


Das Geräusch einer Schnecke beim Essen Das Geräusch einer Schnecke beim Essen Das Geräusch einer Schnecke beim Essen - eBook-Ausgabe
„Tröstlich, poetisch, verblüffend. Selbst für Natur-Muffel.“ - Der Tagesspiegel
Das Geräusch einer Schnecke beim Essen — Inhalt
Wie sich ein einem kleinen Detail der Natur die Vielfalt des gesamten Lebens finden lässt.
Durch eine Krankheit ist die Journalistin Elisabeth Bailey ans Bett gefesselt. Als sie von einer Freundin eine Topfpflanze geschenkt bekommt, unter deren Blättern eine Schnecke sitzt, beginnt sie diese zu beobachten. Nachts wird ihr neues Haustier aktiv, fährt seine Fühler aus, geht auf die Jagd und vollführt seltsame Rituale. Fasziniert beschäftigt sich Bailey mit Biologie und Kulturgeschichte der Schnecke und erfährt Verblüffendes über ein unterschätztes Lebewesen.
Leseprobe zu „Das Geräusch einer Schnecke beim Essen“
Prolog
Aus meinem Hotelfenster blicke ich über den tiefen Gletschersee auf das Alpenvorland und die Berge. Als es dämmert, verschmelzen die Hügel mit dem Gebirge, dann verschwindet alles im Dunkeln.
Nach dem Frühstück spaziere ich durch die gepflasterten Dorfstraßen. Es ist kein Frost mehr, und riesige Rosmarinbüsche strecken sich der Sonne entgegen. Ich nehme einen Weg, der sich die steilen, wilden Hügel hinaufwindet, an Schafherden vorbei. Hoch oben auf einem Felsvorsprung mache ich Rast und esse Brot und Käse. Später am Nachmittag entdecke ich am Ufer [...]
Prolog
Aus meinem Hotelfenster blicke ich über den tiefen Gletschersee auf das Alpenvorland und die Berge. Als es dämmert, verschmelzen die Hügel mit dem Gebirge, dann verschwindet alles im Dunkeln.
Nach dem Frühstück spaziere ich durch die gepflasterten Dorfstraßen. Es ist kein Frost mehr, und riesige Rosmarinbüsche strecken sich der Sonne entgegen. Ich nehme einen Weg, der sich die steilen, wilden Hügel hinaufwindet, an Schafherden vorbei. Hoch oben auf einem Felsvorsprung mache ich Rast und esse Brot und Käse. Später am Nachmittag entdecke ich am Ufer alte Tonscherben, deren Kanten von Zeit und Wasser glattgeschliffen wurden. Ich erfahre, dass im Dorf eine böse Grippe umgeht.
Ein paar Tage verstreichen, dann folgt eine Nacht voll Fieberphantasien. Meine Träume werden durch das An- und Ablegen von Fähren gestört. Passagiere rufen in der Dunkelheit, schrecken mich aus dem Schlaf. Jedes Mal wenn ich wieder einschlafe, zerrt das Wassergeräusch des Sees an mir. Irgendetwas stimmt nicht mit meinem Körper. Alles fühlt sich verkehrt an.
Am nächsten Morgen bin ich schwach und kann nicht denken. Einige meiner Muskeln gehorchen mir nicht. Mein Zeitgefühl wird schwammig. Ich verirre mich, die Straßen führen in zu viele Richtungen. Wie in einem Nebel ziehen die Tage an mir vorüber. Ich packe meinen Koffer, doch aus irgendeinem Grund kann ich ihn nicht hochheben. Er scheint am Boden festzukleben. Irgendwie gelange ich zum Flughafen. Während des Flugs über den Atlantik sitzt ein kranker Chirurg neben mir, er niest und hustet unaufhörlich. Mein ausnahmsweise genommener, dringend benötigter Urlaub ist nicht so verlaufen wie erhofft. Aber das wird schon alles wieder, ich will nur noch nach Hause.
