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Der letzte Champagner (Professor-Bietigheim-Krimis 5)Der letzte Champagner (Professor-Bietigheim-Krimis 5)

Der letzte Champagner (Professor-Bietigheim-Krimis 5)

Carsten Sebastian Henn
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Ein kulinarischer Krimi

„Ein richtig prickelnder Krimi.“ - Leipziger Volkszeitung

Alle Pressestimmen (8)

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Der letzte Champagner (Professor-Bietigheim-Krimis 5) — Inhalt

Prickelnde Spannung von „Deutschlands König des kulinarischen Krimis“ Focus
Die wichtigsten Champagner-Winzer hat es zu einer historischen Weinprobe an die beschauliche Lahn verschlagen, doch der Abend endet blutig. Antoine de Beychevelle, Erbe des mächtigen Luxuskonzerns Pompadour, wird der Kopf abgeschlagen. Und zwar genau auf die Art, wie man eine Champagnerflasche köpft.

Der 5. Fall für Professor Bietigheim und Terrier Benno von Saber

Professor Adalbert Bietigheim, Deutschlands einziger Inhaber eines Lehrstuhls für Kulinaristik und Zeremonienmeister des Abends, sieht es als seine Pflicht an, den Mord aufzuklären. Seine Ermittlungen führen ihn tief in die Geschichte der Champagne, in die Zeit der großen Kriege ...

 „Ein herrliches, genussvolles Lesevergnügen.“ Westdeutsche Allgemeine

  • Leichte Krimikost - ideal als Geschenk mit einer Flasche Champagner 
  • Humorvoller Kriminalroman mit überraschenden Wendungen und vielen interessanten Hintergrundinfos zu Champagner
€ 11,00 [D], € 11,40 [A]
Erschienen am 01.12.2017
320 Seiten, Broschur
EAN 978-3-492-31195-3
Download Cover
€ 8,99 [D], € 8,99 [A]
Erschienen am 02.11.2016
320 Seiten, WMePub
EAN 978-3-492-97495-0
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Leseprobe zu „Der letzte Champagner (Professor-Bietigheim-Krimis 5)“

Prolog

 

 

Die sanft geschwungenen Hügel der Champagne, der mineralische Duft des Windes, die Rebstöcke, wie sie bedächtig wachsen, all das fehlt hier. Zu all dem will ich. Doch nun muss ich die benötigten Utensilien penibel bereitlegen. Damit keiner sie findet. Bis ich sie brauche.

Heute ist der Abend, auf den ich so lange gewartet habe.

Vorfreude erfüllt mich, doch auch ein wenig Angst vor dem, was passieren wird. Ich habe geübt, doch lässt sich so etwas wirklich üben? Und durchplanen? All das, was man denken und fühlen wird?

Es ist kühl hier und modrig. [...]

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Prolog

 

 

Die sanft geschwungenen Hügel der Champagne, der mineralische Duft des Windes, die Rebstöcke, wie sie bedächtig wachsen, all das fehlt hier. Zu all dem will ich. Doch nun muss ich die benötigten Utensilien penibel bereitlegen. Damit keiner sie findet. Bis ich sie brauche.

Heute ist der Abend, auf den ich so lange gewartet habe.

Vorfreude erfüllt mich, doch auch ein wenig Angst vor dem, was passieren wird. Ich habe geübt, doch lässt sich so etwas wirklich üben? Und durchplanen? All das, was man denken und fühlen wird?

Es ist kühl hier und modrig. Und still. Das beruhigt. Ja, die Dunkelheit beruhigt, die nur vom Strahl meiner Taschenlampe erhellt wird, durch den der Staub wie Schnee fällt.

Sanft lege ich den schweren Gegenstand ab, der in wenigen Stunden ein Leben beenden wird. Er wird den Endpunkt meines Plans bilden.

Dieser hat die letzten Monate bestimmt. Hat mein Leben bestimmt. Den Gegenstand zu sehen, in all seiner Schönheit, seiner Stringenz, seiner Endgültigkeit, hat oft zu einem Lächeln auf meinem Gesicht geführt. Weil nur ich wusste, dass die Zeit eines ganz bestimmten anderen Menschen abläuft. Jedes selbstverliebte Lächeln von ihm sein letztes sein könnte. Und seine Sicherheit nichts als eine Illusion war. Das Leben ist mir wie ein Pokerspiel vorgekommen, bei dem ich wusste, dass mein Blatt unschlagbar ist. Und mein Gegenspieler denkt, er hätte alles unter Kontrolle. Alles sei in Ordnung.

Dabei war nichts in Ordnung.

Für ihn.

Alles andere würde es bald wieder sein.

Endlich diese Last los sein.

Ich habe keine Angst vor Schuldgefühlen. Denn was passieren wird, ist richtig. Ist gerecht.

Was wird er wohl zum Schluss, im Angesicht des Todes sagen? Wird er Reue zeigen? Bitten, flehen, wimmern? Wird er weinen und heulen?

Das wäre eine Erlösung.

