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Klingenfieber

Klingenfieber

Tobias O. Meißner
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Roman

„Tobias O. Meißner hat eine neue Geschichte geschrieben, die allerdings auch Leser der ›alten Schule‹ überzeugen dürfte: Spannende (und blutige) Duelle und eine Queste, die sich erst im Laufe der Geschichte offenbart.“ - bibliofantastica.wordpress.com

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Klingenfieber — Inhalt

Erenis ist eine Amazone, eine wunderschöne und mächtige Meisterschülerin der Kriegskunst. Getrieben von einer rastlosen Raserei, fordert sie die stärksten Männer heraus – doch kämpft sie nicht, um zu siegen, sondern um zu töten. Gnadenlos. Fanatisch. Ohne einen einzigen Fehler zu machen. Dann erfährt Erenis, dass die Feinde ihrer Kindheit noch immer am Leben sind, und zieht los, um sie endgültig im Kampf zu besiegen. Doch ahnt die Amazone nicht, welch monströse Gegner sie damit zum Duell fordern wird ...

€ 9,99 [D], € 9,99 [A]
Erschienen am 12.11.2013
432 Seiten, WMePub
EAN 978-3-492-96386-2
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Leseprobe zu „Klingenfieber“

Wie ein Schwarm goldener Schmetterlinge tanzte das Licht über dem Fluss, und in diesem Licht sah Stenrei sie zum ersten Mal.

Zu diesem Zeitpunkt wusste er noch nicht, dass sie die Klingentänzerin war.

Er beobachtete sie, wie jeder Junge von sechzehn Jahren eine schöne Frau beim Baden beobachtet hätte, vorausgesetzt, er hat sich noch nicht durch ein Geräusch verraten und kann sich eines ebenfalls unbemerkten Rückzugs einigermaßen sicher sein.

Es war nichts weiter als ein Zufall.

Stenrei hatte sich auf einem seiner Streifzüge befunden. Die Waldstämme rührten [...]

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Wie ein Schwarm goldener Schmetterlinge tanzte das Licht über dem Fluss, und in diesem Licht sah Stenrei sie zum ersten Mal.

Zu diesem Zeitpunkt wusste er noch nicht, dass sie die Klingentänzerin war.

Er beobachtete sie, wie jeder Junge von sechzehn Jahren eine schöne Frau beim Baden beobachtet hätte, vorausgesetzt, er hat sich noch nicht durch ein Geräusch verraten und kann sich eines ebenfalls unbemerkten Rückzugs einigermaßen sicher sein.

Es war nichts weiter als ein Zufall.

Stenrei hatte sich auf einem seiner Streifzüge befunden. Die Waldstämme rührten sich wieder, raunten die Alten. Die Grünen Leute rüsteten zum Aufstand. Bewegten die Bäume. Schlugen aus. Röteten zum Herbst. Und die Niederstädte entsandten Truppen, um das Dickicht zu beruhigen. Stenrei träumte davon, einer solchen Truppe zu begegnen, sich nützlich machen zu können, vielleicht als ortskundiger Führer, vielleicht aber auch nur als Schildknappe oder Geschirrträger, ganz egal. Nur weg von hier, weg von Bosel, der Eintönigkeit, den ewig gleichen Gassen, weg von den Eltern und den anderen, die so gar nichts an sich hatten, was für ihn anziehend war.

Niemand in Bosel hatte Vorstellungen. Vorstellungen von der Welt jenseits der Wälder.

Es gab ein Sprichwort hier: „Hau den Baum und schaff ihn heim.“ Das hieß: Nimm dir vor, was bewältigbar ist, sichere es und schere dich nicht um alles Weitere. Stenrei hasste diese Denkweise. Sie war wie die Arbeit seines Vaters, sie fügte Steine aufeinander, um kleine, kompakte Häuser daraus zu schaffen. Und in diese Häuser zogen dann kleine Familien und lebten winzige Leben. Aber die Welt war doch so riesig und bot so viele Wunder! Und jeder, der jemals durch Bosel gekommen war, um irgendwo anders hinzugehen, hatte in den Schenken davon Kunde gebracht. Von den Offenen Ländern. Den Wandernden Feuern. Den Bergen. Den Meeren. Der Hochstadt. Den Drachen und dickhäutigen Elfentieren.

Stenrei war ein Träumer. Aber keiner, der seine Nase in Bücher steckte. Sondern eher ein Abenteurer, dem man bislang noch nicht gestattet hatte, eine Waffe zu tragen. Gerne rannte er ungestüm und einsam durch den Wald, wenn seine Arbeit mit seinem Vater, dem Steinsetzer, es ermöglichte. Manchmal pirschte er auch. Mit sechzehn durfte er noch keinen Bogen tragen und kein Wild jagen. Dieses Dekret war erst einige Jahrzehnte alt und diente vor allem dem Schutz der Waldleute, auf die übereifrige Jugendliche aus den Steindörfern sonst Jagden veranstalten mochten. Aber dieses Dekret beraubte ihn aller Möglichkeiten. Er konnte sich nicht schulen. Nicht erwachsen werden vor der Zeit. Aber er konnte immerhin die Wälder durchstreifen und sie mehr und mehr kennenlernen. Das unendlich erscheinende, lichtdurchwölkte Immergrün mit seinen Hügeln und Grasflecken, mit den falkenköpfigen Götzen der Grünmenschen und den eigentümlichen Tieren, die dort hausten.

