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Auf Jesu Spuren

Nils Straatmann
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Eine Wanderung durch Israel und Palästina

„Straatmann zeichnet ein vielschichtiges Stimmungsbild einer umkämpften Region, die drei Weltreligionen heilig ist.“ - Leipziger Volkszeitung

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Auf Jesu Spuren — Inhalt

Wandern, wo Jesus von Nazareth wandelte: Nils Straatmann reist mit einem alten Schulfreund den Lebensweg des historischen Jesus nach – vom vermeintlichen Geburtsort Bethlehem, den heute eine riesige Mauer dominiert, durch den Golan bis zum Hermon, auf dem im Winter der Skitourismus boomt. Mit unstillbarer Neugier erkundet der junge Theologe, was von den Ideen des einstigen Erlösers im Heiligen Land geblieben ist. Trifft in einem Beduinen-Camp auf Harry Potter, fährt mit einem der letzten Fischer auf den See Genezareth und wird bei einem palästinensischen Barbier als Spion verdächtigt. Dabei nähert er sich fundiert und ebenso skeptisch wie selbstironisch den drei Weltreligionen an. Räumt mit Vorurteilen und weitverbreitetem Halbwissen auf. Und erfährt bei seinen Begegnungen, dass die Fähigkeit zur Nächstenliebe eine der größten menschlichen Stärken ist.

€ 18,00 [D], € 18,50 [A]
Erschienen am 01.09.2017
304 Seiten, Klappenbroschur
EAN 978-3-89029-479-7
Download Cover
€ 15,00 [D], € 15,50 [A]
Erschienen am 31.03.2022
304 Seiten, Klappenbroschur
EAN 978-3-492-40657-4
Download Cover
€ 9,99 [D], € 9,99 [A]
Erschienen am 01.09.2017
304 Seiten, WMePub
EAN 978-3-492-96569-9
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Leseprobe zu „Auf Jesu Spuren“

Prolog


8. Juli 2016, Zgheib-Militärbasis, Sidon, Libanon
Mehrere Rollen NATO-Draht schirmen die Straße vom restlichen Verkehr ab. Ein Panzer steht in der Einfahrt, das Rohr direkt auf uns gerichtet. Ein Typ in Uniform sitzt am Geschützturm und raucht eine Zigarette. Hinter ihm an einer Schranke stehen weitere Soldaten. Von ihren Schultern hängen Gewehre.
„Was wollt ihr hier?“, fragt einer von ihnen auf Englisch.
„Wir brauchen eine Genehmigung, um in den Süden des Landes zu kommen“, antworte ich so naiv wie möglich. »Uns wurde gesagt, wir sollen uns an euch [...]

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Prolog


8. Juli 2016, Zgheib-Militärbasis, Sidon, Libanon
Mehrere Rollen NATO-Draht schirmen die Straße vom restlichen Verkehr ab. Ein Panzer steht in der Einfahrt, das Rohr direkt auf uns gerichtet. Ein Typ in Uniform sitzt am Geschützturm und raucht eine Zigarette. Hinter ihm an einer Schranke stehen weitere Soldaten. Von ihren Schultern hängen Gewehre.
„Was wollt ihr hier?“, fragt einer von ihnen auf Englisch.
„Wir brauchen eine Genehmigung, um in den Süden des Landes zu kommen“, antworte ich so naiv wie möglich. „Uns wurde gesagt, wir sollen uns an euch wenden.“
„Wer hat das gesagt?“
„Freunde. Im Hostel.“
Der Soldat winkt uns zu einem weiß getünchten Empfangshäuschen, wo ein schlecht gelaunter Beamter hinter einem abgewetzten Schreibtisch unsere Pässe kontrolliert.
„Telefone?“, fragt er barsch. „Abgeben!“
Wir ziehen unsere Handys aus der Tasche und händigen ihm damit unsere einzige Sicherheit aus. Sein Blick fällt auf unsere Flipflops.
„Was sind denn das für Schuhe? Das sind keine Schuhe! Habt ihr andere dabei?“
Ich schüttle den Kopf.
„Ich mag eure Schuhe nicht. Die werden Probleme bereiten. Besorgt euch andere Schuhe!“
„Wir haben kei…“
„Dann haut ab!“
Ich blicke zu Sören, er blickt zurück. 12 000 Kilometer, Hamburg–Tel Aviv–Hamburg und dann zurück in den Nahen Osten. Wochen voller Recherchen, je ein zweiter Reisepass, ein kompletter Gepäckwechsel, und das alles, nur um jetzt von einem mies gelaunten Typen mit schlecht gestutztem Schnurrbart wegen unserer Flipflops abgewiesen zu werden. Danke, Jesus! Hätten sich die Torwachen in Jerusalem wegen deiner Sandalen so angestellt, hätte sich deine Botschaft nie verbreiten können.
„Gibt es wirklich keine Möglichkeit, mit diesen Schuhen …“, setze ich an, doch der Beamte grätscht dazwischen: „Hört zu: Entweder ihr steht hier jetzt noch eine Weile rum, und ich lasse euch von den Jungs da draußen abführen oder ihr besorgt euch von irgendwoher vernünftige Schuhe und kommt morgen wieder!“
Wir treten auf der Stelle. Morgen wollen wir uns bereits auf dem Weg in die Berge befinden. Kurz überdenke ich unsere Möglichkeiten. Dann schultere ich meinen Jutebeutel und mache mich schleunigst auf den Rückweg nach Beirut.

