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Schattendieb

Schattendieb

Alexey Pehov
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Novellen aus Siala und anderen Welten

„Das Buch ist eine unverzichtbare Ergänzung für Sammler und Fans des Autors. Neulinge finden hier gleichzeitig einen wundervollen Einstieg in die Welten von Alexey Pehov“ - Nautilus

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Schattendieb — Inhalt

Alle „Siala“- und „Hara“-Fans aufgepasst: Mit dieser Erzählungssammlung kehrt der Autor zu seinen beliebtesten Serien zurück und bietet exklusive Einblicke in neue Welten, die er erschaffen hat: Ob ein Wiedersehen mit Garrett, dem Schattenwanderer, oder Ness im Krieg gegen die Elfen, ob eine exklusive Story zum Roman „Dunkeljäger“ oder bislang unbekannte Reiche, die von dämonischen Mächten, Blutsaugern und Teufeln bevölkert werden – „Schattendieb“ ist unverzichtbare Lektüre für alle Pehov-Fans und zugleich der perfekte Einstieg in den vielschichtigen Kosmos des russischen Fantasy-Stars.

€ 8,99 [D], € 8,99 [A]
Erschienen am 11.05.2015
Übersetzt von: Christiane Pöhlmann
464 Seiten, WMePub
EAN 978-3-492-97018-1
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Leseprobe zu „Schattendieb“

Die Schlange
Eine Geschichte aus der Welt Sialas



„ Also ?  “, fragte Gosmo. „ Was hältst du davon ?  “
Bevor ich antwortete, ließ ich meinen gelangweilten Blick durch die menschenleere Schenke schweifen. Dann fertigte ich den alten Gauner mit dem Satz ab, der mir auf der Zunge lag, seit er mir den Auftrag angeboten hatte.
„ Die Sache gefällt mir nicht. “
„ Was bitte erwartest du denn eigentlich ? ! “, fuhr Gosmo mich an. „ Bei diesem Auftrag verdienst du dein Geld doch im Schlaf. Gutes Geld übrigens. “
„ Gerade das macht mich ja stutzig. “ Meine Laune hätte [...]

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Die Schlange
Eine Geschichte aus der Welt Sialas



