Früher war ich auch mal jung
Eine Zeitreise durch meine Tagebücher
„Ihre Tagebucheintragungen insgesamt haben eine erstaunliche Tiefe.“ - Aufatmen
Früher war ich auch mal jung — Inhalt
Vom Leben und anderen Komplikationen
Als Bettina Tietjen im Keller ihre alten Tagebücher wiederfindet, beginnt für sie eine aufwühlende Zeitreise. Sie begegnet ihrem 14-jährigen Ich wieder, das sich leidenschaftlich politisch positioniert, taucht ein in die ersten, manchmal auch nur heiß ersehnten Liebschaften, die Jahre der Abnabelung vom streng gläubigen Elternhaus und die große Suche nach dem Lebensglück. Konfrontiert mit den Träumen, den Idealen und Ängsten ihres jüngeren Ichs, begibt sich die heute einundsechzigjährige Moderatorin, Autorin und Talkmasterin auf eine höchst unterhaltsame, aber auch nachdenkliche Selbsterkundung und stellt fest: auch wenn wir Jahrzehnte später ganz anders auf das Leben blicken, können wir einiges von unserem jüngeren Ich lernen!
Leseprobe zu „Früher war ich auch mal jung“
Ich will auf komische Gedanken
kommen
„Weißt du, Kind“, sagte meine Lieblingstante einmal zu mir, „dass ich schon 80 Jahre alt bin, merke ich eigentlich nur, wenn ich mich im Spiegel sehe. In mir drin bin ich immer noch 20.“ Ich habe mich damals darüber gewundert, fand die Vorstellung aber beglückend, dass das Ich offenbar weniger altert, als das Äußere es vermuten lässt. Gut, die Tante war keine ganz normale 80-Jährige. Sie war aufgeschlossen, weltoffen und diskussionsfreudig, und sie hatte viel Verständnis für uns Jüngere. Das lag wahrscheinlich daran, [...]
Ich will auf komische Gedanken
kommen
„Weißt du, Kind“, sagte meine Lieblingstante einmal zu mir, „dass ich schon 80 Jahre alt bin, merke ich eigentlich nur, wenn ich mich im Spiegel sehe. In mir drin bin ich immer noch 20.“ Ich habe mich damals darüber gewundert, fand die Vorstellung aber beglückend, dass das Ich offenbar weniger altert, als das Äußere es vermuten lässt. Gut, die Tante war keine ganz normale 80-Jährige. Sie war aufgeschlossen, weltoffen und diskussionsfreudig, und sie hatte viel Verständnis für uns Jüngere. Das lag wahrscheinlich daran, dass sie im Gegensatz zu meinen Eltern weit gereist war und viele Jahre im Ausland gelebt hatte.
Heute bin ich selbst über 60 und frage mich oft, was diese Zahl eigentlich bedeutet. Im Kopf fühle ich mich frisch und wach, immer neugierig auf das Leben und alles, was es zu entdecken gibt. Meistens jedenfalls. Von meiner inneren Verfassung hängt auch ab, wie ich mein Äußeres wahrnehme. Bin ich gut gelaunt, finde ich es cool, in Jeans und Sneakers mit wallender Lockenmähne herumzulaufen. Manchmal erwische ich mich aber auch dabei, wie mich ein peinliches Gefühl beschleicht, wenn ich mich auf Fotos betrachte, die mich in ungünstigem Licht aus unvorteilhafter Perspektive erwischt haben. (Mein Mann fotografiert gut, aber dieses Talent zeigt sich deutlicher, wenn er Tiere oder Landschaften vor der Linse hat.)
Seit unsere Kinder aus dem Haus sind, musste ich häufiger an meine längst verstorbene Tante und ihre Bemerkung denken. Bleibt man wirklich in seinem Inneren immer 20? Macht uns das Leben mit all seinen Höhen und Tiefen, all dem Glück und all der Trauer, den Erfahrungen und Enttäuschungen nicht unweigerlich reifer, weiser und auch abgeklärter? Ist es vielleicht klug, sich auf unser jüngeres Ich zurückzubesinnen, weil es in seiner Unschuld und Unmittelbarkeit die Dinge auf eine Art gefühlt und auch verstanden hat, die uns mit zunehmendem Alter verloren gegangen ist?
