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John Lennon

Lesley-Ann Jones
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Genie und Rebell

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John Lennon — Inhalt

Nachdem seine Mutter ihm zuvor ein paar Akkorde auf dem Banjo beigebracht hatte, gründete John Lennon zusammen mit ein paar Kumpels aus der Schule 1956 die Band „The Quarrymen“. Wenige Jahre später benannten sie sich um in „The Silver Beatles“ – der Rest ist Musikgeschichte. Die Beatles wurden zur erfolgreichsten Band aller Zeiten und John Lennon zur Legende. Er schuf mit „Help!“ oder „Imagine“ Songs, die jedes Kind kennt, und war das Gesicht der Friedensbewegung. Die renommierte Rockjournalistin Lesley-Ann Jones beleuchtet Lennons Weg vom britischen Vorort in den internationalen Rockolymp ganz neu und legt dabei einen besonderen Fokus auf die Frauen, die ihn umgaben und prägten. Sie sprach mit zahlreichen Freunden und Weggefährten und liefert so eine faszinierende Charakterstudie und ganz neue Perspektiven auf Lennons Leben, Lieben und Sterben.
Für alle, die wissen wollen, wer John Lennon wirklich war.

€ 14,00 [D], € 14,40 [A]
Erschienen am 24.02.2022
Übersetzt von: Conny Lösch
496 Seiten, Broschur
EAN 978-3-492-31840-2
Download Cover
€ 13,99 [D], € 13,99 [A]
Erschienen am 05.10.2020
Übersetzt von: Conny Lösch
496 Seiten, WMePub
EAN 978-3-492-99738-6
Download Cover

Leseprobe zu „John Lennon“

Echo

Die Rhythmen von Geist und Gedächtnis ähneln Gezeiten. Ständig verändern sie ihre Gestalt. Selbst wer dabei war, John Lennon persönlich kannte und erlebt hat, vergisst manches. Einige erfinden die Geschichte neu, wollen Lücken füllen, und es sei ihnen vergeben. Vierzig Jahre sind ein Leben. Jedenfalls waren sie das für John. Dennoch scheint er kaum in die Ferne gerückt. 2020 ist ein Jahr voller Marksteine – zum vierzigsten Mal jährt sich seine Ermordung, zum fünfzigsten Mal das offizielle Datum der Auflösung der Beatles , zum sechzigsten Mal die [...]

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Echo

Die Rhythmen von Geist und Gedächtnis ähneln Gezeiten. Ständig verändern sie ihre Gestalt. Selbst wer dabei war, John Lennon persönlich kannte und erlebt hat, vergisst manches. Einige erfinden die Geschichte neu, wollen Lücken füllen, und es sei ihnen vergeben. Vierzig Jahre sind ein Leben. Jedenfalls waren sie das für John. Dennoch scheint er kaum in die Ferne gerückt. 2020 ist ein Jahr voller Marksteine – zum vierzigsten Mal jährt sich seine Ermordung, zum fünfzigsten Mal das offizielle Datum der Auflösung der Beatles , zum sechzigsten Mal die Ankunft der Band in Hamburg und zum achtzigsten Mal seine Geburt in Liverpool – und so scheint es an der Zeit zu sein, noch einmal alles zu überdenken und dem Menschen nachzuspüren. Wer unter fünfzig ist, war noch nicht auf der Welt, als die Beatles sich trennten. Wer jünger ist als vierzig, war noch nicht geboren, als John starb. Unvorstellbar? Kommt es einem nicht so vor, als wäre er immer noch da? Mir jedenfalls.
Es gibt ebenso viele Versionen seiner Geschichte wie Stimmen, die sie erzählen. Wo Wahrheit zur Ansichtssache wird, können Fakten und Zahlen unbequem sein. Werden Erinnerungen durch Mutmaßung und Theorien verzerrt, können sie Verwirrung stiften. Wo solchen Vermutungen Irrtümer entwachsen, fällt rationales Denken der Spekulation zum Opfer. All dies verstellt den Blick. John selbst hat es mit einer Textzeile in „Beautiful Boy (Darling Boy)“ auf Double Fantasy, seinem letzten, zu Lebzeiten veröffentlichten Album, auf den Punkt gebracht: „Life is what happens to you while you’re busy making other plans.“
John hat vieles gesagt in seinem vollgepackten halben Leben. Immer wieder hat er sich auf eigene Texte und Aussagen bezogen, die eigene Geschichte, seine Ansichten und Denkweisen neu dargestellt. Die Chronistin wird mit ebenso großer Gewissheit widerlegt wie all die widersprüchlichen Berichte und unterschiedlichen Erinnerungen jener, die ihm nahestanden oder seinen Weg kreuzten. Andere vor Rätsel zu stellen ist typisch John. Verwirrt? But I’m not the only one.