Knapp drei Stunden später bin ich wieder da. In der Hand trage ich meine Nikes und Sörens schwere Wanderstiefel, die auf beinahe 400 Kilometern in ehrlichem Männerschweiß durchgewalkt wurden. Sören, der im Schatten einer Pinie gewartet hat, hebt den Blick. Seit das Display seiner Kamera kaputt ist, sieht er beim Sichten der Aufnahmen immer so aus, als würde er sehr konzentriert seine Füße fotografieren.
„Der Geruch Ihrer Schuhe hat Ihr Kommen bereits angekündigt, Sir“, begrüßt er mich. „Shall we?“
Ich nicke.
Diesmal bereitet uns der Beamte keine Probleme. Wir geben unsere Handys und Jutebeutel ab, dann werden wir ins Lager geleitet. Militärfahrzeuge und aufgeschichtete Sandsäcke. Überwachungskameras, derbe Jungs mit Maschinengewehren. Ein hagerer Kerl in Flipflops führt uns hinter das Hauptgebäude zu einem schlecht klimatisierten Container, in dem wir erwartet werden.
Wir sitzen auf einem mit schwarzem Kunstleder überzogenen Drahtgestell. Zwei Schreibtische, Furnierholz, darüber ein sich träge drehender Ventilator, der den Muff von zu oft geatmeter Luft im Raum verteilt. Vor uns ein Mann, dessen aufgesetztes Lächeln nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass er in seiner Freizeit wahrscheinlich gerne Menschen frisst.
„Pässe?“, blafft er, während sein Kollege im hoffnungslosen Versuch, eine Fliege zu erschlagen, eine zusammengerollte Zeitschrift durch die Luft schwingt.
„Deutsche, ja?“ Er wirft uns einen misstrauischen Blick zu. „Und ihr wollt in den Süden? Was habt ihr da vor?“
Jetzt bloß nichts über Israel sagen, denke ich. So, wie es uns eingebläut wurde: Kein Wort über Israel und Palästina.