Nun ist das mit dem Zurückblicken ja so eine Sache. Auch wenn wir glauben, Ereignisse, zwischenmenschliche Begegnungen und Gefühle Jahrzehnte später noch ganz genau zu erinnern, spielt unser Gehirn uns Streiche. Es belügt uns und lässt die Dinge im Nachhinein oft ganz anders erscheinen, als sie in Wirklichkeit waren. Es verzerrt, verharmlost oder dramatisiert. Manchmal erfindet es auch Dinge dazu, andere wiederum löscht es einfach aus, ohne dass wir es bemerken. Wie also die Wahrheit herausfinden?
Weil die Wahrheit meist unbequem ist, habe ich diese Frage lange vor mir hergeschoben, obwohl ich wusste, dass irgendwo in unserem Haus unbestechliche Zeugen meiner Jugend schlummerten, die ich nur hervorzuholen brauchte: meine Tagebücher. Von meinem 14. bis zum 30. Lebensjahr habe ich mehr oder weniger regelmäßig aufgeschrieben, was mich bewegte, wusste aber nicht mehr, wo ich diese streng geheimen Aufzeichnungen nach mehreren Umzügen verstaut (oder versteckt) hatte.
„Schatz, wo sind eigentlich meine alten Tagebücher?“, fragte ich meinen Mann, nachdem ich alle Bücherregale in meinem Büro vergeblich nach ihnen durchsucht hatte.
„Keine Ahnung, woher soll ich das wissen? Wahrscheinlich irgendwo im Keller in den Kartons mit deinen alten Sachen. Vielleicht habe ich sie auch beim Renovieren aus Versehen weggeworfen.“ Entsetzt sah ich ihn an.
„Das ist nicht dein Ernst“, rief ich und wusste nicht, ob ich weinen oder wütend werden sollte. „Ich brauche sie ganz dringend. Ich muss herausfinden, wie ich früher war. Ich will mein jüngeres Ich wiederentdecken.“ Udo sah mich verständnislos an.
„Wieso das denn? Man soll die Vergangenheit ruhen lassen, das bringt einen nur auf komische Gedanken.“
„Aber ich will ja auf komische Gedanken kommen!“ Aufgebracht sah ich zu, wie er seufzend die Zeitung zur Seite legte und sich aus seinem Sessel erhob.
„Du bist 61 Jahre alt, meine Süße“, sagte er und nahm mich in den Arm, „äußerlich und innerlich. Und an manchen Tagen sieht man das auch.“ Das war der Moment, in dem ich einsah, dass es zwecklos sein würde, in dieser Angelegenheit auf große Unterstützung seinerseits zu hoffen. Ich begab mich also allein auf die Suche.
Über mehrere Wochen hinweg stellte ich das ganze Haus auf den Kopf, durchwühlte jedes Regal, jeden Schrank, jede Kiste. Ich förderte Unglaubliches zutage: Kindergartenbasteleien, Schulhefte, Hunderte von alten Fotos, körbeweise Briefe, sogar unsere Hochzeitseinladungen, die Geburtsanzeigen der Kinder, Girlanden, Stofftiere, Karnevalsverkleidungen – ich hatte einfach alles aufbewahrt. Nur die Tagebücher konnte ich nicht finden.
Eines Abends krochen mein Mann und ich (mittlerweile tat ich ihm leid) auf allen vieren unter ein Holzpodest in der dunkelsten Ecke unseres Kellers und entdeckten dort zwischen vielen Aktenordnern unsere Examensarbeiten, das „gute Geschirr“ meiner Großeltern und unseren Kinderwagen, den seit 23 Jahren niemand mehr von der Stelle bewegt hatte. Irgendwann setzte ich mich völlig frustriert im Schneidersitz auf den Boden und fing an zu weinen.
„Es kann doch nicht sein, dass meine gesamten Jugenderinnerungen einfach so auf dem Müll gelandet sind!“, jammerte ich.
„Eine letzte Chance gibt’s noch“, sagte Udo und klaubte mir die Spinnweben aus den Haaren. „Den Schreibtisch deines Großvaters. Der steht eingeklemmt hinter dem Schrank mit der Weihnachtsdekoration. Da kommt man ganz schwer ran, aber den hast du doch früher mal benutzt.“ Wir kämpften uns durch bis zu dem antiken Möbelstück und stellten fest, dass die Schubladen verschlossen waren und nirgendwo ein Schlüssel steckte.