Nachdem ich in Boston umgestiegen bin, lande ich kurz vor Mitternacht auf meinem kleinen Flughafen in Neuengland. Als ich auf dem Parkplatz meinen Wagen aus dem Schnee ausgraben will und mich vorbeuge, wird die Schaufel zur Krücke, mit der ich mich aufrecht halte. Ich weiß nicht, wie ich nach Hause komme. Am nächsten Morgen sinke ich direkt nach dem Aufstehen ohnmächtig zu Boden. Zehn Tage Fieber mit hämmernden Kopfschmerzen. Mehrmals in der Notaufnahme. Laboruntersuchungen. Ich bin so krank wie noch nie in meinem Leben. Die Lungenentzündung in meiner Kindheit, das Pfeiffersche Drüsenfieber in meiner Collegezeit – das alles war nichts im Vergleich zu dieser Krankheit.
Ein paar Wochen später liege ich auf der Couch und sinke in eine tiefe Dunkelheit, falle und falle, bis ich unvorstellbar fern von allem bin. Ich schaffe es nicht mehr zurück, ich erreiche meinen Körper nicht. In der Ferne die Sirene eines Krankenwagens, die Stimmen von Ärzten. Meine Augenlider schwer wie Felsbrocken. Ich versuche, sie zu heben, nur für ein paar Sekunden, doch sie schließen sich unwillkürlich wieder. Das einzige, was ich noch tun kann, ist atmen.
Die Ärzte werden mich wiederherstellen. Sie werden diesem Zustand ein Ende machen. Ich atme weiter. Was ist, wenn mein Atem stehenbleibt? Ich muss schlafen, aber ich habe Angst vor dem Schlafen. Ich versuche aufzupassen – wenn ich einschlafe, wache ich vielleicht nie wieder auf.
1. Ackerveilchen
In den ersten Frühlingstagen ging eine Freundin von mir im Wald spazieren und entdeckte zufällig auf dem Weg eine Schnecke. Sie hob sie auf und trug sie in der offenen Hand vorsichtig zu dem Studio, in dem ich zur Genesung untergebracht war. Am Rand des Rasens sah sie ein paar Ackerveilchen stehen. Mit einem Pflanzenheber grub sie einige davon aus, pflanzte sie in einen Terrakottatopf und setzte die Schnecke unter die Blätter. Dann brachte sie den Topf zu mir in die Wohnung und stellte ihn neben mein Bett.
«Ich habe eine Schnecke im Wald gefunden. Ich habe sie dir mitgebracht, sie sitzt hier unter den Veilchenblättern.„
“Wirklich? Warum hast du sie denn mitgebracht?„
“Ich weiß auch nicht. Ich dachte, du hast vielleicht Freude daran.„
“Lebt sie noch?„
Sie hob das eichelgroße, braune Schneckenhaus hoch und betrachtete es.
“Ich glaube schon.»
Warum, fragte ich mich, sollte ich an einer Schnecke Freude haben? Was in aller Welt sollte ich mit ihr anfangen? Aufstehen und sie in den Wald zurückbringen konnte ich nicht. Sie interessierte mich nicht sonderlich, und falls sie wirklich noch lebte, war die Verantwortung – gerade für etwas so Abwegiges wie eine Schnecke – einfach zu groß.
Meine Freundin umarmte mich, verabschiedete sich und fuhr davon.
Mit vierunddreißig Jahren wurde ich auf einer kurzen Europareise von einem mysteriösen viralen oder bakteriellen Krankheitserreger befallen, der schwerwiegende neurologische Symptome hervorrief. Ich hatte mich für unverwundbar gehalten. Aber das war ich nicht. Und ich hatte geglaubt, falls es doch einmal Probleme geben sollte, würde mich die moderne Medizin schon wiederherstellen. Aber dem war nicht so. Auch den Fachärzten mehrerer großer Kliniken gelang es nicht, den Urheber der Infektion zu identifizieren. Über Monate hinweg war ich immer wieder im Krankenhaus, und es kam zu lebensbedrohlichen Komplikationen. Ein noch nicht zugelassenes Medikament, das mir schon in der Erprobungszeit zugänglich gemacht wurde, stabilisierte meinen Zustand, doch es sollte mehrere zermürbende Jahre dauern, bis ich zumindest teilweise genesen war und wieder arbeiten konnte. Meine Ärzte meinten, die Krankheit liege hinter mir, und ich wollte ihnen glauben. Ich war so froh, mein altes Leben fast vollständig wiederzuhaben.
