Russland verstehen
Begeben Sie sich mit unseren Autoren auf eine faszinierende Reise nach Russland und lernen Sie das größte Land der Erde besser kennen.
Moskau, Sankt Petersburg, Baikalsee: Populäre Touristenziele in Russland lassen sich an einer Hand abzählen. Dabei gibt es im größten Land der Erde noch viel mehr zu erleben - mit diesen Tipps des Autors von Couchsurfing in Russland!
„Immer wieder wurde ich auf meiner Reise von Russen für verrückt erklärt – weil sie nicht verstehen, warum ich ausgerechnet ihr schroffes, riesiges Land besuchte, anstatt nach Thailand oder Mallorca zu fahren. Aber ich mag Orte, die authentisch, normal, nicht perfekt sind, denn sie fühlen sich echter an als Regionen, die wegen der vielen Touristen längst zu Folklore-Vergnügungsparks verkommen sind.
Russland abseits von Roter Platz, Wolga-Flusskreuzfahrt und Sankt-Petersburg-Museumstour ist kein Reiseziel für jedermanns Geschmack. Die meisten Städte sind keine Schönheiten, die Menschen wirken schroff (bis man sie ein bisschen kennenlernt), die Distanzen sind enorm.
Und doch kann man diesem Land verfallen, wenn man sich darauf einlässt. Diese zehn Tipps helfen dabei.“
Ersten Eindrücken misstrauen
Wer einen russischen Shop, einen Marktplatz oder ein Restaurant betritt, löst damit meist etwa die Freude aus, die man auch einer mittelgroßen Kakerlake auf der Türschwelle entgegenbringen würde. Zunächst wird man ignoriert, dann als Störfaktor empfunden, weil man die hochverdiente Arbeitspause unterbricht. Zuletzt wird der Preis in einem Ton verkündet, wie ihn Filmbösewichter für Sätze wie „Mach ihn kalt“ verwenden.
Und doch habe ich es mehrfach erlebt, dass die Stimmung umschlägt. Ich fragte in brüchigem Russisch nach dem Weg zum Bahnhof, und plötzlich nahm sich mein Gegenüber alle Zeit der Welt, um es mir zu erklären und fragte nach meiner Reise und Herkunft. Ich bestellte noch einen Nachschlag von den Blini, und die Wirtin gab mir den Kaffee aus. Oft zahlt sich ein bisschen Geduld und Lockerheit aus, um den Menschen die Chance zum Auftauen zu geben.
Den Altai besuchen
Eine der spektakulärsten Straßen des Landes führt von Gorno-Altaisk nach Kosh-Agach im sibirischen Altai-Gebirge. Ein Roadtrip zwischen Viertausendern, mit wilden Kamelen und reißenden Flüssen am Wegesrand und schweißtreibenden Abenden im Banja-Dampfbad. Für die schönsten Wander- oder Jeeptouren in die Wildnis sollten Outdoor-Fanatiker allerdings etwas Vorlauf einplanen: Dafür brauchen sie, zum Beispiel in der Nähe der 4800 Meter hohen Belukha, ein Permit, das Monate im Voraus beantragt werden muss.

Abergläubisch werden
Russen setzen sich vor Reisen auf ihren Koffer, streicheln die Nasen von Skulpturen, pfeifen nicht in geschlossenen Räumen, gucken nicht in zerbrochene Spiegel. Kaum ein Land hat mehr abergläubische Traditionen, und gerne erzählen die Einheimischen ausländischen Besuchern davon. Ob was dran ist, kann jeder unterwegs selber testen, beispielsweise, wenn es darum geht, was ein Juckreiz je nach betroffener Körperregion über die eigene Zukunft aussagt. Nase: Ein Besäufnis steht bevor. Lippe: Es wird geküsst. Linke Hand: Es gibt Geld. Rechte Hand: Man wird einen Freund Treffen. Hals: Es wird gefeiert. Oder es gibt eine Schlägerei. Oder beides. Wenn alles gleichzeitig juckt, sollten Sie trotz aller Vorfreude zum Arzt.
Nedoperepil auf den Suschnjak warten
Natürlich ist keine Reise komplett ohne eine Workshop im landestypischen Konsum des „ehrlichsten Drinks der Welt“ (weil Wodka nicht schmeckt, sondern nur der Rauscherzeugung dient). Wichtigste Regeln: Getränk niemals mischen und viel Fingerfood dazu, zum Beispiel eingelegte Steinpilze, kalt geräucherten Hecht oder Kartoffeln mit Dill. Das Tischgespräch lockern Diskussionen über folgende Vokabeln auf, die es nur im Russischen gibt: Zapoi (Zustand mehrtägiger Trunkenheit), nedoperepil (betrunkener, als gesund ist, aber nicht so betrunken, wie man sein könnte), suschnjak (das Gefühl im Hals nach einer durchzechten Nacht).