Wir wissen, wie es ausging. Es geschah am Montag, dem 8. Dezember 1980 in New York. Die Nacht war stürmisch und für die Jahreszeit ungewöhnlich mild. John und Yoko ließen sich nach einer abendlichen Session im Record-Plant-Aufnahmestudio in einer Limousine nach Hause fahren und erreichten das Dakota Building um circa 22:50 Uhr Eastern Standard Time. Ein gerade erst angereister gebürtiger Texaner stellte sich ihnen bewaffnet mit einer Charter-Arms-Pistole Kaliber .38 und einer Ausgabe von J. D. Salingers Der Fänger im Roggen entgegen. Der fünfundzwanzigjährige Mark Chapman hatte auf sie gewartet und feuerte nun seelenruhig fünf Mal auf John. Vier Schüsse trafen. Polizisten brachten den Verletzten ins Roosevelt Hospital an der 59th Street, Ecke Central Park, wo Dr. David Halleran, ein damals neunundzwanzigjähriger Allgemeinchirurg im dritten Berufsjahr, eine Herzmassage vornahm und still um ein Wunder betete.
Doktor wer? War den Berichten nicht zu entnehmen, Stephan Lynn und Richard Marks hätten versucht, Johns Leben durch eine Operation zu retten? Dr. Lynn gab zahlreiche Interviews, schmückte seine Erinnerungen immer weiter aus und behauptete außerdem, Yoko habe sich zu Boden geworfen und wie von Sinnen den Kopf aufgeschlagen. Nachdem er sich jahrelang die Schilderungen anderer Ärzte angehört hatte, meldete sich David Halleran 2015 endlich „um der historischen Genauigkeit willen“ zu Wort. In einem Interview für „Media Spotlight Investigation“ auf Fox TV gab er an, weder Lynn noch Marks hätten je Hand an John gelegt. Seine Aussage wurde von Dea Sato und Barbara Kammerer bestätigt, zwei Krankenschwestern, die in jener tragischen Nacht gemeinsam mit ihm in Raum 115 im Einsatz waren. Auch Yoko meldete sich zu Wort, stritt hysterisches Kopfschlagen ab und beharrte, sie sei wegen des gemeinsamen fünfjährigen Sohnes Sean ruhig geblieben. Sie bestätigte Dr. Hallerans Schilderung der Ereignisse. Warum hat er sich nicht früher zu Wort gemeldet?
„Es wirkt einfach ungehörig, wenn sich ein Arzt hinstellt und sagt, ›Hi, ich bin Dave Halleran, ich habe John Lennon behandelt‹“, sagte er. „Damals hätte ich mich am liebsten irgendwo verkrochen, ich wollte nur nach Hause, war bestürzt, tieftraurig. Man fühlt sich irgendwie verantwortlich, fragt sich, ob man etwas hätte anders machen können.“
Waren Sie zu der Zeit zufällig in Amerika? Gehörten Sie zu den zwanzig Millionen Fernsehzuschauern, die das Spiel der New England Patriots gegen die Miami Dolphins zu Hause am Bildschirm auf ABC verfolgten, als der Kommentator Howard Cosell seinen Bericht mit der Nachricht unterbrach, dass John erschossen wurde? Gehörten Sie zu den vielen weiteren Millionen, die daraufhin die Nachrichten auf NBC und CBS schauten? Gehörten Sie zu den Tausenden, die sich auf den Weg zur Upper West Side machten und sich der Mahnwache anschlossen? Oder befanden Sie sich anderswo auf der Welt, haben im Fernsehen mitverfolgt, wie Scharen trauernder Fans im Central Park im Matsch versanken, Blumen an das Geländer vor dem Dakota flochten, „Give Peace a Chance“-Chöre anstimmten? Haben Sie gehört, dass eine Instrumentalversion von „All My Loving“ über die Anlage des Krankenhauses lief, in dem Augenblick, in dem Yoko die Nachricht vom Tod ihres Mannes erhielt? Der Fernsehproduzent Alan Weiss hat es gehört. Er lag auf einem fahrbaren Bett im Krankenhausflur, wartete nach einem Motorradunfall darauf, behandelt zu werden. Zufälle gibt’s …
Sollten Sie schon auf der Welt und möglicherweise in England gewesen sein, als es geschah, schliefen Sie vermutlich tief und fest. John starb am 8. Dezember um circa 23 Uhr Eastern Standard Time (die Angaben zum genauen Todeszeitpunkt weichen voneinander ab), was ungefähr vier Uhr morgens Greenwich Mean Time am Dienstag, den 9. Dezember entspricht. Tom Brook, Auslandskorrespondent der BBC in New York, funkte die Meldung über den Atlantik, nachdem er durch den ehemaligen Popmogul und Songwriter Jonathan King, damals ebenfalls in New York ansässig, davon erfahren hatte. Brook raste zum Dakota und meldete sich in der Sendung „Today“ auf Radio 4 aus einer Telefonzelle. Damals gab es noch kein Frühstücksfernsehen, die meisten hörten morgens Radio. Tom wurde gebeten, um 6:30 Uhr zurückzurufen, zum Beginn der an diesem Tag von Brian Redhead moderierten Sendung. Brook schraubte den Telefonhörer auf und verband ihn mit einem Kabel, um seine aufgezeichneten O-Töne zu übermitteln – kein Internet, keine E-Mails, keine Handys –, und ließ sich live von Redhead zu den Vorfällen befragen. Als wir aufstanden, um in die Schule, ans College, zur Arbeit oder mit dem Hund Gassi zu gehen, hatte sich die Kunde des Unfassbaren bereits wie ein Lauffeuer verbreitet.
Wo waren Sie, als Sie es erfahren haben?
Das ist hier die Frage. In Anspielung auf den berühmten Hamlet-Monolog wahrscheinlich die entscheidende Frage unserer Zeit. Vertreter der Silent Generation, die zwischen dem Beginn der Zwanziger- und dem Ende der Vierzigerjahre geboren wurden, erinnern sich ebenso wie die Baby Boomer der Nachkriegszeit meist, wo sie waren und was sie getan haben, als sie vom Attentat auf Präsident John F. Kennedy erfuhren. Zu Beginn der Recherchen für dieses Buch kam ich mit meinen drei Kindern darauf zu sprechen. „Ihr müsst verstehen“, sagte ich, „dass John Lennon unser JFK war.“ „Wieso?“, fragte mein studierender Sohn. „Was hat denn ein Flughafen damit zu tun?“
Millennials und Post-Millennials, beziehungsweise Generation Y und Z, beziehen diese Frage häufig auf den Tod von Diana, Prinzessin von Wales, auch wenn sie, als diese verunglückte, noch Babys oder gar nicht auf der Welt waren. Es ist die sogenannte Generation X, die gegen Ende der Sechziger auf den Plan trat und mit dieser Zeit wohl am wahrscheinlichsten John Lennon verbindet.
Es handelt sich in jedem der genannten Fälle um einen sinnlosen Tod, und vielleicht haben sie mehr gemeinsam, als zunächst auf der Hand liegt. Auch halten sich jeweils hartnäckig Verschwörungstheorien. Als der dreiundfünfzigste Präsident der Vereinigten Staaten am 22. November 1963 im texanischen Dallas einem Attentat zum Opfer fiel, wurde viel spekuliert. Hatte der mutmaßliche Attentäter Lee Harvey Oswald alleine gehandelt? Oder im Auftrag der Mafia? Gab es einen Zusammenhang mit Kuba? Wie viele Schüsse wurden abgegeben? Von hinten, aus einem Fenster im sechsten Stock eines Gebäudes oder von dem berühmten „Grashügel“ aus, auf den sich der Konvoi zubewegte? Selbst die Ermittlungsergebnisse sind umstritten. Knapp sechzig Jahre sind vergangen, und nichts hat sich daran geändert. Nachdem Diana und Dodi Fayed am 31. August 1997 in einer Pariser Unterführung starben, stand ein mysteriöser weißer Fiat Uno im Zentrum der Ermittlungen. Hundertfünfundsiebzig Hinweise auf eine Verschwörung wurden geprüft. Der Hauptkläger, der ägyptische Milliardär Mohamed al Fayed, vertrat die schwerwiegendste Verschwörungstheorie: Die Prinzessin sei einem Auftragsmord zum Opfer gefallen, weil sie von seinem Sohn und Erben schwanger war. Viele glauben bis heute, eine Sondereinheit der britischen Armee habe sie umgebracht.
Auch in Johns Fall wurde lange darüber spekuliert, ob es einen Zusammenhang zwischen seinem Tod und der CIA oder dem FBI gebe, die ihn infolge seines früheren linken Aktivismus überwacht hatten. War der verurteilte Mörder Mark Chapman ein gehirngewaschener Attentäter, ein „Manchurian Kandidat“? Oder war José Perdomo, der inzwischen verstorbene Pförtner des Dakota und kubanischer Exilant, 1961 an der fehlgeschlagenen Militäraktion in der Schweinebucht beteiligt? Kein Verschwörungstheoretiker gibt sich mit einfachen Wahrheiten zufrieden. Siehe auch „Klimawandelleugner“, „Obamas Geburtsurkunde“ oder „kontrollierte Zerstörung des World Trade Center, 9/11“. Experten sprechen vom sogenannten „Proportionality Bias“, erklären Verschwörungstheorien als Bewältigungsstrategie für unerträgliche Ereignisse. Auf der Flucht vor der Vernunft haben Menschen das Bedürfnis, etwas Größerem die Schuld zuzuschieben.