Obwohl ich nicht an Gott glaube, bekreuzige ich mich. Denn wenn es doch einen Gott gibt, dann vollbringe ich nun dessen Werk, dann wird er Verständnis dafür haben, dass hier in wenigen Stunden ein Menschenleben genommen wird. Nein, das ist falsch. Es wird nicht genommen. Denn wer etwas nimmt, der hat später ja etwas. Doch das Leben wäre einfach fort. Ausgelöscht. Beendet. Wie ein Fernsehprogramm, und danach gab es nur noch unförmiges Rauschen.

Wo wird mein Hass hingehen? Wird er ausgelöscht mit dem letzten Atemzug meines Opfers?

Oder mit jedem blutigen Hieb etwas mehr schwinden?

Ich sauge die kühle Luft ein.

Es fällt mir schwer, zu warten.

Dabei ist es nun nicht mehr lang.

Doch diese letzten Stunden fühlen sich unerträglich an. Ich will nicht mehr warten. Ich will die Zeit zusammendrücken wie ein Akkordeon. Und ihn hier vor mir haben. Ausgeliefert.

Aber zuerst stehen noch die Henkersmahlzeit an und der Henkerstrunk. Ein viel zu guter.

Und doch ein ausgesprochen passender.

Das Schicksal kennt keine Ironie, sagt man. Es ist gleichgültig.

Trotzdem muss ich lachen. Niemand hört es, doch es bricht und spiegelt sich an den Wänden, es klingt, als würde die ganze Welt mit mir lachen. Als lachten die Toten mit den Lebenden.

Meine Hand greift zu einer Flasche Champagner. Kein guter, doch kühl ist er und erzählt von der Heimat. Den sanft geschwungenen Hügeln der Champagne, dem mineralischen Duft des Windes, den Rebstöcken, wie sie wachsen.

Meine Fingerspitzen gleiten über das Etikett.

Tränen rinnen mir die Wangen hinab. Sie sind warm. Und voller Glück.

 

 

 

Kapitel 1

Der Professor schießt in die Luft

 

An diesem wunderbaren Samstagabend im September wusste Professor Dr. Dr. Dr. h.c. Adalbert Bietigheim zwar, dass er bald einige der legendärsten Champagner aller Zeiten genießen würde, nicht jedoch, dass ein Mord passieren würde. Ein, um es kulinarisch auszudrücken, äußerst unappetitlicher noch dazu. Dabei gab es kaum etwas, das der Professor weniger mochte als Unappetitliches.

Noch jedoch war er fabelhafter Laune und richtete in der Sakristei der schmucken Kapelle am Schafsberg die ohnehin perfekt sitzende weiße Seidenfliege. Sein treuer Foxterrier Benno von Saber beobachtete ihn dabei interessiert – was an der knochenähnlichen Form des Kleidungsstückes liegen mochte.

„Es freut mich, dass du in ebenso gespannter Vorfreude bist wie ich“, sagte der Professor und tätschelte ihm den Kopf. Wofür er sich leicht hinunterbeugen musste. Benno ergriff die Chance und sprang mit geöffnetem Maul empor.

Er verfehlte die Fliege knapp.

„Ja, du Guter! Aber fürs Schmusen ist jetzt leider keine Zeit.“

Benno stieß ein hungriges Brummen aus, erntete dafür aber nur ein: „Du kleine Schmusebacke!“

Der Professor nahm die Liste der zu verkostenden Champagner zur Hand. Von einem Who-is-Who der Champagnerwelt zu sprechen, war eine Untertreibung, ja eine Beleidigung für die Tropfen. Ohne Frage würde hier im beschaulichen Limburg an der Lahn in wenigen Augenblicken die bemerkenswerteste Champagnerprobe des noch jungen Jahrtausends stattfinden. Unter anderem mit dem als besten Champagner aller Zeiten geltenden 1928er Krug. Adalbert durchfuhr ein Kribbeln, als er daran dachte, diesen endlich verkosten zu dürfen. Er hatte schon so viel über ihn gelesen, sogar selbst publiziert, und ihn doch nie probieren können. Doch es gab einen Champagner, der ihn sogar noch mehr erregte – was er sich aufgrund der ihm so wichtigen Contenance selbstverständlich nicht anmerken ließ. Es war der Heilige Gral der Champagner. Eine Flasche 1907er Piper-Heidsieck, die Ende des 20.Jahrhunderts aus einem Schiffswrack vor der finnischen Küste geborgen werden konnte. Genauer aus dem Schoner „Jönköping“, der von einem U-Boot der Deutschen Marine versenkt worden war. Die Flaschen an Bord waren für die russische Zarenfamilie bestimmt gewesen. Unter Wasser waren sie perfekt gelagert worden. Eine Viertelmillion US-Dollar war jede einzelne davon wert, welche die Spuren ihrer Zeit unter Wasser nur noch begehrenswerter erschienen ließen. Wegen dieser Flasche, die sich nun sicher im Keller der Kapelle befand, waren die Eintrittskarten zu dieser Probe so gesucht und so unfassbar teuer gewesen.

Champagner dagegen, die vor allem aufgrund ihrer luxuriösen Flaschen so wertvoll waren, wie die mit Weißgold ummantelte „White Gold Jeroboam“ von Dom Pérignon oder die „Diamond Edition“ von De Watère, hatten hier heute Abend nichts zu suchen. Es ging einzig und allein um exquisiten Geschmack.