„ Also ?  “, fragte Gosmo. „ Was hältst du davon ?  “
Bevor ich antwortete, ließ ich meinen gelangweilten Blick durch die menschenleere Schenke schweifen. Dann fertigte ich den alten Gauner mit dem Satz ab, der mir auf der Zunge lag, seit er mir den Auftrag angeboten hatte.
„ Die Sache gefällt mir nicht. “
„ Was bitte erwartest du denn eigentlich ? ! “, fuhr Gosmo mich an. „ Bei diesem Auftrag verdienst du dein Geld doch im Schlaf. Gutes Geld übrigens. “
„ Gerade das macht mich ja stutzig. “ Meine Laune hätte mieser nicht sein können, weshalb ich es geradezu für meine heilige Pflicht hielt, auch meiner ganzen Umgebung die Stimmung zu verhageln. „ Wenn eine Sache so einfach scheint, rechne besser gleich mit Schwierigkeiten. “
„ Spar dir deine Lebensweisheiten ! Denn ich habe dir ja wohl noch nie einen Auftrag vermittelt, der einen Haken hatte, oder ? “
„ Doch, das hast du “, stellte ich unerbittlich klar. „ Zum Beispiel beim letzten Mal. Da sind plötzlich ziemlich große, ziemlich böse Hunde aufgetaucht. Nur gut, dass auf meine Beine Verlass ist. “
„ So ist unsere Arbeit halt “, wiegelte er ab. „ Da musst du schon mal mit Überraschungen rechnen. “
„ Solange sie nicht überhandnehmen “, brummte ich. „ Aber dein Vorschlag erinnert mich an das Brot aus Issylien. Äußerlich ist es glatt und rund, aber sobald du es aufschneidest, steckt es voller Rosinen. “
„ Was beschwerst du dich dann ? ! “, rief Gosmo aus. Der ­einstige Dieb und heutige Besitzer der Schenke Messer und Beil ­vermittelte nebenbei gern noch die unterschiedlichsten Ge­­schäftchen, die durch die Bank gegen das Gesetz verstießen. Anscheinend verlor er selbst jetzt die Hoffnung nicht, mich in dieses Abenteuer hineinzuziehen. Da mich seine Über­zeu­gungskünste aber nicht gerade entzückten, teilte ich ihm klar und deutlich mit : „ Hier fehlen leider die Rosinen. “
Wenn ich heute schon den Miesepeter gab, dann richtig.
„ Du willst den Preis hochtreiben ? “, mutmaßte Gosmo prompt.
Eine solche Frage hielt ich nicht einmal einer Antwort wert. Gosmo wusste genau, was meine Dienste kosteten – und dass ich nicht feilschte.
„ Ich könnte auch andere fragen. Meinst du etwa, du bist der einzige Dieb hier in Awendum ? “
„ Der einzige bestimmt nicht “, räumte ich ein. „ Nur sind die meisten meiner geschätzten Kollegen dumm wie Doralisser, und einige bringen es noch nicht einmal fertig, eine Geldbörse zu stibitzen. “
„ Ich rede von Meisterdieben. “
» Gut, dann überlegen wir mal, wer von ihnen infrage käme. Snapper und Nachtigall sind seit einer Woche unter die Fittiche der Gilde gekrochen. Neyk sitzt in den Grauen Steinen, und wenn der Kerker ihn nicht umkrempelt, kannst du erst in zehn Jahren wieder mit ihm rechnen. Wer wäre da sonst noch ? Der nicht geschnappt wurde, meine ich. Arlis ? Mit ihr würdest du dich nie einigen, dazu verachtet sie dich viel zu sehr. Schlok hat sich mit Ugrez angelegt – mit dem Ergebnis, das zu erwarten war. Wer dem Kopf der Gilde un­­serer verehrten Meuchelmörder querkommt, darf sich nicht wundern, wenn er unter den Piers schwimmt. Kurz und gut, bis auf mich hast du niemanden. «
„ Oh, ich könnte mich an die Gilde der Diebe wenden “, erklärte Gosmo, obwohl er wusste, dass das Unsinn war.
» Wenn du unbedingt Markun vierzig Prozent des Ge­­winns in die fette Kralle drücken willst, dann nur zu «, erwiderte ich und nippte an dem Bier, das Gosmo mir ausgegeben hatte.
Dieser trommelte wild mit den Fingern auf die Tischplatte. Selbstverständlich würde sich Gosmo nie im Leben mit dem raffgierigen Haupt der Diebesgilde einlassen. Wenn er dergleichen auch nur in Erwägung zöge, hätte er sich nicht an einen freien Künstler wie mich gewandt.
„ Du bist der reinste Wundbrand, Garrett “, knurrte er schließlich. „ Das ist Wucher. “
„ Nein, mein Alter, das ist kluges Geschäftsverhalten. “
„ Wir reden hier von fünfzehn Goldstücken ! “
Von denen er zwei für die Vermittlung bekäme. Nicht zu vergessen die Münzen, die der alte Gauner noch vom Auftraggeber einstrich. Schon öfter habe ich mich deshalb ge­­fragt, warum ich mich eigentlich nicht als Vermittler durchschlage … Damit würde ich die Gefahren für meinen eigenen Kopf deutlich herabsetzen und kein schlechtes Geld ver­dienen.
Abermals verkniff ich mir eine Erwiderung und bedachte Gosmo nur mit dem verächtlichsten Blick, den ich aus einem unerschöpflichen Vorrat entsprechender Blicke auswählte.
„ Also ? “, strich Gosmo die Segel. „ Was verlangst du ? “
„ Dreißig Goldstücke. “
„ Du Dieb ! “
„ Du sprichst ein wahres Wort gelassen aus “, bemerkte ich und prostete ihm mit dem Krug dunklen Biers zu.
„ In Ordnung “, presste er heraus. „ Abgemacht. “
Ich hatte nicht im Geringsten daran gezweifelt, dass der alte Gauner und ich zu einer Vereinbarung gelangen würden, die letzten Endes uns beiden ein hübsches Sümmchen einbringen würde.
„ Aber du lässt dir diesen Spaziergang nett bezahlen “, lamentierte Gosmo. „ In was für Zeiten leben wir bloß ? ! “
„ In harten “, sagte ich. „ Du erlebst es ja am eigenen Leib : Ständig steigen die Preise. Da muss man sehen, wo man bleibt. “
Er sah mich an, als glaubte er, ich wollte ihn aufziehen, erkundigte sich dann aber : „ Hast du noch Fragen zum Auftrag ? “
„ Ich hol mir die Ware, bringe sie zu dir und kriege mein Geld. So sieht’s doch aus, oder ? “
„ Ganz genau. Allerdings muss das unbedingt heute Nacht geschehen, denn morgen früh will der Auftraggeber die Ware bereits in Händen halten. Trink also dein Bier aus und mach dich auf die Socken. Abgesehen davon, öffne ich den Laden eh bald. “
„ Immer sachte, mein Freund. Das Wichtigste hast du mir nämlich noch gar nicht verraten : Was für eine Ware das eigentlich ist. “
„ Das hat mir der Auftraggeber auch nicht gesagt. “
„ Bitte ? ! “ Sofort stellten sich meine unguten Vorahnungen wieder ein. „ Und was soll diese Geheimniskrämerei ? ! “
„ Keine Ahnung. Aber das braucht uns auch nicht zu scheren. Solange wir unser Geld kriegen, arbeiten wir. “
„ Wobei natürlich der Großteil der Arbeit mir vorbehalten bleibt. “ Die Sorglosigkeit, die Gosmo in dieser Sache an den Tag legte, gefiel mir nicht. „ Ebenso wie das Los, hinter Gitter zu wandern. Oder das Vergnügen, der Stadtwache in die Arme zu laufen. Hauptmann Frago Lonton ist in letzter Zeit überhaupt nicht gut auf mich zu sprechen und sähe mich zu gern als Zellenkumpan Neyks. Daher wäre es an dir gewesen, wenigstens genauere Informationen einzuholen. Ich muss diese Ware schließlich fortschaffen. Was, wenn sie die Größe einer Kirchenglocke oder das Gewicht von hundert mit Gold bepackten Zwergen hat ? ! “
„ Das kann ich mir nicht vorstellen “, beruhigte mich Gosmo. „ Wenn du noch etwas wissen müsstest, hätte es mir der Auftraggeber ganz gewiss gesagt. “
„ Vorausgesetzt, er ist kein Dummkopf “, murmelte ich. Optimismus ging mir in den letzten Tagen völlig ab. „ Ist es wenigstens ein Mensch ? “
„ Keine Sorge, ein Doralisser ist es nicht. “
„ Sagoth sei gepriesen. Denn an dem Tag, an dem mich diese Ziegenmenschen anheuern, geh ich ins Wasser, schnapp mir einen Strick oder buddel mir selbst ein Grab in Hrad Spine. “
„ Nur zu, dir wird niemand eine Träne hinterherweinen “, munterte mich Gosmo in seiner unvergleichlichen Art auf. „ Also, der Wagen wird nicht bewacht, das Schloss ist eine schlichte Arbeit der Menschen, die Ware wartet dann da drinnen auf dich. “
„ Dann will ich nur hoffen, dass der Karren nicht bis oben hin mit allem möglichen Plunder vollgestopft ist und ich auf Anhieb finde, was ich suche. “
Diese letzte Spitze konnte ich mir nicht verkneifen.
„ Dir kann man heute aber auch gar nichts recht machen ! “, knurrte Gosmo.
„ Du hast es erfasst, mein Alter. “
Nach diesen Worten hielt ich mein Soll an miesepetrigen Bemerkungen für diesen Abend für erfüllt. Ich stellte den leeren Bierkrug auf den Tresen und verließ die Schenke, ohne mich von Gosmo zu verabschieden.

