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Alles, was istAlles, was ist

Alles, was ist Alles, was ist - eBook-Ausgabe

James Salter
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Roman

„Ein schöner Gleichmut schwebt über diesem Roman, der in einem großen Bogen das Leben seines Helden Philip Bowman erzählt, vom Krieg im Pazifik über die Nachkriegsjahre in New York bis zum Aufkommen der Frauenbewegung. Ein spätes Glanzstück amerikanischer Literatur, völlig nüchtern und doch brillant, fast rätselhaft souverän.“ - Der Tagesspiegel

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Alles, was ist — Inhalt

Ein Leben wie von Blitzlichtern ausgeleuchtet: ein Krieg. New York. Die einst so glamouröse Welt der Bücher und der Literatur, das freie, ungezügelte Leben. Philip Bowman scheint die Welt zu Füßen zu liegen, es ist ein Leben, wie er es sich vollkommener nicht hätte erträumen können - und doch droht ihm alles zu entgleiten.

Als Lieutenant Philip Bowman aus dem Pazifischen Krieg zurückkehrt, der Schlacht von Okinawa knapp entronnen, liegt das Leben endlich vor ihm. Er studiert, heuert bei einer Theaterzeitschrift an, beginnt für einen Verlag Manuskripte zu lesen. Alles scheint möglich in dem noch ungebändigten New York. Er wird Lektor in einem angesehenen Verlag, diniert mit Schriftstellern, und er lernt Vivian kennen, Vivian Amussen, das schöne unnahbare Mädchen aus dem Süden. Ein Leben, wie er es sich vollkommener nicht hätte erträumen können - und doch droht ihm alles zu entgleiten. James Salter hat einen Roman über die Verlockungen und Verheißungen New Yorks geschrieben, der ewig verführerischen Stadt, über Versuchung und Täuschung. Auftaktseite: „Salter ist mindestens so gut wie Philip Roth, er ist besser als John Updike, er steht auf einer Stufe mit Richard Ford. Wir dürfen staunen, lesen, danken.“ Die Welt „Lesen Sie James Salter: "Alles, was ist"! Es geht um nicht mehr und nicht weniger als um eben alles, was ist in unserem Leben - die Träume, die Wünsche, die Liebe, das Scheitern, letztlich: wie man sich irgendwie durchwurschtelt [...]. Salter ist nicht Shakespeare, aber er ist ein weiser alter Mann, der mit diesem Buch noch einmal seine Stimme erhebt und sagt: Dieses Leben ist alles, was ist. Macht was draus.“ Elke Heidenreich, Stern „Die Art, wie der mittlerweile 88-Jährige das Leben des Kriegsveteranen und Lektors Philip Bowman als Gesellschaftsbild aufblättert, wie Nebenfiguren und ihre Geschichten in Textnischen aufblühen und vergehen, ist faszinierendes Erzählkino.“ Christian Jooß, AZ München

€ 11,00 [D], € 11,40 [A]
Erschienen am 13.10.2014
Übersetzt von: Beatrice Howeg
368 Seiten, Broschur
EAN 978-3-8333-0982-3
Download Cover
€ 10,99 [D], € 10,99 [A]
Erschienen am 11.09.2013
Übersetzt von: Beatrice Howeg
384 Seiten
EAN 978-3-8270-7661-8
Download Cover
„Lesen Sie James Salter: "Alles, was ist"! Es geht um nicht mehr und nicht weniger als um eben alles, was ist in unserem Leben - die Träume, die Wünsche, die Liebe, das Scheitern, letztlich: wie man sich irgendwie durchwurschtelt [...]. Salter ist nicht Shakespeare, aber er ist ein weiser alter Mann, der mit diesem Buch noch einmal seine Stimme erhebt und sagt: Dieses Leben ist alles, was ist. Macht was draus.“
STERN
„Salter erzählt nicht episch ausladend, sondern impressionistisch, in Schlaglichtern. Die präzis-erhellende Ausleuchtung erfreut und erschreckt.“
Südostschweiz (überregional)

Leseprobe zu „Alles, was ist“

1. Tagesanbruch
Die ganze Nacht hindurch, im Dunkel, preschte das Wasser vorbei.
Reihe um Reihe lagen Hunderte von Männern schweigend
übereinander in den eisernen Kojen unter Deck, viele mit dem
Gesicht nach oben, die Augen noch offen, obwohl fast Morgen war.
Die Lichter waren gedämpft, die Motoren dröhnten unaufhörlich,
die Ventilatoren zogen feuchte Luft, fünfzehnhundert Mann mit
Tornistern und Waffen, schwer genug, um sie geradewegs auf den
Grund zu ziehen, als würde ein Amboss ins Meer fallen, ein Teil
der riesigen Flotte mit Kurs auf Okinawa, der großen [...]

