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Schwarze Schafe (Mamma Carlotta 16)

Gisa Pauly
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Ein Sylt-Krimi

„Auch der 16. Band der Serie lebt wieder von der italienischen Lebensart Mamma Carlottas, ihren Kochkünsten, ihrer Warmherzigkeit.“ - buchblinzler.blogspot.com

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Schwarze Schafe (Mamma Carlotta 16) — Inhalt

Von schwarzen Schafen und falschen Fuffzigern

Endlich wieder Sommer auf Sylt, das genießt neben den Touristen auch Mamma Carlotta. Für Tratsch und Klatsch sorgt Sänger Pierre Thom, der gerade mit seiner Partnerin – einem echten Superstar! – auf der Insel weilt. Doch all das ist vergessen, als Frau Kemmertöns Mamma Carlottas Hilfe sucht: Ihr Lottogewinn ist verschwunden! Sie hatte ihn in einer alten Lexikonreihe versteckt, die ihr Mann nun an das lokale Tierheim gespendet hat. Keine Frage, die beiden Frauen müssen das Geld unbemerkt zurückholen! Selbstverständlich haben sie nicht erwartet, dabei des Nachts über eine Leiche zu stolpern. Und erst recht nicht, dass diese am nächsten Morgen wie vom Erdboden verschluckt sein könnte … Treibt sich etwa ein schwarzes Schaf auf Sylt herum?

„Gisa Paulys Romane verbreiten auf jeder Seite Inselatmosphäre.“ WDR

Gisa Pauly lebt als freie Schriftstellerin, Journalistin und Drehbuchautorin in Münster, ihre Ferien verbringt sie am liebsten auf Sylt oder in Italien. Ihre turbulenten Sylt-Krimis um die temperamentvolle Mamma Carlotta erobern ebenso regelmäßig die Spiegel-Bestsellerliste wie ihre Italien-Romane. Die Leser der Fernsehzeitschrift rtv wählten sie zur beliebtesten Autorin des Jahres 2018.

Band 16 der Reihe um Hobbyermittlerin Mamma Carlotta

€ 11,00 [D], € 11,40 [A]
Erschienen am 28.04.2022
432 Seiten, Broschur
EAN 978-3-492-31449-7
Download Cover
€ 9,99 [D], € 9,99 [A]
Erschienen am 28.04.2022
480 Seiten, WMePub
EAN 978-3-492-60115-3
Download Cover

Leseprobe zu „Schwarze Schafe (Mamma Carlotta 16)“

1


Kriminalhauptkommissar Erik Wolf warf zornig den Hörer auf die Gabel zurück. „Schon wieder!“

Als hätte ihn seine eigene Gefühlsaufwallung erschreckt, blieb er nun sitzen wie ein gescholtener Schüler, der ermahnt worden war, sich ruhig und anständig zu benehmen. Sein Blick wanderte durch den Raum, und prompt merkte er, dass er wieder ruhiger wurde. Diese schäbigen Holzmöbel, die kahlen Wände, die Fenster, die dringend geputzt werden mussten, zu denen passte kein Temperamentsausbruch. Ein hässlicher Raum! Auch das Büro im Polizeirevier am Kirchenweg war [...]

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1


Kriminalhauptkommissar Erik Wolf warf zornig den Hörer auf die Gabel zurück. „Schon wieder!“

Als hätte ihn seine eigene Gefühlsaufwallung erschreckt, blieb er nun sitzen wie ein gescholtener Schüler, der ermahnt worden war, sich ruhig und anständig zu benehmen. Sein Blick wanderte durch den Raum, und prompt merkte er, dass er wieder ruhiger wurde. Diese schäbigen Holzmöbel, die kahlen Wände, die Fenster, die dringend geputzt werden mussten, zu denen passte kein Temperamentsausbruch. Ein hässlicher Raum! Auch das Büro im Polizeirevier am Kirchenweg war nicht schön gewesen, allerhöchstens funktional, und auch das nicht in allen Bereichen. Immerhin hatte es ein paar Grünpflanzen gegeben und einen großen Wandkalender, auf den sein Blick gefallen war, wenn er aufsah. Jetzt hatte er nur eine schmucklose Wand vor sich. Angeblich lohnte es sich nicht, hier Hand anzulegen, die Unterbringung der Kriminalpolizei im Telekomgebäude war nur für eine Übergangszeit geplant. Aber man kannte das ja. Wenn ein altes Haus wie das Polizeirevier Westerland erst einmal einer Renovierungskolonne in die Hände gefallen war, konnte es lange dauern.