Bietigheim räusperte sich und trat aus der Sakristei in das allein von gewaltigen Lüstern mit flackerndem Kerzenlicht erleuchtete gotische Kirchenschiff und ging schweigend und gemessenen Schrittes, wie ein Priester bei der Messe, Richtung Altarraum, wo mehrere schwarze Klimaschränke mit den exklusiven und perfekt temperierten Bouteillen standen. Ein Raunen ging bei seinem Eintreten durch die Reihen und erstarb hin zu gespannter Stille. Kurz nickte der Professor in Richtung des Tisches mit den Weinjournalisten. Ob Wine Advocate, Decanter, Wine Spectator, La Revue du vin de France oder Vinum – alles, was Rang und Namen hatte, war anwesend. Deren Karten hatte eine Heilwasserquelle aus dem benachbarten Fachingen finanziert, die an diesem Abend unter Beweis stellen wollte, wie gut ihr Produkt zur edelsten Brause der Welt passte. Am Tisch daneben saß die Winzerelite der Champagne. Taittinger, Bollinger, Roederer, Ruinart, Mumm, Veuve Clicquot – alle hatten ihre Besitzer oder Geschäftsführer entsandt. Niemand fehlte. Der Professor begrüßte jeden davon per Handschlag und einen Mann ganz besonders herzlich, denn es war ein alter Freund. Der Professor reichte ihm beide Hände, Ghislain nahm sie und schloss ihn dann in die Arme. Als Bietigheim noch Student an der Sorbonne gewesen war, hatte Ghislain de Montgolfier ihn in den Champagnerkosmos mit seinen ganz eigenen Regeln eingeführt. Ein Ehrenmann der alten Schule in einer Welt des luxuriösen Scheins. Der hochgewachsene, elegante Mann mit den leicht gewellten weißen Haaren wünschte ihm kein Glück, denn er wusste wohl, dass Bietigheim dieses nicht brauchte.

„Gut, dass du hier bist. Ich wüsste sonst niemanden, der diesen Champagnern gerecht werden könnte.“ Er beugte sich hinunter zu Benno. „Das gilt auch für dich, mein kleiner Freund. Die anderen haben sich gewundert, dass ein Hund dabei ist. Doch ich sagte ihnen, du seist nicht einfach irgendein Hund, du seist schließlich Benno von Saber, der kulinarisch geschulteste Foxterrier der Welt.“

Der Professor schritt, gefolgt von Benno, der seinen Kopf nun etwas höher zu tragen schien, zum Rednerpult, wo bereits ein Säbel für ihn bereitlag. Die erste Flasche des Abends würde er wie ein napoleonischer Kavallerieoffizier öffnen – mittels Sabrieren. Ein Champagner des Hauses Salon stand dafür bereit. Bietigheim umfuhr mit den Fingerspitzen die Flasche, um die Längsnaht zu finden, an der in der Glashütte zwei gläserne Flaschenhälften zueinandergefunden hatten. Denn dort, wo diese in den Wulst des Halses überging, musste der Hieb des Säbels enden. Adalbert stellte sich vor dem Pult in Positur, setzte den Säbel ohne Umschweife oberhalb des Etiketts an und ließ die Klinge in einer fließenden Bewegung am Glas entlang auf den Wulst zugleiten.

Er hatte dies schon etliche Male getan.

Er wusste, wie viel Druck nötig war, um möglichst wenig des kostbaren Schaumweins zu vergießen.

Doch jetzt war es plötzlich anders.

Wenn dieser Schlag misslang, würde er vor der versammelten Winzerelite der Champagne zum Gespött. Das wäre ein Fleck auf seinem Ansehen, den er nie wieder loswürde und der ihm weitere Besuche in diesem gesegneten Landstrich unmöglich machen würde. Nur ein perfekter Schlag brächte ihm Applaus ein.

Der Wulst erschien ihm auf einmal unzerstörbar breit und sein Säbel lächerlich leicht. Er sah die Bewegung des Säbels wie in Zeitlupe.

Adalbert erhöhte die Kraft. Setzte viel mehr ein als sonst.

Der Flaschenhals war auf den Gang gerichtet, der zwischen den langen Tischreihen mit den gestärkten weißen Decken verlief. Am Ende saß, oder besser thronte, der Gastgeber des Abends: Gottfried von Kramp, der all die unglaublichen Bouteillen gesammelt hatte. Ein zutiefst unangenehmer Mensch, fand Adalbert. Jeden der Anwesenden hatte von Kramp betteln lassen, ja flehen, um heute Abend genau hier auf dem Planeten Erde sein zu dürfen. Siebenunddreißig Personen und damit genau die Zahl seines Geburtsjahres. Diese siebenunddreißig würden die Kunde der Probe hinaus in die Welt tragen.

Bietigheim hatte selbstverständlich weder gebettelt noch gefleht.

