David und Goliath — Inhalt
„David und Goliath“ erzählt von gewöhnlichen Menschen, die sich Riesen entgegenstellen. Gegen erdrückende Mächte können auch scheinbar unterlegene Gegner siegen. Ob listige Krieger, geschickte Sportler oder geniale Softwareingenieure: Gladwell zeigt mit einer Fülle von Beispielen und in dem von ihm gewohnten originell-argumentierenden wie sorgfältig begründeten Stil, dass Triumph keine Frage der Größe, sondern der inneren Haltung ist. Lehrreich und spannend!
Leseprobe zu „David und Goliath“
Im Herzen des antiken Palästina liegt eine Region namens Schephela, eine Hügellandschaft, die die Judäische Berge im Osten mit der weiten Tiefebene der Mittelmeerküste verbindet. Es ist eine Gegend von atemberaubender Schönheit, in der Wein und Weizen angebaut werden und Maulbeer- und Terebinthenwälder wachsen. Außerdem sind sie von großer strategischer Bedeutung.
In den vergangenen Jahrtausenden wurde die Region immer wieder heftig umkämpft, denn durch die Täler der Schephela erhalten die Küstenbewohner Zugang zu den Städten Hebron, Bethlehem und [...]
Im Herzen des antiken Palästina liegt eine Region namens Schephela, eine Hügellandschaft, die die Judäische Berge im Osten mit der weiten Tiefebene der Mittelmeerküste verbindet. Es ist eine Gegend von atemberaubender Schönheit, in der Wein und Weizen angebaut werden und Maulbeer- und Terebinthenwälder wachsen. Außerdem sind sie von großer strategischer Bedeutung.
In den vergangenen Jahrtausenden wurde die Region immer wieder heftig umkämpft, denn durch die Täler der Schephela erhalten die Küstenbewohner Zugang zu den Städten Hebron, Bethlehem und Jerusalem in den Judäischen Bergen. Das wichtigste Tal ist Aijalon im Norden, doch das geschichtsträchtigste ist Elah. Hier stellte sich Saladin im 12. Jahrhundert den Kreuzfahrern entgegen, hier erhoben sich knapp anderthalb Jahrtausende zuvor die Makkabäer gegen die Seleukiden, und hier traf zu Zeiten des Alten Testaments das junge Königreich Israel auf das Heer der Philister.
Die Philister waren von Kreta gekommen. Sie waren ein Volk von Seefahrern, das sich an der Küste Palästinas niedergelassen hatte. Die Israeliten lebten in den Bergen unter der Herrschaft von König Saul. Irgendwann in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts vor unserer Zeitrechnung wandten sich die Philister nach Osten und zogen das gewundene Elah-Tal hinauf. Ihr Ziel war es, eine Hügelkette in der Nähe von Bethlehem einzunehmen und so einen Keil in Sauls Königreich zu treiben. Die Philister waren gefürchtete Krieger und kamen als erklärte Feinde der Israeliten. In Sorge rief König Saul seine Krieger zusammen und eilte von den Bergen herab, um sich den Eindringlingen entgegenzustellen.
Die Philister schlugen ihr Lager am Südhang des Elah-Tals auf, die Israeliten sammelten sich auf der Nordseite. Nun standen sich die Armeen nur durch den Fluss getrennt gegenüber und warteten. Ein Angriff hätte bedeutet, den Hang hinunter und auf der anderen Talseite ohne jede Deckung den feindlichen Hang hinaufzustürmen. Keines der beiden Heere wagte den ersten Schritt – bis die Philister ihren stärksten Krieger ins Tal schickten, um die Israeliten herauszufordern und mit einem Zweikampf den Stillstand zu überwinden.