Er strich sich seinen Schnauzer glatt, sehr lange, immer und immer wieder, dann öffnete er seine Schreibtischschublade, tastete blind nach dem Inhalt, schob seine Pfeife zur Seite, obwohl er sie am liebsten angesteckt hätte, und seufzte erleichtert auf, als das Schokoladenpapier an seinen Fingerspitzen knisterte. Ein Stück Trauben-Nuss-Schokolade tat immer gut. Fast so gut wie das Anzünden der Pfeife, das Paffen der ersten Rauchwolken und ihr Gewicht im Mundwinkel, wenn sie zuverlässig glühte. Aber Rauchen im Büro kam natürlich nicht infrage. Mit geschlossenen Augen schob er sich ein Stück Schokolade in den Mund, legte den Rest zurück, während sie in seinem Mund schmolz, und genoss den Augenblick, in dem nur noch die Trauben und Nussstücke auf seiner Zunge lagen.

Die Tür öffnete sich, Oberkommissar Sören Kretschmer trat ein. „Gibt’s was Neues, Chef?“

„Immer nur dasselbe“, brummte Erik.

Sören stutzte. „Wollen Sie damit etwa sagen …?“

„Ja. Letzte Nacht schon wieder.“

„Das kann doch nicht wahr sein.“ Sören hockte sich auf die Ecke von Eriks Schreibtisch. „Können wir die Ermittlungen nicht ablehnen?“

„Ich habe gerade mit dem Kurdirektor telefoniert. Der will unter keinen Umständen, dass etwas davon an die Öffentlichkeit dringt. Das Image unserer Insel würde schwer leiden. Er braucht also Spezialisten.“

Sörens rundes Gesicht, das immer einem reifen Apfel ähnelte, verzog sich ärgerlich. „Das kann nicht mehr lange dauern. Die Bauern suchen bereits nach Schafhirten. Die Tierheime organisieren private Wachen … der Kerl hat keine Chance.“

Erik entschloss sich zu einem zweiten Stück Schokolade. Er bot Sören eins an, der aber lehnte wie immer ab. „Nur gut, dass die Presse zurzeit mit dem Superstar aus Amerika beschäftigt ist. Nicht auszudenken, wenn das Inselblatt gerade jetzt mitten in einem Sommerloch steckte …“

Erik erhob sich schwerfällig. Nur ganz kurz schoss ihm der Gedanke durch den Kopf, dass er immer unbeweglicher wurde, obwohl er doch noch nicht einmal fünfzig war. Aber er schob diesen unangenehmen Gedanken schnell beiseite. Irgendwann würde er mit Sport beginnen. Irgendwann ganz bestimmt …

Er glättete seinen Pullunder, kontrollierte, ob in den tiefen Taschen seiner weiten Cordhose alles steckte, was er brauchte, dann sagte er zu Sören: „Kommen Sie, wir fahren zum Mittagessen.“

Sören zögerte. „Ihre Schwiegermutter ist gerade erst auf Sylt angekommen.“

„Gestern schon.“

„Da kann man ihr schon einen Gast zumuten?“

Erik schob Sören zur Tür. „Sie wissen doch, wie sie ist. Wenn ich ihr erzähle, dass Sie bei Gosch ein Fischbrötchen essen statt bei ihr Antipasti, Primo, Secondo und Dolce, wäre sie tödlich beleidigt.“