Heute hatte er gepirscht, war der Fährte einer Stachelbache gefolgt, bis hin zum Fluss.

Die Bache war schon lange nicht mehr dort gewesen. Hatte nur getrunken und dann weiter. Aber die Frau, die sich wusch, die war dort.

Das Licht tanzte auf der Strömung, als würden tausend Flämmchen züngeln.

Die Frau war ganz in Leder gekleidet, sehr enges Glattleder die Hose und sehr dünnes Wildleder das Hemd. Sie hatte die Hose nicht ausgezogen im Fluss, bei diesem Material war es gleichgültig, ob es nass wurde oder nicht, aber sie hatte sie sich heruntergestreift.

Nun sah er ihren Hintern, als sie sich dort und zwischen den Beinen wusch, und er sah von seinem Standpunkt aus immerhin zwei Drittel ihrer Brüste, als sie sich auch unter diesen mit frischem Wasser benetzte.

Es war aufregend. Zu aufregend, als dass er auch nur auf den Gedanken hätte kommen können, sich selbst beim Beobachten zu berühren. Er war viel zu sehr in Anspruch genommen vom Schauen. Sämtliche weiteren gleichzeitigen Tätigkeiten hätten ihn überfordert.

Mit offen stehendem Mund beobachtete er, wie die Frau im Fluss sich die Achseln und die Schenkel wusch, dann das Gesicht. Dann zog sie sich die Hose wieder hoch, was nicht einfach zu sein schien, weil sie sehr eng war. Unter der Hose zeichnete sich das prächtige Gesäß fast noch deutlicher, noch praller ab als vorher, als die Frau untenherum nackt gewesen war.

Dann knöpfte sie sich auch ihr Hemd wieder zu. Was schade war, denn Stenrei hätte sie gerne von vorne gesehen.

Sein Blick fiel auf das Schwert, das am Ufer neben ihrem Rucksack lag. So eines hatte er noch nie gesehen. Es hatte rote Muster in der Klinge, wie eine Schrift aus Blut, und es sah schwer aus. Er fragte sich, wie es wohl in seiner Hand liegen würde, aber er war kein Dieb, und wenn er sie fragte, ob er es einmal halten dürfe, würde sie ihn wahrscheinlich für ein Kind halten und auslachen.

Als er wieder zurückschaute zu der Frau, sah sie genau in seine Richtung.

Er erschrak bis ins Mark.

Er war aber doch gut genug verborgen, oder? Mehrere Schichten Blattwerk deckten ihn. Er konnte hindurch spähen, aber sie doch wohl nicht zurück? Und ein Geräusch hatte er doch ebenfalls nicht gemacht, da war er sich sicher.

Er schluckte. Zum ersten Mal sah er das Gesicht der Frau. Und obwohl er fürchten musste, von ihr entdeckt worden zu sein, war er fasziniert von ihren Zügen. Ihr Kinn war energisch, ihre Nase gerade, die Augen klar, von heller Farbe, blau oder grün, vielleicht eine Mischung aus beidem. Ihr dunkelblondes Haar mochte sehr lang sein, aber sie trug es zusammengebunden zu einer Ansammlung von Knoten. Besonders ihre Brauen gefielen ihm. Sie waren sanft geschwungen, sodass ihr Gesicht fast ein wenig hochmütig wirkte, aber sie waren schmal und nicht im Mindesten in der Mitte zusammengewachsen wie bei so manchen Mädchen aus dem Dorf.

Diese Brauen waren nicht gerunzelt. Also argwöhnte sie wohl nichts.

Tatsächlich blickte sie nicht lange in seine Richtung. Vielleicht hatte sie etwas gehört, einen auffliegenden Ufervogel womöglich, in seiner Nähe. Ein dummer Zufall. Nichts weiter.

Er entspannte sich, als sie das Lederhemd fertig zugeknöpft hatte, das von ihren Brüsten glänzend gespannt wurde, und zum Ufer watete, wo ihre Ausrüstung lag. Sie nahm ihren Rucksack und warf ihn sich über. Das Schwert schob sie sich ebenfalls auf den Rücken, der Rucksack schien eigens dafür vorgesehene Schlaufen zu besitzen. Auf so etwas wie eine Schwertscheide schien sie zu verzichten, sie trug den Stahl offen.

Dann tauchte sie ins Unterholz ein und war weg. Er hörte sie nur noch kurze Zeit, dann waren auch ihre Geräusche im Unterholz verschwunden.

Stenrei überlegte, ob er ihr folgen sollte.