Doch dann erlitt ich aus heiterem Himmel mehrere tückische Rückfälle und war schließlich wieder bettlägerig. Weitere aufwendigere Untersuchungen brachten zutage, dass die Mitochondrien in meinen Zellen nicht mehr richtig funktionierten; alle nicht bewusst gesteuerten Körperfunktionen, darunter auch Herzfrequenz, Blutdruck und Verdauung, waren gestört. Das mittlerweile zugelassene Medikament, das mir zunächst geholfen hatte, zeigte nun gefährliche Nebenwirkungen; wenig später sollte es wieder vom Markt genommen werden.
„Ein faszinierendes Kammerspiel, die Autobiographie einer Kranken, die Biographie einer Art oder ein Selbstporträt mit Schnecke. Das Geräusch einer Schnecke beim Essen ist auch deshalb ein ganz außergewöhnliches Buch, weil es eine einzige Respektbezeugung ist, hundertfünfzig Seiten Bewunderung und Dankbarkeit. Bailey schreibt so anschaulich als schriebe sie einen Roman – mit der Zurückhaltung, der stillen Beharrlichkeit ihrer Freundin im Terrarium.“
„Einfach nur grandios.“
„Eine faszinierende Auseinandersetzung mit Wissenschaft, Literatur und ein wunderbares Buch zur Entschleunigung.“
„Eine kleine Schnecke in einem Blumentopf fesselt die Aufmerksamkeit der Autorin, die durch eine tückische Infektion ans Bett gefesselt ist. Sie entdeckt mit wachsendem Staunen deren Individualität, ja Persönlichkeit. Ihr Erfahrungsbericht, in dem ein zarter, dem Leben zugewandter Ton herrscht, ist eine selten glückliche Verbindung zwischen naturwissenschaftlicher und poetischer Weltbetrachtung.“
„Ein leises, achtsames Buch übers Innehalten und die betörende Kraft der Langsamkeit.“
„Ein funkelnder Essay.“
„Heldin mit Häuschen: Das Geräusch einer Schnecke beim Essen vermittelt nicht nur erstaunliche Einsichten über eins der vermeintlich langweiligsten und unscheinbarsten Geschöpfe, sondern es ist auch ein berührendes Zeugnis von einer einzigartigen Überlebensgemeinschaft, bei der das Tier dem Menschen mehr gegeben haben mag, als es empfing. Ein Buch abseits von allem Gängigen und Erwartbaren.“
„Ein wunderbares Buch. Es ist Wissenschaft und Literatur und Trostpflaster und Mittel zur Entschleunigung.“
„Dieses Buch ist so klug wie zauberhaft.“
„Für alle, die ihre Fühler nach einem anderen Lebensgefühl ausstrecken wollen.“
„Seite um Seite wird der Leser mehr verzaubert von so viel kleinem Wunder.“
„Tröstlich, poetisch, verblüffend. Selbst für Natur-Muffel.“
„Während ich diese stille Erzählung weiterlas, geschah etwas ganz Merkwürdiges mit mir - die Maßstäbe gerieten mit völlig durcheinander. Großes - also Griechenlandkrise, Inflation oder Urheberrecht meinetwegen - wurde ganz klein und die winzige Welt der Schnecke und ihrer bewegungsunfähigen Beobachterin sehr groß. Für viele Stunden blieb das so, und das Gefühl ist auch Monate nach der Lektüre nicht verschwunden.“
„Ich war ganz aus dem Häuschen über diese Liebeserklärung ans Leben.“