2


Am Morgen hatte sie nur kurz den Kühlschrank und die Regale in der Vorratskammer inspiziert. Es war wie immer gewesen. Außer ein paar Konservendosen mit den Aufdrucken „Nasi Goreng“, „Pichelsteiner Eintopf“ und „Königsberger Klopse“ war nicht viel zu finden gewesen. Es wurde Zeit, dass sie hier mal wieder Hand anlegte. In zwei, drei Monaten verlotterte der Haushalt ihres Schwiegersohns vollkommen. Da musste sie erst einmal für Ordnung sorgen, für Vorräte, die nicht in einer Fabrik, sondern in der eigenen Küche hergestellt worden waren, und für den gewissen Überfluss, der zu einem gut geführten Haushalt gehörte. Also für Lebensmittel, die niemand brauchte, die aber gern gegessen wurden: italienisches Gebäck, einige Hartwürste und natürlich jede Menge Oliven. Die Antipasti, die sie für gewöhnlich am Tag ihres Eintreffens auf Sylt einlegte, würden noch warten müssen. Nun hatte sie erst einmal fürs Mittagessen eingekauft, am Nachmittag würde sie dann das frische Gemüse, das gute Olivenöl und eine große Flasche Balsamico besorgen. Am nächsten Tag schon würde es im Hause Wolf duften, dass jedem Gast das Wasser im Mund zusammenlief. Nach der Siesta würde sie noch einmal losgehen, und dann mit viel Zeit. Sie würde alle Lebensmittel genau in Augenschein nehmen und ausgiebig betasten, um die frischeste Ware zu bekommen, sie würde die Kassiererinnen begrüßen und sich erkundigen, ob die eine immer noch die schrecklichen Gummistrümpfe tragen musste und eine andere endlich den Mut aufgebracht hatte, zum Zahnarzt zu gehen. Und natürlich würde sie auch den Filialleiter begrüßen, um ihn daran zu erinnern, dass er für die nächsten zwei Wochen die kritischste Kundin im Laden haben würde, die ihm je begegnet war. So jedenfalls hatte er einmal gesagt, und Mamma Carlotta hatte es als Kompliment verstanden, obwohl sie nicht sicher war, dass der Filialleiter es so gemeint hatte.

Natürlich war sie auch noch nicht dazu gekommen, die Nachbarin zu begrüßen. Ihr Flugzeug war ja erst am späten Nachmittag in Hamburg gelandet. So freute sie sich nun, dass Frau Kemmertöns ihr entgegenkam und ihr damit die Aufgabe abnahm, am Nachbarhaus zu klingeln oder darauf zu warten, dass man sich am Gartenzaun traf. Mamma Carlotta ließ die Einkaufstaschen fallen, damit sie beide Hände zur Begrüßung frei hatte. In Panidomino, ihrem Dorf, würde sie nach ihrer Rückkehr jede einzelne Nachbarin in ihre Arme ziehen, aber sie hatte mittlerweile gelernt, dass Gefühlsausbrüche dieser Art auf Sylt nicht gern gesehen und völlig unüblich waren. Jedenfalls unter denen, die auf der Insel geboren waren oder schon lange hier lebten. Also würde die rechte Hand völlig ausreichen.

„Moin.“ Dass Frau Kemmertöns sich freute, die Schwiegermutter ihres Nachbarn zu sehen, konnte nur der erkennen, der mit ihrem Temperament vertraut war. In Italien wäre diese Art von Begrüßung einer Beleidigung gleichgekommen.

„Buon giorno!“ Natürlich ließ Mamma Carlotta es sich nicht nehmen, Frau Kemmertöns so zu begrüßen, wie sie es gewohnt war: laut und herzlich, mit vielen überflüssigen Worten und Episoden, mit denen sie ins Haus fiel, um das Schweigen, das sie ernten würde, zu übertönen. Als sie ausgiebig das schlechte Wetter in Panidomino geschildert und erwähnt hatte, dass der Pfarrer ihres Dorfs an Gallensteinen litt, merkte sie allerdings, dass Frau Kemmertöns diesmal ihren Wortschwall nicht wie sonst über sich ergehen ließ wie einen Regenguss, dem man nicht ausweichen konnte. Nein, sie versuchte, Mamma Carlotta zu unterbrechen, weil sie augenscheinlich etwas auf dem Herzen hatte, was rauswollte. Das war ungewöhnlich. In Frau Kemmertöns’ Leben geschah wenig, ihre Tage liefen eintönig dahin. Die wenigen aufregenden Erlebnisse hatte sie allesamt Carlotta Capella zu verdanken, von der sie gelegentlich zu Abenteuern verführt wurde, die sie immer erst abzuwehren versuchte, wenn es zu spät war. Diesmal schien sie jedoch etwas zu drängen.

