„Hätte ich das bloß nie gesagt!“ „Hätte ich das bloß nie gesagt!“ - eBook-Ausgabe
Die neuen besten Interviews
„In seinem Buch ›Hätte ich das bloß nie gesagt!‹ erzählen ihm 20 Kulturgrößen von ihren Psychopathologien und wie diese durch Kompensation zum Schlüssel ihres Aufstiegs wurden.“ - Süddeutsche Zeitung
„Hätte ich das bloß nie gesagt!“ — Inhalt
Schicksale, Wahrheiten und Anekdoten von Ausnahmeköpfen unserer Zeit
Ob Literatur-Star oder Kunst-Koryphäe, ob Meisterdenker oder Hollywood-Legende, ob Modekönigin oder Design-Ikone, ob Theaterliebling oder Architektur-Guru: In seinen preisgekrönten Interviews bringt Sven Michaelsen ans Licht, was berühmte Menschen über sich und das Leben gelernt haben – und wie wir von diesen Erkenntnissen profitieren können. In diesem Buch versammelt er 20 einzigartige Lebenswege, die nach Einsamkeit und Bitternissen, nach Versagen und Scham schließlich zu Erfolg und Ruhm führen.
„Sven Michaelsen ist wirklich der König des Interviews.“ Doris Dörrie
„Michaelsen ist ein brillanter Journalist, ein genialer Frager.“ Christine Westermann
„Mit seinen Interviews schadet Michaelsen der Dummheit.“ Peter Sloterdijk
„Michaelsen ist ein Meister der Pointen und beherrscht die Kunst, Befragte zu Geständnissen anzustupsen.“ SPIEGEL
20 prägende Figuren der Gegenwart treten vor den Spiegel und erzählen Sven Michaelsen mit verblüffender Wahrhaftigkeit von den Rissen und Abgründen, die ihren Aufstieg erklären. Da wächst einer unter Kindermördern und Vergewaltigern auf und wird zum bejubelten Charakterdarsteller im deutschen Film. Eine andere flieht mit 13 vor ihrer ichsüchtigen wie cholerischen Mutter, bricht die Schule ab – und gewinnt am Ende den Deutschen Buchpreis. Eine Dritte wird ihr halbes Leben lang als kokainsüchtiges Modepüppchen abgetan, avanciert dann aber zur versierten Alleinherrscherin eines Weltkonzerns.
Ein mitreißendes, lehrreiches und höchst unterhaltsames Buch über Katastrophen und Glücksmomente, über Menschenkenntnis und die Kunst, ein gelingendes Leben zu führen.
Leseprobe zu »„Hätte ich das bloß nie gesagt!“«
Sharon Stone
„Entweder du hast Sex mit mir, oder du bist deine Rolle los!“
Die Schauspielerin Sharon Stone über Bestien in Hollywood und einen Bruder, der im großen Stil mit Kokain handelt und zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt wird, über ihre niederschmetternden Erfahrungen mit Dating-Apps und einen Arzt, der ohne ihre Zustimmung ihre Brüste vergrößert, über das Leben als Single mit drei adoptierten Kindern und wie es ist, wenn einem als Superstar und Inbild von Sexyness plötzlich Gesundheit, Geld und Ruhm genommen werden
Es gibt Ereignisse, die eine [...]
Sharon Stone
„Entweder du hast Sex mit mir, oder du bist deine Rolle los!“
Die Schauspielerin Sharon Stone über Bestien in Hollywood und einen Bruder, der im großen Stil mit Kokain handelt und zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt wird, über ihre niederschmetternden Erfahrungen mit Dating-Apps und einen Arzt, der ohne ihre Zustimmung ihre Brüste vergrößert, über das Leben als Single mit drei adoptierten Kindern und wie es ist, wenn einem als Superstar und Inbild von Sexyness plötzlich Gesundheit, Geld und Ruhm genommen werden
Es gibt Ereignisse, die eine Biografie für immer in zwei Teile zerschneiden, in ein Davor und ein Danach. Der Wendepunkt in Ihrem Leben war ein Tag im September 2001.