Schwanensee angucken
Es gibt wohl keinen besseren Ort, um ins Ballett zu gehen, als das Mariinsky-Theater in Sankt Petersburg. Dieses Jahr erlebt das Traditionshaus seine 236. Saison, geändert hat sich seit der Eröffnung wenig. Prachtvolle Bühnenbilder, knarzende Holzdielen, ein riesiger Kronleuchter an der Decke. Und jeden Abend erschaffen Tänzer und Musiker etwas, das man zur Zeit kaum mit Russland assoziiert: Leichtigkeit, Schönheit und Eleganz.

Zug fahren
Natürlich verleiten die immensen Distanzen dazu, Flüge zu buchen. Doch ohne eine längere Zugreise mit Übernachtungspritsche, Instant-Nudel-Abendessen und ein paar Drinks hat man Russland nicht verstanden. Auf Reisen in Sibirien bekommt man einen echten Eindruck der tatsächlichen Größe des Landes, wenn man 18 Stunden am Stück durch einen immer gleich aussehenden Birkenwald fährt.
Leningrad hören
Die Texte und YouTube-Videos der Rockband Leningrad präsentieren überzeichnete Bilder des exzessiven Lebens junger Russen. Und doch steckt, wie in jeder gelungenen Karikatur, auch einige Wahrheit darin. Millionenfach werden die Songs angeklickt, und der für vulgäre Ausfälle bekannte Sänger Sergeij Schnurow lebt den Rock'n'Roll wie kein Zweiter. Zur Reisevorbereitung empfohlen (aber wegen der vielen Wörter aus der Vulgärsprache „Russischer Mat“ nicht in Anwesenheit konservativer Muttersprachler anhören)!
Kyrillisch lernen
Während die russische Sprache eine ziemliche Herausforderung ist, sind die Schriftzeichen leichter zu meistern, als man denkt. Wer sich ein paar Tage lang intensiv damit beschäftigt, kann bald problemlos Ortsschilder, Speisekarten und Reklametafeln lesen. Und da viele Worte deutschen oder englischen Begriffen ähneln, hilft das enorm bei der Orientierung unterwegs.
Multikulti erleben
Einige Minderheiten haben sich eine ganz eigene Kultur bewahrt, man kann sich wie auf einer Weltreise fühlen, ohne Russland zu verlassen. Die buddhistisch geprägte Republik Kalmückien erinnert mit ihren Tempeln eher an Tibet als an Moskau, bei einem Kehlkopfgesang-Konzert in der Republik Tuwa fühlt man sich wie in der Mongolei.
Und in Yakutsk, der kältesten Großstadt der Welt, kann man probieren, wie vergorene Stutenmilch oder im Eisblock servierter Fisch schmeckt, und alles über eine Mythologie dekorativer Elfenwesen lernen, die dem „Herr der Ringe“ Konkurrenz machen könnten.
Pelmeni essen
Die mit Hackfleisch gefüllten Teigtaschen mit Smetana (Schmand) machen süchtig. Das ändert selbst das Wissen, dass ihr Name wörtlich übersetzt „Ohrenbrot“ bedeutet, nicht mehr. In der Stadt Ischwesk in Udmurtien wurde der Russen-Ravioli sogar ein mehrere Meter hohes Denkmal errichtet. Zurecht.
Auch die deutsche Nationalmannschaft bereitet sich neben dem Fußballtraining auf ihre Russlandreise vor, um nicht in kulturelle oder politische Fettnäpfchen zu treten. Mats Hummel liest dafür 100 Gramm Wodka von Fedy Gareis. Mehr dazu im Artikel der Frankfurter Rundschau.
Das Reisebuch wurde 2016 mit dem ITB BuchAwards ausgezeichnet. Die Begründung der Jury: „Ganz fein und in einer wunderbar lesbaren Sprache verwebt Gareis persönliche Erinnerungen mit aktuellen Erfahrungen und Entdeckungen in Großstädten, auf dem Land, in Staat und Gesellschaft, welche die “Seele Russlands” fühl- und nachvollziehbar werden lässt.“
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