„Ich bin froh, dass Sie auf Sylt sind“, brachte sie schließlich heraus. „Ich brauche dringend Ihre Hilfe.“

Mamma Carlotta begriff sofort, dass es nicht um ein Pastarezept oder einen biologischen Unkrautvernichter ging. Sie riss ihre Einkaufstaschen in die Höhe und winkte die Nachbarin mit einem Kopfnicken zur Tür der Wolfs. „Ich muss das Mittagessen vorbereiten. Währenddessen können Sie mir erzählen, was los ist.“

Wie immer war Frau Kemmertöns von Mamma Carlottas Tempo völlig überfordert. Sie stand noch mit ausgestreckten Armen da, um ihr eine Einkaufstasche abzunehmen, als Carlotta schon auf dem Weg zur Haustür war – mit beiden Taschen. Und die Tür war längst aufgeschlossen und aufgestoßen worden, als Frau Kemmertöns sich endlich in Bewegung gesetzt hatte. Obwohl die beiden Frauen im gleichen Alter, von gleicher Statur und sich auf den ersten Blick sogar ähnlich waren, unterschieden sie sich auf den zweiten doch gründlich voneinander. Beide mussten ein Gewicht in Bewegung bringen, das in Kleidergröße 44 passte, für Frau Kemmertöns mit Stöhnen und Prusten verbunden, für Mamma Carlotta kein Problem. Sie ließ die Haustür hinter sich offen stehen und hatte schon in der Küche die Espressomaschine in Gang gesetzt, als sie endlich Frau Kemmertöns’ Schritte hörte. Diese drückte die Haustür umständlich ins Schloss, was Mamma Carlotta in der Regel mit einem kräftigen Stoß erledigte, der die Tür ins Schloss donnern ließ, dass die Fensterscheiben erzitterten.

Frau Kemmertöns setzte sich an den Tisch, betrachtete die Espressotasse, als könnte sie sich nicht erklären, wie diese so schnell dorthin gekommen war, und sah Mamma Carlotta beim Auspacken der Einkäufe zu. So wie Kükeltje, die kleine schwarze Katze der Familie Wolf, die mal wieder hoffte, dass in der großen Einkaufstasche von Mamma Carlotta auch etwas für sie sein könnte. Aufgeregt strich sie um Carlottas Beine herum, wurde aber zu ihrem großen Missfallen überhaupt nicht beachtet.

„Nun reden Sie schon! Wie kann ich Ihnen helfen?“

Frau Kemmertöns begann zu Mamma Carlottas Verdruss erst einmal mit einer längeren Vorrede, ließ sich über das Phlegma ihres Mannes aus, beklagte dessen Unaufmerksamkeit und die Tatsache, dass er mal wieder ihren Geburtstag vergessen hatte.

„Aber dabei brauchen Sie nicht meine Hilfe“, drängte Carlotta. „Ihr Jupp war doch schon immer so.“

Darüber musste Frau Kemmertöns erst einmal nachdenken, dann nickte sie. „Ja, eigentlich schon …“

Carlotta war froh, dass sie ihre Ungeduld an der Fleischwurst auslassen konnte, sonst wäre Frau Kemmertöns Gefahr gelaufen, bei den Schultern gepackt und geschüttelt zu werden, damit sie endlich mit ihrer Neuigkeit herausrückte.

