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Die kleine Sommerküche am Meer (Floras Küche 1)Die kleine Sommerküche am Meer (Floras Küche 1)

Die kleine Sommerküche am Meer (Floras Küche 1)

Jenny Colgan
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Roman

„Von Anfang an ist man mittendrin in dieser herrlich unbeschwerten Atmosphäre eines typischen Sommerromans.“ - BÜCHER Magazin

Alle Pressestimmen (12)

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Die kleine Sommerküche am Meer (Floras Küche 1) — Inhalt

Köstliche Unterhaltung vor traumhafter Kulisse: Liebe  in den schottischen Highlands in Jenny Colgans  Roman für den Urlaub 
In „Die kleine Sommerküche am Meer“ entdeckt die junge Flora durch das Kochen ihre Liebe zu ihrer Heimat Schottland wieder.    

Vom pulsierenden London auf eine verschlafene Insel? Der Albtraum für Flora McKenzie – sechsundzwanzig, mit rotblassem Haar und unglücklich in ihren Chef Joel verliebt. Zugegeben, so richtig gut läuft es nicht in London. Und trotzdem ist sich die junge Anwältin sicher: Sie gehört in die Großstadt.    

Nur widerwillig kehrt Flora deshalb für einen Auftrag auf ihre schottische Heimatinsel Mure zurück. Plötzlich wird sie wieder in ihr altes Leben geworfen, mitsamt ihrem anstrengenden Vater und den immer lauten Brüdern. Doch dann findet sie das Kochbuch ihrer verstorbenen Mutter und entdeckt eine längst verschüttet geglaubte Verbindung zu ihrer Vergangenheit.  

Durch das Kochen lernt sie ihre Heimat – und sich selbst – von einer ganz neuen Seite kennen. Leidenschaftlich macht sie sich daran, dem kleinen Lokal am Hafen neues Leben einzuhauchen. Doch der Neuanfang gelingt nur, wenn Flora lernt, mit ihrer Vergangenheit Frieden zu schließen.  

Romantische Komödie mit leckeren Rezepten zum Nachkochen  

Wie schon die Bände ihrer Erfolgsreihe um „Die kleine Bäckerei am Strandweg“ verzaubern Jenny Colgans Romane über Floras Küche mit einer charmanten Heldin, einer leichtfüßigen Story und leckeren Rezepten. Die schottischen Köstlichkeiten im Buch wie Shortbread oder Apfel-Frangipane-Kuchen machen das Buch zum Rundum-Genuss!  

Leichtfüßige Urlaubslektüre in handlicher Taschenbuchausgabe    

In ihrer Roman-Reihe lässt Bestsellerautorin Jenny Colgan  ihre Leserinnen und Leser tief eintauchen in die leicht schroffe und doch so herzerwärmende Atmosphäre der schottischen Highlands … und ein klein wenig den Alltag vergessen.

€ 12,00 [D], € 12,40 [A]
Erschienen am 01.06.2018
Übersetzt von: Sonja Hagemann
448 Seiten, Klappenbroschur
EAN 978-3-492-31323-0
Download Cover
€ 9,99 [D], € 9,99 [A]
Erschienen am 02.05.2018
Übersetzt von: Sonja Hagemann
448 Seiten, WMePub
EAN 978-3-492-97988-7
Download Cover
„Von Anfang an ist man mittendrin in dieser herrlich unbeschwerten Atmosphäre eines typischen Sommerromans.“
BÜCHER Magazin
„Himmlisch romantisch.“
Schöner Monat

Leseprobe zu „Die kleine Sommerküche am Meer (Floras Küche 1)“

Kapitel 1

Seid ihr schon mal nach London geflogen? Eigentlich hatte ich hier geschrieben, Ihr wisst ja, wie das ist, wenn man im Anflug auf London ist, aber dann hab ich mir gedacht, das könnte vielleicht anmaßend klingen. So als wollte ich sagen, Hey, ich fliege schließlich dauernd durch die Gegend!, während ich in Wirklichkeit immer diese Billigflüge buche, für die ich dann morgens um halb fünf aufstehen muss. Deshalb finde ich in der Nacht vorher kaum Schlaf, und letztlich kostet die Reise mit der Anfahrt und dem überteuerten Flughafenkaffee dann [...]

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Kapitel 1

Seid ihr schon mal nach London geflogen? Eigentlich hatte ich hier geschrieben, Ihr wisst ja, wie das ist, wenn man im Anflug auf London ist, aber dann hab ich mir gedacht, das könnte vielleicht anmaßend klingen. So als wollte ich sagen, Hey, ich fliege schließlich dauernd durch die Gegend!, während ich in Wirklichkeit immer diese Billigflüge buche, für die ich dann morgens um halb fünf aufstehen muss. Deshalb finde ich in der Nacht vorher kaum Schlaf, und letztlich kostet die Reise mit der Anfahrt und dem überteuerten Flughafenkaffee dann mehr, als wenn ich von vorneherein einen Flug zu einer vernünftigen Uhrzeit gebucht hätte … aber na ja.

Also.

Falls ihr je im Anflug auf London wart, dann wisst ihr sicher, dass man dort oft in die Warteschleife geschickt wird und dann in der Luft Runden dreht, bis man endlich die Landeerlaubnis bekommt. Mich stört das eigentlich nicht, ich schaue mir gern die riesige Stadt von oben an, voll von unfassbar vielen Menschen, die dort geschäftig hin und her laufen. Ich mag die Vorstellung, dass jeder einzelne von ihnen voller Hoffnungen, Träume und Enttäuschungen ist, Straße um Straße um Straße voll mit Millionen und Millionen Seelen und Träumen.

Diesen Gedanken finde ich immer auf wohlige Art überwältigend.

Wenn ihr mit dem Flieger über London kreisen würdet, würde sich unter euch eine riesige, endlose Fläche erstrecken. Im von erstaunlich vielen grünen Flecken durchzogenen Westen sieht es fast so aus, als könnte man die ganze Stadt durchqueren, ohne dabei jemals ihre Parks zu verlassen; im engen, dunstigen Osten sind die Straßen und Plätze hingegen verstopfter. Am Fluss glänzt das Riesenrad in der frühen Morgensonne, und die Schiffe ziehen auf dem manchmal schmutzigen, manchmal glitzernden Wasser vorbei. Dort scheinen die riesigen, gläsernen Gebäude fast gegen den Willen der Menschen aus dem Boden geschossen zu sein. Nach und nach verändert sich London unter euch, ihr fliegt am Millennium Dome vorbei, sinkt immer tiefer und entdeckt dann die leuchtende Spitze des Canary-Wharf-Komplexes. Sein Wolkenkratzer war einst der höchste des Landes, und es gibt dort einen Bahnhof mitten im Gebäude, was 1988 wohl ziemlich beeindruckend gewesen sein muss.