Das geheime Gatsby

„Sie müssen doch Gatsby kennen.“
F. Scott Fitzgerald


16. Mai 2016, Ben Gurion Airport, Tel Aviv, Israel
Sören und ich stehen vor einer Scheibe aus Panzerglas, die uns und unsere Pässe voneinander trennt. Geschäftig dreinblickende Reisende schauen auf ihre Uhren, schreiende Kinder und ungeduldige Blicke rempeln uns an. Durch einen Spalt unter der Scheibe sprechen wir mit zwei Grenzbeamten.
„Zum ersten Mal in Israel?“, fragt ein junger Mann in dunkelblauer Uniform durch den Schlitz.
„Ja“, antworte ich.
„Ihr gehört zusammen?“
„Jupp.“
„Wie lang bleibt ihr?“
„Zwei Monate.“
„Was macht ihr?“
„Wir wollen so nah wie möglich an der historischen Route Jesu entlangwandern.“
Er tippt etwas in seinen Computer. „Wandern? Wieso wandern? Es ist heiß!“
„Weil Jesus auch gewandert ist. Kein Auto, kein Führerschein. Die hatten ja nichts …“
Der Beamte lacht nicht. „Und wo wandert ihr lang?“
„Wir beginnen in Bethlehem. Von dort fahren wir nach Nazareth und wandern am See Genezareth entlang bis zum Hermon an die Nordgrenze. Von da aus dann zurück nach Jerusalem.“
Der junge Mann berät sich kurz und mit ernsten Blicken mit seiner Kollegin, dann schaut er wieder zu uns. „Und warum kommt ihr dafür nach Israel? Warum fahrt ihr nicht in ein anderes Land?“
Ich zögere. „Na ja … In England auf den Spuren Jesu zu wandern wäre nicht sehr klug, oder?“
Ein paar ruppig geschriebene Notizen mit dem Kugelschreiber, und abschließend noch genau vier Fragen an meinen Begleiter:
„Du heißt Sören?“
„Ja.“
„Wie heißt dein Vater?“
„Peter.“
„Und dein Großvater?“
„Hans-Joachim.“
„Wieso heißt du dann Sören? Das ist kein deutscher Name!“ Der Beamte macht ein Gesicht, als hätte er ihn gerade bei einer Straftat überführt.
Sören schaut verdutzt. Er streicht sich das lange Haar zurück. „Also … wir kommen aus Norddeutschland. Da macht man so was. Wir sind Wikinger da oben, wissen Sie?“ Wobei er offenlässt, ob er mit „da oben“ den Norden oder seinen Kopf meint.
Fünf Minuten später befinden wir uns auf dem Weg zum Gepäckband. „Nice“, flüstert Sören. „Wikinger ziehen immer.“