Sie war außergewöhnlich schön. Sicherlich nicht aus diesem Land, ihr Gesicht wies eine nordische Fremdartigkeit auf, die ihn sehr ansprach. Sie war vielleicht fünfundzwanzig Jahre alt. Damit natürlich deutlich älter als er selbst, also etwa im Alter der Frau, die ihn immer noch ab und zu im Lesen und Schreiben unterrichtete. Aber sie gefiel ihm. Gefiel ihm viel besser als die Mädchen im Dorf. Diese Brauen. Das freche, offene Schwert. Ihr Blick. Wie sie sich bewegt hatte, sehr sicher und geschmeidig. Auch ihre Kleidung. Die Hose, die so tief auf den Hüften saß, dass man beinahe schon die Einkerbung des Hinterns sehen konnte. Allein dieser Hose zu folgen mochte schon mancherlei Mühsal wert sein.

Stenrei war begeistert von dieser Frau. Und spürte schon jetzt, nachdem er sie gerade erst ein paar Augenblicke lang hatte beobachten können, so etwas wie das ziehende Sehnen eines Verlusts in sich.

Er wollte ihr folgen. Sein Pirschen an ihr erproben. Es war ihm natürlich klar, dass das nicht ohne Gefahr sein würde. Sie war offensichtlich eine Schwertkriegerin. Das Schwert zeigte seine blutrote Schrift jedem, der solcherart zu lesen verstand. Sicherlich war die Trägerin einer solch beeindruckenden Waffe nicht gut zu sprechen auf Jungs, die ihr durchs Unterholz nachschlichen.

Er dachte hin und her, vor und zurück.

Aber wollte ihr folgen.

Er schlug ihre Richtung ein, weg vom Flimmern und Funkeln des Wassers, hinein in das tiefere Grün.

Und fand ihre Fährte nicht. Sie hatte keine hinterlassen. Sie war umsichtiger als eine Stachelbache, natürlich.

Er seufzte. Kratzte sich am bartlosen Kinn. Kratzte sich mit dem Daumen am Rücken.

Er wollte noch etwas umherstreifen. Vielleicht begegnete er ihr ja wieder. Wo ein Zufall war, mochten auch mehrere möglich sein. Sie konnte ja wohl kaum schlecht zu sprechen sein auf Jungs, die einfach nur im Wald umherstreiften. Zumal er von hier war und ein Anrecht darauf hatte, in dieser Gegend herumzuschlendern, während sie fremd war, fremd sein musste, denn er hatte noch nie von ihr gehört, sie nie zuvor gesehen.

Er konnte nicht wissen, dass sie die Klingentänzerin war, denn niemand hatte ihm je von ihr erzählt.

So wandelte er herum. In der ungefähren Richtung, in der sie verschwunden sein musste. Er war leiser noch als sonst dabei. Denn sie war doch sicherlich nicht auf Dauer lautlos. Vielleicht, wenn er Glück hatte, konnte er sie erlauschen, ein Rascheln vernehmen, ein Streifen von Zweigen über ihre Lederbeine, und sich dann wieder tarnen als einer, der ein Ziel hatte, der jemandem folgte.

Er wandelte herum, bis ihm plötzlich beide Beine weggehebelt wurden. Von einem anderen Bein. In Leder. Er schlug hin, die Welt plötzlich ein grüner Wasserfall. Rollte sich herum. Ächzte. Etwas rauschte. Das Schwert. Mit den roten Mustern in der Klinge, wie eine Schrift aus Blut. Mit der Spitze an seiner Kehle. Der Wasserfall kam zum Erliegen. Alles Grün erstarrte.

„Schleichst du mir nach?“, fragte die Frau. Sie sah nicht wütend oder aufgebracht aus, aber ihre Stimme brannte wie Eis.

„Nein, ich bin oft hier, oft im Wald …“

„Du hast mich beobachtet, im Fluss.“

„Bestimmt nicht! Bestimmt nicht!“

„Was hast du gesehen?“

„Nichts!“ Das Schwert wurde schwerer auf seinem Kehlkopf. Er beschloss plötzlich, einfach nur die Wahrheit zu sagen, sich nicht zu verstricken. Wahrheit schien ihm das Einzige zu sein, was das Gewicht des Schwertes zumindest zu vermindern imstande war. „Von hinten, nur von hinten, im Fluss. Aber es war nichts als Zufall. Ich bin Euch nicht zum Fluss gefolgt. Ich war einem Wild auf der Spur, einem Schwein.“

„Wie passend. Einem Schwein. Doch wozu? Du hast ja nicht mal einen Bogen.“

„Zum Spaß. Zum Zeitvertreib. Ich mache das … oft. Zur Übung!“

Sie betrachtete ihn, wog ab. „Du hast Glück, Junge. Dass du kein Mann bist. Denn wärst du ein Mann, würde ich dich jetzt töten.“ Sie nahm das Schwert von ihm und steckte es wieder weg. Von Nahem sah sie noch hübscher aus als vorhin am Fluss. Aber dennoch regte sich in ihm auch ein wenig Zorn.