Aber die Zwiebeln schmorten schon in der Pfanne, als es endlich so weit war: „Ich habe im Lotto gewonnen.“

„Come?“ Mamma Carlotta rutschte der Streuer mit dem Majoran aus der Hand. „Das ist ja … grande. Congratulazioni!“

Warum Frau Kemmertöns alles andere als einen glücklichen Eindruck machte, konnte sie nicht verstehen. Sie selbst hätte in einem solchen Fall Freudenschreie ausgestoßen, die bis zum anderen Ende des Dorfs zu hören gewesen wären, und dafür gesorgt, dass sämtliche Nachbarinnen herbeigelaufen wären, um zu erfahren, was bei den Capellas los war. Und dann hätte sie einen Teil des gewonnenen Geldes in Spumante umgesetzt und so lange gefeiert, bis ihre Kinder sie ermahnt hätten. Die wären bald von der Sorge befallen worden, dass das ganze Geld durch zügellose Feierei durchgebracht worden war, ehe man sich überlegen konnte, wie es investiert werden sollte.

„Wie viel?“

Frau Kemmertöns flüsterte: „Hunderttausend.“

Mamma Carlotta merkte erst, dass die Zwiebeln angebrannt waren, als sie sich ausgiebig über diesen riesigen Geldbetrag erregt und sich vorgestellt hatte, welche Wünsche man sich mit so viel Geld erfüllen konnte. „Dio mio!“ Sie riss die Pfanne vom Herd, leerte sie über dem Abfalleimer und machte sich daran, die nächste Zwiebel zu pellen und in Stücke zu schneiden. „Werden Sie verreisen? Oder sich endlich den rosa Blazer kaufen, den Sie schon so lange haben wollen?“

„Größe 42“, antwortete Frau Kemmertöns dumpf. „Für den hätte ich abnehmen müssen.“

Mamma Carlotta riskierte es erneut, die Zwiebeln dem heißen Fett zu überlassen, und setzte sich zu der Nachbarin. „Was dann?“

Frau Kemmertöns fiel ein, dass sie einen Espresso vor sich stehen hatte, und führte die Tasse langsam und sehr bedächtig zum Mund, trank einen winzigen Schluck, rieb Ober- und Unterlippe aneinander, stellte die Tasse zurück und sagte dann: „Das Geld ist weg.“

„Come?“ Mamma Carlotta hielt es nicht auf ihrem Stuhl. Zum Glück, denn am Herd gab es eindeutig Handlungsbedarf. Aufgeregt verteilte sie die Zwiebeln in der Pfanne und drehte die Hitze zurück. „Wie konnte das passieren?“

Die Wurst hatte sich bereits unter die Zwiebeln gemischt und ihre Farbe verändert, die Bohnen hatten sich dazugesellt, das Ganze war mit Salz, Pfeffer und Majoran gewürzt und mit Rotweinessig überträufelt worden – da wusste Mamma Carlotta endlich, was geschehen war.

Vor vier Wochen war es gewesen. Frau Kemmertöns hatte zwischen der Mitteilung, dass sie gewonnen hatte, und der Heimkehr ihres Mannes, der einmal in der Woche in Käptens Kajüte mit seinen ehemaligen Kollegen Schafkopf spielte, genug Zeit gehabt, sich zu überlegen, was aus den Hunderttausend Euro werden würde, wenn ihr Jupp davon erfuhr. Er würde ein neues Gartenhaus haben wollen, an dem ihr nichts lag, ein neues Auto anschaffen wollen, an dem Frau Kemmertöns ebenfalls nichts lag, oder es einfach auf die hohe Kante legen wollen. Sie dagegen träumte von einer Kreuzfahrt, an der ihrem Mann nichts lag, und vermutete, dass er allen Leuten erzählen würde, dass sie gewonnen hätten, wo es doch Frau Kemmertöns gewesen war, die seit Jahren den Lottoschein ausfüllte. Und das, obwohl ihr Mann es bisher für rausgeworfenes Geld gehalten hatte.