Der Mann war ein Riese. Er war über 2 Meter groß, trug einen bronzenen Helm und einen Schuppenpanzer und war mit einem Schwert, einem Spieß und einem Wurfspeer bewaffnet. Vor ihm ging ein Mann her, der seinen Schild trug. Der Hüne baute sich vor den Israeliten auf und rief: „Wählt euch doch einen Mann aus! Er soll zu mir herunterkommen. Wenn er mich im Kampf erschlagen kann, wollen wir eure Knechte sein. Wenn ich ihm aber überlegen bin und ihn erschlage, dann sollt ihr unsere Knechte sein und uns dienen.“
Die Israeliten erstarrten. Wer sollte diesen furchterregenden Gegner bezwingen? Schließlich trat ein Hirtenjunge vor, der aus Bethlehem gekommen war,um seinen Brüdern in Sauls Heer Proviant zu bringen. Saul stellte sich dem Jungen in den Weg: „Du kannst nicht zu diesem Philister hingehen, um mit ihm zu kämpfen; du bist zu jung, er aber ist ein Krieger seit seiner Jugend.“ Doch der Hirtenjunge ließ sich nicht beirren. Er hatte schon gefährlichere Gegner bezwungen: „Wenn ein Löwe oder ein Bär kam und ein Lamm aus der Herde wegschleppte, lief ich hinter ihm her, schlug auf ihn ein und riss das Tier aus seinem Maul.“ Saul blieb keine andere Wahl. Er gab nach, und der Hirtenjunge lief ins Tal hinunter, wo der Riese schon auf ihn wartete. Als der seinen Gegner kommen sah, rief er ihm entgegen: „Komm nur her zu mir, ich werde dein Fleisch den Vögeln des Himmels und den wilden Tieren zum Fraß geben.“ Damit begann einer der berühmtesten Kämpfe der Geschichte. Der Riese hieß Goliath, der Hirtenjunge David.
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In diesem Buch geht es um gewöhnliche Menschen, die sich Riesen entgegenstellen. Mit „Riesen“ meine ich übermächtige Gegner jeder Art, von Armeen und furchteinflößenden Kriegern bis hin zu Behinderungen, Schicksalsschlägen und Unterdrückung. Jedes Kapitel erzählt die Geschichte von bekannten oder unbekannten, gewöhnlichen oder genialen Menschen, die vor einer übermächtigen Herausforderung standen und mit dieser umgehen mussten. Dabei mussten sie sich fragen: Soll ich mich an die Spielregeln halten? Oder soll ich meinem Bauchgefühl folgen? Soll ich ausharren oder aufgeben? Soll ich zurückschlagen?
In diesen Geschichten möchte ich zwei Gedanken nachgehen. Der erste ist, dass vieles von dem, was uns als Gesellschaft wertvoll ist, aus ähnlich einseitigen Auseinandersetzungen hervorgeht: Der Akt des Widerstands gegen unüberwindlich erscheinende Hindernisse bringt Größe und Schönheit hervor. Und der zweite Gedanke ist, dass wir diese Auseinandersetzungen ganz grundsätzlich falsch verstehen. Zum einen, weil Riesen nicht das sind, was sie scheinen, und sich hinter ihrer vermeintlichen Stärke in Wirklichkeit oft eine Schwäche verbirgt. Und zum anderen, weil uns das Gefühl, am kürzeren Hebel zu sitzen, in ungeahnter Weise verändern kann: Es öffnet Türen, schafft Freiräume, zeigt Wege auf und macht Dinge möglich, die andernfalls vielleicht unmöglich gewesen wären. Wir brauchen eine bessere Anleitung für unsere Kämpfe mit Riesen, und es gibt keinen besseren Ausgangspunkt für unsere Reise als das epische Duell, das David und Goliath vor 3000 Jahren im Tal von Elah austrugen.
Als Goliath die Israeliten herausforderte, verlangte er einen Zweikampf. Das war in der Antike gängige Praxis. Um Blutvergießen in einer offenen Feldschlacht zu vermeiden, wählten beide Seiten einen Krieger aus, der sie vertreten sollte. Der römische Historiker Quintus Claudius Quadrigus berichtet beispielsweise von einer Schlacht zwischen Römern und Galliern im vierten vorchristlichen Jahrhundert, in der ein gallischer Hüne seine römischen Gegner verhöhnte. „Dies empörte einen gewissen Titus Manlius, einen jungen Mann aus edelster Familie“, schrieb Quadrigus. Titus forderte den Gallier zum Zweikampf heraus:
