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JIMI

Philip Norman
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Die Hendrix-Biografie

„Der erfahrene Pop-Journalist kundet mit schier unerschöpflicher Detailfülle den Menschen hinter der Ikone aus.“ - Rolling Stone

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JIMI — Inhalt

„Live fast, love hard and die young!“

Live fast, love hard and die young – die explosive Biografie über den Ausnahmemusiker  

Auf dem Höhepunkt seines Könnens starb Jimi Hendrix einsam und hinterließ eines der größten Rätsel der Musikgeschichte. Philip Norman geht den Geheimnissen um den Gitarrengott auf den Grund.

Die Gitarre war sein Werkzeug, - sein Talent und sein Genie hoben ihn in den Olymp der wichtigsten Musiker aller Zeiten: Jimi Hendrix ließ nichts aus und prägt die Rockmusik bis heute. Als er im September 1970 in einem Londoner Hotelzimmer starb, wurde er zum tragischen Gründungsmitglied des Club 27.  

Kultautor Philip Norman hat den Fall Jimi Hendrix neu aufgerollt und tief in den Archiven gegraben. Anhand bislang unveröffentlichter Dokumente und persönlicher Gesprächen mit engen Begleitern des Jahrhundertgenies rekonstruiert Norman den Aufstieg und das traurige Ende des Gitarristen und Aktivisten.  

„JIMI: Die Hendrix-Biografie“ bleibt stets bei den Fakten und lässt die Geschichte für sich sprechen. Gleichzeitig ist dieses Buch auch die Würdigung eines lebenslangen Fans. Philip Norman setzt Hendrix ein literarisches Denkmal, das jeden Musikliebhaber begeistern und packen wird.  

„Dieses Buch ist nicht nur eine Hommage an den Künstler, sondern auch ein spannendes Kriminalstück.“ – Rosenheimer Journal  

Philip Norman hat sich seine Lorbeeren als Biograf des Rock ’n’ Roll verdient. Der ehemalige Musikjournalist hat bereits die Beatles und die Rolling Stones hautnah beleuchtet und den Menschen hinter dem Star Paul McCartney von einer neuen Seite gezeigt.  

„Wer sich mit der Musikgeschichte beschäftigt, kommt an der fesselnden Biografie ›Jimi‹ nicht vorbei. Empfehlenswert!“ – From me to you Newsletter  

€ 14,00 [D], € 14,40 [A]
Erschienen am 28.10.2021
Übersetzt von: Stefan Rohmig
432 Seiten, Broschur
EAN 978-3-492-31843-3
Download Cover
€ 11,99 [D], € 11,99 [A]
Erschienen am 31.08.2020
Übersetzt von: Stefan Rohmig
432 Seiten, WMePub
EAN 978-3-492-99747-8
Download Cover
„Der erfahrene Pop-Journalist kundet mit schier unerschöpflicher Detailfülle den Menschen hinter der Ikone aus.“
Rolling Stone

Leseprobe zu „JIMI“

VORWORT
„Er war ein feiner Kerl“


Alle Rockmusik-Legenden begannen ihre Karriere damit, die Songs anderer Leute nachzuspielen. Meistens blieb es beim faden Abklatsch, der aus dem Repertoire fiel, wenn der Künstler erst einmal seinen eigenen Sound gefunden hatte. Die große Ausnahme war Jimi Hendrix, der auch während seiner kurzen Erfolgszeit nie damit aufhörte, Coverversionen zu spielen, wobei er die Songs nie einfach kopierte, sondern oft auf radikale Weise neu erfand. So verwandelte er zum Beispiel die skurrile Beatles-Nummer »Sgt. Pepper’s Lonely Hearts [...]