Waren Sie 1980 schon geboren? Sind Sie alt genug, sich an Ernő Rubiks Zauberwürfel zu erinnern, an Margaret Thatcher, Ronald Reagan und den Unbekannten, der auf J. R. schoss? Erinnern Sie sich an die Einführung von CNN, des ersten Nachrichtensenders, der rund um die Uhr gesendet hat? Haben Sie die olympischen Winterspiele in Lake Placid verfolgt? Haben Sie über Tim Berners-Lee gelesen, einen Computerwissenschaftler, der mit der Arbeit an etwas begann, das sich später zum World Wide Web entwickelte? Und obwohl wir das damals nicht wussten, war es auch das Jahr, das uns Macaulay Culkin, Lin-Manuel Miranda und Kim Kardashian beschert hat; das Jahr, in dem wir zu „Call Me“ von Blondie, „Rock With You“ von Michael Jackson, „Coming Up“ von Paul McCartney und „Crazy Little Thing Called Love“ von Queen getanzt haben, und das darüber hinaus von David Bowie und Kate Bush, Diana Ross und Police geprägt wurde; in dem Jean-Paul Sartre, Alfred Hitchcock, Henry Miller, Peter Sellers, Steve McQueen, Mae West und John Bonham von Led Zeppelin von uns gingen – und Beatle John.
Waren Sie in diesem Jahr am Freitag, den 24. Oktober im Plattenladen und haben sich seine neue Single gekauft, (Just Like) Starting Over? Haben Sie den Song vielleicht auf dem Weg zur Schule, zur Uni oder zur Arbeit im Radio gehört und gedacht: Geht das nur mir so, oder klingt das ein bisschen nach „Don’t Worry Baby“ von den Beach Boys? „Starting Over“, das drei Tage später in den Vereinigten Staaten erschien, sollte Johns größter Solohit dort werden. Wie sich herausstellte, war es seine letzte Single-Veröffentlichung zu Lebzeiten. Am 6. Januar 1981 befanden sich drei Lennon-Singles in den britischen Top Five: die bereits erwähnte auf Platz fünf, „Happy Xmas (War is Over)“ auf dem zweiten und „Imagine“ an der Spitze. Gebrochen wurde dieser Rekord erst fünfunddreißig Jahre später.