Er hatte sich stattdessen bitten lassen, denn er wusste, dass niemand so viel über die Champagne wusste wie er. Stammten doch das Standardwerk Die Geschichte des Champagners und der zweiten Gärung mit Inklusion von Cava, Sekt und Crémant. Unter bewusster Auslassung von Prosecco wie auch das augenzwinkernde Essay Champagner – Der Gottesbeweis in Bläschenform von ihm. Bietigheim hatte zudem den Ausspruch „Das edelste aller Getränke für die edelsten aller Geister“ geprägt, womit etliche Champagnerhäuser warben – was er sich in Naturalien bezahlen ließ. Er hatte Gottfried von Kramp, von dem zuvor nie jemand gehört hatte, da der Besitzer einer Glashütte im Stillen gesammelt hatte, die Türen geöffnet.

Der Hals der Flasche zielte nun genau auf von Kramps Stirn.

Und es war keine Zeit mehr, sie abzuwenden.

Die Klinge des Säbels traf den Wulst.

Ein entschlossener, kraftvoller Hieb.

Der Schlag glückte.

Der Hals brach ab.

Durch den Druck des austretenden Schaumweines schoss der Kopf der Champagnerflasche weit in den Raum hinein, vorbei an den Tischen der Staunenden, und näherte sich dem Kopf des Gastgebers mit großer Geschwindigkeit. Die 2,5 bar Druck hatten beim Start für stolze 40 km/h gesorgt. Er wurde zwar peu à peu langsamer, doch von Kramp nutzte die wenige Zeit nicht, um sich in Deckung zu bringen.

Die Blicke der Anwesenden folgten fasziniert dem pilzförmigen Geschoss.

Der Professor dachte darüber nach, einen warnenden Ruf auszustoßen, doch das hätte seinen Schlag sämtlicher Imposanz beraubt – und ihn vor allem als nicht geplant dargestellt. Deshalb ließ er selbst in diesem Moment Contenance walten. Da er genau am Beginn der Flugbahn stand, konnte er erkennen, dass der Flaschenhals – und damit Korken, das Muselet genannte Drahtgeflecht sowie Glas – von Kramp genau auf der Stirn treffen würde. Mittig zwischen die Augen.

Es würde tatsächlich eine legendäre Probe werden.

Der Flaschenhals erreichte den Tisch des Gastgebers.

Benno von Saber erreichte den Tisch des Gastgebers.

Benno von Sabers Pfoten katapultierten den Foxterrier in die Höhe.

Der Flaschenhals war nur noch wenige Zentimeter von der Stirn des Gastgebers entfernt.

Benno von Sabers Maul umschloss den Flaschenhals.

Der Foxterrier landete samt Geschoss auf dem gekachelten Boden.

Die Kapelle explodierte vor Applaus.

Der Professor wies auf seinen Hund und Retter. „Darf ich vorstellen: Benno von Saber!“

Stolz brachte Benno den Fang zurück. Doch als Bietigheim versuchte, ihm diesen aus dem Maul zu ziehen, ließ er nicht los. Da der Professor immer einige Leckerlis bei sich trug, konnte er jedoch einen Gefangenenaustausch arrangieren.

Stolz hob er den abgeschlagenen Flaschenhals empor. „In Frankreich ist es üblich, den abgeschlagenen Kopf und Korken mit dem Datum der Zeremonie zu beschriften und als Glücksbringer aufzubewahren.“ Er holte den dafür vorgesehenen Füllfederhalter hervor. „Dieser ist für Gottfried von Kramp, der einen Ort für unsere Probe ausgewählt hat, der angemessener nicht sein könnte. Denn wir huldigen dem vielleicht göttlichsten aller Getränke: dem Champagner!“ Er tat so, als wolle er den Korken zu von Kramp werfen, hielt dann jedoch schmunzelnd inne. „Ich fürchte, mein Hund würde ihn vor Ihnen haben!“ Dafür erntete er ein Lachen im Kirchenschiff. Er goss den noch verbliebenen Salon-Champagner in die Gläser, die auf einem Silbertablett bereitstanden, und übergab es einem weiß behandschuhten Kellner, der sie an den Tisch des Gastgebers brachte. Weitere Kellner traten in die Kapelle mit Tabletts und gefüllten Gläsern, die sie an den Tischen servierten.

„Sehr verehrte Connaisseurs“, hob der Professor wieder an. „Wir haben uns hier versammelt, um gemeinsam Sterne zu trinken – wie der große Dom Pérignon den Genuss von Champagner einst so treffend beschrieb. Es sind die leuchtendsten Sterne, die in unserem Universum existieren. Wir feiern die heilige Dreieinigkeit der Champagne: Pinot Noir, Chardonnay und Meunier. Ja, Sie haben richtig vernommen, ich sage Meunier und nicht Pinot Meunier, denn neueste Untersuchungen zeigen, dass die in Deutschland auch als Müllerrebe bekannte Sorte nicht zur Burgunderfamilie gehört.“

Das Publikum am Anfang mit überraschendem Wissen zu beeindrucken, hatte sich bereits oftmals im Leben Bietigheims als geschickter Kniff erwiesen – der potenzielle Besserwisser verstummen ließ. Und potenzielle Besserwisser waren bei Weinproben stets zuhauf anwesend. „Zugelassen für Champagner sind ebenfalls Arbane, Petit Meslier, Pinot Gris Vrai und Pinot Blanc. Man findet sie kaum noch – dank Gottfried von Kramp werden wir aber auch ihnen heute Abend hier huldigen können. À votre santé!“

Der Professor hob das hauchdünne Glas an die Lippen. Der Stiel war lang, die Form schmal wie eine Flöte, und innen stiegen unaufhörlich feinste Perlen empor. Er ließ das kühle Elixier fließen. Die kleinen Bläschen zerplatzten wie Supernovae am Gaumen, und er schloss unwillkürlich die Augen, um auch ja keine zu verpassen. Was da in seinem Mund passierte, schien nicht von dieser Welt zu sein.

