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MacBest (Terry Pratchetts Scheibenwelt)MacBest (Terry Pratchetts Scheibenwelt)

MacBest (Terry Pratchetts Scheibenwelt)

Terry Pratchett
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Ein Roman von der bizarren Scheibenwelt

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MacBest (Terry Pratchetts Scheibenwelt) — Inhalt

Nachdem er den König erdolcht hat, besteigt der finstere Herzog Felmet gemeinsam mit seiner unausstehlichen Gattin den Thron. Der wahre Thronerbe, ein zweijähriger Junge, wurde indes von fahrenden Schauspielern adoptiert. Nur ein unschlagbares Team kann jetzt noch helfen: der Geist des Königs, Gevatter Tod und Oma Wetterwachs mit ihren hexenden Freundinnen. Gemeinsam ersinnen sie einen unglaublichen Plan, der selbst Shakespeares Macbeth das Fürchten und Lachen zugleich lehren würde …

€ 14,00 [D], € 14,40 [A]
Erschienen am 11.05.2015
Übersetzt von: Andreas Brandhorst
352 Seiten, Broschur
EAN 978-3-492-28066-2
Download Cover
€ 9,99 [D], € 9,99 [A]
Erschienen am 08.06.2015
Übersetzt von: Andreas Brandhorst
352 Seiten, WMePub
EAN 978-3-492-97226-0
Download Cover

Leseprobe zu „MacBest (Terry Pratchetts Scheibenwelt)“

Wind heulte. Blitze stachen ziellos herab, wie ein ungeschickter Mörder. Donner rollte über das dunkle, regengepeitschte Land.
Die Nacht war so dunkel wie das Innere einer Katze. Man konnte sie für eine jener Nächte halten, die Götter nutzen, um Menschen wie Figuren auf dem Schachbrett des Schicksals zu bewegen. Mitten im elementaren Stürmen, neben tropfnassen Stechginsterbüschen, glühte Feuerschein wie Tollheit im Auge eines Wiesels. Das flackernde Licht fiel auf drei Gestalten. Es blubberte im nahen Kessel, und eine unheimliche Stimme kreischte : » [...]

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Wind heulte. Blitze stachen ziellos herab, wie ein ungeschickter Mörder. Donner rollte über das dunkle, regengepeitschte Land.
Die Nacht war so dunkel wie das Innere einer Katze. Man konnte sie für eine jener Nächte halten, die Götter nutzen, um Menschen wie Figuren auf dem Schachbrett des Schicksals zu bewegen. Mitten im elementaren Stürmen, neben tropfnassen Stechginsterbüschen, glühte Feuerschein wie Tollheit im Auge eines Wiesels. Das flackernde Licht fiel auf drei Gestalten. Es blubberte im nahen Kessel, und eine unheimliche Stimme kreischte : „ Wann soll’n wir drei uns wiedersehen ? “
Eine kurze Pause folgte.
Schließlich erwiderte eine andere und weitaus normaler klingende Stimme : „ Tja, ich hätte nächsten Dienstag Zeit.  “