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1. Tagesanbruch
Die ganze Nacht hindurch, im Dunkel, preschte das Wasser vorbei.
Reihe um Reihe lagen Hunderte von Männern schweigend
übereinander in den eisernen Kojen unter Deck, viele mit dem
Gesicht nach oben, die Augen noch offen, obwohl fast Morgen war.
Die Lichter waren gedämpft, die Motoren dröhnten unaufhörlich,
die Ventilatoren zogen feuchte Luft, fünfzehnhundert Mann mit
Tornistern und Waffen, schwer genug, um sie geradewegs auf den
Grund zu ziehen, als würde ein Amboss ins Meer fallen, ein Teil
der riesigen Flotte mit Kurs auf Okinawa, der großen Insel südlich
von Japan. Im Grunde war Okinawa Japan, das fremde, unbekannte
Land. Der Krieg, der seit dreieinhalb Jahren andauerte, befand
sich in seinem Schlussakt. In einer halben Stunde würden die
ersten Männer sich zum Frühstück aufreihen, es im Stehen essen,
Schulter an Schulter, ernst, ohne zu sprechen. Das Schiff bewegte
sich ruhig durch das Wasser, hier und da ein dumpfes Geräusch.
Der Stahlrumpf knarrte.
Der Krieg im Pazifik war anders als der Rest. Allein die Entfernungen
waren enorm. Es gab nichts außer endlosen Tagen auf
offener See und fremdartige Namen von Orten, die tausend Meilen
auseinanderlagen. Es war ein Krieg der vielen Inseln, es galt, sie
Japan zu entwinden, eine nach der anderen. Guadalcanal, das zur
Legende wurde. Die Solomon Islands und der Slot, die Meerenge
bei New Georgia. Tarawa, wo das Landungsboot weit vor der Insel
auf einem Riff auflief und die Männer von einem Kugelhagel dicht
wie Bienenschwärme niedergemäht wurden, der Albtraum der
Strände, aufgedunsene Leichname, die in der Brandung trieben,
die Söhne der Nation, einige wunderschön.
Am Anfang hatten die Japaner mit angsteinflößender Geschwindigkeit
alles überrannt, ganz Niederländisch-Indien, die
Malaiische Halbinsel, die Philippinen. Große Festungen, ganze
Befestigungslinien, die als uneinnehmbar galten, wurden innerhalb
von Tagen überrollt. Es hatte nur einen Gegenangriff gegeben, die
erste große Trägerschlacht mitten im Pazifik nahe der Midwayinseln,
bei der vier unersetzliche japanische Flugzeugträger mit
allen Flugzeugen und erfahrenen Mannschaften untergingen. Ein
heftiger Schlag, und doch blieben die Japaner unerbittlich. Ihr
Griff um den Pazifik musste Finger um eisernen Finger gebrochen
werden.
Die Gefechte waren endlos, mitleidlos, im tropischen Dickicht,
bei drückender Hitze. Danach sah man nah am Ufer die nackten
Palmen wie Pfähle in den Himmel ragen, jedes Blatt war weggeschossen.
Die Gegner waren grausame Kämpfer, mit fremdartigen
pagodenförmigen Konstruktionen auf ihren Kriegsschiffen, ihrer
geheimnisvoll zischenden Sprache, den gedrungenen Körpern und
der wilden Entschlossenheit. Sie ergaben sich nicht. Sie kämpften
bis in den Tod. Sie exekutierten Gefangene mit rasiermesserscharfen
Klingen, zweihändige Schwerter, hoch über den Kopf gehoben,
und sie waren erbarmungslos im Sieg, die Waffen im Massentriumph
in die Luft gestemmt.
1944 wurden die letzten großen Etappen eingeläutet. Ziel war,
das japanische Festland in Reichweite schwerer Bomber zu bringen.
Saipan war der Schlüssel. Es war groß und wurde bis aufs
Äußerste verteidigt. Die japanische Armee war abgesehen von
Außenposten wie Neuguinea oder den Gilbertinseln seit mehr als
350 Jahren im Kampf nicht mehr geschlagen worden. Es gab fünfundzwanzigtausend
japanische Soldaten auf der Insel Saipan, deren
Befehl es war, nicht einen Zentimeter zu weichen. In der Ordnung
weltlicher Dinge galt die Verteidigung von Saipan als Kampf um
