich mich sehr gefreut, als mir der Berlin Verlag anbot, das Buch in einer von mir gründlich überarbeiteten und erweiterten Fassung neu aufzulegen.

Ich machte mich an die Arbeit. Manches hatte ich inzwischen in deutlich ausführlicherer Form in meinen beiden anderen Büchern erzählt (Ein Regentropfen kehrt ins Meer zurück, 2016, und Das Meer weist keinen Fluss zurück, 2018); diese Passagen konnte ich leichten Herzens streichen. Auch die Kapitel über meine Kindheit nahm ich mir vor. Sie erschienen mir nun regelrecht larmoyant. Als ich sie geschrieben hatte, waren meine Kinder noch ganz klein gewesen. Ich hatte, wie wohl jeder Vater, geglaubt, alles anders und vor allen Dingen besser machen zu können, als es mein Vater vermocht hatte. Die Jahre haben mich eines Besseren belehrt. Wahrscheinlich versteht man erst dann seine Eltern wirklich, wenn man sich dabei ertappt, dass man sich in einigen Situationen ganz genauso verhält wie sie.

Fast vollständig neu hinzugekommen sind meine Erinnerungen an die traumatischen Erlebnisse in einem Kyotoer Zen-Kloster der Rinzai-Schule. Als das Buch zum ersten Mal erschien, lagen diese Erlebnisse noch nicht lange genug zurück, um sie einigermaßen gelassen erzählen zu können. Selbst das wenige, das ich damals zu Papier brachte, kostete mich Mühe und verursachte Schmerz. Heute kann ich der Zeit in Kyoto sogar komische Seiten abgewinnen und mein damaliges Ich mit Selbstironie betrachten. Die Zeit ist über den damaligen Schmerz hinweggegangen.

Das Ende des Buches ist noch immer der Praxis des Zazen, der Meditation im Sitzen, gewidmet, denn sie steht nach wie vor im Zentrum meines Lebens. Bei der erneuten Lektüre erschienen mir meine alten Ausführungen dazu zwar nicht falsch, aber doch ein wenig dogmatisch. Damals schrieb ich, dass es beim Zazen ausschließlich um das Sitzen selbst gehe, nicht etwa um Entspannungs- oder Aufmerksamkeitsübungen. Auch Erleuchtung sei nicht das Ziel, schließlich gelte das Motto: Zen bringt nichts! Das war mein Standpunkt vor fünfzehn Jahren, und er ist es auch noch heute. Allerdings habe ich nun versucht, genauer zu erklären, warum es sich so verhält. Und ich gestehe mittlerweile auch gerne zu, dass Aufmerksamkeitsübungen durchaus den Zen-Einstieg erleichtern können, wie auch die eine oder andere kleine Erleuchtung entlang des Weges zum Weitergehen motivieren kann. Deshalb werden meine früheren Ausführungen nun flankiert von einem Kapitel über das kleine ABC der Meditation sowie einem Kapitel über die Erleuchtung, also über das, was im Zen „Satori“ heißt.

Als dieses Buch zum ersten Mal veröffentlicht wurde, war ich Ende dreißig und noch nicht lange Abt von Antaiji. Heute bin ich Anfang fünfzig und stehe wieder vor einem Neubeginn. Mein Weg hat mich von den japanischen Bergen zurück in die Großstadt geführt, nach Osaka, wo ich mit meiner Familie lebe. Zwar bin ich nicht mehr, wie noch vor zwanzig Jahren, obdachlos, doch wie damals sitze ich nun seit einigen Monaten wieder unter freiem Himmel im Park, um zu meditieren. Bis vor Kurzem hat mich das Halten von Vorträgen und Leiten von Seminaren inner- und außerhalb Japans sehr viel Kraft gekostet. Schließlich waren da noch meine Verpflichtungen als Abt. Ich hatte Sorge zu tragen für die Klostergemeinschaft. In Zukunft werde ich mich all dem mit viel mehr Ruhe und Energie widmen können. Darauf freue ich mich. Zwar wird es den „Abt Muho“ dann nicht mehr geben, aber durch diesen Schritt wird, so hoffe ich, nichts verloren gehen, sondern weiterhin vorhanden sein, nur anders und noch einmal neu.

Einleitung: Wenn nicht ich, wer dann?