„Warum töten?“, fragte er, während er vorsichtig aufstand. „Ich habe Euch nichts zuleide getan. Es gibt keinen Grund, mich dafür zu töten, dass ich Euch zufällig im Fluss sah.“

„Männer sind schon für weniger gestorben. Sag, gibt es in der Nähe hier ein Dorf?“

„Ja, gibt es. Bosel. Ich stamme von dort.“

„Führst du mich hin?“

„Was bekomme ich denn dafür?“ Er wusste selbst nicht, woher er den Mut nahm, so dreist zu antworten. Etwas in ihrem Gesicht vielleicht. Sie war keine Räuberin. Sie war nicht freundlich, aber auch nicht feindselig. Man konnte mit ihr reden, also auch mit ihr verhandeln.

„Nichts“, sagte sie, lächelte beinahe, und ging an ihm vorbei. Es war die falsche Richtung, sie führte nicht nach Bosel. Sie ließ ihn einfach stehen.

Aber er wollte nicht, dass sie ging. Sie hatten nun ein Gespräch begonnen, das er gerne fortgesetzt hätte. Das war nämlich viel, viel besser, als ihr umständlich nachpirschen zu müssen.

„Wartet!“, rief er und wetzte an ihr vorüber, bis er wieder vor ihr war. „Wenn Ihr wirklich nach Bosel wollt, geht Ihr jetzt falsch. Aber in Bosel gibt es nichts. Nichts zu holen.“

„Wieso zu holen? Hältst du mich für eine Diebin?“

„Nein. Aber für eine Abenteurerin, vielleicht. Die ihr Schwert vermietet, gegen klingende Münze. In Bosel gibt es niemanden, der eine Kriegerin anheuern würde. Das sind alles ganz langweilige Leute dort.“

„Langweilig?“

„Ja.“

„Du langweilst dich dort?“

„Jeden Tag.“

„Dann führ mich hin. Ich gebe dir etwas zu sehen, von dem man in deinem Bosel noch lange sprechen wird. Noch sehr lange.“

Er nickte begierig.

Und führte sie durch den Wald.

Das Gezwitscher winziger Vögel begleitete sie. Die Sonne stach flimmernde Säulen durchs Blattwerk. Am Himmel bildeten sich Wolken, die nicht lange Bestand hatten. Es sah noch immer nicht nach Regen aus.

Die Frau mit dem Schwert sprach nicht. Er versuchte, ihr etwas zu erzählen, über bestimmte Bäume, die Namen hatten, über einen alten Steinkreis der Waldleute, über eine Stelle, an der es im Herbst Pilze gab, die nirgendwo sonst wuchsen. Einmal, sagte er, habe er ein Fabelwesen gesehen im tiefsten Tann. Ein wildes, zotteliges Pferd mit einem Hirschgeweih. Sie sagte nichts zu dem, was er erzählte. Fragte nicht einmal nach seinem Namen.

„Mein Name ist Stenrei“, versuchte er es deshalb. „Aber im Dorf nennen mich alle Sten.“

Auch das brachte nichts. Sie sagte ihm ihren Namen nicht.

Also redete er weiter über Mooskäfer und Windbruch, über die höchste Fichte weit und breit, an der sie gerade vorüberkamen, und über die Nester von Stibitzvögeln, in denen man manchmal Muschelschalen von weit entfernten Stränden finden konnte, von Stränden, die er noch nie gesehen hatte. Er fragte sie, ob sie das Meer kannte, und sie antwortete nicht, als wäre sie taub geworden.

Er plauderte ziemlich viel, bis sie den Wald verließen und ein moderiger Wegweiser Bosel zwei Meilen anzeigte.

„Von hier ab brauche ich dich nicht mehr“, sagte die Frau und klang beinahe freundlich dabei.

„Aber wir haben denselben Weg!“

„Willst du nicht noch im Wald herumtollen und Fabelwesen verfolgen und Muscheln suchen?“

„Nein. Jetzt will ich das Erzählenswerte sehen, das sich Euretwegen in Bosel ereignen wird.“

„Und wenn es mit Blut zu tun hat?“

„Mit Blut? Mit wessen Blut?“

„Das weiß ich noch nicht.“

„Na, dann erst recht!“

„Hast du denn schon mal einen Toten gesehen?“

„Aber klar. Meinen Großvater, als er gestorben war.“

„Hat dir das Angst gemacht?“

„Nein. Als er lebte, hatte ich mehr Angst vor ihm.“

Jetzt lächelte sie tatsächlich, und er fühlte sich, als hätte er ihr Herz erobert.

Der Weg nach Bosel war raurissig von der langen Trockenheit, karg und ereignislos.