Leben und Tod.
Im Juni begann die Invasion. Die Japaner hatten gefährliche
Marineverbände in der Gegend, schwere Kreuzer und Schlachtschiffe.
Zwei Marinedivisionen gingen an Land und eine Heeresdivision
folgte.
Für die Japaner wurde es zur Katastrophe von Saipan. Zwanzig
Tage später waren fast alle tot. Der japanische General und Admiral
Nagumo, der bei Midway das Kommando geführt hatte, nahm
sich das Leben, und Hunderte von Zivilisten, Männer und Frauen,
die Angst hatten, ermordet zu werden, darunter Mütter, die ihre
Babys im Arm hielten, sprangen von den Steilfelsen auf die spitzen
Klippen darunter in den Tod.
Es war das Totengeläut. Die Bombardierung von Japans Hauptinsel
war jetzt möglich, und bei einem der massivsten Luftangriffe
des gesamten Kriegs, mit Brandbombenabwürfen über Tokio, starben
in nur einer Nacht mehr als achtzigtausend Menschen in dem
Inferno.
Als Nächstes fiel Iwojima. Die Japaner riefen zum äußersten
Schwur: Eher der Tod von hundert Millionen, der ganzen Bevölkerung,
als Kapitulation.
Auf dem Weg lag Okinawa.
Der Tag zog auf, ein blasser Pazifikmorgen, ohne wirklichen Horizont,
nur die oberen Ränder der Wolken fingen das erste Licht.
Das Meer war leer. Langsam erschien die Sonne, flutete weißlich
über das Wasser. Ein Lieutenant junior zur See namens Bowman
war an Deck gekommen, er stand an der Reling und blickte hinaus.
Sein Kabinennachbar Kimmel stellte sich schweigend neben ihn.
Es war ein Tag, den Bowman nie vergessen würde. So wenig wie
alle anderen.
„Irgendwas zu sehen?“
„Nichts.“
„Nicht dass man was sehen könnte“, sagte Kimmel.
Er sah nach vorne, dann nach achtern.
„Es ist zu friedlich“, sagte er.
Bowman war Navigationsoffizier und auch Wachoffizier, wie er
zwei Tage zuvor erfahren hatte.
„Sir“, hatte er gefragt. „Was beinhaltet das genau?“
„Hier ist das Handbuch“, sagte der erste Offizier.
Er begann am Abend zu lesen, hin und wieder knickte er eine
Seite um.
„Was machst du?“, fragte Kimmel.
„Lass mich jetzt mal.“
„Was liest du da?“
„Ein Handbuch.“
„Ich glaub es nicht, wir sind mitten in feindlichen Gewässern,
und du sitzt hier und liest ein Handbuch? Das ist wohl kaum die
richtige Zeit dafür. Du solltest mittlerweile doch wissen, was zu
tun ist.“
Bowman achtete nicht auf ihn. Sie waren von Anfang an zusammen
gewesen, seit midshipman’s school, wo der Kommandant,
ein Kapitän zur See, dessen Karriere endete, als sein Zerstörer auf
Grund lief, jedem Mann eine Ausgabe von Die Botschaft an Garcia
auf das Bett gelegt hatte, ein inspirierender Text aus dem Spanisch-
Amerikanischen Krieg. Kapitän McCreary hatte keine Zukunft,
aber er blieb dem Anspruch der Vergangenheit treu. Jeden Abend
trank er sich in einen Rausch, aber am Morgen war er wieder frisch
und immer glattrasiert. Er kannte das Handbuch der Marinevorschriften
auswendig und hatte die Ausgaben der Botschaft an Garcia
aus eigener Tasche bezahlt. Bowman hatte es aufmerksam gelesen,
Jahre später konnte er noch daraus zitieren. Garcia befand sich irgendwo
in der Weite der kubanischen Berge – wo genau, das wusste
keiner … Die Aussage war sehr einfach: Tu deine Pflicht, aus vollem
Herzen, ohne unnötige Fragen oder Ausreden. Kimmel hatte beim
Lesen gelacht.
„Aye, aye, Sir. An die Waffen, Männer!“
Er war dunkelhaarig und mager und hatte einen schlaksigen
Gang, mit langen Beinen, so schien es zumindest. Seine Uniform
sah immer aus, als hätte er darin geschlafen. Sein Hals war zu dünn
für seinen Kragen. Die Kameraden nannten ihn untereinander das