Die Frage nach dem Glück wird vermutlich gestellt, seit es Menschen gibt. Was ist Glück? Wie lebt man ein glückliches Leben? Wie schafft man es, das Glück zu finden und dann auch nicht mehr zu verlieren? So viele große Denker haben sich schon mit diesem Thema beschäftigt, haben auch durchaus Antworten und Glücksrezepte gefunden. Aber leider widersprechen sich diese oft nicht nur gegenseitig, sondern bieten dann eben doch nicht den Königsweg zur Glückseligkeit. Auch im 21. Jahrhundert geht die Suche nach dem Glück deshalb unvermindert weiter – zumal in Deutschland, wo materieller Wohlstand, wie mir scheint, häufig mit Pessimismus und spiritueller Armut einhergeht.

Ich habe mir nicht vorgenommen, in diesem Buch endgültige Antworten zu geben. Woran so viele bereits gescheitert sind, das wird ganz sicher auch mir nicht gelingen. Doch ich möchte zumindest eine Art Kompass entwerfen, der dorthin weist, wo meiner Meinung nach das Glück verborgen sein könnte. Ausgangspunkt werden dabei meine eigenen Erlebnisse und Erfahrungen sein. Ich möchte aus meinem Leben erzählen, von meiner ganz persönlichen Suche nach dem Glück, die mich schließlich bis nach Japan geführt hat. Aber ich möchte auch allgemeine Überlegungen zum Wesen des Glücks und zu unserer Sehnsucht, es zu finden, anstellen. Letztlich haben sowohl die autobiografischen als auch die eher theoretischen Kapitel dasselbe Ziel: Sie sollen zeigen, dass das Glück niemals fern ist, sondern dass wir es oft längst schon in unseren Händen halten, ohne uns dessen bewusst zu sein.

Ich war sieben Jahre alt, als meine Mutter starb. Fortan verbrachte ich sehr viel Zeit allein. Ich begann zu grübeln und hörte viele Jahre nicht mehr damit auf. Die Fragen, die ich mir stellte, waren stets dieselben: Warum leben wir überhaupt, wenn wir doch alle sowieso sterben müssen? Wozu all die Anstrengung in der Schule, wozu die Hektik bei der Arbeit, wozu eine Familie gründen? Ist im Angesicht des Todes nicht sowieso alles sinnlos? Antworten erhielt ich weder von meinem Vater noch von meinen Lehrern. Die vertrösteten mich nur: „Irgendwann wirst du das schon verstehen, du kleiner Philosoph.“

Ich wurde den Verdacht nicht los, dass die Erwachsenen selbst vollkommen im Dunkeln tappten. Also dachte ich auf eigene Faust weiter. Wenn das Leben überhaupt einen Sinn haben soll, überlegte ich, dann kann der eigentlich nur darin bestehen, so viel Spaß wie möglich zu haben, ehe alles vorbei ist. Andererseits schien auf jedes noch so kleine Vergnügen eine neue Welle von Überdruss und Langeweile zu folgen, die die kurzen Augenblicke des Glücks und der Zufriedenheit einfach mit sich riss. Jeder Tag kam mir wie eine Ewigkeit vor, mein Leben erschien mir trist und freudlos. In der Pubertät dachte ich oft daran, mir das Leben zu nehmen. Schon der Gedanke, dass mir dieser Ausweg immer offenstehen würde, hatte etwas Tröstliches, wenn ich insgeheim auch wusste, dass ich niemals den Mut aufbringen würde, meine düsteren Pläne in die Tat umzusetzen. Zum Glück.

Mit sechzehn kam ich ins Internat. Einer der Lehrer dort leitete einen Meditationskurs „im Stil des Zen“, wie es hieß. Er lud auch mich ein, daran teilzunehmen. Ich hatte kein sonderliches Interesse daran. Fernöstliche Spiritualität genoss bei mir nicht gerade den besten Ruf. Ich hatte von einem Bhagwan in Indien gehört, der stets mit einem Rolls-Royce durch die Gegend fuhr. Das schien mir auf keine sehr erleuchtete Einstellung hinzuweisen. Also sagte ich ab, doch der Lehrer ließ nicht locker. Zwei Wochen später kam er wieder auf mich zu: „Willst du es denn nicht doch einmal ausprobieren?“ Langsam roch es nach Sekte. Als ich erneut bekundete, kein Interesse zu haben, blieb er hartnäckig: „Wenn du es noch nie versucht hast, woher willst du dann wissen, dass es dich nicht interessiert?“ Dieses Argument war schlagend. Ich wusste nichts mehr zu erwidern und ließ mich darauf ein, mir alles einmal anzuschauen – „aber nur ein einziges Mal!“. Daraus wurden drei Jahre, in denen ich kaum einen Termin versäumte. Am Ende leitete ich den Kurs sogar. Dass ich irgendwann in Japan zum Zen-Meister werden würde, hätte ich mir damals dennoch nicht träumen lassen.