„Wir brauchen einen Draht“, sagte mein Mann und bahnte sich seinen Weg zurück Richtung Werkzeugkeller. Minuten später hatte er die Schubladen entriegelt. Selten habe ich ein intensiveres Glücksgefühl empfunden als in dem Moment, als ich sah, was da im trüben Kellerlicht zum Vorschein kam. Ein Stapel bunter, leicht zerfledderter Hefte.
„Da sind sie!“, rief ich fassungslos. „Ich muss sie da eingeschlossen haben. Wahrscheinlich wollte ich nicht, dass sie jemand findet und darin liest.“
„Na, das ist dir ja gut gelungen“, kommentierte mein Mann nüchtern. „Viel Spaß mit deinem jüngeren Ich, meine Mission ist hiermit erledigt.“
Ganz behutsam nahm ich die Tagebücher in die Hand. Neun Stück waren es, manche dicker, manche dünner, alle sorgfältig durchnummeriert, verziert mit „Atomkraft? Nein danke“ und anderen Aufklebern und bekritzelt mit Sprüchen. Auf einigen der Hinweis: „STRENG PERSÖNLICH!“
Versonnen betrachtete ich meinen endlich gehobenen Schatz. Was mochte sich darin alles verbergen? Vorsichtig transportierte ich die historischen Dokumente in mein Büro und legte sie auf den Schreibtisch. Ein paar Tage umkreiste ich den angestaubten Stapel und traute mich nicht hineinzusehen. Sollte ich sie doch besser ruhen lassen, die Person, die ich mal gewesen bin? Möglicherweise würde mir mein junges Ich gar nicht sympathisch sein, vielleicht sogar peinlich?
Irgendwann wagte ich es. Wochenlang konnte ich mich gar nicht mehr lösen von der versunkenen Welt, die da plötzlich wieder auftauchte. Tag für Tag, Jahr für Jahr ließ ich meine Vergangenheit Revue passieren. Was ich in all den fein säuberlich aufgeschriebenen Zeilen entdeckte, stimmte mich nachdenklich und ließ mich innehalten.
Wie habe ich mit 14 Jahren die Welt gesehen, wie mit 20, mit 30 – und wie sehe ich sie heute? Woran habe ich geglaubt, wovon geträumt? Und was ist aus meinen Träumen geworden? Welche Zukunftspläne habe ich geschmiedet, wovor hatte ich Angst? Was hat mich aus der Bahn geworfen, was hat mir Halt gegeben, wie wichtig waren Eltern, Familie, Freundinnen und Freunde? Bin ich heute der Mensch, der ich sein wollte?
Ich habe viel erfahren über mich, ich musste lachen, weinen und war oft überrascht von diesem jungen Mädchen, der jungen Frau, die ich mal war. Gelegentlich habe ich mich für mich selbst geschämt, manchmal habe ich mich einfach nur gewundert. Und ja, am Ende bin ich tatsächlich auf „komische Gedanken“ gekommen. Darauf nämlich, dass wir, wenn wir uns unserem jüngeren Ich stellen, viel von ihm lernen können. Erwachsensein sollte nicht bedeuten, die Dinge und uns selbst nicht mehr infrage zu stellen. Wenn wir das Verdrängte, Durchlebte und Abgehakte bewusst wieder hervorholen, stellen wir am Ende vielleicht fest, dass der Blick zurück auch ein Blick nach vorn sein kann.
Es mag abgedroschen klingen, aber ich habe mir tatsächlich nach langer Zeit mal wieder intensiv die Frage nach dem Sinn gestellt und danach, ob ich heute das Leben lebe, nach dem ich mich früher gesehnt habe. Oder ob ich mich umgekehrt heute ein bisschen nach der Person zurücksehne, die ich früher einmal war. Vielleicht geht das eine nicht ohne das andere. Vielleicht musste ich mir auch diese unbequemen Fragen stellen, um herauszufinden, was Glück heute für mich bedeutet.