Als er die Augen wieder öffnete, waren die aller Anwesenden auf ihn gerichtet.

Er räusperte sich. Schließlich war Selbstvergessenheit so unakademisch.

„Den Moment auskosten, das lehrt uns der Champagner!“, versuchte er, die Situation zu retten. „Obwohl wir begierig auf die kommenden Genüsse sind, sollten wir uns die Zeit zum Genuss nehmen. Zeit ist das Stichwort, und Zeit ist das Thema heute. Wir reisen zurück in die Zeit und beginnen mit einem Jahrgang, den viele für den besten der letzten zwanzig, vielleicht sogar der letzten vierzig Jahre halten. Den 1996er! Aus diesem Jahr wird es nun einen raren Dom Pérignon Oenothèque geben.“ Der Professor stockte, denn die folgenden Worte fielen ihm schwer. „Sehr gerne würde ich selbst Ihnen etwas über diesen Champagner vortragen, da ich mich intensiv mit seiner Geschichte auseinandergesetzt habe, doch unser Gastgeber bestand eindringlich darauf, diesen Wein selbst anzukündigen. Mein Anstand gebietet es deshalb, zurückzutreten und mein umfassendes Wissen zu diesem Thema für mich zu behalten.“

Von Kramp trat mit raumgreifenden Schritten auf die Bühne. Dies sollte, wie der Professor wusste, die Krönung seiner Laufbahn als Champagnersammler sein. Er hatte beschlossen, seine Schätze zu einem Zeitpunkt zu öffnen, da er noch im Vollbesitz seiner Kräfte war. Diese führten ihn nun an das Rednerpult.

Er griff sich das Mikrofon so fest, als wollte es fliehen.

„Nach dem Theoretiker spricht nun der Praktiker! Der Professor mag viel gelesen haben, doch ich habe mehr getrunken!“

Von Kramp erntete einige höfliche Lacher, Bietigheim hielt an sich und spürte, wie seine Hände sich zu Fäusten ballten.

„Am 27. September 1694 schrieb Dom Pérignon, seine Mission sei es, den besten Wein der Welt zu erzeugen. Und man kann sagen ...“

„Es war der 29. September.“

Von Kramp hielt inne und blickte in das Kirchenschiff, suchte den Störenfried. Als er ihn nicht ausmachen konnte, grunzte er mürrisch und begann von vorn. „Am 27. September 1694…“ „Es war der 29. September. Wie ich schon sagte.“ Von Kramp blickte den Professor an, doch dieser bedeutete ihm, dass seine Lippen wie mit einem Reißverschluss zugezogen seien. Mit einem Kopfschütteln fuhr von Kramp deshalb fort: „Man kann sagen, es ist ihm und seinen Nachfolgern geglückt.“ Er schaute zum Professor. „Das können Sie einem Mann wie mir glauben, der wohl mehr Perry-Jahrgänge getrunken hat als jeder andere hier.“ Der Professor bedauerte nun, dass der Champagnerkorken sein Ziel eben nicht erreicht hatte. Es hätte ihm einiges erspart. Er war nicht bereit, milde zu lächeln, nur einen abfälligen Blick hatte er für von Kramp übrig.

„Heute ist Dom Pérignon in großen Jahren fraglos einer der besten Weine der Welt. Kein Wunder, dass James Bond im Film Goldfinger sagte: >Man trinkt nie einen 53er Dom Pérignon, wenn er eine Temperatur über neun Grad hat. Das wäre genau so, als hörte man den Beatles ohne Ohrenschützer zu!“

„Über acht Grad“, war die störende Stimme wieder zu hören. Sie klang sonor und ungemein selbstsicher. Die Gäste im Kirchenschiff sahen sich um. Wie Metallspäne nach einem Magneten richteten sich die Köpfe zu einem massigen Mann, der ganz an der Seite saß, am schlechtesten Platz, direkt hinter der Theke. Er war dem Professor schon beim Eintreten aufgefallen, denn im Gegensatz zu den anderen trug er keinen Anzug. Stattdessen sah er aus wie ein Clochard. Angefangen bei den abgewetzten Sandalen, in denen nackte Füße steckten, über die dunkle Jogginghose, das ausgeleierte T-Shirt unter der unmodischen Strickjacke bis zum fusseligen Bart und den langen strähnigen Haaren hätte man sich keinen Menschen vorstellen können, der weniger hierher passte. Und doch musste er eine exorbitant teure Karte erworben haben.

„Nun tun Sie doch etwas!“, wandte sich von Kramp an den Professor. „Der Mann soll mich nicht stören.“

„Wenn Sie recht hätten, mein lieber von Kramp, würde ich Ihnen zustimmen!“

„Was soll das?“

„Wir alle sollten dem Herrn dort dankbar sein, dass er Sie so freundlich korrigiert hat.“

Von Kramp wandte sich an den Professor und senkte die Stimme. „Er hat gestört!“

„Im Dienste der Wahrheit!“

„Stimmen Sie mir also nicht zu?“ Von Kramps buschige Augenbrauen zogen sich zusammen wie fette Raupen.