Die Sternenschildkröte Groß-A’Tuin schwimmt durchs unergründlich tiefe Meer des Alls, und auf ihrem Rücken stehen vier riesige Elefanten, deren Schultern die Scheibenwelt tragen. Eine kleine Sonne und ein winziger Mond umkreisen sie in einer komplizierten Umlaufbahn, um verschiedene Jahreszeiten zu schaffen – nirgends sonst im Multiversum mag es notwendig werden, dass ein Elefant das Bein hebt, um die Sonne vorbeiziehen zu lassen.
Der Grund dafür bleibt vielleicht immer ein Rätsel. Vielleicht hatte der Schöpfer des Universums die Nase voll von langweiligen Achsenneigungen, Albedos und Rotationsgeschwindigkeiten ; möglicherweise beschloss er, sich ein wenig Spaß zu gönnen.
Wer vermutet, dass die Götter einer solchen Welt wahrscheinlich nicht Schach spielen, hat zweifellos recht. Es gibt überhaupt keine Götter, die an Schachpartien Gefallen finden. Dazu fehlt ihnen einfach die Fantasie. Götter bevorzugen einfache, gemeine Spiele, deren Regeln zum Beispiel Du sollst keine Transzendenz erreichen und Fall sofort der Vergessenheit anheim lauten. Wenn man Religion verstehen will, sollte man daran denken, dass es in der göttlichen Vorstellung vom Vergnügen in erster Linie um Schlangen und Leitern mit eingefetteten Sprossen geht.
Magie hält die Scheibenwelt zusammen – ein Zauber, der durch ihre Drehung entsteht, wie Seide, gesponnen aus den tiefen Schichten der Existenz, um die Wunden der Realität zu nähen.
Ein großer Teil davon erreicht die Spitzhornberge, die sich von den frosterstarrten kalten Ländern der Mitte durch einen langen Archipel bis zum warmen Ozean erstrecken, der endlos über den Rand fließt.
Pure Magie knistert unsichtbar von Gipfel zu Gipfel und entlädt sich im Gebirge. Die meisten Hexen und Zauberer stammen aus den Spitzhornbergen. Dort bewegen sich die Blätter der Bäume selbst dann, wenn kein Wind weht. Dort machen Felsen abends Spaziergänge.
Manchmal scheint sogar das Land lebendig zu sein …