Stellen wir uns jetzt mal vor, wir fliegen weiter, und das wäre hier wie bei Google Maps. Mit dem Unterschied, dass sich die Bilder unter uns bewegen und dass wir jetzt mal an alles ranzoomen, nicht bloß an unser eigenes Haus. (Oder mache das nur ich?)

Wenn ihr näher rangehen würdet, würde alles bald nicht mehr so friedlich aussehen, nicht mehr so, als würdet ihr wie ein Gott darauf hinuntersehen. Man würde schnell bemerken, wie schäbig die Stadt wirkt, wie voll es ist und wie sich die Menschen selbst um sieben Uhr morgens schon aneinander vorbeischieben. Erschöpft aussehende Straßenkehrer machen sich nach ihrer Schicht auf den Heimweg und schwimmen gegen den Strom aus eifrigen jungen Anzugträgern mit Stiefeln und ihren weiblichen Pendants. Da drängen sich Büroangestellte und Verkäufer und Handyreparierer und Uber-Fahrer und Fensterputzer und Big-Issue-Verkäufer und viele, viele Männer mit Leuchtwesten, die irgendwas Geheimnisvolles mit Verkehrshütchen anstellen. Jetzt haben wir den Erdboden fast erreicht, sausen um Ecken und folgen den Gleisen der Docklands Light Railway, deren Fahrgäste sich auch durch die morgendlichen Menschenmassen kämpfen müssen, da gibt es leider kein Entkommen. Wenn man die Ellbogen nicht einsetzt, kriegt man keinen Sitz-, womöglich nicht einmal einen Stehplatz. Das mit dem Hinsetzen ist schon bei Gallions Reach utopisch geworden, aber ganz eventuell kann man auf einen Stehplatz in einer Ecke hoffen, wo man nicht in irgendeine fremde Achsel gepresst wird. Auf jeden Fall wabern das Aroma von Kaffee, Mundgeruch und der Atem einer durchzechten Nacht durch den Waggon. Man hat den Eindruck, dass einfach alle viel zu früh aus den Federn gerissen wurden und dass an diesem frühen Frühlingsmorgen selbst der wässrige Sonnenschein wenig Begeisterung für seine Arbeit aufbringt. Aber da muss man jetzt durch, denn Londons stets hungrige Maschinerie ist bereits in vollem Gange und wartet voller Ungeduld darauf, dich zu verschlucken, alles aus dir herauszuquetschen und dich danach wieder auszuspucken, damit du den Prozess in umgekehrter Richtung durchläufst.

Und hier fährt nun Flora MacKenzie die Ellbogen aus und wartet auf den fahrerlosen kleinen Zug, der sie zum absurden Spaghetti-Chaos der Bank-Station bringen wird. Guckt mal, da steigt sie gerade ein. Ihr Haar hat eine merkwürdige Farbe, es ist unglaublich hell. Nicht blond und auch nicht direkt rot, eher so ein Rotblond, aber ganz verblasst. Eigentlich ist es fast farblos. Außerdem ist Flora ein kleines bisschen zu groß, ihre Haut ist weiß wie Schnee, und ihre Augen sind irgendwie wässrig. Manchmal kann man gar nicht recht sagen, welche Farbe sie eigentlich haben. Hier steht die junge Frau nun und drückt ihre Handtasche und den Aktenkoffer fest an sich. Sie trägt einen Regenmantel, bei dem sie nicht sicher ist, ob er für heute zu warm oder zu dünn ist.

In diesem Augenblick am frühen Morgen denkt Flora MacKenzie nicht darüber nach, ob sie eigentlich glücklich oder traurig ist, obwohl genau diese Frage bald furchtbar wichtig für sie werden wird.

Wenn man sie jetzt angehalten und auf ihr Befinden angesprochen hätte, hätte sie vermutlich einfach geantwortet, dass sie müde ist. Denn das sind die Leute in London eben. Sie sind irgendwie immer erschöpft oder kaputt oder gehetzt, weil … na ja, das weiß eigentlich keiner so genau, das scheint hier einfach die Norm zu sein. Es gehört zu London wie das schnelle Gehen, die langen Schlangen vor Pop-up-Restaurants und die Tatsache, dass Einheimische nie, nie, nie zu Madame Tussauds gehen würden.

Flora fragt sich gerade, ob sie wohl einen Stehplatz finden wird, an dem sie ihr Buch lesen kann, und ob ihr Rock eigentlich enger geworden ist. Aber wenn man sich das schon fragt, dann ist es wohl so, denkt sie betrübt. Außerdem überlegt sie, ob das Wetter noch wärmer werden wird und ob sie dann mit nackten Beinen aus dem Haus gehen soll. (Die Frage ist aus mehreren Gründen problematisch. Floras Haut ist nämlich schneeweiß, und daran lässt sich selbst mit Bräunungscremes nichts ändern. Als sie so eine Creme mal versuchsweise auf die Beine aufgetragen hat, sah das eher wie Bratensoße aus und führte zu weißen Schlieren, als ihre Kniekehlen dann zu schwitzen angefangen haben. Flora hatte nicht einmal gewusst, dass Kniekehlen überhaupt schwitzen, und musste auf das Desaster erst von ihrem Kollegen Kai aufmerksam gemacht werden, den sie übrigens um seine tolle kaffeebraune Haut beneidet. Und generell ist ihr der Herbst in London viel lieber.)

Jetzt kommt ihr außerdem dieser Typ in den Sinn, mit dem sie sich letztens per Tinder verabredet hat. Im Internet hatte sie ihn doch so nett gefunden, aber dann hat er plötzlich angefangen, sich über ihren Akzent lustig zu machen, so wie das immer alle tun. Angesichts ihrer Irritation hat er schließlich vorgeschlagen, das Abendessen ausfallen zu lassen und direkt zu ihm zu gehen, woran sie nun mit einem Seufzen zurückdenkt.