Eins haben wir alle gemeinsam: Wir waren mal jünger. Ich lade Sie ein zu einer Zeitreise in meine Vergangenheit – und wenn Sie Lust haben, sich darauf einzulassen, auch in Ihre eigene. Wir werden zusammen lachen, weinen und in längst vergangenen Erinnerungen schwelgen. Auf geht’s – vom Hier und Jetzt ins Damals und wieder zurück. Möglicherweise wirkt das nachhaltiger als jede Anti-Aging-Creme.
Kapitel 1 „Die größte Aufgabe der Welt ist, den Frieden aufzubauen“
Zwischen Rebellion und Anpassung
10. Mai 1974
A B R Ü S T E N !
Dieses Buch sollten sie alle lesen. Alle! Diese blöden, gekünstelten, unechten Scheißkerle! Zeigen ihre Zähne und versprechen abzurüsten, und hinter unserem Rücken stecken sie ein neues Atomversuchsfeld ab. Aber ich glaube, man könnte ihnen 20 Bücher voller tiefsinnigster, bester Friedensbemühungen schicken, sie würden ein kleines Kind streicheln, lächeln und mit dem Kopf nicken. Und gleichzeitig befehlen sie, eine neue Bombenladung abzuwerfen. Aber warum eigentlich? Sind die denn völlig verblendet? Was wollen die denn noch? Lauert denn hinter allem immer nur das eine: Habgier und Herrschsucht? Gibt es eigentlich keine Zufriedenheit mehr? Aber ich gebe nicht auf. Ich sage keinem was, aber ich muss etwas tun, wenn es auch unnütz ist, wenn man immer und immer wieder mit dem Kopf gegen eine Wand rennt, bröckelt sie vielleicht etwas ab! Ich bin klein, ich habe Angst vor allem Möglichen. Ich Idiot, warum mach ich mir Gedanken? Ich tu’s, ich muss, und ich tue es weiter! Und es bleibt dabei! Die größte Aufgabe der Welt ist, den Frieden aufzubauen.
Der erste Eintrag in meinem ersten Tagebuch – ein dünnes rotes Schulheft. „Scheiß-schöne Welt“ steht in Großbuchstaben auf dem Umschlag, daneben ein Peace-Zeichen. Die linierten Blätter sind eng beschrieben, Zeile für Zeile in ordentlicher Schreibschrift. Was mag mich mit 14 Jahren dazu veranlasst haben, meinem Zorn über „die da oben“ auf diese Weise Ausdruck zu verleihen? Was hat mich so wütend gemacht?
Meine Pubertät in einer Reihenhaussiedlung in Wuppertal-Elberfeld war so aufregend wie ein Hallenbad mit Bademützenzwang. Mit 14 war ich weit davon entfernt, eine Rebellin zu sein. Ich war ein freundliches, fröhliches Mädchen. Die langen hellbraunen Haare trug ich brav mal zum Pferdeschwanz, mal zu lockeren Zöpfen gebunden. In der Schule gehörte ich zu den Klassenbesten, war aber keine, die gern in der ersten Reihe saß oder sich im Unterricht auffällig oft zu Wort meldete. Fleißig, aber zurückhaltend.
Einen Fernseher gab es bei uns zu Hause aus weltanschaulichen Gründen nicht, folglich auch keine Tagesschau oder andere Nachrichtensendungen. Meine Eltern bezogen ihre Informationen aus dem Radio und hatten mehrere Zeitungen abonniert, unter anderem DIE ZEIT. Politische Diskussionen fanden bei uns gelegentlich am Küchentisch statt. Sie wurden meistens durch meine zehn Jahre ältere Schwester und deren damaligen Mann angeregt. Da prallte dann das religiös-konservative Weltbild meiner Eltern auf einen Hauch von linkem Idealismus. Alle Reizthemen dieser Zeit kamen zur Sprache: Willy Brandt (schon zur Zeit des Misstrauensvotums trug ich als 12-Jährige stolz meine „Willy wählen“-Plakette auf dem Schulhof spazieren), die Ostverträge, Brandts Rücktritt, der Kalte Krieg, die Angst vor einem Atomschlag, die Anfänge der Friedensbewegung … Ich fand das alles spannend, ohne es richtig einordnen zu können. An wem sollte ich mich orientieren? Mit 14 war ich noch nicht so weit, die Meinung der Eltern ernsthaft infrage zu stellen.