Mein Leben wurde in Stücke geschlagen. Es begann mit einem Schlaganfall und schweren Blutungen in Kopf und Wirbelsäule, die neun Tage nicht zu stoppen waren. Die Ärzte im Krankenhaus sahen nur eine Möglichkeit, mein Leben zu retten: eine sieben Stunden lange Operation, bei der 23 haardünne Platindrähte in die geschädigte Arterie eingeführt werden sollten. Ich fragte, wie meine Chancen stehen, den Eingriff zu überleben. Die Antwort war vernichtend: „Ein Prozent.“ Ich habe überlebt, aber der Schlaganfall hat mir Gesundheit, Geld und Ruhm genommen. Hollywood verzeiht es dir nicht, wenn du von heute auf morgen von der Bildfläche verschwindest. Als ich Jahre später wieder vor einer Kamera stehen konnte, galt ich bei Produzenten als beschädigte Ware. Meine Gagen waren entsprechend.
Was war Ihr erster Gedanke, als Sie im Krankenhaus aus der Narkose erwachten?
Dass es nicht nur um mich geht. Mein Adoptivsohn Roan war erst 18 Monate alt, als ich den Schlaganfall hatte. Als alleinerziehende Mutter Anfang 40 war ich doppelt dankbar, dass die Ärzte mir ein zweites Leben geschenkt hatten. Die ersten Monate brachten mich an meine Grenzen. Ich musste Pillen gegen die Schmerzen nehmen und Pillen gegen die durch die Schmerzen verursachten Depressionen. Es dauerte Jahre, bis ich genügend Kraft in mir spürte, um noch zwei weitere Söhne zu adoptieren. Heute sind meine Kinder 16, 17 und 22. Ihre Mutter zu sein war die beste Entscheidung meines Lebens. Wer von Film zu Film hetzt, bleibt immer im Modus des Rollenspielers. Irgendwann bist du besser darin, ein anderer zu sein als du selbst. Durch das ständige Nicht-du-selbst-Sein verlierst du deine wahre Stimme und verhältst dich immerfort so, als ob du in irgendeiner Filmszene aufträtest. Das Fatale ist, du selbst spürst nicht, dass du posierst statt zu leben. Von einem Star erwarten die Leute, dass er glücklich zu sein hat. Sonst heißt es: „Dieser Mensch hat doch alles. Warum beklagt der sich? Der sollte mal mein Leben kennenlernen!“ Es kostet aber sehr viel Energie, für andere glücklich auszusehen, wenn man es nicht ist.
In welchem seelischen Zustand waren Sie, als Sie das Krankenhaus verließen?
In manchen Momenten hatte ich das unheimliche Gefühl, die Operation habe meine DNA verändert. Plötzlich aß ich Curry-Gerichte gern und reagierte allergisch auf einige meiner Lieblingsgerichte. Viel schlimmer war, dass mein Körper mir nicht mehr gehorchte. Mein Gesicht hing schief, ich stotterte fünf Monate lang, und beim Gehen zog ich ein Bein nach. Ich konnte zwei Jahre lang nicht lesen und hatte mein Kurzzeitgedächtnis verloren. Jeden Tag musste ich mir die gleichen demütigenden Fragen stellen: Wo ist die Teetasse, die du gerade abgestellt hast? Warum hast du ein Telefon in der Hand? Wen wolltest du damit anrufen? Dazu kam die Paranoia: Wem kann ich in meiner Hilflosigkeit vertrauen? Wer wird mir zur Seite stehen, statt mich an die Boulevardmedien zu verkaufen?
Nachdem Bruce Willis sich von ihr getrennt hatte, wurde Demi Moore süchtig danach, Spielwaren und Puppen für sich zu kaufen. Sie sagt über diese Zeit: „Ich weiß heute, dass meine Sammelobsession mich davon abhielt, etwas weitaus Schlimmeres zu tun.“ Hatten Sie ebenfalls Suizidgedanken?
Nein. Die Mutter von Demi war eine Alkoholikerin, die ihre minderjährige Tochter als Lockvogel für Männer mit Geld missbraucht hat. Unsere Biografien sind nicht vergleichbar. Meine Großmutter pflegte zu sagen: „Wer damit droht, sich umzubringen, der soll es gefälligst auch tun.“ Möglicherweise war es ihre Stimme in meinem Kopf, die Suizid für mich ausschloss.
Wie hat der Schlaganfall Ihre Persönlichkeit verändert?