Sie ist sechsundzwanzig und hat ihren Geburtstag mit einer tollen Party gefeiert, auf der sich alle betrunken und ihr versichert haben, dass sie schon irgendwann einen Freund finden werde. Oder eben gerade, dass man in London einfach nie jemand Nettes trifft, weil die wenigen vorhandenen Männer entweder schwul oder verheiratet oder fiese Typen sind. Gut, alle haben sich nicht betrunken, eine ihrer Freundinnen war nämlich zum ersten Mal schwanger und spielte das offiziell herunter, während sie in Wirklichkeit begeistert war und einen Riesenwirbel darum machte. Flora hat sich für sie gefreut, schließlich will sie selbst ja auch gar nicht schwanger werden. Und dennoch …

Nun wird Flora gegen einen Mann in einem schicken Anzug gepresst und wirft kurz einen Blick nach oben, nur für alle Fälle, was natürlich albern ist: Ihn hat sie noch nie in der DLR gesehen, er kommt immer makel- und faltenlos im Büro an, und sie weiß, dass er irgendwo in der Innenstadt wohnt.

Bei der Geburtstagsparty haben sich ihre Freunde davor gehütet, Flora nach ein paar Glas Prosecco auf ihren Chef anzusprechen. Auf ihren unerreichbaren Chef, in den sie bis über beide Ohren verliebt ist.

Wenn ihr schon mal einem Schwarm komplett verfallen seid, dann kennt ihr das ja sicher, und Kai weiß genau, wie sinnlos die ganze Geschichte ist. Er arbeitet nämlich auch für den Typen und erkennt ihn als das, was er ist, nämlich ein absolutes Arschloch. Aber es bringt natürlich gar nichts, das Flora zu sagen.

Na ja, der Mann im Zug ist jedenfalls nicht er, und Flora kommt sich bescheuert vor, weil sie sich extra vergewissert hat. Wenn sie auch nur an ihren Boss denkt, fühlt sie sich wieder wie ein Teenager, und selbst leichtes Erröten sieht man ihren bleichen Wangen ja immer sofort an. Sie weiß genau, wie albern und blöd und sinnlos das alles ist, aber sie kann eben nicht anders.

Jetzt holt sie ihren Kindle hervor und fängt halbherzig an, ihr Buch zu lesen, eingezwängt in dem engen Waggon und bemüht, nicht gegen andere Leute geschleudert zu werden. Dabei schaut sie aber immer wieder aus dem Fenster und gerät ins Träumen. Ihr kommen andere Dinge in den Sinn:

 a) Dass bei ihr schon wieder ein neuer Mitbewohner einzieht. Die Leute kommen und gehen in der großen viktorianischen Wohnung mit solcher Regelmäßigkeit, dass sie sie gar nicht richtig kennenlernen kann. Danach stapelt sich dann deren Post im Flur zwischen den Gerippen alter Fahrräder, und Flora findet, dass da mal irgendjemand was machen sollte, nimmt es aber nicht selbst in die Hand.

b) Ob sie vielleicht wieder umziehen soll?

c) Ein Partner? Seufz.

d) Ob sie wohl noch Zeit für ein Sandwich hat?

e) Vielleicht eine neue Haarfarbe, irgendwas, was sie wieder rauswaschen kann? Würde so ein glänzendes Grau wohl zu ihr passen, oder würde sie das einfach nur alt machen?

f) Das Leben, die Zukunft, einfach alles.

g) Ob sie ihr Zimmer in der Farbe ihrer Haare streichen sollte oder ob sie dann auch umziehen müsste?

h) Glück und solche Sachen.

i) Nagelhaut.

j) Vielleicht nicht Silber, sondern Blau? Ein kleines bisschen Blau? Wäre das im Büro akzeptabel? Vielleicht könnte sie sich auch ein blaues Haarteil kaufen, das man wieder rausnehmen kann?

k) Eine Katze?

Sie ist auf dem Weg zu ihrer Arbeit als Rechtsanwaltsgehilfin im Zentrum von London und nicht besonders glücklich, aber auch nicht traurig. Denn das macht hier doch jeder so, oder?, überlegt sie. Alle drängen sich zur Stoßzeit in der Bahn. Essen zu viel Kuchen, wenn im Büro jemand Geburtstag hat. Schwören sich deshalb, dass sie über Mittag ins Fitness-Studio gehen, machen es aber doch nicht. Starren so lange auf den Bildschirm, bis sie davon Kopfschmerzen bekommen. Bestellen zu viel bei ASOS und vergessen dann, es wieder zurückzuschicken.

Manchmal bewegt sich Flora zwischen U-Bahn-Station, Wohnung und Büro hin und her, ohne dabei auch nur mitzubekommen, wie draußen eigentlich das Wetter ist. Und auch heute ist einfach nur ein ganz normaler, nerviger Tag. Obwohl er das in zwei Stunden und fünfundvierzig Minuten nicht mehr sein wird.

 

Kapitel 2

Fünf Kilometer weiter westlich brüllte in diesem Moment eine blonde Frau laut herum.

Trotz ihrer wirren Haare sah sie einfach umwerfend aus. Selbst jetzt, wo sie nach einer schlaflosen und ziemlich sportlichen Nacht keifte und fauchte, war sie mit ihren endlos langen Beinen und ihrer makellosen Haut immer noch wunderschön.

Das leise Rauschen des Verkehrs draußen war hier im Penthouse durch die Dreifachverglasung der Fenster nur gerade eben noch zu hören. Die Wolken schoben sich an diesem frühen Morgen tief über den Himmel und schienen an den hohen Gebäuden in der City und über der Themse hängen zu bleiben – was ziemlich beeindruckend aussah –, aber die Wettervorhersage prophezeite einen feuchten und schwülen Tag, warm und unangenehm.

Während die Blondine rumkeifte, starrte Joel einfach nur aus dem Fenster, was nicht gerade half. Dabei war sie eben noch so nett gewesen und hatte vorgeschlagen, sich später zum Abendessen zu treffen. Kaum hatte Joel ihr allerdings klargemacht, dass er an einem gemeinsamen Restaurantbesuch nicht sonderlich interessiert sei und ihm drei Verabredungen mit ihr eigentlich fürs ganze Leben reichten, war sie ziemlich schnell zur Furie geworden. Und jetzt brüllte sie, dass sie an so eine Behandlung nicht gewöhnt sei.

„Willst du wissen, was dein Problem ist?“

Nein, das wollte Joel nicht.

„Du glaubst doch, dass du im Grunde ganz in Ordnung bist und dich deshalb ruhig wie ein absolutes Arschloch aufführen darfst. Weil du deiner Meinung nach auch eine sanfte Seite hast, die du nach Belieben ein- und wieder ausschalten kannst. Aber eins sage ich dir: Das kannst du eben nicht.“

So direkt war normalerweise nicht mal sein Psychiater, trotzdem fragte sich Joel eigentlich nur, wie lange das hier wohl noch dauern würde. Er hätte jetzt nämlich einfach gern eine Tasse Kaffee. Nein: Erst sollte die Blonde hier verschwinden, und dann wollte er seinen Kaffee. Er fragte sich, ob es die Dinge wohl beschleunigen würde, wenn er einen Blick auf sein Handy warf. Das tat es.