Im Grunde konnte ich dem alten Gosmo jedoch keinen Vorwurf machen. Der Auftrag schien tatsächlich ein Kinderspiel zu sein, gar nicht zu vergleichen mit dem kleinen Abstecher ins Haus des Barons Lonton und der Entwendung jenes Geldes, das der Hauptmann der Stadtwache für den Kopf eines gewissen Herrn Meisterdieb namens Garrett ausgesetzt hatte.
Trotzdem störte mich das Fehlen klarer Hinweise auf die Beschaffenheit der Ware, die – vermeintliche – Leichtigkeit der Aufgabe und die Bereitwilligkeit, mit der Gosmo mein Honorar erhöht hatte. War an der Sache also ein Haken ? Und hatte ich mich folglich unter Wert verkauft ?
Aber wie sagen ach so gute Leute gern ? Ich sei raffgierig wie jenes Volk, das unter den Bergen lebt, und neugierig wie ein Kobold aus dem Jenseits. Abgesehen davon bot sich mir hier die Möglichkeit, Markun mal wieder auf die Füße zu treten. Und wenn ich jemanden nicht ausstehen konnte, dann diese Nappsülze, die es wie durch ein Wunder geschafft hatte, sich zum Haupt der Diebesgilde aufzuschwingen. Sofern ich also dafür sorgen konnte, dass die eine oder andere Münze nicht in die Tasche dieses Dreckskerls wanderte, war ich sogar bereit, umsonst zu arbeiten. Wovon Gosmo allerdings zu meinem Glück nicht mal was ahnte.
Bei all meinen Vorbehalten wäre es sicher klug, meinem alten Lehrer For von diesem Auftrag zu erzählen, doch gewöhnliche Faulheit und auch Zeitmangel erstickten diesen Gedanken bereits im Keim. Nachdem ich meinem eigenen Spiegelbild noch ein Weilchen etwas über die Ungerechtigkeiten des Lebens vorgejammert hatte, bereitete ich mich daher auf das Unternehmen vor.
Die übliche Ausrüstung eines Diebs, der etwas auf sich hält, war schnell zusammengepackt, dazu kamen noch eine kleine Armbrust, die in eine Hand passte – eine Arbeit der Zwerge –, ein Messer, das ich am Oberschenkel festband, eine Leinentasche und eine gewaltige Portion Selbstgefälligkeit. Mehr brauchte ich nicht, um aus jeder Auseinandersetzung als Gewinner hervorzugehen. Über Nebensächlichkeiten wie langjährige Übung, Meisterschaft, Geschicklichkeit, Cleverness, Vorsicht und Verstand gehe ich an dieser Stelle höflich hinweg. Oder bescheiden, ganz wie eine junge Frau im besten Hochzeitsalter.
Ich schnaubte. Warum setzte mir dann nach wie vor die­­ses mulmige Gefühl zu ? Ob ich auf meine alten Tage nervös wurde ? Ob ich meinen Geiz unterdrücken und der Straße der Funken einen kleinen Besuch hätte abstatten sollen ? Dort be­­fanden sich nämlich die Läden, in denen jede Art von magischem Artefakt zu finden war. Einige von ihnen konnte sich ein Mann meiner Profession mit etwas Hirnschmalz und Er­­fahrung durchaus zunutze machen. Nur hätte ich dann dem gierigen Zwerg Honhel ein paar Goldmünzen in die Pfoten stecken müssen – und ob sich das letzten Endes lohnte ? Bei einem derart lächerlichen Auftrag … Nein, da verzichtete ich schon lieber auf magische Unterstützung.
Um zwei Uhr nachts schlich ich bereits an der Südmauer der Inneren Stadt entlang. Der Große Platz schloss unmittelbar an das Viertel der Reichen an und diente Awendum dazu, den Markt abzuhalten und dem einen oder anderen Nichtsnutz ein Ende am Galgen zu bescheren. Außerdem gaben zweimal im Jahr, im Herbst und im Frühling, fahrende Artisten und Theatergruppen hier ihre Vorstellungen. Da wir ge­­rade Mitte April hatten, würde in zwei Tagen ein formidables Spektakel losbrechen : Clowns, Jongleure, Messerwerfer, Bändiger exotischer Tiere, Puppenspieler, Geisterbeschwörer und selbst ernannte Magier würden ihre Künste zum Besten ge­­ben. Gerade Letzteren sollte man meiner Ansicht nach besser fernbleiben. Die ganze illustre Gesellschaft würde Awendum jedenfalls eine Woche lang mit Umzügen und Gelärm be­­glücken.
Eine dieser Zirkustruppen hatte sich ziemlich breitgemacht und sich die Hälfte des Platzes unter den Nagel gerissen. Zwei Dutzend Wagen, ein großes Zelt und zahlreiche kleine Ge­­hege für die Pferde, Käfige mit Tieren – mitten in unserer ­riesigen Hauptstadt war hier eine eigene kleine Stadt ent­standen.
Die mein Ziel war.
Was mich letzten Endes am meisten erstaunte und beun­ruhigte : Was sollten diese ewig armen Hungerleider, die ständig durch die Lande zogen, für ein wertvolles Gut versteckt haben ? Dieses fahrende Volk zu bestehlen, das gehörte sich eigentlich nicht. Das war ja, als würde man den Geldbeutel vom Gürtel eines Blinden fingern – eine Arbeit, die wahrlich kein Vergnügen bereitete.
Dort, in diesem bunt scheckigen und großteils schon schlafenden Königreich der Schausteller, wartete in einem blauen Wagen mit roten Rädern die Ware auf mich …
In dieses Jahrmarktsimperium einzudringen stellte keine Schwierigkeit dar, denn die beiden Posten der Stadtwache leisteten wie üblich denkbar schlechte Arbeit. Der eine ratzte auf einem Ballen Stroh, der andere popelte selbstvergessen in seiner Nase. Und so, wie er aussah, würde er damit auch nicht aufhören, wenn ein ganzes Tausend besoffener Gnome vorbeimarschieren und dabei Schlachthymnen schmettern würde. Käme ich jetzt auf die Idee, in seinem Rücken diesen wilden Tanz, den Janga, aufzuführen – er würde sich nicht nach mir umdrehen, schließlich hoffte er, gleich in seiner Nase den Schatz der Krone zu heben. Kurz und gut, in das Städtchen der fahrenden Artisten gelangte ich mühelos hinein.