„Er trat vor und wollte nicht zulassen, dass ein Gallier die Ehre der Römer in derart schändlicher Weise in den Dreck zog. Bewaffnet mit einem Legionärsschild und einem spanischen Schwert trat er auf den Gallier zu. Während die beiden Männer auf der Brücke über den Anio aufeinanderprallten, sahen die Soldaten an beiden Ufern des Flusses in großer Anspannung zu. Der Gallier lauerte hinter seinem Schild auf den Angriff, während sich Manlius weniger auf sein Geschick als auf seinen Mut verließ, mit seinem Schild auf den Schild des Galliers einschlug, dass dieser den Halt verlor. Während der Gallier versuchte, sein Gleichgewicht wiederzuerlangen, schlug Manlius ein weiteres Mal mit seinem Schild gegen den Schild des Galliers und zwang diesen zurückzuweichen. So schlüpfte er unter der Klinge des Galliers hindurch und stieß ihm sein spanisches Schwert in die Brust … Nachdem Manlius ihn getötet hatte, schlug er dem Gallier den Kopf ab, riss ihm die Zunge heraus und legte sie sich, blutbeschmiert, wie sie war, um den Hals.“
Genau das erwartete Goliath: einen ebenbürtigen Krieger, der sich ihm im Kampf Mann gegen Mann stellte. Es kam ihm gar nicht in den Sinn, dass der Kampf nicht nach den althergebrachten Regeln verlaufen könnte,weshalb er sich nur für den Nahkampf gerüstet hatte. Um seinen Körper vor Schlägen zu schützen, trug er einen Panzer aus Hunderten Bronzeplättchen, die sich wie Fischschuppen über Brust und Arme legten und hinunter bis zu den Knien reichte. Allein dieser Panzermuss mehr als 50 Kilogramm gewogen haben. Außerdem trug Goliath bronzene Beinschienen, die Schienbeine und Füße schützten, sowie einen schweren Helm aus demselben Metall. Er hatte drei Waffen, die speziell für den Nahkampf ausgelegt waren: In der einen Hand hielt er einen bronzenen Spieß, der jeden Schild und selbst eine Metallrüstung durchschlagen konnte. Am Gürtel trug er ein Schwert. Und als erste Wahl hatte er einen Wurfspeer mit einem „Schaft … so dick wie ein Weberbaum“. Dank einem raffinierten, aus einem Strick und Gewichten bestehenden Mechanismus konnte Goliath diesen Speer mit großer Kraft und Präzision schleudern. Der Historiker Moshe Garsiel schreibt: „Die Israeliten fürchteten, dass der starke Goliath mit diesem außergewöhnlichen Speer mit seinem mächtigen Schaft und seiner langen und schweren Eisenspitze jeden Bronzeschild und jeden Bronzepanzer durchschlagen würde.“ Verstehen Sie jetzt, warum keiner der Israeliten den Mumm hatte, es mit Goliath aufzunehmen?
Bis David vortritt. Saul will ihm sein Schwert und seine Rüstung mitgeben, damit er wenigstens den Hauch einer Chance hat. Doch David lehnt dankend ab: „Ich kann in diesen Sachen nicht gehen, ich bin nicht daran gewöhnt.“ Stattdessen bückt er sich, liest fünf glatte Flusskiesel vom Boden auf und steckt sie in seine Hirtentasche. Dann geht er mit seinem Hirtenstab hinunter ins Tal. Als Goliath den Jungen auf sich zukommen sieht, ist er beleidigt. Er hat erwartet, sich mit einem erfahrenen Kämpen zu messen. Stattdessen sieht er einen jungen Hirten, einen Mann aus dem niedersten aller Stände, der offenbar mit seinem Stab gegen Goliath antreten will. „Bin ich denn ein Hund, dass du mit Stecken zu mir kommst?“, ruft er dem Jungen entgegen.
Was dann passiert, ist Legende. David nimmt einen Stein aus der Tasche, schießt ihn mit seiner Schleuder ab und trifft den Riesen an der Stirn. Goliath sinkt betäubt zu Boden. David läuft zu ihm hin, nimmt das Schwert des Riesen und schlägt ihm den Kopf ab. „Als die Philister sahen, dass ihr starker Mann tot war, flohen sie“, heißt es in der Bibel. Wie durch ein Wunder und völlig wider Erwarten entscheidet der Schwächere den Kampf für sich. Mit dieser Moral wurde die Geschichte über die Jahrtausende hinweg immer wieder erzählt, und so gingen „David und Goliath“ als Redewendung in unsere Sprache ein: Als Metapher für einen unmöglich geglaubten Sieg. Diese Interpretation hat jedoch einen Haken: Sie ist falsch.
Ein sehr ermutigendes Buch! Dieses Fazit ist ursprünglich auf www.lovelybooks.de erschienen.
Eine Sammlung interessanter "David-gegen-Goliath"-Kämpfe rund um den Globus und durch die Zeiten hinweg. Regt zum Mitdenken an! Dieser Leseeindruck ist ursprünglich auf www.lovelybooks.de erschienen.
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