Was hatte meine anfänglichen Zweifel zerstreut? Zuerst war es die eigentlich ganz selbstverständliche, mir aber doch wie eine Offenbarung erscheinende Erfahrung, über einen Körper zu verfügen. Hätte man mich, bevor ich mit der Meditation begann, gefragt, was mich ausmachte, worin mein Ich bestand, wäre mir sicher nur eine Antwort eingefallen: „Mein Hirn, das bin ich. Was auch sonst?“

Doch beim Meditieren auf dem Sitzkissen nahm ich zum ersten Mal bewusst meinen Atem wahr, das Schlagen meines Herzens und den Halt meines Rückgrats. Oft hatte man mich auf meine schlechte Körperhaltung hingewiesen, immer war es mir egal gewesen. Schließlich kam es doch ausschließlich auf die Welt in meinem Kopf an. Erst jetzt merkte ich, wie sehr ich mich getäuscht hatte. Mir wurde klar, dass sich das Geistige nicht davon trennen ließ, wie ich mit meinem Körper umging. Eine bestimmte Körperhaltung konnte meine Wahrnehmung der Welt verändern und dadurch auch mich selbst. Darüber wollte ich mehr erfahren. Ich besorgte mir Bücher über Zen. Zum ersten Mal begegnete ich der Geschichte des indischen Prinzen, der nicht König werden wollte. Er glaubte erkannt zu haben, dass das Leben in seinem Kern Leiden ist. Mir sprach dieser Jüngling aus der Seele. Heute kennt ihn jeder unter dem Namen Buddha.

Nach dem Abitur studierte ich in Berlin Japanologie. Während zweier Auslandssemester an der Universität in Kyoto lernte ich dann Antaiji kennen, ein Zen-Kloster in den japanischen Bergen. Ich glaubte, endlich am Ziel zu sein. Nach Abschluss meines Studiums bat ich den Abt, mich als Schüler anzunehmen und zum buddhistischen Mönch zu ordinieren. Er entsprach meinem Wunsch, und für kurze Zeit schien alles perfekt. Doch das Leben als Zen-Mönch gestaltete sich weitaus schwieriger, als ich es mir vorgestellt hatte. Beispielsweise hatte ich bis dahin noch nie körperlich hart gearbeitet, ja nicht einmal etwas getragen, das das Gewicht eines dicken philosophischen Wörterbuchs überstieg. Das rächte sich jetzt. Die Mönche in Antaiji versorgten sich selbst, und da ich nun einer von ihnen war, warteten auch auf mich Feld- und Bauarbeiten, Baumfällen und Holzhacken. Dazu kam der Küchendienst. Plötzlich stand ich, der gerade einmal Rühr- und Spiegeleier einigermaßen unfallfrei hinbekam, allein am Herd und musste für die ganze Mönchsgemeinschaft kochen.

Mehr als einmal packte ich meine Koffer, mehr als einmal blieb ich nur deshalb im Kloster, weil der letzte Bus des Tages, der mich von der Haltestelle am Fuß des Berges zurück in die Stadt hätte bringen können, schon abgefahren war. Ich teilte die Zeit in kleine, überschaubare Einheiten. Morgens sagte ich mir: Wenigstens bis zum Mittag versuche ich durchzuhalten. Und nach dem Mittagessen: Diesen Nachmittag werde ich noch schaffen. Dann wurde es wieder Abend, der Bus war einmal mehr schon weg, und ich hatte einen weiteren Tag im Zen-Kloster hinter mich gebracht.