Jedes von Fackeln beleuchtete Fleckchen mied ich, außerdem versteckte ich mich beim kleinsten verdächtigen Ra­­scheln. Doch obwohl ich die ganze Zeit beide Augen offen hielt, wäre ich beinah mit einem lautlos dahinschleichenden Mann zusammengestoßen, der auf seinen Schultern eine fette Schlange trug. In letzter Sekunde brachte ich mich unter einem der Wagen in Sicherheit. Sobald die Gefahr gebannt war, schaffte ich es, das Gelände abzusuchen – nur konnte ich den Wagen mit den roten Rädern beim besten Willen nicht entdecken. Hatte Gosmo mir eine falsche Information gegeben ? Immerhin blieb noch eine letzte Hoffnung, der nörd­liche Teil des Platzes, wo Käfige mit allerlei Tieren standen.
Deren zottlige Bewohner bewiesen ein wesentlich feineres Gehör als die Menschen. Einige von ihnen schickten mir lediglich einen misstrauischen Blick hinterher, bevor sie wieder eindösten, andere fingen jedoch an, aufgeregt durch den Käfig zu springen. Ein riesiges rotfelliges Mammut, das noch auf seinen Nachtisch hoffte, grunzte erwartungsvoll hinter mir, eine verfluchte Meerkatze mit rotem Hintern keifte mich sogar wütend an und beschmiss mich mit einer Bananenschale. Ich sah zu, dass ich wegkam, bevor jemand auftauchte, der unbedingt wissen wollte, was den Affen so erbost hatte.
Endlich erspähte ich den gesuchten Wagen. Bei seinem An­­blick ging ich allerdings sofort mit einem Hechtsprung hinter einem Käfig mit einem Tiger aus dem Sultanat in Deckung. Dort atmete ich erst einmal tief durch. Vielen Dank auch, Gosmo !, fluchte ich innerlich. Du bist wahrlich ein ­echter Freund ! Von wegen : Du würdest mir doch nie im Leben einen Auftrag vermitteln, der einen Haken hat ! Aber ich wusste ja, dass an der Sache was faul ist. Wenn mir auch nicht klar war, wie faul.
Zahlreiche Fackeln tauchten den Wagen in helles Licht. Obendrein bewachte ein gelbäugiger, dunkelhäutiger Kerl mit aschfarbenem Haar das Fuhrwerk, ein dunkler Elf aus den Wäldern Sagrabas.
Im ersten Schreck wollte ich gar meinen Augen nicht trauen. Elfen verlassen ihre heimatlichen Gefilde sowieso selten – sie dann aber auch noch in der Gesellschaft von Schaustellern anzutreffen … Das konnte doch nicht sein. Abermals spähte ich vorsichtig aus meinem Versteck heraus, um mich zu überzeugen, dass meine Augen mir keinen Streich gespielt hatten. Aber nein, das war ein Elf ! Wie hätte ich auch die aus dem Unterkiefer ragenden Fänge oder das Krummschwert auf dem Rücken, den S’kasch, mit irgendwas verwechseln sollen ? !
Zum Glück hatte mich der Elf bisher nicht bemerkt. Innerlich fluchend beobachtete ich jedoch, wie gerade ein zweiter dunkler Elf aus dem Wagen kletterte. Zu allem Überfluss trug er auch noch einen Bogen. Nach einem kleinen Wettbewerb, wer von uns denn nun schneller schießen könne, stand mir aber wahrlich nicht der Sinn. Wenn Gosmo diese Festung als unbewachten Wagen anpries – wie sah dann für ihn ein be­­wachter aus ? !
Der Weg durch die Tür war mir also versperrt. Sicher, ich könnte die beiden Herren natürlich fragen, ob sie mich wohl für ein Minütchen in den Wagen lassen – nur waren dunkle Elfen nicht gerade für ihren Sinn für Humor berühmt. Besser also, ich sah von diesem Gedanken ab.
Sollte ich folglich unverrichteter Dinge von dannen ziehen ? Mit dem Auftraggeber selbst hatte ich mich nicht in aller Form ins Benehmen gesetzt, die rituelle Formel zur Besiegelung unseres Handels ihm gegenüber nicht ausgesprochen. Trat ich jetzt von dem Geschäft zurück, konnte mir daraus niemand einen Strick drehen. Aber einfach aufgeben ? Ohne es auch nur versucht zu haben ? Das ließen weder meine Sturköpfigkeit noch meine Diebesehre zu. Hol mich doch das Dunkel – sollte ich es wirklich nicht schaffen, diese gelbäugigen Schnösel zu überlisten ? ! Noch dazu, wo ich jetzt darauf brannte, herauszufinden, was überhaupt im Wagen wartete. Bei der Bewachung musste es sich jedenfalls um eine wirklich kostbare Ware handeln.
Die Tür schied also aus. Die Fenster ebenfalls, aus dem schlichten Grund, dass es keine gab. Was blieb ? Eben, die Luke im Dach. Über so ein Ding verfügten nämlich alle Wagen aus dem Tiefland. Damit musste ich nur noch die Frage beantworten, wie ich zu ihr gelangte.
Aber Not macht ja bekanntlich erfinderisch. Deshalb griff ich nach dem Erstbesten, das mir in die Finger kam. In dem Fall nach dem Schwanz des Tigers, der zwischen den Gitterstäben des Käfigs heraushing. So ein Kätzchen kann wirklich ganz beachtlich schreien, wenn jemand es mit aller Kraft am Schwanz zieht ! Und selbstverständlich ging das wütende Tier zum Angriff über, indem es seinen Körper mit aller Wucht gegen das Gitter warf. Doch da war ein gewisser Meisterdieb längst außer Reichweite und in Sicherheit – auf der Rückseite des Wagens.