„Knallköpfe“ nannte mein Vater gern alle, deren Ansichten er nicht nachvollziehen konnte. Und wenn er in Diskussionen in die Enge getrieben wurde, machte er dicht und beendete jeden Widerspruch mit dem Argument: „Ich will jetzt nichts mehr davon hören. Wartet, bis ihr in mein Alter kommt, dann werdet ihr das alles anders sehen.“ Während meine große Schwester und mein Schwager in solchen Momenten die Augen verdrehten, hielt meine Mutter sich diplomatisch mit politischen Kommentaren zurück, setzte neues Teewasser auf und wechselte geschickt das Thema.
Ich erinnere mich daran, dass ich alles interessiert aufsaugte, aber auf meine Fragen keine zufriedenstellenden Antworten bekam. Anstatt mich vor der eigenen Zukunftsangst und Unsicherheit in pubertären Trotz und Aggressivität zu flüchten, dachte ich viel nach, verschlang Bücher – und beschloss offenbar in jenem Mai 1974, von nun an meine Überlegungen in einem Tagebuch festzuhalten. Von einer klaren Linie in meiner Haltung kann allerdings keine Rede sein, denn schon kurz nach meinem Weltverbesserungsanfall ist zu lesen:
5. Juni 1974
Im Moment bin ich eigentlich ganz zufrieden. Ich habe nämlich gemerkt, dass es sich sehr viel zufriedener leben lässt, wenn man sich einen Dreck um das kümmert, was in der Welt geschieht. Man regt sich ja doch nur auf! Und ändern kann ich nichts, du auch nicht. Wer denn schon? Na ja, meine Meinung wird sich sowieso wieder ändern.
Wen meinte ich mit „du auch nicht“? Habe ich damals etwa schon mit eventuellen Lesern gerechnet? Eher habe ich wohl mein Tagebuch als Gesprächspartnerin gesehen. Ich habe den Seiten anvertraut, was ich mich Freundinnen gegenüber nicht zu sagen traute. Selbstzweifel, Unsicherheit, Gefühlsschwankungen und eben auch Kommentare zum Weltgeschehen konnten ungefiltert zur Sprache kommen, ohne dass ich befürchten musste, belächelt oder verspottet zu werden.
11. Juli 1974
Wenn ich mich so zurücklehne und in den Himmel gucke, fühle ich mich irgendwie gefangen. Ich möchte jetzt am liebsten rausgehen. Diese Scheiß-Schularbeiten machen mich noch mal verrückt!! Ich hab einfach keine Lust! Alles, was ich noch mache, sind Schularbeiten. Je länger ich in dieses Buch schreibe, desto unzufriedener werde ich. Immer dasselbe, rundherum und rundherum und so weiter, immer im Kreis.
Das Leben ist wie eine Hühnerleiter, kurz und beschissen. Aber zwischen den einzelnen Stufen liegen Blumen.
Gerade, als ich das schrieb, ist eine Blume von dem Blumenstrauß auf meinem Tisch abgefallen. Sie will mich daran erinnern, dass man die Blumen nicht vergessen darf. Das tröstet mich.
Dass ich das Leben schon mit 14 gelegentlich als beschissen empfunden habe, gehört zu den Erinnerungen, die ich verdrängt hatte.
„War ich ein melancholisches Kind?“, habe ich meine Schulfreundin Anna neulich gefragt. Denn auch wenn so ein Jugendtagebuch ein verlässlicher Zeitzeuge sein sollte, war ich anfangs nicht sicher, wie ich meine eigenen Aufzeichnungen einzuschätzen hatte.
„Melancholisch?“, fragte Anna verblüfft. „Nicht, dass ich wüsste. Du warst kritisch und nachdenklich. Soweit ich mich erinnere, haben wir aber über unsere Gefühle in dem Alter noch wenig gesprochen.“
Stattdessen verriet ich meiner imaginären Freundin, was mich am Heiligabend 1974 bewegte.
Was hat dich bewogen, deine Tagebücher wieder zur Hand zu nehmen?