Achtunddreißig Jahre später im Dezember 2018 befinden wir uns in der O2 Arena in Greenwich, London, wo Sir Paul McCartney sein siebzehntes Studio-Album Egypt Station vorstellt. Es ist die jüngste Station seiner „Freshen up“-Tournee. Obwohl Paul früher alles daransetzte, sich von seinem Beatles-Vermächtnis fernzuhalten, und möglichst ausschließlich eigene Stücke spielte, wird heute Abend das gesamte Repertoire gefeiert, von den Beatles über Wings bis zu Solo-Paul. „A Hard Day’s Night“, „All My Loving“, „Got To Get You Into My Life“, „I’ve Got a Feeling“, „I’ve Just Seen A Face“. Jeder Refrain ein Höhepunkt, gesteigert durch ein euphorisch mitsingendes Publikum. Im Hintergrund erscheinen riesengroße Fotos von John und George. Sogar „In Spite Of All The Danger“, die erste Platte der Quarry Men, ist dabei. Dann „Here Today“, Pauls traurige Würdigung für John. Ronnie Wood springt auf die Bühne, „lass uns doch einen Song zusammen spielen“. Das ist das Stichwort für einen vitalen Achtundsiebzigjährigen, der jetzt zu dem Beatle und dem Stone auf die Bühne joggt. „Ladies and Gentlemen“, spricht Paul heiser ins Mikro, „der stets fantastische Mr Ringo STARR!“ Letzterer setzt sich ans Schlagzeug, während Ron sich eine Gitarre umhängt. Gemeinsam legen sie mit „Get Back“ los. Das Stadion kocht. „Fotografiert das mit euren Augen“, wispere ich meinen Kindern zu. „Die Hälfte der Beatles auf der Bühne, ein halbes Jahrhundert nach ihrer Trennung, das werdet ihr nicht noch mal erleben.“