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VORWORT
„Er war ein feiner Kerl“


Alle Rockmusik-Legenden begannen ihre Karriere damit, die Songs anderer Leute nachzuspielen. Meistens blieb es beim faden Abklatsch, der aus dem Repertoire fiel, wenn der Künstler erst einmal seinen eigenen Sound gefunden hatte. Die große Ausnahme war Jimi Hendrix, der auch während seiner kurzen Erfolgszeit nie damit aufhörte, Coverversionen zu spielen, wobei er die Songs nie einfach kopierte, sondern oft auf radikale Weise neu erfand. So verwandelte er zum Beispiel die skurrile Beatles-Nummer „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“ in eine Heavy-Metal-Breitseite, die Paul McCartney – selbst jemand, dem nicht eben wenig Anerkennung zuteilwurde – zu der Bemerkung veranlasste, das sei die größte Ehre seines Lebens gewesen.
Sämtlichen anderen Künstlern, die von Jimi gecovert wurden, ging es ähnlich: Keiner warf ihm vor, er habe sein Werk entweiht, ganz im Gegenteil erntete er nichts als Bewunderung dafür, dass es ihm gelang, einem Song völlig neue Dimensionen zu eröffnen. Tatsächlich werden in weiten Kreisen nicht etwa seine eigenen Kompositionen wie „Purple Haze“ oder „Voodoo Child“ als Höhepunkt seines Schaffens angesehen, sondern sein Cover von Bob Dylans „All Along the Watchtower“. Der Song war ursprünglich 1966 auf Bob Dylans Album John Wesley Harding erschienen, und wie meistens spiegelte er eher den Lesestoff als das Leben seines Komponisten wider. Der Titel entstammte einer Passage des Buches Jesaja aus dem Alten Testament – die übrigens auch die Zeile „Go set a Watchman“ (Gehe hin, stelle einen Wächter) enthält, nach der Harper Lee einen frühen Entwurf von To Kill a Mockingbird (Wer die Nachtigall stört) betitelte. Dylan legte den Song in einem mittelalterlichen Setting an, gesehen wie durch die Augen eines viktorianischen Dichters wie Alfred Lord Tennyson – bekannt für seine Artus-Ballade „Die Lady von Shalott“ –, für den er zu jener Zeit eine große Vorliebe entwickelt hatte.
Das Ergebnis schien mehr ein Rückschritt in seine Folk-Vergangenheit als die Bestätigung seiner kürzlich erfolgten Bekehrung zum Rock: die einsame Stimme, das repetitive Akustikgitarrengeschrammel, die Mundharmonika zu quietschig, um die übliche Durchschlagskraft zu entwickeln, und weit und breit keine Spur von seiner viktorianischen Muse, nirgendwo eine Sad-Eyed Lady of Shalott. Obwohl „All Along The Watchtower“ allgemein positiv und als weiterer Beweis für Dylans Ausnahmestellung aufgenommen wurde, musste er sich von Musikerkollegen anhören, er komme über ominöse Andeutungen nicht hinaus. Sein früherer Folk-Mentor Dave Van Ronk kritisierte selbst die Wortwahl und nannte den Song „falsch, beim Titel angefangen: Ein Wachturm ist keine Straße oder eine Mauer, und man kann ihn nicht entlanggehen“.
Jimis Version erschien auf Electric Ladyland, seinem dritten Album, seit es ihn von New York nach London verschlagen und er sich mit den beiden weißen Briten Mitch Mitchell am Schlagzeug und Bassist Noel Redding zur Jimi Hendrix Experience zusammengetan hatte. Diese Version legt nicht nur die treibende Urkraft des Hardrock frei, sie zeugt zugleich davon, dass, in welcher Kunstsparte auch immer, zur wahren Größe nicht nur unvergleichliches Können und unbändige Energie gehören, sondern auch Disziplin und Understatement.
In Jimis Händen wird das gehetzte Tempo der Dylan-Version gleich durch eine Akkordfolge im Intro rausgenommen, die formal simpel ist, aber dennoch ein schäumendes Brodeln heraufbeschwört, eine wilde Meeresbrandung, deren wütende Wellen auf den Kies klatschen und den Seetang zum Glitzern bringen, während sich darüber dunkle Wolken formen. Die ganze Trostlosigkeit und Melodramatik Tennysons, die das Original vermissen ließ, sind mit einem Schlag da.