„Sieh dich doch nur an! Was uns Menschen ausmacht, ist unser Benehmen und sonst nichts. Es interessiert kein Schwein, was in dir vorgeht oder was du vielleicht durchgemacht hast. Man ist das, was man tut. Und das ist in deinem Fall eine absolute Schande!“

„Bist du jetzt fertig?“, hörte Joel sich sagen. Die Blonde sah aus, als würde sie gleich ihren Schuh nach ihm werfen, riss sich jedoch zusammen und zog sich beleidigt an. Joel hatte das Gefühl, dass er dabei eigentlich nicht zusehen sollte, aber er hatte ganz vergessen, wie betörend sie war. Er blinzelte.

„Leck mich!“, fauchte sie ihn an.

Mit diesem kurzen Rock würde die Fahrt nach Westlondon in der U-Bahn für sie wohl kein Zuckerschlecken werden.

„Soll ich dir ein Uber rufen?“, fragte er.

„Nein danke!“, erwiderte sie steif, änderte ihre Meinung aber sofort wieder. „Ja“, sagte sie. „Und zwar schnell.“

Er griff wieder nach seinem Handy. „Wo wohnst du denn?“

„Das weißt du nicht mehr? Du bist doch da gewesen!“

Joel kniff die Augen zusammen. Er kannte sich in London nicht besonders gut aus. „Ja, klar …“

Sie seufzte. „In Shepherd’s Bush.“

„Natürlich.“

Dann herrschte kurz Schweigen. „Alles rächt sich irgendwann, Joel, deshalb kriegst du auch noch dein Fett weg.“

Aber er hatte sich bereits erhoben und auf den Weg zur Kaffeemaschine gemacht, las seine E-Mails und stellte sich auf den neuen Tag ein. Irgendwas arbeitete in ihm, aber er konnte nicht so recht sagen, was. Es war etwas Gutes und hing mit einem seiner Fälle zusammen. Aber was war es nur?

Gut tausend Kilometer weiter nördlich kamen Männer vom Feld und dehnten die Muskeln, während Hunde ihnen vor den Füßen herumsprangen, Kaninchen das Weite suchten und ihnen unter dem leuchtend weißen Himmel der Wind so frisch wie Zitroneneis um die Ohren pfiff.

Die erste Arbeit des Tages war getan, und jetzt freuten sich die Männer aufs Frühstück, während die Fischer ihren Fang auf die Pflastersteine des Hafens zogen und im klaren Morgenlicht sangen. Ihre Stimmen erhoben sich in die Lüfte und wurden bis zu den Hügeln hinaufgetragen:

And what do you think they made of his eyes?

Sing aber o vane sing aber o linn

The finest herring that ever made pies

Sing aber o vane sing aber o linn

Sing herring, sing eyes, sing fish, sing pies

Sing aber o vane sing aber o linn

And indeed I have more of my herring to sing

Sing aber o vane sing aber o linn

 

Kapitel 3

Joel betrat sein Büro mit konzentriertem Gesichtsausdruck. Inzwischen wusste er wieder, was ihm entfallen war: Er hatte ganz früh morgens bereits einen Termin mit Colton Rogers, der ebenfalls Amerikaner war. Rogers war bekanntermaßen stinkreich, er hatte ein Vermögen mit Start-ups im Tech-Bereich verdient. Und wenn er sein Geld jetzt nach London mitbrachte, dann fand Joel das ganz wunderbar. Den unangenehmen Zwischenfall heute Morgen hatte er längst vergessen.

Joel bedeutete seiner Assistentin Margo, Rogers mit seinen Leuten hereinzubringen, und schaute dann zufrieden aus dem Fenster. Sein Büro befand sich im Herzen der City in unmittelbarer Nähe des Broadgate-Komplexes, und er konnte von hier oben über The Circle und die Türme dahinter hinweg bis zum Fluss sehen. In den Straßen da unten drängten sich die Menschen, und selbst so früh am Morgen standen die schwarzen Taxis bereits dicht an dicht. Joel liebte diese Stadt, sie motivierte ihn, und er genoss es, Teil ihrer großen Geldmaschinerie zu sein. Von hier oben fühlte es sich an, als sei das sein Reich, das er beherrschen wollte. Ein kleines Lächeln umspielte seine Züge, als Margo Colton Rogers und sein Team hereinbrachte und ihnen ein Tablett mit Bagels und Teilchen anbot, obwohl natürlich beide wussten, dass da nie jemand zugriff.

„Hey“, sagte Rogers. Er war groß und langgliedrig und trug das für die Tech-Leute der Westküste typische Outfit: Jeans, Polohemd und weiße Turnschuhe. Über seinen Kiefer erstreckte sich ein leicht ergrauter, extrem gepflegter Bart.

Joel fragte sich, ob er mit seinem Anzug in Rogers’ Augen wohl genauso merkwürdig aussah wie sein Klient für ihn.

„Freut mich, Sie kennenzulernen, Mr Rogers.“

„Bitte sagen Sie doch Colton.“

Der Milliardär kam zum Fenster herüber und sah hinaus. „Mein Gott, diese Stadt ist einfach verrückt. Wie halten Sie es hier nur aus? Überall die ganzen Leute, das ist ja wie ein Ameisenhaufen.“

Beide starrten nach unten.

„Man gewöhnt sich daran“, antwortete Joel und deutete auf einen Stuhl. „Was kann ich für Sie tun, Colton?“

Es folgte ein kurzer Moment des Schweigens, und Joel wollte lieber nicht darüber nachdenken, wie viel dieser Mann wert war. Einen Klienten dieses Formats für die Firma zu gewinnen … Na, es würde ihm nicht zum Nachteil gereichen.

„Ich hab da ein Grundstück, ein wirklich schönes Grundstück“, erklärte Colton. „Und jetzt wollen sie da Windräder hinstellen oder zumindest in der Nähe. Direkt nebenan. Hm, jedenfalls will ich die da nicht.“

Joel blinzelte. „Okay“, sagte er. „Wo genau?“

„In Schottland“, kam die Antwort.