Haben wir, die wir die Sechziger gerade so noch erwischt, aber die wahre Magie der Beatles verpasst haben, weil wir noch Kinder waren, diesen Umstand später bedauert, oder hat es uns kaltgelassen? In meinem Fall Letzteres. Ich stieg bei Wings ein und entdeckte die Beatles spät – erst als ich schon mit dem College fertig war und mich in Bolan und Bowie verliebt, von Lindisfarne, Simon & Garfunkel, den Stones, Status Quo, James Taylor, Roxy Music, Pink Floyd, den Eagles, Queen, Elton John und allen möglichen Künstlern, Bands und Musikrichtungen hatte verzaubern lassen, von all jener unendlichen Musik, die meine Teenagerjahre prägte. Wie schwer nachzuvollziehen muss es sein, welche Wirkung sie auf die Welt hatten, wenn man selbst nicht dabei war. Während ihrer Zeit gab es nichts auch nur annähernd Vergleichbares. Die ältere Generation ist gut versorgt mit einer Fülle an umfänglichen Werken, die sich mit ihrer Jugend beschäftigen. Mit Ausnahme der Erinnerungen von Johns erster Frau Cynthia und denen seiner Halbschwester Julia Baird wurden sämtliche angesehene Lennon-Biografien von Männern verfasst. Sie lassen die Zeit wiederaufleben, die sie in Gesellschaft der Beatles verbrachten und bauschen die eigene Rolle in deren Geschichte manchmal ein bisschen auf (es gibt nur noch wenige, die ihre Darstellungen hinterfragen könnten). Einem jüngeren, emotional engagierteren Leser, der mehr erwartet als endlose Fakten, Daten und althergebrachte Ansichten, haben sie aber kaum etwas Neues zu sagen. Kann man sagen, dass sich der Lennon, mit dem die jüngeren Fans bekannt wurden, in den vier Jahrzehnten, die seit seinem Tod vergangen sind, immer weiter von dem tatsächlich existierenden John entfernt hat, sodass er praktisch wie ein ganz anderer Mensch erscheint?
Erst nach seinem Tod bin ich Personen begegnet, die Anteil an Johns Leben hatten. Paul, George und Ringo. Maureen Starkey, Ringos erster Frau, die eine Zeit lang zur Freundin wurde. Linda McCartney, mit der ich begann, an ihren persönlichen Erinnerungen zu arbeiten, „Mac the Wife“. Eine tolle Geschichte, und ich bedaure bis heute sehr, dass sie nie beendet oder veröffentlicht wurde. Dann Cynthia Lennon, die mich bat, ihr zweites Buch zu ghosten. Ihr erstes, A Twist of Lennon, war 1978 erschienen. Frustriert durch Johns Weigerung, mit ihr zu kommunizieren, nachdem er sie und ihren gemeinsamen Sohn Julian Yoko Onos wegen verlassen hatte, hatte sie in einem „langen offenen Brief“ an ihn alles rausgelassen. Rückblickend räumte sie ein, sie würde es inzwischen anders machen. Jetzt, wo sich die Aufregung wieder gelegt hatte, wollte sie es noch einmal versuchen. Doch dann kam ein zum Scheitern verurteiltes Restaurant-Projekt dazwischen, und die geplante Veröffentlichung wurde verschoben. Jahre später, 2005, legte sie mit John ein zweites, sehr viel mutigeres und ehrlicheres Buch vor. Als Journalistin begleitete ich Julian Lennon in den Achtzigerjahren zum Montreux Rock Festival. Schließlich traf ich Yoko in New York.