[...] Unser Gehirn spielt uns Streiche. Es lässt die Dinge im Nachhinein oft ganz anders erscheinen als sie in Wirklichkeit waren. Oft merken wir das gar nicht, es sei denn, es gibt verlässliche Zeitzeugen - wie meine Tagebücher. Mit 14 Jahren habe ich angefangen, alles aufzuschreiben, was ich für so wichtig hielt, dass ich es festhalten wollte. Gefühle, Gedanken, manchmal auch einfach nur Alltagsbanalitäten. Fast 30 Jahre lang hat der Stapel angestaubter Hefte irgendwo im Keller vor sich hingeschlummert, bis ich ihn ausgebuddelt und in ihm mein junges Ich wiederentdeckt habe. Eine überraschende und sehr emotionale Begegnung.
Gibt es ein jüngeres Ich, das du heute noch in dir erkennst oder vielleicht auch vermisst?
Ich staune noch immer über die große Ernsthaftigkeit, mit der ich ins Leben gestartet bin. Mein jüngeres Ich hat sich viel mehr Sorgen um die Zukunft gemacht und intensiver über den Sinn des Lebens nachgedacht als ich erinnerte. [...] Auch wenn ich oft schmunzeln musste über meine Gedanken, Ängste und Sehnsüchte, habe ich mich doch oft in diesen Aufzeichnungen wiedergefunden und festgestellt, dass ich von mir selbst so einiges lernen kann. [...]
Welche Eigenschaften und Ansichten, die sich in den Einträgen von früher zeigen, haben dich überrascht und warum?
Das Mädchen, die junge Frau, die ich mal war, macht mich nachdenklich und beschämt mich auch ein wenig. Wie lange habe ich mir viele wichtige Fragen nicht mehr gestellt? Sollte ich sie mir heute nicht viel häufiger stellen als damals, als das ganze Leben noch vor mir lag? Habe ich meine Chance genutzt, mich selbst und die Welt zu verändern? Je mehr ich darüber nachgrübele, desto mehr wird mir klar, dass da noch viel Luft nach oben ist.
„Ihre Tagebucheintragungen insgesamt haben eine erstaunliche Tiefe.“
„Lebendig erzählt Tietjen von ihrer Suche nach dem Glück im Leben. Im Rückblick ist das Ganze eine schöne Reise und eine Erinnerung an all das, was wichtig war beim Älterwerden.“
„Sehr spannend“
„Eine schöne Zeitreise.“
„Eine wirklich unterhaltsame, aber auch emotionale und aufwühlende Zeitreise.“
„Unterhaltsam und eindrucksvoll“
„Das Buch ist lustig und es ist klug.“
„Tietjen kommentiert die Tagebuchaufzeichnungen unterhaltsam und nimmt uns mit auf eine emotionale Reise.“
Prolog
Ich will auf komische Gedanken kommen
Kapitel 1
„Die größte Aufgabe der Welt ist, den Frieden aufzubauen“
Kapitel 2
„Ich habe heute richtig Muskelkater im Hals“
Kapitel 3
„Ich entdecke in der Bibel viele Dinge, die mir weiterhelfen“
Kapitel 4
„Ich weiß manchmal gar nicht, wie ich das alles schaffen soll“
Kapitel 5
„Eigentlich ist doch alles ein großes Wunder“
Kapitel 6
„Nur Küssen und nichts weiter“
Kapitel 7
»Als ob ich nie weg gewesen wäre …«
Kapitel 8
„Es bedrückt mich, dass ich so ziellos herumstudiere“
Kapitel 9
„Ob es wirklich an mir liegt?“
Kapitel 10
„Warum braucht man bloß diese Sehnsucht?“
Kapitel 11
„Ich bin kein Mensch, der gut allein sein kann“
Kapitel 12
„An mir ist sowieso alles Zwiespalt“
Kapitel 13
„Es kommt immer wieder etwas dazwischen“
Kapitel 14
„Oh großer Geist des Weltalls, komm bitte herab auf mich!“
Kapitel 15
„Diese Stadt ist einfach unglaublich“
Kapitel 16
„Ich glaube, Berlin tut mir gut“
Kapitel 17
„Warum bloß ist es so schwer, glücklich zu sein?“
Epilog
„Ich will ihn nämlich heiraten“
Der Soundtrack meiner Tagebücher
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