„Ah“, murmelte Joel. „Dann sollten Sie am besten mit unserer schottischen Zweigstelle sprechen.“

„Nein, das muss jemand von Ihnen sein.“

Joels Lächeln wurde breiter. „Tja, es ist ja schön, wenn man uns empfohlen hat …“

„Himmel, nein, das meine ich nicht. Für mich persönlich sind Sie alle fiese Blutsauger, und glauben Sie mir, ich hab mich schon mit so einigen von Ihnen herumgeschlagen. Nein. Aber ich hab gehört, dass hier eine Anwältin aus der Gegend arbeitet. Jemand, der die Ecke kennt und da hinkommen und sich für mich starkmachen kann.“

Joel kniff die Augen zusammen und zermarterte sich das Hirn. Er war noch nie in Schottland gewesen und hatte ehrlich gesagt keine Ahnung, wovon Colton da sprach. Und seiner Meinung nach hatten sie auch niemanden in der Firma, auf den die Beschreibung passte. Aus Schottland? Aber das wollte er nur ungern zugeben.

„Wir sind ein großes Unternehmen“, begann er nun. „Hat man Ihnen denn einen Namen genannt?“

„Ja“, sagte Colton, „aber ich kann mich nicht mehr daran erinnern. Irgendwas schottisch Klingendes.“

Joel blinzelte, dabei zeigte er seine Ungeduld normalerweise nur seinen Mitarbeitern gegenüber.

Als sich Margo in der Ecke des Raumes rührte, drehte Joel sich zu ihr um. „Ja?“

„Meinen Sie vielleicht die Anwaltsgehilfin Flora MacKenzie? Das klingt doch schottisch, oder?“

Der Name sagte Joel überhaupt nichts.

„Die kommt von da oben … aus irgend so einem ganz merkwürdigen Ort.“

„Merkwürdig?“, wiederholte Colton mit einem Lächeln auf den Lippen. Er deutete noch einmal auf die pulsierenden Straßen jenseits der Fensterscheibe. „Für mich ist es viel merkwürdiger, wenn alle an einem Fleck aufeinanderhocken, wo man nicht einmal richtig durchatmen oder Auto fahren oder problemlos die Stadt durchqueren kann.“

„Entschuldigung, Sir“, hüstelte Margo, die tiefrot angelaufen war.

„Wir sprechen hier aber nicht von jemandem aus dem Führungsteam, oder?“, hakte Joel nach.

Colton zog die Augenbrauen hoch. „Das ist schon in Ordnung, schließlich hab ich niemanden umgebracht. Ich brauche einfach nur jemanden aus der Gegend, der sich da auskennt, bevor mir für jede Stunde achthundert Dollar in Rechnung gestellt werden. Sie heißt Mure.“

„Wer bitte?“, fragte Joel.

So langsam wirkte Colton frustriert. „Die Insel, von der ich rede.“

„Ja“, murmelte Margo, „da kommt sie her.“

„Na, dann holen Sie sie schon“, sagte Joel gereizt.

 

„Ja, aber es ist doch ganz egal, wo wir hingehen. Wenn das Wetter schön ist, finden wir sowieso keinen Platz mehr im Freien, und es ist alles reserviert und …“

„So ist das eben in London“, sagte Kai am Schreibtisch neben ihr. „Da muss man draußen zusammenrücken.“

Flora runzelte die Stirn. Sie fand es immer furchtbar anstrengend, eine Verabredung zu organisieren – jedes Mal stieß im letzten Moment jemand dazu oder sprang wieder ab, oder die Leute wollten sich nicht festlegen, falls noch ein besseres Angebot kam.

Aber es war so schrecklich warm, deshalb kam es ihr richtig vor, heute Abend auszugehen und Zeit draußen zu verbringen, statt in ihrem stickigen kleinen Zimmer am anderen Ende der DLR eingesperrt zu sein. Außerdem fand sie bei diesem Wetter sowieso keinen Schlaf, also konnte sie genauso gut was unternehmen … Dann warf sie einen Blick auf ihren riesigen Stapel Akten und seufzte. Um die würde sie sich dann wohl in der Mittagspause kümmern.

Es klingelte, und eine interne Nummer erschien auf ihrem Display; nichtsahnend hob sie ab. „Flora MacKenzie.“

„Ja, das sind wirklich Sie, was?“, meldete sich Margo mit ihrer typischen knappen, stets förmlichen Art. Flora hatte die Kollegin, die so viel Zeit in Joels unmittelbarer Nähe verbrachte, sorgfältig studiert. Die junge Anwaltsgehilfin hatte eine Heidenangst vor Margo mit ihrer stets makellosen Kleidung und dem strafenden Blick für alle, die sich mit Fragen an sie zu wenden wagten. „Sie sind die Schottin.“

Irgendwie klang das so, als hätte sie gesagt: „Sie sind die Außerirdische mit den vier Köpfen.“

Flora schluckte nervös. „Ja?“

„Könnten Sie bitte nach oben kommen?“

„Warum das denn?“, entfuhr es Flora, bevor sie sich auf die Zunge beißen konnte. Sie arbeitete nicht direkt für Joel, sondern für andere Partner weiter unten in der Firmenhierarchie.

Margo verstummte. Offenbar passte es ihr gar nicht, hier von einer Hinterwäldlerin aus dem vierten Stock ausgefragt zu werden, die auch noch relativ neu in der Firma war.

„Kommen Sie, wenn Sie so weit sind“, erwiderte sie schließlich eisig.

Beinahe hätte Flora entgegnet, dass dafür eigentlich erst noch ein Besuch beim Friseur und bei der Haarentfernung nötig wären, außerdem eine Ladung Bräunungscreme und Make-up. Aber sie ging jetzt besser kein Risiko ein.

„Ich bin sofort da“, sagte sie stattdessen, legte den Hörer auf und versuchte, nicht in Panik zu geraten.

 

Bisher hatte Floras Karriere darin bestanden, bei ihrem Studiengang als Anwaltsgehilfin an der H&I, der University of the Highlands and Islands, den Ball flach zu halten und ihren Mangel an Talent durch harte Arbeit auszugleichen.

Danach war sie von Vorstellungsgespräch zu Vorstellungsgespräch getingelt, hatte ihre Schuhe und ihren Lebenslauf auf Hochglanz gebracht und war durch das riesige, unfreundliche und ihr so fremde London gestolpert. Sie war sich nie zu schade dafür gewesen, um Rat zu fragen, hatte sich im Networking versucht und war damit gegen Millionen anderer junger Leute angetreten, die genau das Gleiche wie sie wollten. Als sie dann endlich einen Job in einer großen Firma ergattert hatte, sogar mit Aussicht auf Weiterbildung und eventuellen Aufstiegschancen, hatte sie wie ein Schwamm alles aufgesaugt, immer gut zugehört und oft um Hilfe gebeten, um so viel wie möglich zu lernen.