„O doch, wenn Sie meiner Meinung sind, stimme ich Ihnen gerne zu.“

Von Kramp nickte, die Antwort des Professors völlig missverstehend, und blickte dann strafend zu dem Unbekannten. „Entweder Sie lassen mich nun meinen Vortrag halten oder ich entferne Sie aus der Kirche! Ob Sie gezahlt haben oder nicht!“ Ihm standen dicke Schweißperlen auf der Stirn. Als keine Widerworte erklangen, fuhr er fort: „Der erste Dom Pérignon kam 1936 auf den Markt – es war der Jahrgang 1921.“ Nervös blickte er in Richtung des schlecht gekleideten Gastes, doch dieser schwieg.

„Dom Pérignon ist der einzige Champagner, der Trauben von allen siebzehn Grands Crus der Champagne vereint – wie auch vom legendären Hautvillers Premier Cru.“ Wieder hielt von Kramp inne. Keine Widerworte. Er nickte zufrieden und wollte fortfahren, als der merkwürdige Gast erneut sprach.

„Das Haus Moët & Chandon hat Besitz in allen Grand-Cru-Lagen, verwendet aber nur die Trauben von acht Grands Crus für den Dom Pérignon – vier mit Chardonnay und vier mit Pinot Noir bestockte. Und falls Sie das gleich auch noch falsch sagen: Pinot Meunier ist nie enthalten. Pardon, Professor, Meunier, danke für Ihren Hinweis!“

Bietigheim schloss den Unbekannten jetzt richtig ins Herz.

Von Kramp anscheinend weniger. „Raus!“, rief er und deutete mit dem Finger auf das Hauptportal der Kapelle.

Der Professor trat vor. „Sollen wir wirklich diesen klugen Mann entfernen lassen, der gerade eine beachtliche Anzahl falscher Informationen dankenswerterweise korrigiert hat? Sollen wir ihn nicht lieber bitten, seine Korrekturen aufzuschreiben, sodass ich sie überprüfen und am Ende Ihres Vortrages dann als Paket vortragen kann?“

„Mein Vortrag ist fertig“, erwiderte von Kramp knapp. „Zum Wohl!“ Damit stürmte er aus dem Altarraum.

Bietigheim referierte noch einige Fakten zu Dom Pérignon, zu denen es, wie von ihm erwartet, keine Zwischenrufe gab, und öffnete dann die erste Flasche. Wie es sich gehörte, mit einem möglichst leisen Plopp, der den Champagner nicht irritierte. So als würde man ihn ganz sanft aus dem Schlaf wecken.

Adalbert erschnupperte und erschmeckte frisch gepflückten weißen Pfirsich, von Meisterhand kandierte Limonen, Pralinen mit weißer Schokolade und eine kecke Prise weißer Pfeffer. Er nahm einen großen Schluck, denn Champagner musste stets in solchen genossen werden.

Es wurden noch viele wundervolle Champagner an diesem denkwürdigen Abend verkostet. Und doch bescherte ihm keiner davon ein solches Glücksgefühl wie der 96er Dom Pérignon.

Oder besser: von Kramps Versagen, sich essenzielle Fakten zu merken, die jeder Drittklässler kennen musste.

 

Am Abend war der Professor noch traurig gewesen, dass er so viele grandiose Schlucke Champagner hatte ausspucken müssen, da er als Einziger einen klaren Kopf zu behalten hatte. Doch als er nun am Sonntagmorgen in die Kapelle am Schafsberg trat, wo das gemeinsame Champagnerfrühstück angesetzt war, erhellte sich seine Miene. Die Schwerkraft wirkte so mächtig auf die Köpfe der Anwesenden, dass sie es nur mühsam schafften, nicht auf die reich gefüllten Tischplatten zu knallen. Von Kramp war nicht anwesend. Ebenso wenig der gut betuchte Clochard. Vermutlich begannen sie den Tag mit einer ordentlichen Prügelei.

Den bereitstehenden Champagner rührte niemand an.

Das heißt, Adalbert goss sich nun genüsslich ein großes Glas vor den Augen aller ein. „Zum Wohl, sehr verehrte Damen und Herren!“

Das exklusive Büfett bot keine übermäßig würzigen, scharfen oder geschmacksintensiven Gerichte, auch keine trockenen, knusprigen oder besonders süßen und bitteren Speisen, zu all diesen passte edler Jahrgangschampagner nicht. Es gab auch nichts, das stark nach Zitrone, Essig oder Oliven schmeckte, nichts Eingelegtes, keinen Knoblauch oder rohes Gemüse. Der Professor hatte dafür gesorgt. Und natürlich gab es keine Minze. Diesen Beweis, dass Gott den Menschen die Kreuzigung seines Sohnes nicht vergeben hatte. Bietigheim verachtete Minze zutiefst, konnte den Duft und erst recht den Geschmack nicht ertragen. Er wollte einfach nichts essen, das wie Zahnpasta schmeckte.