Meine Rechnung ging auf : Die Elfen wollten unbedingt in Erfahrung bringen, wer den Tiger so erzürnt hatte. Dieser brüllte noch immer aus Leibeskräften und verlangte nach Blut. Obendrein kreischten jetzt auch noch die Affen, trötete das Mammut. Was für eine wunderbare Nacht !
Während die Herren Elfen noch in die entgegengesetzte Richtung spähten, kletterte ich lautlos aufs Wagendach. Oben angelangt, warf ich mich so flach darauf wie ein Zwerg auf einen Haufen Gold. Der Elf mit dem Bogen hatte nun einen Pfeil an die Sehne gelegt, um seinem Kumpan, der zum Tigerkäfig marschierte, Deckung zu geben. Wenn die beiden jetzt bloß nicht nach oben sahen !
Nimmt es eigentlich noch wunder, dass ich auch mit der Luke meine liebe Not hatte ? Da sie keine Schlösser besaß, halfen mir meine Nachschlüssel nicht weiter. Folglich musste ich mich mit dem Messer mühen. Nach einer Minute pu­­rer Gewaltanwendung war die Sache endlich erledigt. Ich lauschte. Anscheinend hielt sich niemand im Wagen auf. Nachdem ich noch ein paar Minuten gewartet hatte, sprang ich hinein und sah mich mit der Armbrust im Anschlag um.
Ein schwerer schwarzer Vorhang teilte das Wageninnere in zwei Bereiche. Im ersten entdeckte ich nicht den geringsten Hinweis auf die Ware. Deshalb zog ich kurz entschlossen den schwarzen Vorhang zur Seite – und blieb wie angewurzelt stehen. Noch dazu mit offenem Mund.
Am Boden saß eine Elfin, die Beine unters Kinn gezogen, die entsetzlich schmalen Arme um die Unterschenkel ge­­schlungen. Ihr kurzes Haar war überhaupt nicht auf die Art und Weise der Elfen geschnitten. Das Gesicht war mager, ja, geradezu ausgemergelt, die Haut sehr dunkel, die großen Augen gelb. Die Kleidung, die sie trug, hätte ich nie an einer Elfin vermutet : ein weißes Leinenhemd ohne Ärmel und völlig mit Blut verschmierte Hosen. Ihre Arme waren von den Schultern an bis zu den Handgelenken mit einer aufwendigen Tätowierung bedeckt, die in Flammen badende silberne Schlangen darstellte. Die Zeichnung war so meisterhaft, dass die Tiere fast lebendig wirkten.
Die Fangzähne des Mädchens, das kaum älter als siebzehn schien, waren winzig klein. Die Lippen waren aufgeschlagen, unter einem Auge prangte ein blauer Fleck, und beide Handgelenke umspannte eine Schnur mit unzähligen Knoten. Die Elfin saß in der Mitte einer Figur, die auf den Boden des Wagens gezeichnet war. Mir wurde ziemlich mulmig, denn natürlich dachte ich sofort an Magie. Das hätte mir noch ge­­fehlt, dass hier die dunklen Elfen mit irgendeinem Schamanenzauber auf mich einschlugen !
O ja, Gosmo ! Wenn ich je lebend aus diesem Wagen herauskomme, mach dich auf was gefasst !
Ich starrte die Elfin an, sie mich. Und wie sollte es jetzt bitte weitergehen ? ! Bis auf den heutigen Tag hatte ich schließlich noch nie jemanden entführt. Die Unbekannte rührte sich nicht und schrie auch nicht nach den beiden Elfen draußen. Als mir endlich einfiel, wie ich ihr mein Auftauchen er­­klären könnte, hantierte bereits jemand am Schloss der Wagentür.
Ohne lange nachzudenken, schlüpfte ich hinter den Vorhang, der einzige Ort überhaupt, an dem man sich in diesen rollenden vier Wänden zu verstecken vermochte. Oder es zumindest versuchen konnte. Von der Tür aus dürften mich die Elfen jedenfalls erst mal nicht sehen. Die Armbrust richtete ich auf die Elfin, sollte sie ruhig wissen, dass es ihr nicht besser ergehen würde als mir, wenn sie jetzt auch nur einen Laut von sich gab. Allerdings signalisierte sie durch nichts, dass sie meine unausgesprochene Aufforderung, sich ruhig zu verhalten, verstanden habe. Ihre ungeteilte Aufmerksamkeit galt nämlich der Tür.
Die wurde gerade weit aufgerissen. Schritte polterten. Mein Herz sackte rasant in die Tiefe und verirrte sich in meinen Eingeweiden. Hatten sie mich bemerkt oder nicht ? Alles in mir verkrampfte sich, denn ich rechnete fest damit, in der nächsten Sekunde mit dem S’kasch erstochen zu werden. Doch Sagoth zeigte sich gnädig. Heute lenkte der Tod sein Augenmerk noch nicht auf mich. Die Elfen gingen am Vorhang vorbei und blieben neben der Ware stehen. Verwundert stellte ich fest, dass weder die Kleidung noch die Frisuren denen der beiden Posten vorm Wagen entsprachen. Ob sie einem anderen Haus angehörten ? Möglich.
Was jedoch klar war, das war ihre Absicht, auf lange Ge­­spräche mit der Gefangenen zu verzichten. Einer von ihnen zog den S’kasch blank – und man musste kein besonderer Schlaukopf sein, um zu verstehen, was als Nächstes geschehen würde. Aber alle Achtung : Das Mädchen zitterte nicht einmal.
Als ich noch ein kleiner Junge war, hatte mein Lehrer For mir eine höchst schlichte, aber ausgesprochen wichtige Le­­bensregel in meinen dummen Schädel gehämmert : Halte dich aus fremden Angelegenheiten heraus ! Diesen hervorragenden Rat hatte ich bis auf den heutigen Tag stets beherzigt. Nun aber musste ich mich in diese trauliche Szene einmischen – andernfalls würde mir das Paar gelbäugiger Dreckskerle meine Ware verhunzen. Und dass sie mich um dreißig Goldstücke brachten, das konnte ich nun wirklich nicht zu­­lassen.
Ja ! Zugegeben ! Das war nicht die ganze Wahrheit. Hinzu kam, dass ich es einfach nicht hätte mit ansehen können, wie eine hilflose Frau ermordet wird. Selbst wenn sie eine Elfin war. Aber einmal im Jahr werde ja wohl auch ich mir eine kleine sentimentale Schwäche erlauben dürfen, oder ? !