Einen guten Rat hatte ihr dabei aber nie jemand gegeben, nämlich diesen: „Sei nicht bescheuert, verlieb dich bloß nicht in deinen Chef.“ Und sie hätte das auch niemals für möglich gehalten, bis es dann passiert war.

Es war so ein kurzes Vorstellungsgespräch gewesen. Während des Auswahlverfahrens hatte ein ganzes Regiment von Furcht einflößenden Frauen Flora in die Mangel genommen und sie mit Fragen überschüttet. Alte Männer hatten geseufzt, so als würden sie es für furchtbar unfair halten, dass die Frage nach einem eventuellen Kinderwunsch verboten war. Flora war bei Leuten aus der Personalabteilung vorstellig geworden und dabei anderen Absolventen über den Weg gelaufen, von denen sie inzwischen viele wiedererkannte, weil sie alle dieselben, entmutigenden Runden drehten – natürlich gab es jedes Mal viel mehr qualifizierte Kandidaten als Stellen.

Aber Flora beherrschte ihr Fach, hatte sich gut vorbereitet und war deshalb auf alles gefasst. Das hatte sie ihrer Mutter zu verdanken, die sie in ihrer Jugend am Küchentisch jahrelang immer wieder angetrieben hatte: „Hast du deine Hausaufgaben gemacht? Gibt es vielleicht noch Zusatzaufgaben? Bist du auch gut vorbereitet? Hast du die Prüfung bestanden?“ Es gab viele Leute, die schlauer waren als Flora, aber nur wenige, die härter als sie arbeiteten.

Ganz am Ende des Auswahlverfahrens war sie in das Büro eines der Partner gebeten worden, und da hatte er dann gesessen.

Er telefonierte gerade und stauchte jemanden am anderen Ende der Leitung zusammen. Dabei sprach er ohne jede Hemmung mit lautem amerikanischen Akzent und fuchtelte mit dem freien Arm herum, während er irgendetwas über die Unbefangenheit der Stadtverwaltung brüllte und darüber, dass sein Gesprächspartner da aber völlig falschliege. Margo, die für Flora damals nur eine namenlose, glamouröse Frau war, wollte ihm kurz die neue Mitarbeiterin vorstellen, er wedelte sie jedoch mit einer wütenden Geste weg. Schließlich verstummte er, knallte den Hörer aufs Telefon und schüttelte Flora die Hand. Während er ihr halbherzig seine Aufmerksamkeit schenkte, legte sich sogar der Anflug eines Lächelns über seine Züge.

„Hi“, begrüßte er sie. „Joel Binder.“

„Flora MacKenzie.“

„Großartig“, murmelte er, „willkommen in der Firma.“

Und das war’s auch schon, das war alles. Sie blieb stehen und starrte ihn an – sein kastanienbraunes Haar, das markante Profil und die seltsam vollen Lippen –, bis Margo sie aus dem Raum scheuchte. Flora bemerkte den Blick nicht einmal, den ihr die Frau beim Verlassen des Büros zuwarf.

„Der scheint ja nett zu sein“, sagte sie und spürte, wie ihre Wangen zu brennen begannen. Er sah gar nicht aus wie die meisten Anwälte, die sie kannte – gestresst, überarbeitet, mit teigiger Wampe, Schuppen auf den Schultern und bleicher Haut, die schon lange keine Sonne mehr gesehen hatte.

Darauf antwortete Margo nicht und gab nur einen Hm-Laut von sich.

In den nächsten sechs Monaten sprach Joel nicht wieder mit Flora.

Manchmal beobachtete sie ihn während eines Meetings, bei dem sie schüchtern dasaß, sich Notizen machte und versuchte, bloß nichts zu verpassen. Er war herrisch, unfreundlich, aggressiv und ein sagenhaft erfolgreicher Anwalt. Flora schämte sich dafür, es war ihr peinlich, aber sie war total verknallt in ihn.

„Sagt mal, was ist eigentlich mit diesem Joel los?“, fragte sie eines Tages betont beiläufig bei einem Feierabenddrink mit ein paar ihrer Mitsklaven – anderen Anwaltsgehilfen, von denen man auch 20-Stunden-Tage für praktisch umsonst verlangte und die deshalb ebenso wenig über ein Privatleben verfügten.

Kai drehte sich zu ihr um und brach in Gelächter aus. „Im Ernst jetzt?“, fragte er.

„Was denn?“, stammelte Flora und spürte, wie sie rot anlief. Sie starrte in ihr riesiges Glas mit einem so hellen Weißwein, dass er fast schon grün aussah. Sie hatte nicht gewusst, was sie nehmen sollte, und deshalb die anderen bestellen lassen. Jetzt fragte sie sich allerdings, wie sie ihr Getränk eigentlich bezahlen sollte. Das Leben in London war selbst für jemanden mit regelmäßigem Gehalt furchtbar teuer.

Kai hatte den Sommer über als Praktikant in der Firma gearbeitet, und weil er jetzt auf dem direkten Weg war, Anwalt zu werden, war er bei Bürotratsch auch immer auf dem neuesten Stand. Nun rollte er mit den Augen. „Himmel, nicht noch eine!“

„Was denn, was meinst du? Ich hab doch gar nichts gesagt!“

Woher hatte der bloß sein Selbstbewusstsein? Das fragte sich Flora bei so vielen Leuten, vor allem bei solchen, die in London aufgewachsen waren. Kam das einfach irgendwie? Sie wusste, dass sie eigentlich weiter studieren und vielleicht sogar versuchen sollte, Anwältin zu werden. Aber nach allem, was passiert war … konnte sie das einfach nicht. Noch nicht.

Und bei der Arbeit lief es ja wirklich … gut. Das war es doch, was sie immer gewollt hatte. Sie wollte einen richtigen Job, was Vernünftiges. Als sie sich dann schließlich an Jahresfahrkarte und Gehalt und schicke Schuhe und Mittagspausen gewöhnt hatte, als der Reiz ein wenig zu verblassen begann, wirkte jedoch alles etwas … hm. Monoton. Die Stapel auf ihrem Schreibtisch wuchsen ständig an, das hörte einfach nie auf. Und jedes Mal, wenn sie das Gefühl hatte, den Papierkram endlich in den Griff zu bekommen, gab es in einem Fall eine Einigung, oder die Verhandlung wurde abgeblasen, und dann ging alles wieder von vorne los. Flora wusste natürlich, dass sie zusätzlich zu allem anderen eigentlich noch lernen sollte, aber sie hatte das Gefühl, bereits mit „allem anderen“ zu scheitern.