Ich musste lernen, anderen wirklich zuzuhören und zu akzeptieren, mich wie ein Kind behandeln zu lassen, dem dauernd Vorschriften gemacht werden. Die wichtigste Veränderung war mein Entschluss, künftig stets bei der Wahrheit über mich zu bleiben. Wenn du kein Kurzzeitgedächtnis mehr hast, ist es sinnlos zu lügen. Um mit einer Lüge durchzukommen, musst du dich am nächsten Tag noch an sie erinnern können, denn sonst verhedderst du dich dauernd in Widersprüchen.
Leiden Sie bis heute unter körperlichen Spätfolgen?
Meine Hörfähigkeit ist beeinträchtigt, und wenn bei einer Besprechung fünf Leute durcheinanderreden, wird der Druck in meinem Kopf so stark, dass ich „Ruhe!“ rufen muss. Auch meine Geschicklichkeit hat gelitten, und ich muss damit leben, dass ich seit 21 Jahren jeden Tag Schmerzen habe. Trotz allem halten die behandelnden Ärzte den Grad meiner Genesung für ein Wunder.
Vier Jahre nach dem Sensationserfolg als bisexuelle Eispickel-Killerin in Basic Instinct wurden Sie 1996 für Ihre Rolle in Martin Scorseses Casino mit einem Golden Globe und einer Nominierung für den Oscar geehrt. Fünf Jahre später kam wegen Ihres Schlaganfalls das Aus. Kann man einen Sturz vom Olymp jemals verwinden?
Ich war zehn Jahre lang ein Superstar. Aber egal wie glamourös deine Karriere war, wenn du längere Zeit aus dem Geschäft raus bist, musst du dich am Ende der Schlange anstellen, um wieder eine Rolle zu bekommen. John Travolta ist diesen dornigen Weg ebenso gegangen wie Robin Williams. Ich spiele bis heute Rollen, die mich gelegentlich stolz machen, und arbeite mit namhaften Regisseuren wie Steven Soderbergh. Neben der Schauspielerei habe ich viele Millionen Dollar Spenden gesammelt für Obdachlose und HIV-Infizierte. Im Scheinwerferlicht zu stehen, gibt dem Leben keinen Sinn, Menschen zu helfen schon. Ich vermisse die alte Version von Sharon Stone nicht. Ein großes Ego ist ein großes Hindernis auf dem Weg zu dir selbst.
Wie viel Geld haben Sie für Basic Instinct bekommen?
500 000 Dollar. Später erfuhr ich, dass Michael Douglas 14 Millionen Dollar bekommen hatte. In Hollywood galten Männer zu jener Zeit als das Steak auf dem Teller, Frauen waren lediglich die Salatbeilage. Fairerweise sollte ich hinzufügen, dass sich meine vorherigen Filme als Kassengift entpuppt hatten und ich bei der Vertragsunterzeichnung bereits 32 war. Ich wuchs aus einem Geschäft heraus, in das ich noch gar nicht richtig hineingewachsen war. Basic Instinct war meine letzte Chance, ein Star zu werden.
Nach Ihrem Schulabschluss wurden Sie Model, lebten in New York und verdienten bis zu 10 000 Dollar am Tag. Wie sind Sie an Ihre erste Filmrolle gekommen?
Ein Bekannter von mir vermittelte Statisten für Filmproduktionen. Er sagte: „Woody Allen sucht Komparsen für seinen neuen Film Stardust Memories. Bewirb dich.“ Zum Casting kam ich auf Rollerskates. Woody Allen sah mich zehn Minuten lang schweigend an. Dann hieß es, ich könne jetzt gehen. Am nächsten Tag sagte man mir am Telefon, eine Nebenrolle sei frei geworden, ich könne sie haben. In der ersten Filmszene meines Lebens sollte ich in einem Zug die Fensterscheibe küssen. Woody Allen gefiel offenbar, was er sah, und er schrieb mir ein paar zusätzliche Sätze ins Drehbuch. Ich war 20 Jahre alt und glaubte, die Pforte zum Paradies habe sich aufgetan.
Bei Paul Verhoevens Science-Fiction-Film Total Recall bekamen Sie es mit Arnold Schwarzenegger zu tun. Eine angenehme Erfahrung?