Kamel, aber er hatte einen playboyhaften Charme, und Frauen
mochten ihn. In San Diego hatte er etwas mit einem lebhaften
Mädchen namens Vicky angefangen, deren Vater Palmetto-Ford-
Vertragshändler war. Sie hatte blondes, zurückgenommenes Haar
und etwas Verwegenes an sich. Sie fühlte sich sofort von Kimmel
angezogen, seinem lässigen Flair. In dem Hotelzimmer, das er sich
mit zwei anderen besorgt hatte, und wo sie, wie er erklärte, den
Lärm der Bar nicht um sich hätten, saßen sie und tranken Canadian
Club Whisky mit Cola.
„Wie das wohl passiert ist?“, sagte er.
„Wie was passiert ist?“
„Dass wir uns getroffen haben.“
„Verdient hast du es nicht.“
Er lachte.
„Muss Schicksal sein“, sagte er.
Sie nippte an ihrem Glas.
„Schicksal? Dann heiraten wir also?“
„Das ging aber schnell. Ich bin noch zu jung zum Heiraten.“
„Du würdest mich im ersten Jahr wahrscheinlich nur zehn Mal
betrügen“, sagte sie.
„Ich würde dich niemals betrügen.“
„Haha.“
Sie wusste genau, wie er war, doch das würde sie ändern. Sie
mochte sein Lachen. Er müsste aber zuerst ihren Vater kennenlernen,
bemerkte sie.
„Ich würde deinen Vater gerne kennenlernen“, antwortete Kimmel
scheinbar ernst. „Hast du ihm von uns erzählt?“
„Glaubst du, ich bin verrückt? Er würde mich umbringen.“
„Was meinst du? Warum?“
„Weil ich schwanger bin.“
„Du bist schwanger?“, sagte Kimmel beunruhigt.
„Wer weiß?“
Vicky Hollins in ihrem seidenen Kleid, die Blicke hafteten an
ihr, wenn sie vorüberging. Mit hohen Schuhen war sie gar nicht mal
so klein. Sie nannte sich gern beim Nachnamen. Hollins, meldete
sie sich am Telefon.
Sie liefen aus, alles wurde dadurch real oder auf gewisse Weise
real.
„Wer weiß, ob wir zurückkommen“, sagte er wie nebenbei.
Ihre Briefe waren in den zwei Postsäcken gekommen, die
Bowman aus Leyte zurückgebracht hatte. Er war dort vom ersten
Offizier hinbeordert worden, um im Flottenpostamt die Schiffspost
aufzutreiben – sie hatten seit zehn Tagen nichts mehr bekommen
–, und siegreich in einer TBM mit den zwei Säcken zurückgekehrt.
Kimmel las Teile ihrer Briefe laut vor, vor allem Brownell
zuliebe, dem dritten Mann in ihrer Kabine. Brownell war von tiefer
idealistischer Moral und mit Spuren von Akne auf seinem leicht
angespannten Kinn. Kimmel machte sich gerne einen Spaß mit
ihm. Er roch an dem Briefpapier. Ja, das war ihr Parfum, sagte er, er
würde es überall erkennen.
„Und vielleicht noch etwas anderes“, rätselte er. „Ich frag mich,
meinst du, sie hat es vielleicht, du weißt schon, an sich gerieben …?
Hier“, sagte er und hielt das Papier Brownell hin. „Was meinst du?“
„Davon weiß ich nichts“, sagte Brownell verunsichert. Seine
Kiefermuskeln arbeiteten.
„Klar doch, ein alter Frauenheld wie du.“
„Versuch ja nicht, mich in deine Bettgeschichten reinzuziehen“,
sagte Brownell.
„Das sind keine Bettgeschichten, sie schreibt mir, weil wir verliebt
sind. Es ist etwas Schönes und Reines.“
„Als wüsstest du, was das ist.“
Brownell las Der Prophet.
„Der Prophet. Was ist das?“, sagte Kimmel. „Lass mal sehen. Was
sagt er denn? Komm schon. Was wird passieren?“
Brownell antwortete nicht.
Die Briefe waren weniger aufregend, als man es von einem Blatt
mit weiblicher Handschrift erwarten würde. Vicky redete gerne,
und ihre Briefe waren eine ausführliche und etwas eintönige Beschreibung
ihres Lebens, das unter anderem darin bestand, an all
die Orte zurückzukehren, an denen sie mit Kimmel gewesen war,
normalerweise in Begleitung ihrer besten Freundin Susu oder in
Begleitung anderer junger Marineoffiziere, bei denen sie aber immer
an Kimmel dachte. Der Barkeeper erinnerte sich noch an sie