„Irgendwann packst du das schon, Baby“, hatte Kai ihr versichert, als Flora sich (zum wiederholten Mal) über ihr Arbeitspensum beklagt hatte. Aber irgendwie schien es ganz egal zu sein, wie lange sie abends noch blieb oder wie gut sie beim Abheften war. Eigentlich schade, dachte sie, dass effizientes Managen der Ablage nur wenig Sexappeal hat. Das sollte ich in meinem Tinder-Profil wohl besser nicht erwähnen.

„Mal im Ernst, ist dir noch gar nicht aufgefallen, wie übel der ist?“

O ja, Joel war übel, das rief sich Flora immer wieder in Erinnerung. In schicke Anzüge gekleidet marschierte er – groß, schroff, amerikanisch – stets durch das Gebäude, als würde es ihm höchstpersönlich gehören. Leute auf ihrer Ebene der Firmenhierarchie behandelte er herablassend, er konnte sich keine Namen merken und lobte nie.

„Der ist mit voller Absicht fies zu anderen Leuten, damit sie ihn bemerken und sich dann wünschen, er würde was Nettes zu ihnen sagen. Wie beim Hundetraining oder so.“

Flora blinzelte. „Das verstehe ich nicht.“

Kai sah es als seine Mission an, dieses schüchterne, so seltsam aussehende Mädchen vom Lande über das Leben aufzuklären, und rieb ihr bei jeder sich bietenden Gelegenheit die gesammelte Weisheit und Erfahrung seiner sechsundzwanzig Jahre unter die Nase.

„So betteln ihn alle um ein einziges nettes Wort, einen winzigen Krümel Anerkennung an, und deshalb verfallen ihm die Leute. Also, Leute mit wenig Selbstbewusstsein.“

Flora runzelte die Stirn. „Vielleicht finden sie ihn ja auch einfach nur sexy.“

„Klar. Ätzend und sexy, darauf sollte man sich nie einlassen. Außerdem ist er auch dein Oberboss, säg nicht den Ast ab, auf dem du sitzt. Und außerdem …“

„Noch ein Außerdem? Ich glaube, das brauche ich echt nicht.“

„Nein, jetzt hör mir mal zu, Flors, ich bin mir wirklich nicht sicher, ob du sein Typ bist. O Gott, wenn man vom Teufel spricht … und vielleicht ist er der sogar leibhaftig. Na ja, ich lass dich selbst deine Schlüsse ziehen.“

Flora schaute hoch, und tatsächlich, da überquerte Joel gerade zwischen all den Anwaltskanzleien der City den Broadgate Circle – selbstbewusst und souverän. Sein kastanienbraunes Haar glänzte in der Sonne, und er führte am Arm eine Giraffe von einer blonden Frau auf klappernden Absätzen mit sich. Seine Begleitung war in leuchtendes Pink gekleidet, das bei allen anderen wohl grotesk ausgesehen hätte, ihr aber fantastisch stand.

Und an diese Frau würde Flora eben in einer Million Jahren nicht herankommen, die war ein Paradiesvogel, eine komplett andere Spezies.

Flora schaute den beiden hinterher. „Nein“, stöhnte sie, „du hast ja recht.“

„Dafür bist du wirklich gut beim Abheften“, sagte Kai zur Aufmunterung. „Ich meine, das ist doch auch was wert.“

Sie grinste, und dann bestellten sie sich noch eine Flasche.

 

Das war vor ein paar Jahren gewesen, und seitdem war Kais Karriere mal zum Stillstand gekommen, mal hatte sie sich rasant weiterentwickelt. Floras hingegen … nicht. Natürlich hatte sie sich mehr und mehr an London gewöhnt und war zynischer geworden, was ihren Bürojob anging. Es hatte hier und da Verabredungen und Tändeleien und einige ziemliche Tiefschläge mit verschiedenen Typen gegeben, von denen sie sich nicht alle ohne Schamesröte in Erinnerung rufen konnte. Tatsächlich hatte sie sogar mal einen sehr netten festen Freund namens Hugh gehabt, mit dem sie ein Jahr lang zusammen gewesen war und der gerne einen Schritt weiter gegangen wäre. Aber ihr hatte da einfach etwas gefehlt, Es, was auch immer das sein mochte. Flora war nicht mit ganzem Herzen dabei gewesen. Als sie sich getrennt hatten (und zwar im Guten, Hugh war nämlich ein echter Schatz), da war ihr schon klar gewesen, dass sie diese Entscheidung bestimmt irgendwann mal bereuen würde. Spätestens in zehn Jahren, wenn alle anderen um sie herum sesshaft geworden waren und ein glückliches Familienleben führten, sie aber immer noch Single war. Trotzdem hatte sie die Sache beendet und seitdem tatsächlich lange Durststrecken gehabt, aber es ging ihr doch gut.

Zumindest weitestgehend. Das mit Joel war ja nur eine Schwärmerei, so eine alberne Geschichte. Und das Thema war ohnehin nach und nach in den Hintergrund getreten, während sich Flora in dieser riesigen Maschinerie von Stadt ihr Leben aufgebaut und sich damit von allem entfernt hatte, was zuvor geschehen war.

 

Aber jetzt, um 10:45 Uhr an einem brütend heißen Tag im frühen Mai, wollte ihr großer Schwarm sie plötzlich zum ersten Mal in seinem Büro sehen.

Jenny Colgan

Über Jenny Colgan

Biografie

Jenny Colgan studierte an der Universität von Edinburgh und arbeitete sechs Jahre lang im Gesundheitswesen, ehe sie sich ganz dem Schreiben widmete. Mit dem Marineingenieur Andrew hat sie drei Kinder, und die Familie lebt etwa die Hälfte des Jahres in Frankreich. Ihre Romane um »Die kleine Bäckerei...