Gelegentlich auch der Himmel.
Der Sturm gab sich wirklich Mühe. Dies war seine große Chance. Er hatte einige Jahre damit verbracht, die Provinzen zu durchstreifen, hier und dort nützliche Arbeit in Form von Böen zu leisten, Beziehungen zu knüpfen, ahnungslose Schafhirten zu überraschen und kleine Eichen zu entwurzeln. Jetzt bekam er durch einen Wetterwechsel die Möglichkeit, sich richtig ins Zeug zu legen. Er strengte sich deshalb so sehr an, weil er hoffte, von einem wichtigen Klima entdeckt zu werden.
Es war ein guter Sturm. Er zeichnete sich durch eine gehörige Portion Talent und recht beeindruckende Leidenschaft aus. Die Kritiker gelangten zu folgendem Schluss : Wenn er lernte, Blitz und Donner zu kontrollieren, so stand diesem Sturm eine steile Karriere bevor.
Die Wälder applaudierten mit lautem Rauschen, wogenden Dunstschwaden und umherfliegenden Blättern. Es ist bereits darauf hingewiesen worden, dass die Götter in solchen Nächten nicht über Schachbrettern brüten, sondern sich mit anderen Spielen die Zeit vertreiben. Auch dabei geht es um das Schicksal der Sterblichen und die Throne von Königen. Man sollte nicht vergessen, dass sie vom Anfang bis zum Ende mogeln …
Eine Kutsche rollte über den Weg, der durch den Wald führte. Immer wieder neigte sie sich mit einem Ruck von einer Seite zur anderen, als die Räder an Baumwurzeln stießen. Der Kutscher holte mit der Peitsche aus, und ihr verzweifelt klingendes Knallen bildete einen guten Kontrapunkt zum Grollen des Gewitters.
Weiter hinten, der Abstand war nicht besonders groß und verringerte sich, folgten drei in Kapuzenmäntel gehüllte Reiter.
In solchen Nächten finden böse Taten statt. Und natürlich auch gute. Aber die bösen überwiegen.
In solchen Nächten gehen Hexen auf Reisen.
Natürlich reisen sie nicht ins Ausland. Das Essen bereitet ­ihnen Magenbeschwerden ; das Wetter ist unzuverlässig, und die Schamanen schnappen sich alle Liegestühle. Nein, sie bleiben im ihnen vertrauten Wald. Faserige Wolken umschmiegten einen vollen Mond, und die Luft flüsterte und enthielt deutliche Anzeichen von Magie.
Auf der Lichtung sprachen die Hexen solche Worte :
„ Am Dienstag muss ich babysitten “, sagte die eine.
Sie trug keinen Hut, aber ihr weißes, lockiges Haar war so dicht, dass es einem Helm gleichkam. „ Für unseren Jason, der wieder Vater geworden ist. Ich hätte Freitag Zeit. Beeil dich mit dem Tee, Liebe ! Ich verdurste schier. “
Die jüngste Hexe seufzte, schöpfte kochendes Wasser aus dem Kessel und goss es in die Teekanne.
Die dritte Hexe klopfte ihr gutmütig auf die Hand.
„ Der Ton war schon recht gut “, meinte sie. » Nur das ­Kreischen könnte noch etwas besser sein. Stimmt’s, Nanny Ogg ? «
„ Richtiges Kreischen kann nie schaden “, erwiderte Nanny Ogg schnell. „ Und beim Schielen hat dir Gütchen Wemper, mögesieinfriedenruhen, sicher sehr geholfen. “
„ Du hast gut geschielt “, fügte Oma Wetterwachs hinzu. Die jüngste Hexe, sie hieß Magrat Knoblauch, entspannte sich erleichtert. Sie begegnete Oma Wetterwachs mit großem Respekt. Überall in den Spitzhornbergen wusste man, dass Frau beziehungsweise Fräulein Wetterwachs nur selten jemanden lobte. Wenn sie das Schielen für gut hielt, so hatte Magrat wahrscheinlich in die eigenen Nasenlöcher gestarrt.
Im Gegensatz zu Zauberern, die auf eine komplizierte Hierarchie Wert legen, können sich Hexen kaum mit einer strukturierten Organisation der beruflichen Laufbahn anfreunden.Jede einzelne Hexe entscheidet, welches Mädchen sie als Nachfolgerin wählt. Hexen sind von Natur aus nicht besonders gesellig, soweit es die Kolleginnen betrifft, und sie haben keine Anführerin.
Unter den Anführerinnen, die es bei Hexen gar nicht gab, genoss Oma Wetterwachs die höchste Hochachtung.
Magrats Hände zitterten ein wenig, als sie den Tee vorbereitete. Sie war natürlich zufrieden, aber gleichzeitig empfand sie es als nervenaufreibend, das Arbeitsleben als Dorfhexe zwischen Oma Wetterwachs auf der einen und Nanny Ogg auf der anderen Seite des Waldes zu beginnen. Die Idee, einen Hexenzirkel zu schaffen, stammte von ihr. Es überraschte sie, dass Oma und Nanny einverstanden waren – zumindest erhoben sie keine Einwände.
Sie erinnerte sich an das Gespräch …
„ Ein Zirkel ? “, fragte Nanny Ogg. „ Was hat denn Geometrie damit zu tun ? “
„ Sie meint einen Hexenzirkel, Gytha “, erklärte Oma Wetterwachs. „ Du weißt schon, wie in der guten alten Zeit. Eine Versammlung. “
„ Die Knie hoch ? “, fragte Nanny Ogg hoffnungsvoll.
„ Kein Tanz “, warnte Oma. „ Ich bin gegen das Tanzen. Und ich halte auch nichts davon, zu singen, sich übermäßig aufzuregen und mit Salben und so weiter herumzualbern. “
„ Die frische Luft tut dir bestimmt gut “, verkündete Nanny fröhlich.
Magrat versuchte, sich ihre Enttäuschung in Hinsicht auf das Tanzen nicht anmerken zu lassen. Glücklicherweise hatte sie darauf verzichtet, einige andere Ideen in Worte zu kleiden. Sie griff nun in die mitgebrachte Tüte – dies war ihr erster Sabbat, und sie wollte ihn voll auskosten.
„ Möchte jemand Teekuchen ? “, fragte sie.
Oma Wetterwachs betrachtete ihn eine Zeit lang, bevor sie hineinbiss. Magrat hatte ihn mit einer Kruste gebacken, die kleine Fledermäuse nachbildete, und deren Augen bestanden aus Rosinen.
Die Kutsche erreichte den Waldrand. Sie rumpelte über einen Stein hinweg, raste einige Sekunden lang auf zwei Rädern weiter und richtete sich dann wieder auf, ungeachtet aller Gesetze des Gleichgewichts. Doch die Steigung vor ihr sorgte dafür, dass sie langsamer wurde.
Der Kutscher – er stand nun aufrecht wie ein Wagenlenker – strich sich das Haar aus den Augen und spähte durch die Düsternis. Niemand lebte hier oben im Schoß der Spitzhornberge, aber trotzdem sah er Licht. Bei allen Barmherzigen – dort vorn schimmerte Licht !
Hinter ihm bohrte sich ein Pfeil ins Kutschendach.