Das Sammeltaxi, das uns in die Jerusalemer Altstadt bringen soll, teilen wir uns mit einigen orthodoxen Juden. Schläfenlocken, weiße Hemden, dunkle, breitkrempige Hüte. Ich schäme mich dafür, wie neugierig ich sie anstarre.
Die Ledersitze sind von Brandflecken durchlöchert, durch die Fenster pfeift Wind herein. Dörfer fliegen vorbei, deren Namen auf den Straßenschildern in drei Sprachen ausgewiesen sind. Die arabischen Schriftzeichen erinnern mich immer an einen Schwerttanz. An den Hängen der Hügel wachsen Olivenbäume, grau und knorrig, seit Tausenden von Jahren. Manchmal auch Kakteen. Dann verändert sich die Landschaft, und wir passieren Zäune, NATO-Draht und rauchende Soldaten. Die westlichen Ausläufer Jerusalems.
Unser Fahrer setzt uns am Damaskustor ab. Eine Gruppe Polizisten bewacht den Verkehrskreisel davor, ein Scharfschütze hockt zwischen den Zinnen der Altstadtmauer. Im Licht der untergehenden Sonne sieht es beinahe schön aus.
Die Altstadt ist in vier Bezirke aufgeteilt: das muslimische Viertel, das jüdische Viertel, das armenische Viertel und das christliche Viertel. Wir durchwandern die von Millionen Füßen blank gebohnerten Gassen, riechen Baklava und Falafel, und just als wir unsere Herberge erreichen, knackt irgendwo ein Lautsprecher, und über die geschäftig klingende Geräuschkulisse aus fremden Sprachen, Souvenirgeklimper und Taubengurren erhebt sich das übersteuerte Lied eines Muezzins, das von einem Minarett gegenüber unserer Unterkunft schallt.
Das „Österreichische Hospiz zur Heiligen Familie“ liegt im muslimischen Viertel. Als sichtbare Präsenz der Habsburger wurde es 1856 im Heiligen Land erbaut, diente als Pilger-, dann als Waisenhaus, später als Hospital und schließlich wieder als Pilgerhaus. Kaiser Franz Joseph war zu Besuch, der jordanische König Hussein und nun wir, die wir uns den Reisestaub von den Hosen klopfen und von der Veranda des Hospizes das Treiben der jahrtausendealten Stadt bestaunen.
Anschließend machen wir uns auf schnellstem Weg zurück in die Stadt, denn wir haben noch einen Termin: Chris, der Freund eines Freundes, erwartet uns im „Gatsby“. Eine angesagte Cocktailbar, die versteckt hinter einem anderen Café liege, welches wiederum in einer Parallelstraße der Jaffa Street sei. Zweimal laufen wir an besagtem Café vorbei, bis Chris selbst uns an der Schulter packt und erklärt, dass wir schon beim ersten Mal richtig gewesen seien. Er trägt einen ansehnlichen Fünftagebart und einen Bauch, der nicht groß genug ist, um ihn als dick zu bezeichnen. Er führt uns über die Terrasse des Cafés, an deren Ende wir durch eine schäbig aussehende Tür in einen schwach ausgeleuchteten Raum treten.
Ein junger Mann mit gezwirbeltem Schnurrbart steht an einem Tresen aus dunklem Tropenholz. An der Decke hängen milchige Pub-Lampen, der Boden ist mit rotem Teppich ausgelegt. Überall Bücherregale. Die gesamte Einrichtung zitiert den dekadenten Wohlstand der Roaring Twenties, und man wartet nur darauf, gleich Leonardo DiCaprio oder Tobey Maguire hereinkommen zu sehen. Das einzige Problem: Es ist keine Bar. Es gibt keinen Zapfhahn, keine Spirituosen, nur den Typen mit dem Schnurrbart, die Bücher an der Wand und eine kleine silberne Tischglocke, die auf dem Tresen steht und darauf wartet, gedrückt zu werden.
„Die Jungs gehören zu mir“, erklärt Chris. Der Rezeptionist betätigt die Klingel, das Bücherregal vor uns schwingt zur Seite, und wir treten ein.
Das „Gatsby“ wirkt wie ein geheimer Klub des schönen Stils. Weiße Wände, mit Marmor ausgekleidet, dahinter diffuse Lichtquellen, in deren Schein alles weich und attraktiv aussieht. Die Winkelgasse der Boheme. Die Bar im Jugendstil, an der Rückwand ein großer Spiegel, der von Spirituosen in allen Variationen verdeckt wird. Die männlichen Gäste tragen Hosenträger und Hut, die weiblichen meist Cocktailkleid und Federboa. Die Getränke werden hier designt. Sie haben Namen mit zu vielen Silben und werden in ausgefallenen Gläsern mit dazupassenden Eiswürfeln serviert.
Viele Frauen kommen und umarmen Chris, er unterhält sie charmant und untermalt seine Sätze mit kleinen Gesten der Finger. Wie nebenbei berichtet er uns, dass er vor zwei Tagen einen Anruf vom Militär erhalten habe. Er solle sich als Reservist bereithalten, die dritte Intifada sei in vollem Gange. Gerade heute Morgen sei wieder jemand mit einem Messer vor dem Damaskustor attackiert worden. Daher der Name: Messer-Intifada.
Ich zucke zusammen. Meine Frage, wie beunruhigend die Lage sei, wischt Chris mit einem Wink beiseite. „Wir haben die beste Armee der Welt. Wenn sie uns angreifen, schlagen wir zurück!“
„Aber das schützt doch nicht vor den Angriffen an sich.“
Chris nippt an seinem Cocktail. Gelassen erwidert er: „Angst ist etwas, womit du hier leben musst. Am besten, du ignorierst sie. Dann geht sie irgendwann von allein.“ Er schnipst, und die Angst verpufft. Nach kurzem Überlegen fügt er hinzu: „Und Gras. Gras hilft auch. Wir kiffen wie die Idioten.“
Als Sören und ich zu unserem Hospiz in der Altstadt zurückkehren, kann ich den Scharfschützen auf der Mauer nicht mehr sehen. Ein paar Katzen rascheln in verschiedenen Müllhaufen, ansonsten treffen wir keine Seele. An der Rezeption trägt ein trauriger Jesus am Holzkreuz auch heute Abend das Leid der Welt. Ich sage ihm gute Nacht, um ihn aufzuheitern, dann folge ich der Treppe ins Untergeschoss und schlafe zum urigen Sound knarzender Betten ein.