Stattdessen gab es Kaviar, Austern, Hummer, Krebse, Langusten, Jakobsmuscheln und Foie gras. Sie hatten allerdings vergessen, die Trüffel aufzutragen. Verdammt noch eins, dabei gingen diese doch so famos mit dem Blanc de Noirs des kleinen Champagnerhauses aus Bouzy zusammen, den er gerade im Glas hatte. Also würde er sie eben selbst aus der Küche holen. Was man nicht selber machte!

„Sie dürfen da nicht rein“, waren die Worte des Kellners, der den Professor am Besuch der Küche hindern wollte.

„Hätten Sie für Trüffel gesorgt, müsste ich dort auch gar nicht hinein. Ihnen ist doch hoffentlich klar, dass es in Frankreich mit Freiheitsstrafe geahndet wird, diesen Champagner ohne Trüffel zu servieren!“

Es sollte ein geistreicher Scherz sein, doch der junge Mann huschte verängstigt davon, als sei ihm der französische Auslandsgeheimdienst bereits auf der Spur.

Der Professor trat mit Benno im Schlepptau in die kleine Küche, in der drei Köche in dichtem Dampf ihrer Arbeit nachgingen. „Weitermachen“, entgegnete der Professor, als sie hochblickten.

Die Küche war bis zum Rand gefüllt mit Düften und Aromen, viele davon heiß und intensiv. Auch Trüffel waren darunter wie ein dunkles Feuer, das immer noch in der Erde zu brennen schien. Die Edelpilze fand der Professor in einer kleinen Plastikdose, wo sie mit Küchenkrepp ummantelt lagen. Ihr Duft hatte es hindurch geschafft. Sicher nicht für jeden zu erschnuppern, doch Adalberts Nase war ein fein austariertes Präzisionswerkzeug zur Identifizierung und Auffindung von kulinarischen Genüssen. Einmal pro Woche, falls irgend möglich Freitagnachmittag um 16:15 Uhr, musste seine wissenschaftliche Hilfskraft an der Universität der Hansestadt Hamburg, Rena Balingen, ihm die Augen mit einem Seidenband verbinden, selbstverständlich sachte, und zur Übung zehn Dinge, die sie zuvor wahllos eingekauft hatte, vor seine Nase halten.

Den Klostein nahm er ihr bis heute übel.

Das Riechorgan des Professors schlug nun an. Irgendetwas stimmte nicht. Er konzentrierte sich auf sein Riechorgan. Wäre es ein disharmonischer Klang gewesen, ein störendes Geräusch, so hätte er alle bitten können, für einen Moment ruhig zu sein, und es in der entstehenden Stille ausmachen können. Doch Duftaromen konnte niemand befehlen aufzuhören. Und in dieser Küche duftete etwas, das hier nicht hergehörte.

Eine junge Kellnerin trat durch die Pendeltür ein und – als sie den Professor mit weit geblähten Nüstern in der Küche sah, wie er sich langsam um die eigene Achse drehte – sofort wieder heraus.

„Alles gut?“, fragte der Chefkoch.

„Nein“, antwortete der Professor.

„Ein, wie soll ich sagen, trauriger Geruch.“ „Ein trauri… was?“

„Wie umgekippte Milch. Schlecht gewordenes Fleisch. Fauliges Obst. Ein Geruch, der anzeigt, dass etwas nicht mehr gut ist. Was ich äußerst traurig finde.“

Der Chefkoch trat näher und baute sich vor Bietigheim auf. Von Nahem war er bedeutend größer. Und mieser gelaunt. „In meiner Küche ist kein trauriger Geruch!“

„Doch.“

„Der einzige traurige Geruch hier sind Sie!“

„Ich habe frisch geduscht. Unter Zuhilfenahme unparfümierter Kernseife. Alle Körperteile. Und zwar in der richtigen Reihenfolge.“

„Der richtigen Reihenfolge? Wie geht die denn bitte?“

Der Professor wies auf eine kleine Tür. „Wo geht es dort hin?“

„In den Weinkeller.“

„Die ehemalige Krypta nehme ich an? Dürfte ich dort wohl hinein?“

„Mir ist egal, wohin Sie gehen, solange Sie traurige Gestalt aus meiner Küche verschwinden. Und nehmen Sie Ihr Geschwafel über traurige Düfte gleich mit.“

„Es ist kein Geschwafel. Ihre Gerichte duften im Übrigen alle deliziös, und Ihre Küche ist in einem geradezu exquisiten Zustand.“

Dem Koch stand der Mund offen.

„Sie sollten Ihren Mund wieder schließen und weiterkochen. In der gusseisernen Pfanne brennt gerade das Rührei an.“

Und damit ging er in Richtung Weinkeller.

Der Geruch wurde stärker.

„Benno, bei Fuß!“

Der Foxterrier rannte voraus, die steinernen Treppenstufen hinunter. Folgsames Benehmen war Glückssache. Doch der Professor versuchte es immer wieder und redete sich ein, die Zufallstreffer wären Erziehungserfolge.

Plötzlich bellte Benno.

Das tat er nur, wenn er fressen oder vor die Tür gehen wollte, ein Vogel dreisterweise auf seinem Balkon einen Zwischenstopp einlegte – oder etwas ganz und gar nicht in Ordnung war.