Der Text beginnt mit einem Dialog zwischen dem „Joker“, also der traditionellen Kartenspielfigur mit dem gestreiften Dreispitz, der den Ausbruch aus einer nicht näher benannten Gefangenschaft plant, und dem „Dieb“. Wo bei Dylan jede einzelne Silbe nur so vor Ironie und Doppeldeutigkeit troff, geht Jimi mit seinem sanften Bariton völlig unverstellt an die Sache heran, legt vielleicht gerade mal eine leichte Betonung auf „There’s too much confusion“ und „I can’t get no relief“, womöglich auch ein Hinweis darauf, wie er sein neues Leben in Großbritannien bereits empfand.
Seine Stimme hat die gleiche Überzeugungskraft bei der verworren moralisierenden Antwort des Diebs. Doch mit der Gitarre hält er sich noch immer zurück, nicht mal B. B. King hat ein Riff jemals so sparsam eingesetzt.
Und dann schließlich, als es spät wird, „the hour is getting late“, kündigt ein prägnantes „Hey“ den Break an, der, für mich, alle anderen übertrifft, seit man Gitarren elektrische Drähte durch den Körper gezogen und metallene Tonabnehmer, Lautstärkeknöpfe und Tremolohebel ins Antlitz gebohrt hat. Vergesst Eric Clapton bei Creams „Crossroads“ und Jimmy Page bei Led Zeppelins „Stairway to Heaven“ und James Burton bei Ricky Nelsons „My Babe“ und Mark Knopfler bei Dire Straits’ „Sultans of Swing“ und Scotty Moore bei Elvis’ „Heartbreak Hotel“. Ihr könnt sogar Chuck Berrys „Johnny B. Goode“ vergessen – go, Jimi, go.
Der Break besteht aus vier getrennten musikalischen Sätzen, von denen nur der erste wie ein konventionelles Gitarrensolo wirkt, die Töne so sorgsam gewählt und so elegant „gezogen“ wie bei B. B. King zu seinen besten Zeiten. Der zweite Satz ist mit einer Metall Slide gespielt und hätte bei Elmore James oder Howlin’ Wolf schroff und wütend geklungen, aber bei Jimi ähnelt er eher der aufregenden Fahrt durch eine außerirdische Stadtlandschaft, jeder Tonschwall der Slide wie ein glühender Aufzug, der zischend auf- oder abwärtsgleitet. Erst schießt einer in die Tiefe, dann steigt ein anderer empor, und ein weiterer noch höher, bis es fast so scheint, als ob er durch das Zeitgefüge tanzte.
Darauf folgt eine ausgedehnte Passage mit Wah-Wah-Pedal (eigentlich klingt es eher nach „fwacka-fwacka“), die die sanft gleitenden Maschinen ablöst und durch eine Stimme ersetzt, die fast nach der menschlichen klingt, als ob die Gitarre sinnieren und über ihren eigenen kleinen Insiderwitz glucksen würde. Weil es unmöglich erscheint, das Vorangegangene noch einmal zu übertreffen, läutet plötzlich ein Trio einfacher melodischer Akkorde auf den hohen Saiten, ergänzt durch Vorschlagsnoten mit dem kleinen Finger, das Finale ein – man könnte es vergleichen mit einem Dreisternekoch, der es vorzieht, sein Können mit den einfachsten Gerichten zu beweisen, sagen wir einem Brathähnchen oder den perfekten verlorenen Eiern.
Schließlich taucht doch noch ein Wachturm in dem Song auf, wenn auch mittlerweile weniger Sicherheitsmaßnahme denn Ausguck, von dem Prinzen herabblicken („princes kept the view“). Großes Drama scheint sich mit „two riders were approaching“ abzuzeichnen, dessen apokalyptischer Ausgang sich mit „and the wind began to howl“ andeutet.
Aber noch bevor erklärt wird, wer die beiden Reiter sind, und gerade als Jimis Gitarre lauter aufheult als jeder Sturm, der König Lear gequält haben mag, wird das Ding ausgeblendet. Es ist das Outro.
Immer, wenn ich es höre, muss ich das Gleiche denken: Geh nicht!