beide, ein wunderbares Paar. Als Abschluss setzte sie jedes Mal eine
bekannte Liedzeile unter den Brief, I didn’t want to do it, schrieb sie.
Bowman hatte keine Freundin, treu oder nicht. Er hatte keine
Erfahrung in der Liebe, wollte es aber nicht unbedingt zugeben. Er
ließ das Thema einfach an sich vorüberziehen, wenn die Sprache
auf Frauen kam, und tat, als wäre Kimmels aufregende Affäre
nichts, was ihm unbekannt wäre. Sein Leben war das Schiff und
seine Pflichten an Bord. Er fühlte sich all dem treu verbunden, der
Tradition, die er respektierte, er fühlte einen gewissen Stolz, wenn
der Kapitän oder Sergeant ihn „Mister Bowman!“ nannten. Er
mochte es, wenn sie sich auf ihn verließen, wie beiläufig es auch
war.
Er war gewissenhaft. Er hatte blaue Augen und braunes, zurückgekämmtes
Haar. Er war bereits in der Schule gewissenhaft
gewesen. Miss Crowley hatte ihn nach der Stunde zur Seite genommen
und ihm gesagt, er habe die besten Voraussetzungen für
einen erstklassigen Latinisten, aber wenn sie ihn jetzt hätte sehen
können, in seiner Uniform mit den meeresstumpfen Abzeichen,
wäre sie sehr beeindruckt gewesen. Seit der Zeit, als er und Kimmel
in Ulithi an Bord gekommen waren, hatte er, wie er fand, seine Arbeit
gut gemacht.
Die Frage, ob er sich im Kampf bewähren würde, lastete schwer
auf ihm, als sie am Morgen dort standen, in aller Frühe, und auf
die geheimnisvolle, fremde See hinausblickten und dann in den
Himmel, der langsam heller wurde. Mut und Angst und wie man
sich unter Beschuss verhielt, gehörten nicht zu den Dingen, über
die gesprochen wurde. Man hoffte, wenn es so weit wäre, würde
man handeln, wie es von einem erwartet wurde. Er vertraute auf
sich, wenn auch nicht vollständig, und auf die Führung, die altbewährten
Namen, die die Flotte kommandierten. Einmal hatte er
in der Ferne, tief und geschmeidig durch das Wasser gleitend, das
getarnte Flaggschiff gesehen, die New Jersey, mit Halsey an Bord.
Es war, als würde man in Regensburg von Ferne Karl den Großen
sehen. Er fühlte eine Art Stolz, wenn nicht gar Erfüllung. Es hatte
gereicht.
Die wahre Gefahr käme aus der Luft, die Selbstmordangriffe,
die Kamikazeflieger – das Wort bedeutete ›göttlicher Wind‹, die
vom Himmel gesandten Stürme, die Japan Jahrhunderte zuvor vor
dem Einfall der mongolischen Flotte unter Kublai Khan gerettet
hatten. Auch jetzt war es ein Eingreifen von oben, dieses Mal durch
bombenschwere Flugzeuge, die sich direkt in die feindlichen Schiffe
stürzten, wobei die Piloten starben.
Der erste dieser Angriffe hatte ein paar Monate zuvor auf den
Philippinen stattgefunden. Ein japanisches Flugzeug flog in einen
schweren Kreuzer, explodierte und tötete den Kapitän und neben
ihm viele andere. Seitdem hatten sich die Angriffe vermehrt. Die
Japaner kamen in unregelmäßigen Gruppen, wie aus dem Nichts
tauchten sie plötzlich auf. Die Männer starrten wie hypnotisiert
nach oben, fasziniert, voller Angst, während die Flugzeuge durch
das dichte Fliegerabwehrfeuer direkt auf sie niederstießen oder
flach über das Wasser hereinkamen. Um Okinawa zu verteidigen,
hatten die Japaner den größten aller Kamikazeangriffe geplant.
Der Verlust der Schiffe wäre so hoch, dass die Invasion zurückgeschlagen
und vernichtet würde. Es war nicht nur ein Traum. Der
Ausgang großer Schlachten ließ sich durch Entschlossenheit wenden.
Den ganzen Morgen hindurch geschah allerdings nichts. Die
Dünung rollte heran und trieb vorbei, ein paar weiße Ränder hoben
sich an den Spitzen und brachen rückwärts. Der Himmel war