Mehr als das. Arnold gab mir zwei entscheidende Tipps für den Umgang mit Journalisten. Erstens: Antworte auf die Fragen, die der Journalist hätte stellen sollen, statt auf die Fragen, die er dir stellt. Zweitens: Wenn ein Journalist dich bei einem Thema in die Ecke drängt, frag ihn was über sein Leben. Das schmeichelt seiner Eitelkeit so sehr, dass er sein Thema vergisst.
2021 haben Sie unter dem Titel The Beauty of Living Twice Ihre Memoiren veröffentlicht. Hatten Sie Vorbilder für Ihr Buch?
Ich schreibe seit meinem 14. Lebensjahr Kurzgeschichten und bin bis heute eine begeisterte Vielleserin. Niemanden bewundere ich mehr als Joan Didion. Sie hat das einzigartige Talent, Tragödien in einem lakonischen, fast beiläufigen Ton zu erzählen. Meine zweite Favoritin ist Flannery O’Connor. Sie kann Geschichten so intim und lebendig erzählen, als wären es Briefe an die beste Freundin. Den Erzählstil dieser beiden Frauen habe ich mir zum Vorbild genommen.
Eine Autobiografie zu schreiben, hat etwas von einer Psychoanalyse. Was haben Sie beim Schreiben über sich gelernt?
Dass unsere Körperzellen ein Gedächtnis haben für unsere Familiengeschichte der letzten hundert Jahre. Ich habe zum Beispiel erst beim Schreiben begriffen, wie sehr mich die Ehe meiner Eltern geprägt hat. Mein halbes Leben lang war ich felsenfest davon überzeugt, eine kaltherzige Mutter zu haben, die mich ablehnt und immer nur Augen für meinen Vater hat – ein Irrtum, wie ich inzwischen weiß. Wer sich mit seiner Familiengeschichte nicht auseinandersetzt, wird sich niemals selbst kennenlernen. Die Macht der Vergangenheit über unser Leben verschwindet erst, wenn wir uns dieser Vergangenheit stellen.
Was waren Ihre größten Hürden beim Schreiben?
Wie jeder Debütant musste ich erst einmal das Schamgefühl überwinden, dass andere meine Gedanken womöglich schon viel genauer und schöner formuliert haben. Als viel problematischer erwiesen sich jedoch die Menschen, die für den Verkauf meines Buches zuständig waren. Kurz nach der Abgabe des Manuskripts starb mein Verleger Sonny Mehta, einer der charismatischsten Menschen, die es im Verlagsgeschäft je gegeben hat. Sein Nachfolger wollte mein Buch als sensationelle Enthüllungsstory vermarkten, und der Werbechef erklärte mir allen Ernstes, soziale Medien wie Instagram seien für den Verkauf meines Buches völlig unerheblich. Mein Publicity-Manager war auch nicht besser. Er sagte Zeitschriften Celebrity-Geschichten über mich zu, ohne mich vorher zu fragen. Auch die Fernsehinterviews mit meiner Familie waren nicht mit mir abgesprochen. Hätte er mich gefragt, hätte ich kategorisch Nein gesagt. Wer in ein Becken voller Haie springt, sollte ihre bösartigen Seiten kennen.
Stimmt es, dass Sie beim Vermarkten Ihres Buches krank wurden?
Ja, als die Hälfte der Werbetour vorbei war, spielten meine Gesichtsmuskeln plötzlich verrückt, und ich konnte meine Augen nicht mehr öffnen. Ich glaube, mein Körper wollte mir damit sagen, dass ich etwas tue, das ich besser lassen sollte. Die Botschaft lautete: Lebe synchron mit deiner Seele, sonst macht sie dich krank. Ich wollte, dass mein Buch nicht wegen meiner Auftritte im Fernsehen gekauft wird, sondern wegen der Dinge, die drinstehen. Inzwischen ist es in 17 Ländern erschienen. In den USA stand es auf Platz vier der Bestsellerlisten, in Großbritannien auf Platz eins. Leider gibt es noch immer keine deutsche Ausgabe.