„Womöglich der größte Instrumentalist in der Geschichte der Rockmusik“, ist in der Laudatio der Rock & Roll Hall of Fame zu lesen. Doch zur Debatte stand das nie, trotz all der Gitarren-Superhelden, die in den Sechzigern hervortraten – Eric Clapton, Jeff Beck, Keith Richards, George Harrison, Jimmy Page, David Gilmour, Peter Green, Robbie Robertson, Duane Allman und Jerry Garcia. Jeden von ihnen hatte es beim ersten Hören von Jimi Hendrix so erwischt, dass er bildlich gesprochen kurz davor war, sein Plektrum hinzuschmeißen und sich mit erhobenen Händen zu ergeben.
Ein halbes Jahrhundert später bleibt James Marshall Hendrix immer noch eine einzigartige Erscheinung, weil er sich als Afroamerikaner von den traditionellen „schwarzen“ Genres Blues, R&B und Soul löste, um stattdessen harten Rock vor einem mit überwältigender Mehrheit weißen Publikum zu spielen, und dabei fast im Alleingang die Musik erfand, die man heute als Heavy Metal bezeichnet. Leute wie Billy Gibbons von ZZ Top, Slash von Guns N’ Roses oder Kirk Hammett von Metallica geben freimütig zu, dass sie ihm ihre Weltkarrieren zu verdanken haben. Dennoch stand er für so viel mehr als nur eine Art Nischenmusik, die über die Jahre stetig kakofonischer wurde und sich nahe an der Selbstparodie bewegte. Genau wie man Bob Marley lieben kann, ohne Reggae zu mögen, muss man keinen Metal mögen, um Jimi zu lieben.
Jimi steht als dauerhaftes Sinnbild für das Genie, das unter tragischen Umständen aus dem Leben gerissen wurde: Er ist im Alter von nur 27 Jahren angeblich an einer Überdosis Barbiturate gestorben. Einige weitere große Talente der ersten Liga gingen im gleichen Alter zugrunde an Drogen, Alkohol oder verwandten Gefahren des Rock-’n’-Roll-Lebensstils – der „Club 27“, zu dessen (ansonsten ausschließlich weißen) Mitgliedern Brian Jones von den Rolling Stones, Jim Morrison von den Doors, Janis Joplin und als letzte Zugänge Kurt Cobain und Amy Winehouse zählen. Tatsächlich gilt dieses verfrühte Abtreten – alle starben sie einsam, trotz der Heerscharen von Leibwächtern und Handlangern – als sichere Eintrittskarte ins Rock-Walhalla. Jimi, dessen Tod alle zuvor genannten Elemente enthielt, ist beim „Club 27“ Präsident auf alle Ewigkeit.
Er war ein junger Mann von geradezu spektakulärer Schönheit, mit seinem Atompilz-Afro und seinem fein gezeichneten Gesicht, das sich – vom Schnäuzer mal abgesehen – auch gut bei einer der Girlgroups seiner Ära gemacht hätte, etwa den Supremes oder den Ronettes. Ganz im Kontrast zur zurückhaltenden Männermode der Sechziger kreierte er mit seiner bordürenbesetzten viktorianischen Militärjacke, seinen Brokatwesten, Rüschenblusen, Chiffonschals, Riesenhüten und indianischen Stirnbändern einen Vagabundenlook für Rockstars, den manche heute noch hartnäckig bis ins hohe Alter beibehalten. Genau wie Little Richard in den wilden Rock-’n’-Roll-Zeiten der Fünfziger wirkte Jimi oft wie nicht von dieser Welt. Damals schrieb ein Kritiker, „er holte den Blues aus dem Mississippi-Delta heraus und schickte ihn zum Mars“.
Bis dahin hatte ein Rock-Gitarrengott keinen „Act“ gebraucht, mal abgesehen von einer statischen Pose der gequälten Kreativität. Aber Jimi kombinierte Gesang und Griffbrettakrobatik mit einem Showtalent, das an Grenzen ging, die sogar Mick Jagger bei den Stones oder Jim Morrison von den Doors nie erreichten. Er spielte seine Linkshänder-Stratocaster hinter dem Kopf, mit den Zähnen oder mit seiner schlängelnden Zunge, die anscheinend völlig immun war gegen elektrische Schläge, ohne sich dabei auch nur bei einem Ton zu verhaspeln. Wenn er seiner Gitarre jedes mögliche magische Dezibel entrungen hatte, unterzog er sie einem rituellen sexuellen Angriff, legte sie flach und besprang sie, überschüttete sie mit Benzin, zündete sie an und schlug den brennenden Kadaver in Stücke. Dieser voodoobeeinflusste Porno-Vandalismus hätte nicht weiter entfernt sein können von seinem wahren Wesen: Er war bescheiden, höflich und schüchtern, auch wenn die Schlangen von Frauen vor seiner Schlafzimmertür selbst Jagger und Morrison wie Klosterschüler aussehen ließen.