wolkenverhangen, darunter lag der strahlende Tag.
Die erste Warnung vor feindlichen Flugzeugen kam von der
Brücke. Bowman rannte zur Kabine, um seine Rettungsweste zu
holen, als der Alarm für die Mannschaft losging und alles übertönte.
Er kam an Kimmel vorbei, er trug einen Helm, der zu groß für
ihn schien, er rannte die Stahltreppe hinauf und rief: „Sie kommen!
Sie kommen!“
Das Feuer war eröffnet, jedes Geschütz auf dem Schiff und
den Schiffen in der Nähe feuerte. Der Lärm war ohrenbetäubend.
Schwärme von Flugabwehrgeschossen trieben durch den
schwarzen Qualm nach oben. Auf der Brücke schlug der Kapitän
dem Steuermann gegen den Arm, um sich bemerkbar zu machen,
Männer rannten immer noch zu ihren Gefechtsständen. Alles passierte
mit zwei Geschwindigkeiten. Der Lärm und die verzweifelte
Hast der Handlungen, und dann eine langsamere, ganz eigene
Geschwindigkeit, die des Schicksals und der dunklen Punkte am
Himmel, die durch das Gefechtsfeuer auf sie zukamen. Sie waren
noch weit entfernt, es schien, als könnten die Geschosse sie nicht
erreichen, und dann, im allgemeinen Getöse, löste sich ein einzelnes
dunkles Flugzeug und stürzte unbeirrt wie ein blindes Insekt mit
roten Insignien auf den Flügeln und glänzend schwarzer Haube auf
sie herab. Jedes Geschütz auf dem Schiff feuerte darauflos, die Sekunden
fielen ineinander. Dann, mit einer riesigen Explosion und
einer geysirartigen Fontäne, schlingerte das Schiff unter ihnen zur
Seite weg – das Flugzeug hatte sie, zumindest längsseits, getroffen.
Im Rauch und der allgemeinen Verwirrung konnte es keiner sagen.
„Mann über Bord!“
„Wo?“
„Achtern, Sir!“
Es war Kimmel, der glaubte, das Munitionslager mittschiffs wäre
getroffen worden, und gesprungen war. Der Lärm war noch immer
gewaltig, es wurde auf alles geschossen. Im Kielwasser versuchte
Kimmel, sich zwischen den Wogen und Wrackteilen über Wasser
zu halten, und verschwand langsam außer Sichtweite. Sie konnten
nicht anhalten oder für ihn umkehren. Er wäre sicher ertrunken,
wurde aber wundersamerweise von einem Zerstörer aufgelesen, der
fast augenblicklich von einem weiteren Kamikazeflieger versenkt
wurde. Die Mannschaft konnte von einem zweiten Zerstörer geborgen
werden, und auch dieser wurde kaum eine Stunde später der
Wasserlinie gleichgemacht. Kimmel endete in einem Marinelazarett.
Er wurde zu einer Art Legende. Er war aus einem Irrtum vom
Schiff gesprungen und hatte an nur einem Tag mehr Kampfhandlungen
erlebt, als der Rest von ihnen während des gesamten Kriegs.
Danach verlor Bowman ihn aus den Augen. Er versuchte mehrere
Male, ihn in Chicago ausfindig zu machen, aber ohne Erfolg.
Mehr als dreißig Schiffe wurden an dem Tag versenkt. Es waren die
schwersten Verluste der Flotte während des Kriegs.
Nahe derselben Stelle erklang nur wenige Tage später das Totengeläut
der kaiserlichen Marine. Mehr als vierzig Jahre lang, seit
ihrem erstaunlichen Sieg über die Russen bei Tsushima, hatten
die Japaner ihre Kräfte immer weiter verstärkt. Ein Inselimperium
bedurfte einer mächtigen Flotte, und japanische Schiffe galten als
überlegen. Da sie mit kleineren Soldaten bemannt waren, wurde
weniger Raum zwischen den Decks benötigt, und dies erlaubte
schwerere und größere Geschütze und eine höhere Geschwindigkeit.
Das größte dieser Schiffe, unbesiegbar, mit stärksten Stahlwänden
und modernstem Korpus, trug den poetischen Namen
ihrer Nation Yamato. Mit dem Befehl, die große Invasionsflotte vor
Okinawa anzugreifen, lief es aus einem Binnenhafen aus, wo es in
Bereitschaft gelegen hatte.