Unterdessen stellte sich König Verence, Monarch von Lancre, einer verblüffenden Erkenntnis.
Wie die meisten Menschen – damit sind insbesondere Leute unter sechzig gemeint – hatte er nie sehr gründlich darüber nachgedacht, was geschehen würde, wenn man starb. Wie die meisten Menschen seit dem Anbeginn der Zeit ging er rein instinktiv von der Annahme aus, dass irgendwie alles in Ordnung käme.
Und wie die meisten Menschen seit dem Anbeginn der Zeit war er nun tot.
Genauer gesagt : Er lag am unteren Ende der Treppe in Schloss Lancre, und ein Dolch steckte in seinem Rücken. König Verence richtete sich auf, und dabei erwartete ihn eine weitere Überraschung. Jemand, den er für sich selbst hielt, stand auf, aber etwas, das seinem Körper ähnelte, blieb liegen.
Es war ein recht guter Körper, fand er, als er ihn jetzt zum ersten Mal von außen sah. Er hatte immer an ihm gehangen, doch das schien jetzt nicht mehr der Fall zu sein, wie er sich eingestehen musste.
Es handelte sich um einen großen, muskulösen Leib. Verence hatte sich gut um ihn gekümmert, ihm einen Schnurrbart und lange Locken erlaubt, ihm gesunde Bewegung im Freien verschafft, den Magen mit rotem Fleisch gefüllt. Aber jetzt, als ein Körper nützlich gewesen wäre, ließ er ihn im Stich. Beziehungsweise raus.
Kurz darauf merkte Verence, dass eine dürre, hochgewachsene Gestalt neben ihm stand. Der größte Teil von ihr verbarg sich unter einem schwarzen Kapuzenmantel, aber darunter ragte ein knöcherner Arm hervor, dessen Hand eine große Sense hielt.
Wenn man tot ist, wird man sich sofort über die Bedeutung gewisser Dinge klar.
HALLO.
Verence richtete sich zu seiner vollen Größe auf, oder was normalerweise seine volle Größe gewesen wäre. Doch der Teil seiner Existenz, für den das Wort › Größe ‹ einen Sinn hatte, lag steif auf dem Boden und sah einer Zukunft entgegen, die den Ausdruck › Tiefe  ‹ angebracht erscheinen ließ.
„ Ich bin ein König, wohlgemerkt “, sagte er.
DU WARST EIN KÖNIG, EUER MAJESTÄT.
„ Was ? “, fragte Verence scharf.
WARST. MAN NENNT SO ETWAS VERGANGENHEITSFORM. DU WIRST DICH BALD DARAN GEWÖHNEN.
Die hochgewachsene Gestalt trommelte mit knochigen Fingern auf den Griff der Sense. Sie schien über etwas verärgert zu sein.
Mir ergeht es ähnlich, dachte Verence. Aber die verschiedenen deutlichen Hinweise der speziellen Umstände arbeiteten sich allmählich durch die naiv-tapfere Dummheit, die fast den ­gesamten Charakter bestimmte. Ganz gleich, in welchem ­Königreich er sich befand, so dämmerte ihm langsam, er war gewiss nicht sein König.
„ Bist du der Tod, Bursche ? “, fragte er.
ICH HABE VIELE NAMEN.
„ Und welchen benutzt du derzeit ? “ Diesmal erklang etwas mehr Respekt in Verences Stimme. Leute wanderten umher ; sie wanderten durch den König und seinen Begleiter, wie Geister.
„ Oh, es war also Felmet “, murmelte Verence und beob­achtete den Mann, der mit einem heimtückischen Lächeln am oberen Ende der Treppe lauerte. „ Mein Vater riet mir immer, vor ihm auf der Hut zu sein. Warum bin ich nicht zornig ? “