Seine monumentale Promiskuität mag heutzutage verpönt sein, wo man in die Jahre gekommene Rocker regelmäßig als „Sexualstraftäter“ brandmarkt, weil sie sich vor fünf Jahrzehnten auf Backstageorgien mit weiblichen Anhängern einließen, deren Alter sie selten bis gar nicht interessierte. In den „freizügigen“ Sechzigern galt das allerdings als völlig normal, es zählte einfach zu den von vielen beneideten Begleiterscheinungen des Rockstarlebens. Doch Jimi war kein Aufreißer. „Man konnte ihn nicht als omanizer bezeichnen“, erinnert sich sein Musikerkollege und Freund Robert Wyatt, „es war eher so, dass die Frauen Hendrixizer waren.“
Heutzutage verkauft er jedes Jahr mehr Platten als zu seinen Lebzeiten, aber das macht nur einen Teil seiner anhaltenden Popularität aus. Er ist untrennbar mit der Ikonografie der Sechziger verbunden, der sogenannten „Dekade, die niemals stirbt“.
In jeder Ausstellung über die Sechziger, jedem Bildband eines der vielen herausragenden Fotografen wie Terence Donovan oder Gered Mankowitz wird man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein Foto von Jimi in seiner Husarenjacke mit den Goldlitzen finden, die zu seinem Markenzeichen wurde. Er ist eine Ikone im exakten Wortsinn dieses überstrapazierten Begriffs. In irgendeinem Land der Welt trägt genau in diesem Moment ein junger Rockfan ein T-Shirt mit Jimis Konterfei darauf, auf dem er so schüchtern wie schamlos unter dem lockigen Heiligenschein hervorlugt wie ein schwarzer südamerikanischer Jesus, einem Turiner Grabtuch aus Massenproduktion ähnelnd.
Obwohl er bis ins tiefste Innere Amerikaner war – Afroamerikaner wie auch Native American –, wird man ihn auf ewig mit London in seiner glamourösesten Epoche in Verbindung bringen. Und trotz seiner erstaunlichen Begabung musste er erst 23 Jahre alt werden, bis man ihn in seinem Heimatland wahrnahm; eine Konsequenz der Rassentrennung, die die Auftritte schwarzer Musiker, mit Ausnahme der allergrößten Namen, auf die Theater und Clubs des Chitlin’ Circuit beschränkte, wo sie unter sich bleiben mussten.
1966 wurde er in New York von der Freundin des Rolling-Stones-Gitarristen Keith Richards entdeckt und von Chas Chandler, dem Bassisten der Animals, nach London geholt, Chandlers erster Vorstoß in die Welt des Managements. Es war die gerade frisch gekürte „Stilmetropole Europas“, in der er endgültig aufblühte. Die gesamte Elite der britischen Popmusik, allen voran die Beatles und die Rolling Stones, kam zusammen, um ihn live in Clubs wie dem Scotch of St James oder dem Speakeasy spielen zu sehen und ihn zu bewundern.
Sofort nachdem Chandler ihm die beiden weißen Musiker Redding und Mitchell an die Seite gestellt und damit die Jimi Hendrix Experience formiert hatte, erntete er Riesenerfolge mit einer Handvoll Hitsingles und drei Alben, die umgehend Klassikerstatus erlangten. Als Revanche für die „British Invasion“, die sich in den Fußstapfen der Beatles in den US-Charts festgesetzt hatte, leitete er alleinig die amerikanische Gegenoffensive. Und trotzdem nahm er dankbar seine neu adoptierte Kultur an, lernte ihre Eigenheiten wie warmes Bier und Fish & Chips zu schätzen und Institutionen wie A. A. Milnes Pu-der-Bär-Geschichten oder die nordenglische Fernsehsoap Coronation Street zu lieben.
Von London aus trat er seinen Siegeszug durch Europa an, dann kehrte er zurück in die USA, wo er mit seiner brennenden Gitarre beim ersten großen Popfestival in Monterey 1967 allen die Show stahl. Im darauffolgenden Jahr, als die Nation erschüttert wurde von Rassenunruhen und der brutalen staatlichen Gegenreaktion, ging er auf Tournee als Schwarzer, der zwei Weiße anführte – ein mutiges Zeichen für die Integration, das nicht hinter den Leistungen der Bürgerrechtsbewegung zurückstehen muss. 1969 gipfelte das gigantische Woodstock-Festival in seiner Solo-Instrumental-Performance der Nationalhymne „The Star-Spangled Banner“, mit der er gegen den Vietnameinsatz des US-Militärs protestierte, bei dem er selbst einst stolz gedient hatte.
Nach nur vier Jahren wurde sein glänzender Aufstieg jäh unterbrochen, gerade als sich neue Türen für ihn zu öffnen schienen. In derselben Metropole, in der seine Karriere Fahrt aufgenommen hatte, starb er im September 1970 einen einsamen, elenden Tod in einem Westlondoner Hotel, dessen Umstände nie richtig aufgeklärt wurden – eins der größten ungelösten Rätsel der Popgeschichte. Seitdem kursieren die Gerüchte, dass es bei seinem Tod nicht mit rechten Dingen zugegangen sei, dass er von seinem sinistren Manager Mike Jeffery umgebracht worden sei oder von der Mafia oder gar von einer paranoiden US-Regierung, die Jimis Missachtung der Rassenschranken als Bedrohung für die nationale Sicherheit eingestuft habe.