Dass die ersten Jahre alles andere als glücklich verliefen, lag nicht nur an der körperlichen Arbeit. Auch an die strenge Hierarchie im Klosteralltag konnte ich mich nur schwer gewöhnen. Überhaupt erschien mir alles mühsam und letztlich sinnlos. Erst allmählich änderte sich meine Sichtweise. Ich begann zu begreifen, dass die Antworten auf meine vielen Fragen nicht irgendwo in der Zukunft auf mich warteten. Ja sogar, dass die Fragen sich an niemand anderes richteten als an mich selbst. Also lag es auch ganz allein an mir, sie zu beantworten. Wenn nicht ich es tat, wer dann? Wenn es nicht heute geschah, wann dann? Und wenn nicht an diesem Ort, wo dann? Diese Erkenntnis machte vieles leichter. Ich hatte verstanden, dass mein Weg direkt unter meinen Füßen begann und jeder einzelne Tag, jeder Augenblick und jeder Atemzug einen neuen Schritt auf diesem Weg bedeuteten. Gleichzeitig wurde mir aber auch klar, dass ich lernen musste, mich selbst ganz aufzugeben, um diesen Weg überhaupt beschreiten zu können.

Zehn Jahre nach meiner ersten Begegnung mit dem Meister von Antaiji übertrug er mir formell die Lehre, das heißt, er bevollmächtigte mich dazu, als eigenständiger Zen-Meister selbst Schüler annehmen zu können. Die letzten Worte, die er an mich richtete, lauteten: „Von nun an gehst du deinen eigenen Weg. Um das Kloster brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Wenn ich aber sterbe, dann komm zurück.“ Ich glaube, dass mein Meister jedem seiner Schüler dasselbe gesagt hat – dass er zu diesem Zeitpunkt noch nicht entschieden hatte, wer einmal sein Nachfolger werden sollte, er aber dafür Sorge tragen wollte, dass einer seiner Schüler Antaiji weiterführen würde, wäre er selbst einmal nicht mehr in der Lage dazu. Keiner, außer ihm selbst vielleicht, konnte ahnen, wie schnell es dazu kommen würde.

Ich hätte nach Deutschland zurückgehen können, aber ich entschied mich dagegen. Ich hatte eine Idee, die ich gern in die Tat umsetzen wollte, und das ging nur in Japan. Ich wollte irgendwo in der Großstadt eine Zen-Gruppe gründen und Zazen, also die Sitzmeditation des Zen, praktizieren. Zazen spielt in der modernen, stark am Westen orientierten japanischen Gesellschaft kaum eine Rolle. Nur in wenigen, noch dazu weit abgelegenen Priesterseminaren haben die Japaner heute überhaupt noch Gelegenheit, an der Praxis der Zen-Mönche teilzunehmen.

Für mich bedeutete mein Vorhaben, eine Schuld zu begleichen. Ich wollte all das, was ich gelernt hatte, an andere weitergeben. Also schlug ich buchstäblich meine Zelte in Osaka auf, und zwar im Zentrum dieser Millionenstadt, im Schlosspark. Dort lebte ich gemeinsam mit Hunderten von Obdachlosen, die ebenfalls ihre Planen zwischen die Bäume gespannt hatten. Morgens meditierte ich zwei Stunden lang mit jedem, der mitmachen wollte, danach ging ich betteln oder übersetzte Zen-Bücher ins Deutsche.

Der Park war mein Zuhause geworden, als mich ein Anruf auf meinem Handy erreichte: Mein Meister war beim Schneeräumen tödlich verunglückt. Ich musste zurück nach Antaiji. Kurz darauf war ich verantwortlich für das Kloster und für die fünfzig Hektar Land, die zu ihm gehören. Als Abt hielt ich achtzehn Jahre lang die Tore für jeden offen, der mit mir den Weg des Zen gehen wollte. Dass dieser Weg der einzige ist, der zum Glück führt, will ich nicht behaupten. Vielmehr möchte ich in diesem Buch darüber nachdenken, ob es sich dabei überhaupt um einen Weg zum Glück handelt und nicht doch viel eher um ein Loslassen, Sich-Öffnen und Übernehmen von Verantwortung.



 Abt Muho

Über Abt Muho

Biografie

Muho wurde 1968 als Olaf Nölke in Berlin geboren. Er studierte Philosophie, Japanologie und Physik an der Freien Universität Berlin. Während seines Studiums ging er für ein Jahr nach Japan, sechs Monate davon verbrachte er in dem buddhistischen Kloster Antaiji. Später wurde er dort als Mönch...

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„In leichtem Ton, humorvoll und zugleich profund erzählt der Autor (…) noch einmal seinen Lebensweg.“

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