Pressestimmen
BÜCHER Magazin

„Von Anfang an ist man mittendrin in dieser herrlich unbeschwerten Atmosphäre eines typischen Sommerromans.“

Schöner Monat

„Himmlisch romantisch.“

buchwinter.de

„Eine bezaubernde Story über einen Ort mit unglaublichem Charme.“

lesendesfedervieh.blogspot.com

„Ein Buch zum Wegträumen in die wunderschöne, raue schottische Inselwelt.“

lovelyliciousme.de

„Ein wunderschönes Buch, für die Sommermonate, vor allem wenn man dies am Meer liest und den Wind spürt, die frische Luft und tief durchatmen kann.“

kerstinskartenwerkstatt.de

„Wie schon die Bücher um die kleine Strandbäckerei, hat mich auch diese wieder überzeugt. Es ist eine ideale Urlaubslektüre und lässt einen träumen vom Meer.“

nichtohnebuch.blogspot.com

„›Die kleine Sommerküche am Meer‹ ist ein richtig schöner Sommerroman, der mit einer amüsanten Story, herrlichen Schilderungen der Insel Mure und Floras Gerichten Lust auf (Genuss-)Urlaub in Schottland macht.“

lesegenuss.blogspot.com

„Ein Rundum-Wohlfühlbuch.“

der-duft-von-buechern-und-kaffee.blogspot.com

„Die kleine Sommerküche am Meer ist viel mehr als nur ein Buch. Es ist ein Urlaub, fernab vom Alltag.“

wortmeer.blog

„Eine romantische Sommerkomödie, bei der man Abschalten kann und die Lust auf das Reisen und auf ursprüngliche Natur macht.“

buecherinmeinerhand.ch

„Die vielen, toll ausgearbeiteten Details und Wendungen sorgen für kurzweilige Lesestunden.“

intheprimetimeoflife.blogspot.com

„Ihre Begegnungen mit neuen und alten Bekannten sorgten für unterhaltsame Lesestunden, bei denen man die Alltag etwas zur Seite schieben und einfach nur entspannen kann.“

Kommentare zum Buch
Herzerwärmende Geschichte über einen Neuanfang auf einer rauen Insel in Schottland mit Kulinarik, Natur und jeder Menge Charme
Lena am 04.07.2018

Flora ist Mitte 20 und arbeitet als Rechtsanwaltsgehilfin in einer Kanzlei in London. Heimlich schwärmt sie für ihren Chef, den unnahbaren Amerikaner Joel. Ihre Heimat, der schottischen Insel Mure, hat Flora mangels Zukunftsperspektiven schon länger den Rücken gekehrt. Zum letzten Mal war sie vor drei Jahren zur Beerdigung ihrer Mutter auf der Insel. Als die Kanzlei vom Milliardär Colton Rogers beauftragt wird, ihn bei einem Projekt zu unterstützen, ist es Flora, die erstmalig von ihrem Chef wahrgenommen wird, da Rogers ausdrücklich jemanden mit schottischen Wurzeln sucht. Wie der Zufall es so will, baut Rogers ausgerechnet auf Mure ein Hotel, in dessen unmittelbare Nachbarschaft ein Windpark gebaut werden soll. Flora soll die Menschen auf der Insel dazu bewegen, für eine Verlagerung der Windkraftanlagen zu plädieren. Floras Weggehen stieß bei der Inselbevölkerung und vor allem bei ihrem Vater und ihren drei Brüdern auf Unverständnis, weshalb sie selbst erst einmal neues Vertrauen aufbauen muss.   Mit einer Imagekampagne für Rogers und kulinarischem Geschick versucht Flora das Wohlwollen der Bewohner Mures zu gewinnen und merkt dabei, dass sie sich auf der Insel wohler fühlt, als gedacht. Und auch Joel beginnt bei seinen Aufenthalten auf der Insel aufzutauen und Flora mit einem anderen Blick zu betrachten.   "Die kleine Sommerküche am Meer" ist der Auftakt der neuen Bücherreihe von Jenny Colgan, die durch "Die kleine Bäckerei am Strandweg" bekannt geworden ist. Schauplatz ist die abgelegene, fiktive schottische Insel Mure mit ihren eigenbrötlerischen Bewohnern, dem unberechenbaren Wetter und den mythischen Erzählungen und gälischen Sagen.   Es ist eine herzerwärmende Geschichte über eine junge Frau, die ihren Weg im Leben noch nicht gefunden hat und nach dem Tod ihrer Mutter, die unbedingt wollte, dass diese sich ein Leben in London aufbaut, in Lethargie verfallen ist. Nur durch den Auftrag für die Kanzlei kehrt sie gezwungenermaßen auf Mure zurück und hat zurecht zunächst Angst davor, da sie nicht mit offenen Armen empfangen wird. Vor allem ihre Brüder, die dort den Bauernhof der Familie mehr schlecht als recht bewirtschaften, fühlten sich von ihr im Stich gelassen und sind eifersüchtig auf ihre Unabhängigkeit und Freiheit.   Als Leser spürt man bald nach Floras Ankunft, dass sie ein naturverbundener Familienmensch ist und damit viel besser nach Mure als in die Großstadt London passt. Auch der Umgang mit Lebensmitteln scheint ihr mehr zu liegen, als die trockene Arbeit in einem Büro.   Wie schon in "Die kleine Bäckerei am Strandweg" spielen auch in dieser Reihe ein Neuanfang, Selbstverwirklichung, Kulinarik, Natur und Tiere eine tragende Rolle. Der Roman vermittelt ein Gefühl von Heimat, eine Zugehörigkeit zur Familie und seinen Wurzeln, die man nicht verleugnen kann. Schön ist es zu lesen, wie sich das Wir-Gefühl auf der gesamten Insel entwickelt und wie letztlich Milliardär Rogers als auch die Inselbewohner einsehen, dass sie aufeinander angewiesen sind und nur gemeinsam das millionenschwere Projekt des Luxus-Hotels stemmen können, das wiederum Vorteile für beide Seiten bringt. Die "Sommerküche am Meer" dient auch der Trauerbewältigung und setzt Floras Mutter durch das Nachkochen ein kleines Denkmal auf der Insel.   Floras Liebesleben spielt deshalb nicht die tragende Rolle in der Geschichte, entwickelt sich gemächlich und damit auch sehr authentisch, ohne dass von Vornherein klar ist, ob die Schwärmerei für Joel eine Zukunft hat oder ob Flora nicht doch besser zu dem Naturburschen Charlie passt.   Ich mochte das Setting auf der Insel, Floras nicht ganz unproblematische Familiengeschichte, ihre persönliche Weiterentwicklung und die weiteren sympathischen Charaktere, so dass ich mich schon jetzt auf die Fortsetzung der Buchserie freue.

Die kleine Sommerküche am Meer
Monika Buchholz am 05.06.2018

Die Leseprobe hat mir ganz gut gefalle. Es sind sehr viel Optionen offen, wie der Roman weiter gehen könnte. Was passiert in Schottland? Haben Flora und Joel eine Chance oder könnte Colton Rogers zu einer Hauptfigur werden? Warum heißt der Roman so, wie heißt? Geschichten mit Rezepten kommen immer gut an. Ich bin sehr gespannt, wie es weiter geht.

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