Ich habe Jimi nie getroffen, obwohl ich mich als fest angestellter Reporter für die superschicke Farbbeilage der Sunday Times mitten im Epizentrum von Swinging London bewegte, jeden interviewen konnte, nach dem mir der Sinn stand, und ich in sämtlichen Clubs, in denen er auftrat, reservierte Plätze genoss. Doch ich war schon halb auf dem Absprung in die USA, wo ich die etablierteren Stars der schwarzen Musik treffen wollte: James Brown, Stevie Wonder oder Diana Ross.
Ende 1969 brachte das Magazin der Sunday Times mein Porträt von Eric Clapton, dessen Anhänger ihn zum „Gott“ ausgerufen hatten, bevor Jimi auf der Bildfläche erschien. Als sich ein Jahr später die Nachricht von Jimis Tod verbreitete, bat die New York Times Clapton um ein Interview über seinen ehemaligen Rivalen, der zum guten Freund geworden war. Clapton willigte ein – unter der Bedingung, dass ich das Interview führte. Kurz vor der Abreise nach Detroit und L. A. stehend, wo ich über das Motown-Label schreiben und den elfjährigen Leadsänger der als „schwarze Beatles“ vermarkteten Jackson 5 treffen sollte, lehnte ich den Auftrag ab. Ich habe es immer bereut, meinen Flug nicht verschoben zu haben.
Warum nehme ich also ein Buch über Jimi in Angriff, wenn die Erschöpfung nach meiner Eric-Clapton-Biografie noch nicht abgeklungen ist? Wo ich doch, wie immer nach einem solchen Projekt, keinerlei Lust mehr hatte, auch nur ein einziges Wort über Musik oder Musiker zu schreiben? Die Antwort ist die: Das Buch hat keine Rücksicht auf meine Befindlichkeiten genommen und wie von selbst Form angenommen.
2018 machte mich mein fantastischer Recherchekollege Peter Trollope darauf aufmerksam, dass sich im September 2020 Jimis Todestag zum fünfzigsten Mal jähren würde, ohne dass es bislang eine zufriedenstellende Erklärung der Todesursache gegeben habe. In den Achtzigern war Pete Produzent der bekannten Fernsehdokumentationsserie World In Action gewesen und hatte an einer Sendung gearbeitet, die sich mit dem Todesfall beschäftigt hatte, aber nie ausgestrahlt worden war. Er wollte mir seine gesamten Unterlagen zur Verfügung stellen, einschließlich der Aussagen wichtiger Zeugen, die nie bei der Feststellung der Todesursache gehört worden waren.
Und dann bekam ich eine völlig unerwartete E-Mail von Sharon Lawrence, einer früheren Reporterin der Nachrichtenagentur UPI, die nach seiner triumphalen Rückkehr in die Staaten zur engen (platonischen) Freundin von Jimi geworden war. Sharon war in den frühen Neunzigern eine wichtige Quelle für meine Biografie von Elton John gewesen, aber danach hatten wir uns aus den Augen verloren. Obwohl sie selbst ein Buch mit sehr persönlichen Jimi-Erinnerungen verfasst hatte, willigte sie ein, mir als Beraterin zur Seite zu stehen, sollte ich etwas schreiben wollen.