Stenrei erzählte von einem Vorstoß der Waldleute, vor seiner Zeit, als sein Vater noch jung gewesen war. „Bis hierhin sind sie aus dem Wald gekommen“, berichtete er eifrig. „Und dort und dort haben die versammelten Steindörfer sie zurückgeschlagen.“ Er deutete auf einzelne Baumbestände, die vor einer Generation vielleicht einmal als Deckung hergehalten haben mochten. Die Frau mit dem Schwert auf dem Rücken schien sich nicht zu interessieren für das, was er zu erzählen hatte.

Also schwieg auch er. Er sah ein, dass ihn dies vielleicht erwachsener wirken ließ. Außerdem war es womöglich tatsächlich albern, sich mit den Heldentaten der Vorväter zu schmücken, wenn man selbst noch nichts vorzuweisen hatte.

Schweigen.

Schweigen war gar nicht einfach, wenn man nicht alleine war. Die Stille zwischen ihm und ihr schien unleidliche Ärmchen auszubilden und an ihm zu zerren. Die Stille war Feindseligkeit sehr ähnlich, und er wollte keine Feindseligkeit mit dieser wirklich schönen Frau.

Bosel kam nur quälend langsam näher, die niedrige, unspektakuläre Silhouette mit den Schornsteinen und den wie geduckt wirkenden Häuschen. Stenrei lag auf der Zunge zu sagen: „Viele dieser Häuser hat mein Vater gebaut oder zumindest ausgebessert, und ich bin ihm dabei zur Hand gegangen“, aber nichts hätte ihn uninteressanter wirken lassen als dies. Er dachte nach über das wenige, das er und die Frau bislang gesprochen hatten, und der Gedanke an Blut und Tod sickerte in ihn ein und führte dazu, dass ihm zusehends mulmiger wurde. Hätte er mehr empfunden für sein Dorf, hätte er sich vielleicht gefragt, wen genau er hier mitbrachte. Aber dann wiederum: Spätestens seit dem Wegweiser hätte sie Bosel auch ohne ihn gefunden.

Als sie gemeinsam in die Hauptstraße hineingingen, an der die Läden standen und die beiden Schenken, Das Zugpferd und Zum alten Hobel, staunten die Leute nicht schlecht. Stenrei kannte jedes einzelne Gesicht, die Alten mit ihren mümmelnden, oft Tabak kauenden Kiefern, die Eltern mit ihren rau gearbeiteten Händen und den müden Augen, die Gleichaltrigen, die sich entweder herumtrieben oder sich nützlich zu machen versuchten, oder die Kinder, die bereits gelernt hatten, nach Münzen zu springen, die aus den Taschen von Reisenden fielen – aber keines dieser Gesichter hatte ihn jemals in Begleitung einer großen, bewaffneten Frau gesehen. Die Menschen raunten und zischelten. Einer spuckte Tabak aus. Mehrere legten ihre Werkzeuge weg und starrten.

Die Frau mit dem Schwert stellte sich mitten auf dem Hauptplatz auf. Hier war zweimal in der Woche Markt, drei Buden zwar nur, aber immerhin drei Buden von reisenden Händlern, die Waren feilboten, die nicht von hier waren und einen Hauch Besonderheit versprühten. Mindestens zwei Dutzend Schaulustige drückten sich inzwischen schon im Gesichtsfeld der Schwertfrau herum, Neugier, aber auch Misstrauen in den Gesichtern. Sie alle sahen ein wenig so aus, als würden sie gegen die Sonne blinzeln – selbst wenn sie die Sonne im Rücken hatten.

Die Frau nahm das Schwert aus den Schlaufen, steckte es vor sich in den hartgetretenen Boden, nahm den Rucksack ab, entnahm diesem ein Säckel voller Münzen, lehnte den Rucksack gegen das Schwert und knautschte das Münzsäckel klirrend in der linken Hand.

Stenrei stand unterdessen in ihrer Nähe und versuchte mit lungernden Schultern, die Daumen in den Gurt gehakt, so gefährlich und eingeweiht wie möglich dreinzuschauen.

Als die Schwertfrau ihn unvermittelt ansprach, zuckte er dennoch zusammen. „Wie heißt dieses Kaff noch mal? Bosen?“

„Bosel! Bosel“, antwortete er hastig und raunend wie ein Bühnenvershelfer.

Mit deutlich lauterer Stimme sagte sie: „Menschen von Bosel, hört mich an! Mein Name ist Erenis. Ich bin eine Schülerin des Schwertes, und ich folge dem verschlungenen roten Band des fernen Blutes. In meiner Hand halte ich einhundert Münzen frischer Prägung. Sie mögen dem stärksten Mann dieses Dorfes gehören, wenn es ihm gelingt, mich im Kampf zu bezwingen. Aber derjenige muss sich schnell entscheiden, denn ich werde nur zwei Stunden warten.“

„Was für ein Kampf?“, fragte einer, der etwa in Stenreis Alter war. „Mit Schwertern?“