Sie haben viel Unheil und Leid erlebt: sexuelle Übergriffe des Großvaters, Ihr Jugendfreund wurde von einem betrunkenen Autofahrer getötet, Abtreibung mit 18, neun Fehlgeburten – drei davon nach fünfeinhalb Monaten Schwangerschaft, zwei Scheidungen, Anorexie, Ihr Bruder Michael wurde wegen des Handels mit Kokain zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt, 2021 starb Ihr Neffe und Patensohn mit nur elf Monaten an Multiorganversagen, im Februar 2023 starb Ihr Bruder Patrick mit 57. Tun Wunden, die man zu Papier bringt, hinterher weniger weh?
Ich kann diese Frage nicht beantworten, weil ich meine Verwundungen zuvor schon in Traumatherapien unterschiedlichster Art aufgearbeitet hatte. Dieser Prozess zog sich über viele, viele Jahre hin. Von Therapeuten habe ich gehört, man müsse einen Schmerz siebenmal zu Papier bringen. Erst das Lesen, Korrigieren und Wiederlesen ergebe für die Psyche einen reinigenden Effekt.
Haben Sie eine Art Katharsis gespürt, als Sie hinter den letzten Satz Ihres Manuskripts einen Punkt setzten?
Nein, aber Schreiben zwingt dich zur Genauigkeit. Wenn du Schwierigkeiten hast, einen Gedanken zu formulieren, dann liegt es wahrscheinlich daran, dass du diesen Gedanken noch nicht zu Ende gedacht hast. Wenn du dein Leben wie einen Zauberwürfel aus allen möglichen Perspektiven betrachtest, werden auch deine Erinnerungen auf den Prüfstand gestellt: Erinnern andere Beteiligte sich an dieselbe Szene womöglich ganz anders als du? Man lernt die eigenen Legenden und Halbwahrheiten kennen, die man erzählt, um sich das Leben erträglicher zu machen. Seine Memoiren zu schreiben macht einen nicht glücklich, aber am Ende hat man einen distanzierteren und objektiveren Blick auf sich. Man glaubt sich nicht mehr alles, was man denkt.
Sie galten viele Jahre als Sexsymbol. Ist es mit 65 ein Unglück, als ikonische Schönheit gegolten zu haben, weil man zu oft nur noch mit Heimweh nach dem Damals des eigenen Körpers beschäftigt ist?
Sie werden lachen, bis Anfang 30 mochte ich mein Spiegelbild nicht besonders. Als Teenager fand ich mich zu groß und zu kurvig und hatte die Stimme und Schultern eines Jungen. Niemand hielt mich für sexy, aber weil ich das Auftreten der begehrten Mädchen beobachtete, wusste ich irgendwann, wie man sexy wirkt, ohne sich sexy zu fühlen.
Auf Ihrer Instagram-Seite sieht man neben Glamourfotos auch Bilder aus Ihrem Alltag, auf denen Sie unvorteilhaft aussehen. Unter ein Foto, das Sie im Bikini zeigt, schrieben Sie: „Dankbar unperfekt an einem perfekten Tag.“ Gelingt es Ihnen, dem Alter mit Selbstironie zu begegnen?
Mit was denn sonst? Haben Sie eine Alternative für mich, wenn die Haut tut, was sie in meinem Alter nun mal tut? Schauen Sie sich meine Knie an. Soll mich ihr Anblick zum Klageweib machen? Zur Lebenskunst gehört die Einsicht, dass einem die innere Entwicklung wichtiger sein sollte als das unvermeidbare Schrumpeln der Haut. Es ist spaßig, jung zu sein, weil man hübsch und dumm ist. Aber stellen Sie sich vor, man würde heute immer noch den gleichen Blödsinn wie damals von sich geben. Ab einem bestimmten Alter lieben Frauen eher mit den Ohren als mit den Augen.
2019 haben Sie sich für die portugiesische Vogue oben ohne fotografieren lassen. Gab es in Ihrem Kopf Stimmen, die Ihnen davon abrieten?
Sie denken offenbar, ich hätte dieses Foto sorgfältig erwogen, aber so war es nicht. Als ich mich beim Fotoshooting umzog, rief das Team plötzlich: „Stopp! Bleib so. Du siehst fantastisch aus.“ Hätte ich eine große Sache daraus machen sollen? Ich habe mit Nacktheit nicht dieses typisch amerikanische Problem. Ich stamme aus einer ärmlichen Hillbilly-Gegend in Pennsylvania und bin ohne Körperscham und Prüderie aufgewachsen. Wir lebten zu sechst unter einem Dach, und es war nicht unüblich, in die Küchenspüle zu pinkeln, wenn die einzige Toilette im Haus besetzt war. Das ist das Erbe meiner irischen Vorfahren.