ES LIEGT AN DEN DRÜSEN, entgegnete Tod. AM ADRENALIN UND SO WEITER. DU HAST JETZT KEINE GEFÜHLE MEHR, NUR NOCH GEDANKEN.
Die hochgewachsene Gestalt rang sich zu einer Entscheidung durch.
DIES IST HÖCHST UNGEWÖHNLICH, fügte Tod wie im Selbstgespräch hinzu. ABER WER BIN ICH SCHON, UM DA­GEGEN ZU PROTESTIEREN ?
„ Ja, wer ? “
WAS ?
„ Ich sagte : Ja, wer ? “
SEI STILL.
Tod neigte den Kopf zur Seite und erweckte den Eindruck, einer inneren Stimme zu lauschen. Als die Kapuze nach hinten rutschte, sah Verence, dass Tod tatsächlich ganz und gar wie ein Skelett aussah. Mit einer Ausnahme : Die Augenhöhlen glühten himmelblau. Doch der König empfand keine Furcht. Einerseits war es schwer, erschrocken zu sein, wenn die dazu notwendigen Dinge einige Meter entfernt gerannen ; andererseits hatte er sich zeit seines Lebens nie vor etwas gefürchtet, und er wollte auch jetzt nicht damit beginnen. Der Grund ­dafür ? Es mangelte ihm an Fantasie, und außerdem gehörte er zu den wenigen Menschen, die völlig im Hier und Heute ­leben.
Bei den meisten Leuten ist das nicht der Fall. Sie führen ihr Leben als eine Art temporaler Fleck im Aufenthaltsbereich des Körpers : Sie erwarten die Zukunft oder klammern sich an der Vergangenheit fest. Für gewöhnlich denken sie so konzentriert daran, was als Nächstes geschehen wird, dass sie es erst merken, wenn sie darauf zurückblicken. Viele Menschen sind so. Sie lernen die Furcht, weil sie tief in ihrem Innern, auf ­einer unterbewussten Ebene, genau wissen, was geschehen wird – es geschieht bereits.
Aber Verence hatte immer nur in der Gegenwart gelebt. ­Zumindest bis jetzt.
Tod seufzte.
ICH NEHME AN, NIEMAND HAT DIR ETWAS GESAGT, ODER ?, fragte er vorsichtig.
„ Wie bitte ? “
KEINE VORAHNUNGEN ? VIELLEICHT SELTSAME TRÄUME ? IRGENDWELCHE VERRÜCKTEN WAHRSAGER, DIE DIR IN DEN STRASSEN ETWAS ZUGERUFEN HABEN ?
„ Sollten sie mich etwa darauf hinweisen, dass ich bald sterbe ? “
NEIN, WAHRSCHEINLICH NICHT, erwiderte Tod. DAS WÄRE ZU VIEL ERHOFFT. SIE ÜBERLASSEN ES IMMER MIR.
„ Wer ? “, fragte Verence verwirrt.
DAS SCHICKSAL, DIE VORSEHUNG UND ALLE ANDEREN. Tod legte dem König die Hand auf die Schulter. WIE DEM AUCH SEI : ICH FÜRCHTE, DU MUSST EIN GEIST WERDEN.
„ Oh. “ Verence blickte an seinem … Körper hinab, der recht fest wirkte, bis jemand hindurchmarschierte.
REG DICH NICHT AUF DESHALB.
Verence sah, wie man seine steife Leiche ehrerbietig aus dem Saal trug.
„ Ich werd’s versuchen “, sagte er.
DAS IST ANERKENNENSWERT.
„ Ich bezweifle, ob ich der Sache mit den weißen Laken und Ketten gewachsen bin “, fuhr der König fort. „ Verlangt man von mir, dass ich dauernd stöhne und schreie ? “
Tod zuckte mit den Schultern. MÖCHTEST DU ?, fragte er.
„ Nein. “
DANN WÜRDE ICH MIR DARÜBER KEINE GEDANKEN MACHEN. Tod holte eine Sanduhr unter dem schwarzen Umhang hervor und betrachtete sie aufmerksam.