„Mit was immer meinem Gegner beliebt. Aber ich werde dieses Schwert benutzen.“

„Und was heißt bezwingen, Mädchen?“, fragte ein breitschultriger Lockenkopf mit den Zügen eines bulligen Hundes. Stenrei kannte ihn besonders gut. Er hieß Kaskir und hatte schon immer gerne andere, Schwächere, herumgeschubst. Auch Stenrei. Stenrei konnte Kaskir nicht ausstehen. Außer zwei oder drei Speichelleckern konnte wahrscheinlich niemand in Bosel Kaskir ausstehen, womöglich nicht einmal Kaskirs Eltern. Aber mit ziemlicher Sicherheit war Kaskir jener „stärkste Mann im Dorf“, von dem die Frau – Erenis hieß sie also! – gesprochen hatte. Außer ihm kam höchstens noch Llender Dinklepp infrage, der sich früher eine Zeit lang als Söldner verdingt hatte, aber der litt schon seit einiger Zeit an Keuchatem und war für einen Kampf wohl nicht mehr gesund genug. Ausgerechnet Kaskir also konnte reich werden, indem er die schöne Frau besiegte. Einhundert Münzen! „Bis du weinst?“

Die Frau schaute Kaskir genau an und lächelte wieder beinahe. „Bis ich tot bin. Vorher hat man mich nicht bezwungen.“

„Aber das wäre doch schade. Ein leckerer Happen wie du. Lass uns einen Armdrückwettstreit draus machen, dann bin ich sofort dein Mann!“ Mehrere Umstehende lachten. Es wurden immer mehr. Drei Dutzend jetzt schon. Kaskir sonnte sich in deren Aufmerksamkeit.

„Ich bin keine Schülerin des Armdrückens, sondern des Schwertes. Hundert Münzen sind mehr, als jeder von euch in seinem Leben auf einem Haufen sehen wird. Erkauft es euch mit Blut und mit Mumm, und nicht mit Gewinsel und Feilschen.“

Die Leute brummten. Murrten. Ein Mädchen mit zusammengewachsenen Augenbrauen sagte: „Erschlag sie doch einfach, Kaskir, nimm dir ihre Münzen und spendier uns allen ’ne Runde im Zugpferd!“

„Und was ist mit deinem Schwert?“, erkundigte Kaskir sich weiter. „Wenn du tot bist, brauchst du es ja wohl nicht mehr.“ Wieder lachten einige. In ihrer Ratlosigkeit ordneten sie sich dem offenkundig Beherztesten bereitwillig unter.

„Ich sagte, du sollst aufhören zu feilschen. Willst du die Münzen oder das Schwert oder mich, dann komm her und nimm dir, wonach es dich verlangt. Aber hör auf zu quatschen wie einer, der die Bezeichnung Mann nicht verdient.“

Brummen. Murren. Zischen. „Willst du mich beleidigen?“, fragte Kaskir.

„Ich will dich niederwerfen“, antwortete Erenis, „und ich tue, was dazu nötig ist.“

Mehrere spuckten jetzt aus. Die Zuschauer, die nun schon fast vier Dutzend waren, wirkten, als rotteten sie sich zusammen, um gemeinsam gegen die unverschämte Fremde vorzugehen. Stenrei fühlte sich jetzt langsam ein wenig unwohl in seiner Position zwischen den Dörflern und Erenis. Fast wünschte er sich, dass niemand ihn beachtete, aber dieser Wunsch ging nicht in Erfüllung.

„Was hast du mit ihr zu schaffen, Sten?“, fragte eine Alte.

„Ich? Ich habe sie zufällig im Wald getroffen. Nichts weiter.“

„Hol du dir doch die Münzen.“ Gelächter.

„Ich?“, fragte Stenrei erneut zurück. „Nein, kein Bedarf. Außerdem kann ich mit Waffen nicht umgehen. Ich darf ja nicht. Kaskir aber schon! Kaskir ist alt genug.“

Damit schob er dem drei Jahre älteren Lockenkopf wieder die Karten hin, der tatsächlich – das wussten alle hier, denn er ließ kaum eine Gelegenheit aus, es ihnen zu zeigen – stolzer Besitzer eines Breitschwerts war.

Kaskir leckte sich inzwischen die Lippen. Es war ihm deutlich anzusehen, wie sehr es in ihm arbeitete. Er war bedeutend breiter und schwerer als die Frau, mit Sicherheit also auch viel kräftiger. Er schaute sich um, ob jemand ihm den Ruf als Stärkster von Bosel streitig machen wollte.

„Ich könnt’s ja machen“, tönte er. „Aber es kommt mir ungerecht vor. Ich kann doch nicht einfach so ein Mädchen umlegen, das mir nicht allzu viel getan hat. Vielleicht solltest du besser gegen ein Mädchen kämpfen, Mädchen. So richtig mit Haareziehen und Augenkratzen und so.“ Lang anhaltendes Gelächter brandete auf.