Aber was hat das alles jetzt mit Jesus zu tun?
Ich komme aus einer relativ christlichen Familie. Für norddeutsche Verhältnisse wahrscheinlich sogar sehr christlich. Ich war in einem evangelischen Kindergarten und habe in mehreren Krippenspielen verschiedene Schafe mit Bravour verkörpert. Einmal hatte ich sogar eine Sprechrolle: „Oh, seht, ein Stern! Was hat er wohl zu bedeuten?“ Sitzt bis heute. Die Kinderbibel habe ich wie das Sams oder lustige Taschenbücher gelesen. Das Sams hatte Wunschpunkte, Jesus war der Typ, der Wasser zu Kindersekt machen konnte.
Meine Gemeinde war schrecklich. Die Pastorin sah aus wie Dracula und benahm sich ähnlich. Immerhin, mein Kumpel Alex und seine damalige Freundin hatten ihre ersten sexuellen Erfahrungen in der Abstellkammer neben dem Konfirmandensaal. Bremen-Nord, wo wir aufwuchsen, war kein Ort für keusche Lämmchen. Ich hatte zwei Onkel, die Pastoren waren und von denen ich lernte, dass man auch als Pastor ein echter Mensch sein kann. Die Fußball guckten und fluchten, manchmal zu viel Erwachsenensekt tranken und doch mitunter sehr weise waren. Und trotzdem dachte ich zu jedem Weihnachts- und Osterfest, zu jeder Taufe, jeder Konfirmation in meiner Gemeinde: „Ach, Leute! Warum denn so langweilig? Das kann man doch viel spannender, viel wirklichkeitsnäher machen!“ Jedes Mal, wenn ich in der Kirche saß, wuchs in mir der Wunsch, Pastor zu werden, um diesem Elend ein Ende zu bereiten.
Nach meinem Abitur schwankte ich zwischen Theologiestudium und Kirchenaustritt. „Entweder“, sagte ich mir, „du versuchst, das ganze Ding zu verstehen und bestenfalls zu verbessern, oder du musst damit nichts zu tun haben.“ Ich entschied mich für Ersteres.
Im Studium erlebte ich, wie Kommilitonen manche Professoren als Ketzer beschimpften. Wie bei Fußballspielen die Nächstenliebe so weit ging, dass jedes Tor für beide Mannschaften zählte, damit sich alle gemeinsam freuen konnten. Aber ich traf auch Menschen, denen ihr Glaube die Kraft gab, ihr Leben zu bestreiten. Denen die Kirche Lebensinhalt und vor allem -sinn stiftete. Ich machte ein Praktikum bei einem schwulen Pastor in Lübeck, mit dem ich am Küchentisch saß, wo wir mithilfe seines „Gaydars“, seines „Schwulensensors“, gemeinsam versuchten herauszufinden, wer von den katholischen Kollegen in der vatikanischen Kurie schwul war und wer nicht. Dieser Pastor stand für eine Kirche, von der ich Teil sein wollte. Eine realistische Kirche für alle, in der Lachen nicht verboten war, in der Fehlbarkeit akzeptiert und thematisiert wurde. Kein sakrales Tüdelü.
Mein Theologiestudium hatte ich immer als hervorragenden Plan B beschrieben. Einen Plan A gab es lange nicht. Bis ich merkte, dass ich vom Schreiben und dem dazugehörigen Auftreten leben konnte. So stellte ich mir irgendwann die Frage, wie sich Studium und Arbeit verbinden ließen.
Es war ein Freitagmorgen, als ich in einer Vorlesung zur Kulturgeschichte des Neuen Testaments saß. Ich hörte nicht richtig zu, denn ich war in diesem esoterischen Zustand zwischen noch betrunken und schon verkatert. Der Professor erzählte etwas über die Höhlen am Berg Arbel und die Ausgrabungen in Magdala, und mit einem Mal entwickelte sich in mir die Idee, den Weg Jesu nachzuwandern. Ich kannte so viele Orte, an denen er gewesen sein sollte, und doch hatte ich keinen davon mit eigenen Augen gesehen. Wie sollte ich das Christentum verstehen, wenn ich seine Wurzeln, die Kultur und Region, denen es entstammt, nicht kannte?
Mich faszinierte vor allem der menschliche Jesus: Wer war der Typ, der die Evangelisten zu ihren Texten inspirierte? Was ließ die Leute an ihn glauben? Was lässt sie heute glauben? Wer war Jesus von Nazareth, und was hat ihn zu dem gemacht, der er war? Was würde heute aus ihm werden? Wo wäre er zu finden?
Diesen Fragen wollte ich nachgehen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Aber vorher brauchte ich eine Aspirin.