JETZT MUSS ICH MICH SPUTEN, sagte er, drehte sich abrupt um, hob die Sense und verließ den Saal, indem er durch die Wand ging.
„ He, warte ! “ Verence lief ihm nach.
Tod blickte nicht zurück. Der König folgte ihm durch die Mauer und spürte dabei keinen Widerstand – er schien durch Nebel zu schreiten.
„ Ist das alles ? “, entfuhr es ihm. „ Ich meine, wie lange muss ich ein Geist sein ? Warum soll ich ein Geist sein ? Du kannst mich doch nicht einfach so zurücklassen. “ Verence verharrte und hob einen gebieterischen, halb durchsichtigen Zeigefinger. „ Bleib stehen ! Ich befehle es dir ! “
Tod schüttelte kummervoll den Kopf und trat durch die nächste Wand. Der verstorbene König eilte ihm so würdevoll wie möglich nach und erreichte die große schwarze Gestalt, als sie den Sattelgurt eines weißen Rosses festzurrte. Das Pferd stand auf dem Wehrgang des Schlosses und trug einen Futtersack.
„ Du kannst mich nicht einfach so zurücklassen ! “, wiederholte er, obwohl es ihm an Überzeugung mangelte.
Tod wandte sich ihm zu.
DOCH, ICH KANN, antwortete er. DU BIST UNTOT, WEISST DU. GEISTER BEFINDEN SICH IN DER WELT ZWISCHEN LEBEN UND TOD. DAFÜR BIN ICH NICHT ZUSTÄNDIG. Er klopfte Verence auf die Schulter. SEI UNBESORGT. ES DAUERT KEINE EWIGKEIT.
„ Gut. “
ES KÖNNTE DIR ALLERDINGS WIE EINE EWIGKEIT ERSCHEINEN.
„ Wie lange wird mein, äh, Leben als Geist dauern ? “
BIS DU DEIN SCHICKSAL ERFÜLLT HAST, NEHME ICH AN.
„ Und woher soll ich wissen, worin mein Schicksal besteht ? “, fragte der König mit wachsender Verzweiflung.
KEINE AHNUNG, TUT MIR LEID.
„ Wie kann ich es herausfinden ? “
SOLCHE DINGE OFFENBAREN SICH IRGENDWIE, HABE ICH GEHÖRT, sagte Tod und schwang sich in den Sattel.
„ Und bis dahin muss ich hier spuken. “ Der König sah sich auf dem Wehrgang um. „ Vermutlich ganz allein. Kann mich jemand sehen ? “
OH, DIE ÜBERSINNLICH BEGABTEN. NAHE VERWANDTE. UND NATÜRLICH KATZEN.
„ Ich hasse Katzen. “
Tods Gesichtsausdruck verhärtete sich etwas – wenn das möglich war. Für einen Moment zeigte sich im blauen Leuchten der leeren Augenhöhlen ein rötliches Strahlen.
ICH VERSTEHE. Der Ton wies darauf hin, dass Tod sogar Katzenhasser tolerierte. SICHER GEFALLEN DIR GROSSE HUNDE.
„ Ja, das stimmt. “ Verence starrte missmutig ins Morgengrauen. Seine Hunde würde er wirklich vermissen. Und es sah nach einem guten Jagdtag aus.
Er fragte sich, ob Geister auf die Jagd gingen. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht, dachte er. Ähnliches galt für Essen und Trinken, und das fand Verence noch deprimierender. Er mochte große, laute Bankette und hatte so manches gutes Bier geschlabbert. Auch einige schlechte, wenn er darüber nachdachte. Meistens war er erst am nächsten Morgen imstande gewesen, den Unterschied festzustellen.