In Ihrem Buch findet sich der schwer übersetzbare Satz: „Style is what you do with what’s wrong with you.“ Als Beispiele führen Sie Barbra Streisand, Danny DeVito und Cher an.
Stellen Sie sich vor, Sie kaufen ein Haus und entdecken später einen baulichen Makel. Lösung eins: Sie geben viel Geld aus, um den Makel von Handwerkern reparieren zu lassen. Lösung zwei: Sie machen aus dem Makel etwas Cooles. Wie das geht? Mit Stil, Geschmack, Chic, Allure. Ich gebe Ihnen ein Beispiel aus meinem Leben: Hosen, die am Bund passen, sind mir immer zu kurz. Irgendwann beschloss ich, sie mit High-Heels zu tragen und diese Kombination zu meinem Look zu erklären. Es funktionierte, die Leute waren begeistert. Auch beim Kochen kann man aus etwas Vermurkstem mit ein bisschen Geschick etwas Genießbares machen.
Ihr IQ soll 154 betragen. Was haben Sie in 43 Jahren als Hollywood-Schauspielerin über Ruhm gelernt?
Dass er eine Tag- und eine Nachtseite hat. Die mondänen Aspekte des Berühmtseins kennt jeder aus Glamour-Magazinen. Aber welcher Hollywood-Star von morgen weiß schon, wie es sich anfühlt, wenn du mit deinem Auto bei einem Stoppschild anhältst, und plötzlich springen zehn Verrückte auf das Wagendach, während zwei andere deine Nummernschilder abreißen, weil sie ein Souvenir von dir mit nach Hause nehmen wollen. Wie verhältst du dich? Aufs Gaspedal drücken und riskieren, Menschen zu verletzen? Nichts tun und zuschauen, wie dein Auto zu Schrott wird? Niemand bereitet dich auf solche Situationen vor. Ich werde nie vergessen, wie nach meinem Schlaganfall ein Arzt seine Diagnose an das Klatschblatt „People“ gefaxt hat und darauf auch noch so stolz war, als hätte er gerade seine erste Rolle in einem Hollywood-Melodram gespielt. Es gibt noch einen anderen Arzt, dessen Verhalten mich bis heute aufbringt. 2001 wurden mir gutartige Tumore in beiden Brüsten entfernt. Als die Verbände abkamen, war ich geschockt: Meine Brüste waren um eine volle Körbchengröße vergrößert worden – ohne mein Wissen, ohne mein Einverständnis! Als ich den Arzt zur Rede stellte, hielt er mir einen selbstgerechten Vortrag: Größere Brüste würden viel besser zu meinen Hüften passen und meiner Filmkarriere bestimmt nützlich sein. In so einem Moment möchtest du solchen Leuten die Scheiße aus dem Leib prügeln.
Viele Ärzte oder Rechtsanwälte wünschen sich, ihre Kinder mögen ebenfalls Arzt oder Rechtsanwalt werden. Schauspieler dagegen schlagen die Hände überm Kopf zusammen, wenn ihr Nachwuchs denselben Beruf ergreifen will. Was ist so bedrohlich an dem, was Sie tun?
Jeder Beruf hat seine Härten, aber Schauspieler schneiden sich eine Rolle aus ihrem eigenen Fleisch heraus. Wenn du eine gebrochene, traumatisierte Figur spielst, musst du Tag für Tag extremste Gefühle in dir wachrufen. Wer glaubt, das könne er auch, sollte sich klarmachen, dass manche Szenen 13-, 14-mal gedreht werden. Viel Spaß dabei, auf Kommando 14-mal hintereinander einen kompletten Nervenzusammenbruch glaubhaft zu machen.
Welche Rolle hat Sie an Ihre Grenzen gebracht?