Nils Straatmann

Über Nils Straatmann

Biografie

Nils Straatmann, 1989 bei Hamburg geboren, lebt in Leipzig und schreibt Artikel u.a. für die taz, Freemen's World und Süddeutsche Zeitung. Er ist Mitglied der Autorennationalmannschaft des DFB, tritt seit 2008 als „Bleu Broode“ auf deutschen Slam-Bühnen auf und moderiert Podcasts wie »Mehr als ein...

Medien zu „Auf Jesu Spuren“
Pressestimmen
neue caritas

„In jugendlich flotter, stellenweise auch etwas flapsiger Sprache schildert er lebendig und selbstironisch eine Reise, die ihn in das Heilige Land im 21. Jahrhundert führt.“

Hannoversche Allgemeine

„In diesem Reisebuch erweist sich Straatmann als präziser Beobachter.“

Leipziger Volkszeitung

„Straatmann zeichnet ein vielschichtiges Stimmungsbild einer umkämpften Region, die drei Weltreligionen heilig ist.“

literaturoutdoors.wordpress.com

„In sehr lebensnaher und persönlicher Fragestellung bringt der Autor seine Neugierde und theologisches Interesse in einen sehr kurzweiligen Reisebericht ein, der zudem mit einem umfangreichen Fototeil den flüssigen Erzählstil gut illustriert.“

Süddeutsche Zeitung

„Nein, leichte Kost ist das Buch nicht. Aber sättigende.“

Pierre Jarawan

„Kunstfertig wandert Nils Straatmann zwischen Reisebericht und religiösen Hintergründen, humorvoller Betrachtung und kritischer Distanz hin und her – ein besonderes Lesevergnügen!“

Michel Abdollahi

„Im Grunde ein Reiseführer fürs Herz mit Haltung und ohne Restaurantempfehlung. Wer Jesus folgen will, ist hier richtig. Und wer wirklich den Nahen Osten verstehen will auch.“

momag Mostviertel Magazin + Basar

„Ein besonderer Reisebericht - humorvoll, nachdenklich und gleichzeitig kritisch.“

Das Heilige Land

„Gerade zukünftige DVHL-Volontäre können durch den Reisebericht einen sehr persönlichen Eindruck vom Alltag im Heiligen Land erhalten.“

Kommentare zum Buch
Dörte Stähler am 21.09.2017

Wow, ein Buch, das in der Lage ist, alle Sinne zu berühren. So anschaulich hat Nils Straatmann Landschaften, Begegnungen unterschiedlicher Kulturen, seine und andere Gefühle beschrieben. Er setzt sich intensiv mit Krieg und Frieden und der entsprechenden Politik auseinander. Manche Situationen, in die er mit seinem Kumpanen gerät, lassen mich schauern. Gänsehaut. Und dann wieder dieser oft versteckte Humor, mit dem er einen Poetry Slam gewinnen könnte. Beeindruckt bin ich, wie er mit diesem abenteuerlichen Reisebericht auch noch theologisches Wissen über Christentum, Judentum und Islam verbreitet. Hut ab, ein ausgesprochen gelungenes Buch! Spannend von Anfang bis Ende!

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