Die Armbrust gab ein leises Zischen von sich : Der Elf, in dessen Hals ein Bolzen steckte, vergaß sein Opfer prompt und fiel krachend zu Boden. Bevor sein Kumpan überhaupt begriff, was Sache war, presste ich ihm bereits das Messer an die Kehle.
„ Auf Schwierigkeiten können wir beide doch wohl verzichten, nicht wahr, mein Freund ? “, giftete ich ihm ins Ohr.
„ Wer bist du ? “, flüsterte er, wobei er die Lippen kaum bewegte. Die Klinge kratzte ihm gefährlich über die Haut.
„ Wozu Namen ? Sagen wir einfach, ich bin der Mann in deinem Rücken. “
„ Du wirst es nicht wagen, einen Elfen umzubringen, Mensch. “
„ Sag das mal deinem Freund, Fangzahn ! Allerdings hast du im Unterschied zu ihm noch Aussichten, deinen Wald wiederzusehen. “
Daraufhin hielt er es für geraten, kein Wort mehr zu sagen.
„ Steh auf ! “, wandte ich mich an das Mädchen, das uns an­­gespannt beobachtete. „ Wir gehen. “
„ Sie bleibt hier ! “, fuhr mich der Elf an. Offenbar hatte er völlig vergessen, dass sein Leben an einem seidenen Faden hing.
Seine Aufmüpfigkeit gefiel mir nicht. Wie auch ? Da be­­mühst du dich, höflich zu sein – und dann zwingt dich so ein Dreckskerl von dunklem Elf, dich wie ein Schwein zu verhalten. In dem Fall bedeutete das einen Tritt gegen den Unterschenkel, damit er auf die Knie fiel, und anschließend einen kräftigen Schlag in den Nacken. Sollte er ruhig erst einmal eine Weile am Boden liegen und sich darüber klar werden, wie unfein eine derartige Widerborstigkeit ist.
Nach einem letzten Blick auf die beiden Spitzohren trat ich an die Elfin heran, die noch immer reglos dasaß, und schnitt ihr, einer Eingebung folgend, die Schnüre an den Händen durch. Das Ornament auf dem Boden flackerte auf – und verschwand. Das Mädchen seufzte erleichtert, fuhr sich mit der Zunge über die aufgeschlagenen Lippen und lächelte dann ganz überraschend.
„ Ich habe schon gedacht, du würdest nie auf die Idee kommen, das zu tun “, sagte sie.
Was zu tun ?, wollte ich schon fragen, nur sah ich da, wie sich eine der tätowierten Schlangen bewegte und den Kopf in meine Richtung drehte. Die Frage blieb mir prompt im Halse stecken. Alles, was mich jetzt noch beschäftigte, war, ob ich mir das Ganze nur eingebildet hatte oder nicht. Bestimmt spielte mir meine Phantasie da einen Streich … Obwohl : Bis eben hatte mich dieses Schlangenbiest nicht angesehen. Schon gar nicht so neugierig.
Noch immer stand ich grübelnd da, während die Elfin be­­reits an mir vorbeihuschte, sich den S’kasch des betäubten Elfen schnappte – und ihm diese traditionelle Klinge tief in die Brust trieb. Anschließend spuckte sie dem Toten ins Ge­­sicht.
„ Man muss eine Arbeit immer zu Ende bringen, Mann im Rücken. Er hätte auch kein Mitleid mit dir gehabt. Est und Elg haben sie schließlich bereits getötet. Diese Männer meines Vaters hatte ich zwar nicht gerade in mein Herz geschlossen, aber sie gehörten dem gleichen Haus an wie ich. Den Tod haben sie wirklich nicht verdient. “
„ Woher weißt du, dass die beiden tot sind ? “
„ Stell dich nicht dumm, Mensch ! Diese zwei Dreckskerle hätten nie einen Fuß in den Wagen setzen können, wenn Est und Elg noch am Leben wären. “
Trotzdem hielt ich es für geboten, mich mit eigenen Augen von der Wahrheit ihrer Worte zu überzeugen. Ich achtete darauf, meiner neuen Bekannten nicht den Rücken zuzukehren, während ich zur Tür ging, sie einen Spalt öffnete und hinausspähte. Die beiden toten Elfenposten entdeckte ich auf Anhieb. Abgesehen davon waren aber wie aus dem Nichts fünf frische elfische Bogenschützen aufgetaucht, die denn auch umgehend ihre Pfeile anlegten, fraglos in der Absicht, mich in einen Igel zu verwandeln. Mir blieb nur der sofortige Rückzug ins Wageninnere.
„ Da draußen sind noch fünf ! “, schrie ich, während ich fieberhaft überlegte, womit ich die Tür verrammeln konnte.
Und mich fragte, wie ich je wieder aus diesem Wagen herauskommen sollte.
„ Dass diese beiden Herren hier nicht allein gekommen sind, daran habe ich nicht eine Sekunde gezweifelt “, erklärte die Elfin in ruhigem Ton, fast als spräche sie nicht von Mördern, die ihr nach dem Leben trachteten, sondern von Dienern, die ihr das Frühstück zubereiteten. „ Und jetzt geh mir aus dem Weg ! Sag mal, wie heißt du eigentlich wirklich ? “
„ Lebensretter “, knurrte ich, denn auch ihr wollte ich meinen Namen nicht nennen.
In den gelben Augen tanzten ganz kurz spöttische Funken auf.
„ Kein schlechter Name, Mensch, wahrlich nicht. Mich kannst du übrigens Schlange nennen. “
Die Elfen ließen sich durchaus Zeit mit ihrem Besuch. Mich erstaunte das einigermaßen, weshalb ich die Tür nicht aus den Augen ließ und meine Armbrust bereithielt. Schlange beugte sich derweil über die beiden Toten. Dieses Mädchen ähnelte keiner der Elfinnen, die ich bisher gesehen hatte. Das waren große und vollkommene Frauen gewesen, während Schlange schmächtig, geradezu zerbrechlich war. Und wären da nicht diese schlangenhaften Bewegungen gewesen, man hätte sie glatt für einen Jungen halten können.