Mamma Carlotta musste länger darüber nachdenken, ob dieses Verhalten für eine Ehefrau, die nach der Heirat alles mit ihrem Mann teilen sollte, richtig war, rang sich dann aber dazu durch, für die Nachbarin Verständnis zu haben. Sie kannte ja Herrn Kemmertöns. „Was haben Sie mit dem Geld gemacht?“

„Ich habe es in einem Lexikon versteckt. Nach unserer Hochzeit haben wir uns die Lexikonreihe zugelegt. Sie macht sich so gut im Bücherschrank, wirkt ein bisschen vornehm, und man muss ja immer mal was nachschlagen …“ Frau Kemmertöns stockte und dachte offenbar darüber nach, wann sie zum letzten Mal etwas nachgeschlagen hatte. Es fiel ihr nicht ein.

„Das macht man doch heute im Internet“, sagte Mamma Carlotta und war stolz auf ihre moderne Auffassung.

„Eben!“ Nun fiel Frau Kemmertöns wieder ein, warum sie so lange nichts nachgeschlagen hatte. Dass sie kein Smartphone besaß, verdrängte sie, und dass sie den Laptop, der seit ein paar Jahren das Wohnzimmer zierte, nicht einmal anstellen konnte, ebenfalls. „Also dachte ich, da ist das Geld gut aufgehoben. Da geht ja nie einer ran. Ich staube die Bücher regelmäßig ab, das war’s.“

„Ist etwa doch einer rangegangen?“

Frau Kemmertöns schüttelte den Kopf. „Das Geld steckt im dritten Band. D – E. Von Daktylus bis Ethnografie habe ich die Seiten herausgeschnitten. Da passten die Hunderttausend Euro rein. Da waren sie gut aufgehoben.“ Mit zitternder Stimme ergänzte sie: „Eigentlich.“ Dann kamen ihr die Tränen.

Gisa Pauly

Über Gisa Pauly

Biografie

Gisa Pauly hängte nach zwanzig Jahren den Lehrerberuf an den Nagel und veröffentlichte 1994 das Buch „Mir langt’s – eine Lehrerin steigt aus“. Seitdem lebt sie als freie Schriftstellerin, Journalistin und Drehbuchautorin in Münster, ihre Ferien verbringt sie am liebsten auf Sylt oder in Italien....

Liebe Leserin, liebe Leser,

Bei meinem Besuch auf Sylt war mal wieder eine Menge los. Der Lottogewinn meiner Nachbarin, ein Sylter Schlagersänger und eine Tierheimbesitzerin, die so leben will wie Brigitte Bardot. Und wo die auftaucht, ist natürlich auch Gunter Sachs nicht weit. Oder sagen wir ... jemand, der ihm ähnlich ist. Dass ich es außerdem mit einem sehr attraktiven Verehrer zu tun bekomme, ist mir ein bisschen peinlich, darüber rede ich nicht gern. Dio mio, in meinem Alter!

Aber die Sache mit Carolin würde ich gerne ausführlich mit Ihnen besprechen. Dass sie sich ausgerechnet in den Falschen verlieben musste! Dabei habe ich es ihr gleich gesagt! Aber hört sie etwa auf mich? No! Es ist immer dasselbe. Ich bin gespannt, was Sie zu dieser Angelegenheit sagen werden. Und zu Carolins Entscheidungen, die eigentlich so gar nicht zu ihr passen. Madonna! Manchmal bin ich wirklich mit den Nerven fertig. Wie gut, dass ich mit Ihnen über alles reden kann.

Danke – Ihre Carlotta Capella

Weitere Titel der Serie „Mamma Carlotta“

In den turbulenten Sylt-Krimis von Gisa Pauly prallt das Temperament Mamma Carlottas auf die Mentalität der Inselbewohner, vor allem aber mischt sich die Italienerin immer wieder in die polizeilichen Ermittlungen ihres friesisch-wortkargen Schwiegersohns ein.

Pressestimmen
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„Auch der 16. Band der Serie lebt wieder von der italienischen Lebensart Mamma Carlottas, ihren Kochkünsten, ihrer Warmherzigkeit.“

sonjas_buecherecke

„Die sympathische Italienerin hat definitiv einen neuen Fan.“

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