Der Professor legte den Lichtschalter um, flackernd erwachten die Neonröhren zum Leben. Die dunklen Mauersteine waren mit schwarzen Pilzflechten überwuchert, auch die Lampen schienen den Kampf gegen diese Kellerbewohner zu verlieren. Je tiefer er in den schlecht beleuchteten Keller stieg, desto stärker wurde der Geruch. Unten angekommen, stellte sich das Kreuzgewölbe als ausgesprochen niedrig heraus, die Nischen, in denen sich ehemals Steinsärge befunden haben mussten, waren nun mit Regalen zugebaut, das Holz morsch. Im vorderen Teil lagerten keine Weine, sondern Konserven, die es nicht störte, dass ihre Etiketten von der moderigen Feuchtigkeit zersetzt wurden.

Der Professor konnte den Geruch nun identifizieren. Es war ein einfacher Champagner, das Standard-Cuvée von Moët & Chandon. Bietigheim hatte gedroht, den Vortrag nicht zu halten, wenn es während seines Aufenthalts ausgeschenkt würde. Der Geruch dieses Gesöffs war deshalb noch trauriger als sonst, da es oxidiert schien. Die Fruchtaromen wie ausgetrocknet, deren Frische nun Vergangenheit, ersetzt durch fahles, fades Alter.

Der Professor richtete sich nach Bennos Bellen, bog um eine Ecke und stand plötzlich in einer Lache. Im schummrigen Licht des Kellers sah die Flüssigkeit schwarz wie Tinte aus, doch es handelte sich um das Blut der Champagne.

In das sich weiteres Blut gemischt hatte.

Das Blut eines Menschen.

Den Benno nun unentwegt anbellte.

Weil er hoffte, von ihm gestreichelt zu werden.

Am Ende des kleinen Ganges, der links und rechts Weinregale aufwies, in denen rare Tropfen der Lahn lagerten, stand ein mannshohes, hölzernes Rüttelpult, wie es verwendet wurde, um bei Schaumweinen die Remuage durchzuführen, also die Hefe nach der zweiten Gärung in den Flaschenhals zu befördern. Dafür wurden die kopfüber gelagerten Bouteillen acht bis zehn Tage lang immer wieder gedreht, zuerst um ein Zehntel, bis eine volle Umdrehung erreicht war, dann um ein Sechstel, schließlich um ein Viertel. Und nach einer vollen Runde stets ein wenig steiler aufgestellt. Einhundertzwanzig Flaschen hatten in diesem Pult Platz. Doch keine einzige befand sich darin, alle waren auf den Boden geworfen worden. Das Restaurant schien es als dekorative Lagermöglichkeit für Champagner genutzt zu haben. Dekorativ war es im Moment überhaupt nicht.

Denn statt der Flaschen befand sich ein Mann auf dem Rüttelpult.

Wie bei einer mittelalterlichen Folterszene war er auf das Pult gespannt worden, die Arme mussten auf der Rückseite festgebunden sein. Eigentlich sah alles an ihm normal aus. Er trug sogar einen Anzug, der perfekt saß. Das heißt: bis auf die Krawatte.

Was daran lag, dass eine Krawatte einen Hals braucht, um Halt zu finden.

Doch einen Hals im eigentlichen Sinne gab es nicht mehr.

Der Kopf des Mannes hing nach hinten, nur noch an einem blutigen Zipfel am Rumpf befestigt. Der ganze Rest musste mit einem großen Messer zerhackt worden sein.

Die Tatwaffe lag daneben.

Carsten Sebastian Henn

Über Carsten Sebastian Henn

Biografie

Carsten Sebastian Henn, geboren 1973 in Köln, besitzt einen Weinberg an der Terrassen-Mosel, hält Hühner und Bienen und teilt sein Leben mit Katzen. Er arbeitete nach seinem Studium als Radiomoderator und ist heute als freier Weinjournalist und Restaurantkritiker tätig. Er veröffentlichte zahlreiche...

Pressestimmen
Vinum (CH)

„Henn schafft es, uns mitzunehmen in die einzigartige Naturlandschaft der Champagne.“

Leipziger Volkszeitung

„Ein richtig prickelnder Krimi.“

Hannoversche Allgemeine Zeitung

„Henns Krimi ›Der letzte Champagner‹ macht richtig Durst auf das edle Getränk.“

Dagusta Magazin

„Ganz nebenbei vermittelt die Lektüre großes Wissen um das edelste Getränk der Menschheit. Ein schönes Mitbringsel zur Silvesterparty! A la vôtre!“

hessenschau.de

„Großartig.“

Westdeutsche Allgemeine

„Der Restaurantkritiker Carsten Sebastian Henn hat wieder einen großartigen Krimi geschrieben. Mit einer spannenden Story, skurrilen Typen und einer Menge leicht bekömmlichem Fachwissen über Champagner. Ein herrliches, genussvolles Lesevergnügen.“

Wein und mehr

„Großartiges Lesevergnügen und viel Wissenswertes über das edle Getränk Champagner.“

Gusto (A)

„Ein amüsanter Krimi, in dem sich alles um das elitärste Getränk der Welt dreht.“

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