„ Ich habe gesagt, du sollst zur Seite gehen “, verlangte sie, ohne den Blick von den Toten zu lösen.
Gehorsam presste ich mich gegen die Wand. Mit jeder Sekunde gefiel mir weniger, was hier geschah. In einem Punkt war ich mir inzwischen jedoch völlig sicher : Dass sich diese Tätowierungen bewegten, hatte ich mir nicht bloß eingebildet. Die Schlangen krochen über die Arme der Elfin, wanden sich, fauchten und suhlten sich in den Flammen, spritzten Gift und funkelten mit ihren Augen, die genauso gelb waren wie die des Mädchens. Mir brach am ganzen Körper Schweiß aus. Ich hasse Magie. Und dunkle ganz besonders. Von Schamanismus ganz zu schweigen. Wenn ich gekonnt hätte, dann hätte ich ein Loch in die Wand geschlagen und wäre verschwunden.
Was dann geschah, führte dazu, dass sich mir die Nackenhaare sträubten. Und ich gebe unumwunden zu, dass ich vor Angst beinahe laut aufgeschrien hätte : Aus den Schatten, die von einer Deckenlaterne geworfen wurden, formten sich zwei undurchdringliche dunkle Silhouetten. Waren das Gespenster oder Dämonen ? Beide überragten die Elfin um drei Köpfe und hielten etwas in Händen, das deutliche Ähnlichkeit mit einer Klinge hatte. Bevor ich mich aber noch an den Gott der Diebe wenden konnte, hatten die Burschen bereits die Tür eingerissen – fast als gäbe es sie eigentlich gar nicht – und waren aus dem Wagen gesprungen.
Mein fragender Blick wanderte zu der Elfin zurück. Die blieb völlig gelassen, ja, sie rührte sich nicht einmal – ganz im Unterschied zu den Schlangen auf ihren Armen. Das Einzige, was sie tat, war, zu lauschen, ob von draußen Geräusche hereinkamen. Als ich ihrem Beispiel folgte, hörte ich jedoch rein gar nichts, sosehr ich die Ohren auch spitzte.
„ Gehen wir “, verlangte die Elfin nach ein paar Sekunden.
Mit meinem ungläubigen Blick erntete ich allerdings bloß ein schiefes Grinsen ihrerseits.
„ Beweg deine Füße, Mensch ! “, befahl Schlange, die nicht die geringsten Zweifel daran hatte, dass ich ihr folgen würde.
Am liebsten hätte ich ihr natürlich irgendeine gepfefferte Antwort an den Kopf geworfen, doch gegenüber derart selt­samen Mädchen sollte man wohl besser höflich sein. Das be­­kommt der eigenen Gesundheit besser.
Der Blutgeruch, der in der Luft hing, ließ den Tiger in seinem Käfig kräftig brüllen – und mich fluchen. Die Zahl der Toten war auf sieben gestiegen. Die Burschen waren förmlich zu Kleinholz verwandelt worden. Allem Anschein nach hatten sie nicht einmal mehr begriffen, von wem.
„ Atme diese Luft tief ein, Lebensretter ! Riechst du das auch ? Das ist der Duft der Freiheit “, erklärte die Elfin, offenbar überglücklich.
„ Das ist der Duft von Mist, Schlange. “
Sie lachte übermütig und sah mich respektvoll an. „ Du bist wirklich kein Feigling “, bemerkte sie. „ Ein anderer Mensch wäre längst davongestürmt, ohne sich auch nur noch einmal umzudrehen. “
Ich zuckte lediglich die Achseln.
„ Aber jetzt muss ich los “, teilte sie mir mit. „ Ich weiß nicht, wer du bist und was du hier wolltest, aber deine Hilfe kam gerade recht. Leb wohl und viel Glück noch ! “
„ Nicht ganz so schnell. Wir müssen da noch eine Kleinigkeit erledigen. “
„ Ach ja ? “, fragte sie und zog eine Augenbraue hoch. „ Ich bin dir wirklich unsagbar dankbar, aber trotzdem haben ein Mensch und ich normalerweise keine Kleinigkeiten gemeinsam zu erledigen. “
„ Ein grundlegender Irrtum “, entgegnete ich wütend. „ Man hat mich nämlich gebeten, dich an einen bestimmten Ort zu bringen. “
„ Wer ? “, wollte sie wissen, und ihre bernsteinfarbenen Augen funkelten eisig.
„ Das erfährst du, wenn wir da sind. “
„ Und wenn ich nicht mitkomme ? “
„ In dem Fall müsste ich Gewalt anwenden. “
„ Und du bist dir sicher, dass du da nicht den Kürzeren ziehen würdest ? “, parierte sie und maß mich mit neugierigem Blick. Die Schlange auf ihrem rechten Arm fauchte und ließ die Giftzähne aufblitzen. Daraufhin zog ich es vor, Abstand zu der Dame Elfin zu halten.
„ Ich könnte deinetwegen Unannehmlichkeiten bekommen “, versuchte ich es auf einem anderen Weg.
„ Das täte mir sehr leid, geht mich aber letztlich nichts an. Obwohl … wenn mich schon jemand unbedingt treffen will, dann soll es eben sein. “
„ Und wo ? “, hakte ich sofort nach.
„ Am alten Pferdestall beim Verbotenen Viertel. Morgen. Um Mitternacht. Wenn sie keine Angst haben, versteht sich. Sag ihnen das genau so ! “
„ Wofür hältst du mich eigentlich ? Für deinen Laufburschen ? “, empörte ich mich. Ein ehrlicher Dieb, der für ein Mädchen den Boten spielt – so weit kommt’s noch.
„ Du verlangst eine Bezahlung ? “
„ Schaden würde sie jedenfalls nicht. “
Schon im nächsten Moment war sie unmittelbar vor mir, stellte sich auf die Zehenspitzen, schlang mir die Arme um den Hals und küsste mich auf den Mund. Der Kuss wollte gar nicht mehr enden. Ihre bezaubernden Tätowierungen zischelten glückselig. Irgendwann gab sie mich aber doch wieder frei.
„ Das ist der Vorschuss “, erklärte sie grinsend. „ Bis dann ! “
Bevor ich die Gabe der Rede zurückgewonnen hatte, war die Elfin bereits wie vom Erdboden verschluckt.