Über ein halbes Jahrhundert ist seit der Trennung der Beatles vergangen, und wir rätseln immer noch. Was war das eigentlich? Wie haben sie das gemacht? Sie waren das kulturell und sozial größte Phänomen überhaupt. Ihre Bekanntheit und ihre Musik erreichten in den Sechzigerjahren ebenso viele über den gesamten Erdball verteilte Menschen wie die Apollo-11-Weltraummission und die Mondlandung im Juli 1969. Neil Armstrong, Buzz Aldrin und Michael Collins wurden zu Superstars und reisten anschließend durch die Welt, um ihre Leistung zu feiern. Aufs Ganze gesehen aber war die Mondlandung schon am Tag danach Schnee von gestern. Was war ihr Vermächtnis? Eine verblichene Flagge auf einem fernen Himmelskörper. Stiefelabdrücke im Staub. Eine Tafel, die künftige Spaziergänger auf dem Mond über einen beispiellosen historischen Moment unterrichtete – dass „wir“ dort waren.
Aber die Beatles sind nicht Geschichte. Ihre Songs leben, sie atmen. Sie sind uns so vertraut wie unsere eigenen Namen. Die Musik garantiert ihren Schöpfern andauernde Bedeutung. Obwohl mit sehr einfachen technischen Geräten aufgenommen, haben die wunderbaren Originalaufnahmen – ungeachtet zahlloser Überarbeitungen, Remixe und Wiederveröffentlichungen in immer wieder neuen Aufmachungen – ihre Frische bewahrt. Die Musik der Beatles hatte nichts Vorgefertigtes. Abgesehen von einigen wenigen Coverversionen texteten und komponierten sie selbst, spielten die Instrumente. Sie gehörten zu den Ersten, die ihr eigenes Plattenlabel gründeten, Apple, und damit auch anderen Künstlern einen Karrierestart ermöglichten. Von ihren eigenen Veröffentlichungen verkauften sie eine Milliarde Einheiten, wobei vor allem durch Downloads immer noch täglich weitere hinzukommen. Siebzehn ihrer Single-Veröffentlichungen gelangten an die Spitze der britischen Charts: Mehr hat bis heute kein anderer Künstler geschafft. Auch mit ihren Alben führten sie die britischen Charts öfter an und blieben dort länger als jeder andere Künstler. Ebenso verkauften sie in Amerika mehr als sonst jemand. Ihre weltweite Popularität scheint ungeschmälert. Sie wurden mit sieben Grammys und fünfzehn Ivor Novello Awards ausgezeichnet.
Als einflussreichste Künstler aller Zeiten inspirieren sie noch immer mehr Musiker, als sonst jemand von sich behaupten kann. Three Dog Night, The Bonzo Dog Doo-Dah Band, Lenny Kravitz, Tears for Fears, Kurt Cobain, Oasis, Paul Weller, Gary Barlow, Kasabian, The Flaming Lips, Lady Gaga und die Chemical Brothers, um nur einige wenige zu nennen, standen und stehen allesamt im Bann der Fab Four. Man höre sich das von Noel gesungene „Setting Sun“ der Gallagher-Brüder an – er macht Textanleihen bei seinem eigenen Song „Comin’ on Strong“ (ebenfalls Beatles-beeinflusst) – und vergleiche es mit „Tomorrow Never Knows“ auf dem Album Revolver. Tausende Sänger und Sängerinnen aller Generationen und Altersstufen quer durch jedes erdenkliche Genre haben Beatles-Songs aufgenommen. Gaga merkte übrigens außerdem an, wir hätten den Beatles neben ihrer Musik auch die weibliche sexuelle Revolution zu verdanken. Für mich kommt das hin.

Lesley-Ann Jones

Über Lesley-Ann Jones

Biografie

Lesley-Ann Jones arbeitete für Plattenfirmen, das Fernsehen und als Journalistin. In den 80er Jahren war sie u.a. Rock-Korrespondentin bei der britischen Tageszeitung Daily Mail. Die Jugendfreundin von David Bowie hat fast alle großen Rockstars interviewt, darunter Paul McCartney, Freddie Mercury...

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