Über James Salter

Biografie

James Salter, 1925 in Washington, D.C. geboren und in New York aufgewachsen, wurde mit seinen großen Romanen „Lichtjahre“ und „Ein Spiel und ein Zeitvertreib“ auch in Deutschland berühmt. Er diente als Kampfflieger zwölf Jahre lang in der US Air Force und nahm 1957 seinen Abschied, als sein Debüt,...

Pressestimmen
STERN

„Lesen Sie James Salter: "Alles, was ist"! Es geht um nicht mehr und nicht weniger als um eben alles, was ist in unserem Leben - die Träume, die Wünsche, die Liebe, das Scheitern, letztlich: wie man sich irgendwie durchwurschtelt [...]. Salter ist nicht Shakespeare, aber er ist ein weiser alter Mann, der mit diesem Buch noch einmal seine Stimme erhebt und sagt: Dieses Leben ist alles, was ist. Macht was draus.“

Südostschweiz (überregional)

„Salter erzählt nicht episch ausladend, sondern impressionistisch, in Schlaglichtern. Die präzis-erhellende Ausleuchtung erfreut und erschreckt.“

fudder.de

„James Salter ist ein wunderbarer Erzähler und er hat eines dieser Bücher geschrieben, das man seinen Freunden immer wieder empfiehlt, damit es auch ja jeder gelesen hat.“

Buchkultur

„Unaufgeregt könnte man den Roman nennen, unaufgeregt und abgeklärt, gleichzeitig treffsicher und elegant. Wenn es so etwas wie einen "modernen Klassiker" gibt, dann ist es James Salter. Und wenn es ein zeitloses, klassisches Schreiben gibt, dann findet es sich in diesem Roman.“

FOCUS Spezial Bücher

„Ich bin total glücklich, dass James Salter, ein Schriftsteller, den ich immer sehr geschätzt habe, uns auf einmal mit diesem neuen Buch "Alles, was ist" überrascht hat. Wenn jemand das mit 88 Jahren tut, ist das schon außergewöhnlich. [...]. Er hat einfach so eine einzigartige Sprache, zumindest im Englischen - unglaublich inspiriert und klar zugleich.“

Bayern 2 "Diwan"

„Ein lakonisches, ein reifes Resümee über ein Leben nach dem Krieg.“

ORF Ö1 "Ex Libris"

„James Salter zieht in diesem Roman die Summe eines erfüllten Erzählerlebens. "Alles, was ist": ein großes, radikales Alterswerk - und ein sublimes Lesevergnügen.“

Westfalenpost

„Salter feiert bei aller Gleichmut im Ganzen das Leben in seinen Details, beschreibt Eindrücke mit großer Intensität, kann in wenigen Sätzen Lebensgeschichten der wechselnden Menschen, die Bowmans Weg kreuzen, prägnant fassen. [...]. Man fürchtet, dass eine solche abgeklärte Brillanz in Gegenwart und Zukunft schwer zu finden sein wird.“

WAZ

„Der nunmehr 88-jährige US-Schriftsteller James Salter überrascht in diesem ersten Roman seit 30 Jahren mit Radikalität und Sprachmacht.“

Der Tagesspiegel

„Ein schöner Gleichmut schwebt über diesem Roman, der in einem großen Bogen das Leben seines Helden Philip Bowman erzählt, vom Krieg im Pazifik über die Nachkriegsjahre in New York bis zum Aufkommen der Frauenbewegung. Ein spätes Glanzstück amerikanischer Literatur, völlig nüchtern und doch brillant, fast rätselhaft souverän.“

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