Schon allein der Titel "Das Geräusch einer Schnecke beim Essen" hat mich neugierig auf den Inhalt gemacht, dazu noch der Klappentext und ich konnte gar nicht anders als gleich loszulesen. Dieses Buch ist kein gewöhnlicher Roman, eigentlich ist es die Autobiografie der Autorin Elisabeth Tova Bailey. Hierin beschreibt sie ein Jahr ihrer etwa 20 Jahre andauernden Krankheit, die sie sich in einem kleinen Dort auf ihrem Europabesuch eingefangen hat. In diesem einen Jahr war sie mehr oder weniger ständig auf ihr Bett angewiesen. Und wenn ich mir das so überlege: man fährt auf Urlaub auf einen anderen Kontinent, kehrt krank zurück - aber nicht etwa für eine Woche, sondern für ganze 20 Jahre ... Das ist hart. Da verpasst man unter Umständen ein Viertel seines gesamten Lebens! Wäre ich an Stelle der Autorin gewesen, ich weiß nicht, ob ich in all den Monaten im Bett nicht wahnsinnig geworden wäre. ~ Das Überleben hängt oft davon ab, dass man einen Lebensinhalt hat: eine Beziehung, einen Glauben, eine auf dem schmalen Grat des Möglichen balancierende Hoffnung. ~ (S. 25) Was für ein Glück, dass sie zufällig zu ihrer Schnecke gekommen ist. Geplant war das nämlich nicht. Denn eine Freundin von Elisabeth hat ihr eine Topfpflanze geschenkt (Veilchen) und darin hat eine Schnecke geschlafen. Und weil die Autorin ja sowieso an ihr Bett gefesselt war, hat sie genügend Zeit und zwangsweise wohl auch Geduld gehabt, um die Schnecke zu beobachten. Und all das beschreibt sie eben in ihrem Buch - und es ist wirklich faszinierend! ~ Nachdem wir uns wochenlang rund um die Uhr Gesellschaft geleistet hatten, konnte an unserer Beziehung kein Zweifel mehr bestehen: Die Schnecke und ich lebten offiziell zusammen. ~ (S. 31) Von so viel Schnecke auf so wenigen Seiten habe ich noch nie gelesen. Na gut, ich bin mir auch gar nicht sicher, ob ich überhaupt schon mal was Schneckiges gelesen habe ... Jedenfalls war nicht nur die Autorin total begeistert und gebannt bei der Schneckenbeobachtung und Informationen-über-Schnecken-Beschaffung, sondern auch ich. Teilweise fand ich die Beschreibung über ihre Schnecke richtig niedlich und man bekommt große Lust, nach draußen zu gehen, sich eine Schnecke zu suchen und diese in ihrem Tun zu bestaunen. ~ Das Leben einer Schnecke ist, so sehr wie jedes andere, von dem ich weiß, von leckerem Essen, mehr oder weniger bequemen Schlafplätzen und einer Mischung aus erfreulichen und weniger erfreulichen Abenteuern erfüllt. ~ (S. 94/95) Diese Schnecke hat die Autorin wahrlich vor dem Wahnsinn bewahrt, denn die Zeit mit ihr war eine interessante Ablenkung, die sie nicht gehabt hätte, wenn ihre Freundin ihr den Veilchentopf nicht gebracht hätte. So gesehen war dieses kleine Lebewesen nicht nur wahnsinnig interessant zu beobachten, sondern auch eine Art Lehrmeisterin für die Autorin. Erstaunlich, wie viel Mut so ein Tier einem Menschen machen kann ... ~ Die Schnecke war mir eine echte Lehrmeisterin gewesen, ihr bescheidenes Dasein hatte mir Kraft gegeben. ~ (S. 145) Das ist nicht nur die Geschichte einer ganz besonderen Freundschaft, sondern auch eine Art Liebeserklärung an das Leben, die man durch das Dasein der Schnecke versteht. So wie es hier bei mir der Fall ist, bin ich nur selten durch Beschreibungen eines Lebewesens gleich so fasziniert davon. Dass Schnecken so spannend sein können, hätte ich nie erwartet. Ich sehe diese Tiere nun definitiv mit völlig anderen Augen.
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