Dann fiel mir ein, dass ich immer noch die Telefonnummer von Ray Foulk hatte, der zusammen mit seinen Brüdern Ronnie und Bill 1970 das Isle of Wight Festival veranstaltet hatte, bei dem Jimi zusammen mit den Doors Co-Headliner gewesen war, gerade einmal zwei Wochen vor seinem Tod (und nur ein Jahr vor dem Tod Jim Morrisons). Ich erinnerte mich, dass ich Ray das letzte Mal bei der Veröffentlichungsparty zu seinem Buch über die drei Isle of Wight Festivals der Brüder gesehen hatte, bei dem ich als Insel-Junge ein wenig mitgeholfen hatte. Die Party fand in dem zur Berühmtheit gelangten Haus in der Brook Street in Mayfair statt, das sowohl Jimi als auch – zwei Jahrhunderte zuvor – Georg Friedrich Händel, einen weiteren großartigen musikalischen Einwanderer, beherbergt hatte.
Ganz zufällig war es dann wieder an der Zeit für eines unserer zweimal im Jahr in einem Ufer-Pub in Barnes, Westlondon stattfindenden Get-togethers von alten Rockstars und jenen Schreibern, die deren Erlebnisse aufgezeichnet hatten, auch bekannt als „The Scribblers, Pluckers, Thumpers and Squawkers Lunch“. Dort saß ich neben Keith Altham, dem New-Musical-Express-Journalisten, der Jimis erstem Manager Chas Chandler vorgeschlagen hatte – im Scherz, wie er selbst behauptet –, dass Jimi doch locker The Who mit ihrer Instrumentenzerstörung auf der Bühne die Show stehlen könnte, indem er seine Gitarre in Brand setzte. Und am Nebentisch saß Zoot Money, der R&B-und-Blues-Veteran: Jimis erste Anlaufstation, nachdem er in London angekommen war.
Dann ließ Ron Pluckrose, mein Milchmann in Nordlondon, so nebenbei fallen, dass er in seinem früheren Leben als Maler und Raumausstatter einmal zusammen mit seinem Bruder eine Wohnung am Marble Arch renoviert habe, die Jimi von den Walker Brothers gemietet gehabt habe. „Er wollte alles schwarz gestrichen haben, sogar den wunderschönen Walnuss-Kleiderschrank im Schlafzimmer. Der Teppich war gelb und die Bettlaken orange, im ganzen Badezimmer war die Fanpost verstreut, und er hatte einen ganzen Wandschrank voller Goldener Schallplatten, die wir für ihn an die Wand hängten. Er war ein feiner Kerl …“
Daraufhin hörte ich mir noch einmal „All Along the Watchtower“ an und gab jeden Widerstand auf.

Philip Norman

Über Philip Norman

Biografie

Philip Norman, Jahrgang 1943, war als Musikjournalist u.a. für die Sunday Times tätig. Sein erstes Buch, die Beatles-Biografie SHOUT!, war auf Anhieb ein Bestseller, weitere erfolgreiche Werke über John Lennon, Elton John und Mick Jagger folgten. Norman trat außerdem als Autor von Romanen und...

Pressestimmen
Rolling Stone

„Der erfahrene Pop-Journalist kundet mit schier unerschöpflicher Detailfülle den Menschen hinter der Ikone aus.“

taz

„So sachlich wie der Brite Künstler und Werk porträtiert, wurde in Deutschland kaum je über Hendrix geschrieben.“

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