Erenis wartete, bis die Heiterkeit sich wieder gelegt hatte. Weiterhin hingen Blicke an ihrem Münzsäckchen, ihrer Klinge und auch an ihrem ledernen Hintern. Sie kannte das. Die Männer kamen nie über ihren Hintern hinweg, die Weiber nie über die Münzen. „Zwei Stunden nur. Zwei Stunden, um zu prahlen, zu lästern und sich wichtig zu machen. Dann ziehe ich weiter. Mit meinen Münzen und mit der in alle umliegenden Dörfer getragenen Botschaft, dass in Bosel niemand Manns genug war, es mit mir aufzunehmen.“

Murren. Wütendes Flüstern.

„Schnapp sie dir, Kaskir“, keifte das Mädchen von vorhin. „Du kannst noch vorm Mittagessen mit ihr fertig sein. Und dann lad uns ein.“ Sie schien Hunger und Durst zu haben.

„’s wär aber wirklich schade drum“, sagte Kaskir und grinste lüstern. „’s wär wirklich, wirklich schade.“

Erenis antwortete jetzt nicht mehr. Sie setzte sich im Schneidersitz neben ihren am Schwert lehnenden Rucksack und schloss die Augen, als wolle sie ein Nickerchen machen. Mitten auf dem Hauptplatz. Am helllichten Tag.

Das Gemurre und Geknurre um sie herum klang wie von aufgebrachten Hunden. Die Leute redeten sich die Köpfe hitzig. Stenrei nutzte die Gelegenheit, ein wenig von Erenis abzurücken. Sie schien ihn ohnehin vergessen zu haben. Die Leute jedoch, denen er sich näherte, damit sie ihn durchließen, starrten ihn feindselig an, als wäre er mit der Versucherin im Bunde. Denn genau dies war der Begriff, den die Frauen tuschelten: Versucherin. Und die Männer raunten, eher anerkennend: Dreistes Stück.

Schließlich meldete sich eine fettleibige Bauersfrau zu Wort: „Fall nicht auf sie rein, Kaskir. Sie hat letzte Woche in Tyrgen einen Mann umgelegt, den starken Haddut. Der Händler Milco hat mir davon erzählt.“

„Hat sie beim Kampf betrogen?“

„Nein, es ging wohl alles mit rechten Dingen zu, deshalb hat man sie auch ziehen lassen. Aber sie hat Haddut wirklich erschlagen. Wenn du dich drauf einlässt, wird sie dich töten.“

„Das muss sie erst mal fertigbringen“, warf Kaskir sich in die Brust.

„Das wird sie. Du hast sie doch selbst gehört. Sie ist eine Schwertschülerin und folgt einer blutroten Fahne. Sieh dir doch ihr Schwert an, wenn du mir nicht glaubst. Dort stehen die Namen all ihrer Opfer geschrieben, der bisherigen und der künftigen, in deren eigenem Blut.“

Das war eine waghalsige Behauptung, aber Milco, der Glaswarenhändler, hatte der Bauersfrau diese Legende genau so erzählt, und es war eine äußerst eindrucksvolle Geschichte gewesen.

Einige Boseler gingen näher heran und versuchten tatsächlich, in den Zierzeichen irgendwelche Namen zu lesen.

„Steht da irgendwo Kaskir drauf?“, fragte Kaskir, der nicht lesen konnte, abergläubisch.

Alle, die das Entziffern versuchten, auch auf beiden Seiten der Klinge, schüttelten die Köpfe. Sie konnten überhaupt keine nachvollziehbaren Worte erkennen.

„Dann bin ich keins ihrer Opfer“, schlussfolgerte Kaskir und lachte. „Ich hole mein Breitschwert, und dann geht’s los. Sorgt dafür, dass sie mir nicht abhaut, Leute! Mann, hundert Münzen! Das wird ein schönes rundes Fest heut Abend!“

Er ging weg, sein Schwert holen. Einige, die sich ihre Plätze für heute Abend beim Besäufnis sichern wollten, folgten ihm. Die übrigen Schaulustigen umstanden die Versucherin.

Noch andere Worte hatten sie für sie. Wenn sie so dasaß, legte die Hose beinahe die obere Hälfte ihres Gesäßes frei. Schamlos. Die Augen geschlossen, aber nicht wie schlafend wirkend, sondern eher wie lauschend. Leichtsinnig. Lebensmüde. Das Schwert funkelte im Licht. Aufwieglerisch. Unruhebringerin. Männerverderberin.

Jetzt lächelte Erenis ein wenig. Männerverderberin gefiel ihr.