Alexey Pehov

Über Alexey Pehov

Biografie

Alexey Pehov, geboren 1978 in Moskau, studierte Medizin. Seine wahre Leidenschaft gilt jedoch dem Schreiben von Fantasy- und Science-Fiction-Romanen. Er ist neben Sergej Lukianenko der erfolgreichste phantastische Schriftsteller Russlands. „Die Chroniken von Siala“ wurden zu millionenfach...

Pressestimmen
Nautilus

„Das Buch ist eine unverzichtbare Ergänzung für Sammler und Fans des Autors. Neulinge finden hier gleichzeitig einen wundervollen Einstieg in die Welten von Alexey Pehov“

Multimania

„Mit ›Schattendieb‹ beweist der gebürtige Moskauer nun auch sein schriftstellerisches Talent im bescheideneren Umfang der Erzählung.“

phantastik-news

„...unterhaltsame, ein wenig nachdenkliche aber in jedem Fall spannende Geschichten, die in bekannte aber auch neue Welten entführen und als Lesestoff zwischendruch bestens geeignet sind.“

Kommentare zum Buch
Ein altbekannter und völlig neuer Pehov!
Sophie Palme am 24.06.2015

Alexey Pehov, der seit 2012 auch im deutschen Raum mit seinen fulminanten Fantasyreihen bekannt wurde, kann sich nicht ganz unbegründet in die Riege der großen Autoren neben Lukianenko, Sapkowski oder Glukhovsky einreihen. Mit „Schattendieb“ ist ein Erzählband erschienen, der es angestammten Fans seiner drei Welten, sowie auch völlig neuen Lesern ermöglicht, einen unglaublich facettenreichen Pehov kennen- und schätzen zu lernen. 2012 war „Wind“ mein erster Roman dieses Autors, der mich von der ersten bis zur letzten Seite fesseln konnte. Den Meuchelmörder Ness und seine Frau Lahen habe ich voller Spannung durch Hara begleitet. Erst 2015 entdeckte ich dann die Schatten-Trilogie – für mich mit Abstand die beste Reihe von Pehov - eine Reihe um den menschlichen Dieb Garrett, der sich mit viel Witz, Humor und Klugheit auf eine weite Reise begibt. Danach folgte noch „Dämonenjäger“, das vom fliegenden Elfen Lass erzählt, der ein völlig neues Leben als Flieger eines dämonenbetriebenen Aeroplans beginnt und dabei ungewöhnliche Freundschaften (u. a. mit einer Orkfamilie) schließt. Was an diesem russischen Autor besonders ist, ist vor allem sein erzählerisches, humorvolles Können. Hier erwartet einen nicht das typisch Fantasy-Komische eines Terry Pratchett, sondern viel Ironie und Sarkasmus, mit dem sich die starken und selbstbewussten Charaktere wappnen. In dem neuen Erzählband sind ingesamt acht 30-100-seitige Kurzgeschichten versammelt, vier davon spielen in den bereits bekannten Welten von Pehov, Fans der Reihen kommen also sehr auf ihre Kosten. Die besonders Stärke, wie ich finde, zieht dieser Band allerdings aus seinen vier völlig eigenständigen Erzählungen, die mir einen Pehov präsentiert haben, der todernst sein kann und der seine Charaktere über moralische Fragen reflektieren lässt. Es werden Thematiken wie verlorene Geisterseelen, der Kampf gegen übermächtige Dämonen und auch die Hexenverbrennung thematisiert, über die der Autor pointiert und mit mehr Ernsthaftigkeit zu schreiben vermag. Pehovs Stärke liegt eindeutig in der Beschreibung seiner Figuren, die er vor allem durch Kleidung, Sprache und vereinzelt sogar ihren Glauben auszeichnet. Feine Dialoge, eine spannende Atmosphäre und der Kontakt verschiedener Völker (Orks, Elfen, Menschen, etc.) sind Pehov oftmals wichtiger als das große Kriegsgeschehen. Alle seine Bücher sind mit Glossaren versehen, die einem helfen in den verschiedenen High-Fantasy-Welten einen Weg zu fremden Begrifflichkeiten zu finden. Der einzige Kritikpunkt ist, dass Pehov leider Frauenfiguren sehr marginalisiert. Die wenigen Frauen, die auftauchen sind zwar häufiger herausragende Kriegerinnen oder Zauberinnen, allerdings wünschte ich sie mir manchmal als Äquivalent zum männlichen Protagonisten. Nichtsdestotrotz hat sich Alexey Pehov zu einem meiner absoluten Lieblingsfantasyautoren entwickelt, weshalb ich seinen Werdegang sicher noch ein paar Jahre mitverfolgen werde. 

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