Als wir Casino drehten, war ich fünf Monate lang eine doppelzüngige, drogensüchtige Luxusprostituierte, die am Ende an einer Überdosis stirbt. Gedreht wurde meist nachts. Nachdem die letzte Klappe gefallen war, brauchte ich zehn Wochen, um meine Einzelteile wieder zusammenzusetzen. Wer wünscht seinen Kindern einen Beruf, in dem sie jeden Tag auf einem Hochseil ihr Innerstes nach außen kehren sollen? Außerdem respektieren uns die Menschen nicht. Wir Schauspieler gelten als egozentrisch, exaltiert und neurotisch. Keine Mutter wünscht sich, dass ihr Kind einen von uns heiratet.
Sie beschäftigen heute weder einen Agenten noch einen Manager. Wie kommen Sie an Rollen?
Wer mich erreichen will, weiß, wie das möglich ist. Warum soll ich einen Agenten entscheiden lassen, welche Drehbücher ich zu lesen bekomme und welche nicht? Diese Fremdbestimmung habe ich aus meinem Leben verbannt. Die Zeiten, in denen ich Probeaufnahmen mitgemacht habe, sind ebenfalls vorbei. Ich arbeite nur noch mit Regisseuren, von denen ich weiß, ich bin ihre erste Wahl.
Brennen Sie noch für die Schauspielerei?
Ich fühle mich vor der Kamera wohler als je zuvor, weil ich für meine Rollen mehr Lebenserfahrung mitbringe, aber der große Hunger ist vorbei. In eine fremde Haut zu schlüpfen, kann dich vergessen lassen, dass du es in deiner eigenen manchmal nicht gut aushältst, aber die Erfahrung sagt dir, dieser Effekt ist schnell wieder vorbei. Ich habe bewiesen, was ich kann und wert bin. Dennoch meinen manche Regisseure und Produzenten, mich wie ein junges Ding behandeln zu können, das unbedingt bei den Cheerleader-Mädchen mitmachen möchte. Diese Leute lernen meine unversöhnliche Seite kennen – was meine Beliebtheit in dieser Stadt nicht gerade steigert.
Dreifache Mutter, Schauspielerin, Spendensammlerin, Werbefigur für Dolce & Gabbana: Was machen Sie, wenn Sie nicht arbeiten?
Ich male, lese buddhistische Texte, meditiere, mache Fitnessübungen und schreibe an meinem ersten Roman, der im Milieu Organisierter Kriminalität spielt.
Laut Wikipedia hat Richard Gere Sie zur Buddhistin gemacht.
Das ist Bullshit – wie so vieles, was auf Wikipedia steht. Ich habe mit 14 den Steppenwolf von Hermann Hesse verschlungen. Seither lese ich buddhistische Texte. Wahr ist, dass Richard Gere mich dem Dalai Lama vorgestellt hat, als wir 1994 den Film Begegnungen gedreht haben.
Sie leben seit mehr als 20 Jahren ohne festen Partner. In der US-Fernsehsendung The Drew Barrymore Show kommentierten Sie das mit den Sätzen: „Ich habe es satt, Männer zu daten. Sie sind unehrlich, spielen Spielchen und sind meine Zeit nicht wert. Ich ziehe es vor, allein zu sein oder Zeit mit meinen Kindern oder Freunden von mir zu verbringen. Ich habe großartige Männerfreunde, aber wenn es um emotionale Reife in Beziehungen geht, leben Frauen und Männer auf verschiedenen Planeten.“
Gott weiß, dass ich Sex in meinem Leben hatte. Warum sollte ich mich schlecht fühlen, nur weil es keinen Mann gibt, mit dem ich unter einem Dach zusammenlebe? Ich habe es sogar mit der Dating-App Bumble versucht, aber seien Sie mal auf einer dieser Partnersuche-Plattformen als Sharon Stone unterwegs. Online-Dating führt zu gar nichts, wenn Sie einen berühmten Namen haben.
„Den Wechsel zwischen seelischer Erkundung und den einfachen Dingen des Lebens beherrscht er ausgezeichnet.“
„In seinem Buch ›Hätte ich das bloß nie gesagt!‹ erzählen ihm 20 Kulturgrößen von ihren Psychopathologien und wie diese durch Kompensation zum Schlüssel ihres Aufstiegs wurden.“
„Zum Schatz wird das Buch aber durch jene Textstellen, an denen die Interviewten sich öffnen oder bemerkenswerte Formulierungen finden.“
„Auch ein zweites Mal noch sehr lesenswert.“
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