Niedergeschlagen trat er nach einem Stein und beobachtete trübsinnig, wie der Fuß hindurchstrich. Keine Jagd mehr, weder mit Hunden noch mit Falken, keine Feste, keine Zechereien … Verence begriff langsam, dass die Freuden des Fleisches ohne das Fleisch kaum der Rede wert waren. Die Tat­sache, dass er nicht mehr lebte, munterte ihn keineswegs auf.
EINIGE LEUTE MÖGEN ES, GEISTER ZU SEIN, sagte Tod.
„ Hmm ? “, erwiderte der König schwermütig.
EIGENTLICH IST ES GAR NICHT SO SCHLIMM. UNTOTE KÖNNEN BEOBACHTEN, WIE ES IHREN NACHKOMMEN ERGEHT. BITTE ? STIMMT WAS NICHT ?
Aber Verence war bereits in einer Wand verschwunden.
OH, LASS DICH DURCH MICH NICHT STÖREN, brummte Tod gereizt. Er sah sich mit einem Blick um, der Raum, Zeit und die Seelen der Menschen durchdrang, und er sah : einen Erdrutsch im fernen Klatsch, einen Orkan in Wiewunderland, eine Seuche in Hergen.
VIEL ARBEIT, murmelte er und lenkte sein Pferd gen Himmel.
Verence stürmte durch die Mauern des Schlosses. Seine Füße berührten kaum den Boden – tatsächlich wiesen die Steinplatten an manchen Stellen solche Mulden auf, dass er dort gar keine Gelegenheit bekam, den Boden zu berühren.
Als König hatte er sich daran gewöhnt, die Diener so zu behandeln, als existierten sie überhaupt nicht, und es war fast das Gleiche, durch sie zu laufen. Der einzige Unterschied bestand darin, dass sie nicht zur Seite wichen.
Verence erreichte das Kinderzimmer, sah die aufgebrochene Tür, die herumliegenden Laken …
Hufschläge. Er eilte zum Fenster, starrte nach draußen und beobachtete, wie seine Pferde, an die Deichsel der Kutsche gespannt, durchs Tor galoppierten. Einige Sekunden später folgten drei Reiter. Eine Zeit lang pochten die Hufe auf dem Kopfsteinpflaster, bevor Stille zurückkehrte.
Der König schlug auf die Fensterbank, und seine Faust drang einige Zentimeter tief darin ein.
Dann glitt er nach draußen und lehnte es ab, die Höhe zur Kenntnis zu nehmen. Mit einer Mischung aus Fliegen und Rennen überquerte er den Hof und näherte sich den Ställen.
Dort brauchte er etwa zwanzig Sekunden, um folgende Erfahrung zu machen : Zu den vielen Dingen, die einem Geist verwehrt blieben, gehörte auch das Reiten. Es gelang ihm, in den Sattel zu springen – das heißt, er schwebte direkt darüber –, aber als das Pferd davonstob, hockte Verence auf gut ­anderthalb Metern leerer Luft.
Er versuchte zu laufen und kam bis zum Tor, bevor die Luft so dick wurde, dass sie die Konsistenz von Teer gewann.
„ Das geht nicht “, ertönte eine alte, traurige Stimme hinter ihm. „ Du bist an den Ort gebunden, wo man dich getötet hat. So ist das eben mit dem Spuken. Glaub mir, ich weiß darüber Bescheid. “

Terry Pratchett

Über Terry Pratchett

Biografie

Terry Pratchett, geboren 1948 in Beaconsfield, England, erfand in den Achtzigerjahren eine ungemein flache Welt, die auf dem Rücken von vier Elefanten und einer Riesenschildkröte ruht, und hatte damit einen schier unglaublichen Erfolg: Ein Prozent aller in Großbritannien verkauften Bücher sind...

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