Stenrei dagegen wurde von Gleichaltrigen umringt. Weil die ganze Angelegenheit an Umfang beständig zuzunehmen schien, wünschte er inzwischen eher unbemerkt aus der ganzen Sache herauszukommen, aber das wollte ihm ganz und gar nicht gelingen. „Seit wann kennst du sie?“ „Habt ihr gekämpft miteinander?“ „Hat sie ein Pferd irgendwo?“ „Hat sie dich das Schwert anfassen lassen?“ „Wie alt ist sie?“ „Woher stammt sie?“ „Sag, kann sie Kaskir wirklich besiegen? Kann eine Frau unseren Stärksten besiegen?“

Eigentlich war sich Stenrei ziemlich sicher, dass sie es konnte. Woher er diese Einschätzung nahm, wusste er selbst nicht so genau. Vielleicht war es das Selbstbewusstsein, das aus jeder ihrer Bewegungen sprach. Vielleicht aber auch einfach die Tatsache, dass auch er Kaskir nie halb so viel zugetraut hatte wie dieser sich selbst. Ein zorniger Herumschubser war er, dem man lieber aus dem Weg ging, aber ein echter Kämpfer vom Schlage eines Llender Dinklepp war er doch wohl kaum.

Tobias O. Meißner

Über Tobias O. Meißner

Biografie

Tobias O. Meißner, geboren 1967, lebt als freier Schriftsteller in Berlin. Seine Romane werden von der Kritik hochgelobt. Meißner wurde von der Zeitschrift „Bücher“ als einer der „10 wichtigsten Autoren von morgen“ ausgezeichnet. Bei Piper sind u.a. die apokalyptischen Epen um „Die Dämonen“ sowie...

INTERVIEW mit Tobias O. Meißner

Tobias O. Meißner beschreibt im Interview, wie er sich dem Mythos Amazon genähert hat und warum er bei „Klingenfieber“ völlig auf Kapiteleinteilungen verzichtet hat.

„Klingenfieber“ ist dein brandneuer Roman – diesmal hast du eine weibliche Figur ins Zentrum der Geschichte gerückt. War das Schreiben deshalb anders für dich?

Nein, aber das liegt daran, dass ich ein wenig gemogelt habe. Anfangs habe ich nämlich eine männliche Figur benutzt, durch deren Augen man die weibliche Figur betrachtet. Erst in der zweiten Hälfte des Romans beginne ich dann, wirklich mit weiblichen Augen zu sehen.

Dein neuer Roman verarbeitet den Mythos der Amazone. Das Motiv kennt man von Kleists „Penthesilea“ bis hin zur TV-Serie „Xena“. Wo ist dein Ansatz, was machst du anders?

Ähnlich wie in „Barbarendämmerung“, wo ich den Mythos des Fantasy-Barbaren deutlich entheroisiert und auf das Brutale, Unberechenbare und Triebhafte herunter gebrochen habe, betrachte ich auch hier den Mythos „Fantasy-Amazone“ durchaus kritisch. Was richtet es eigentlich mit einem an, wenn man zwar jeden Mann im Kampf bezwingen kann, die Welt an sich aber dennoch von Männern und ihren Wünschen dominiert bleibt? Wie kann es kommen, dass eine Frau schließlich Krieg gegen sämtliche Männer führt?

Dein Buch widmest du hochkarätigen Frauengestalten: Agnes de Chastillon, der Roten Sonya von Rogatino, Jirel of Joiry und Raven, der Schwertmeisterin. Benennst du damit deine literarischen Vorbilder für „Klingenfieber“? Und welchen Einfluss hat Guy de Maupassant, den du ganz nebenbei erwähnst, auf diesen Roman?

Die erwähnten Damen sind literarische Vorfahrinnen meiner Heldin Erenis,
deshalb gebot es mir doch schon die Höflichkeit, mich tief vor ihnen zu verneigen. Von Guy de Maupassant habe ich jedoch dreist eine Kutsche voller Fahrgäste entwendet! Ich brauchte für meinen Roman eine Kutschfahrt, las gerade Maupassants berühmte Novelle „Boule de suif“, und dachte mir: Warum kann ich dieselbe Kutsche mit denselben Passagieren nicht auch durch meinen Roman rollen lassen? Bestehen nicht sämtliche Fahrpläne sämtlicher Kutschen des Universums
nicht letzten Endes ebenso aus Papier wie Novellen und Romane?

In deinen Texten spielst du mit Stilistik – z.B. befolgst du bei Kapiteleinteilung- und -anordnung sowie bei Kapitelnamen eigene Regeln. Warum?

Wichtig ist mir dabei, dass es jedes Mal neue Regeln sind. Ich mag es einfach, mich selbst beim Schreiben immer wieder neu herauszufordern und ausgetretene Pfade zu meiden. 

In „Klingenfieber“ beispielsweise verzichtest du völlig auf Kapiteleinteilungen – und das über hunderte von Seiten. Was ist der Grund dafür?

„Klingenfieber“ ist das weibliche Gegenstück zur „Barbarendämmerung“.
„Barbarendämmerung“ war wie von einer Axt in einzelne Kurzgeschichten
zerhackt. „Klingenfieber“ dagegen ist wie ein stetiger, unzergliederter Strom, der langsam aber sicher sämtliche Handlungsträger – und hoffentlich auch den Leser/die Leserin – mit sich mitreißt.

Ich finde, dass dies eine Möglichkeit ist, den Unterschied zwischen einem
männlichen und einer weiblichen Protagonistin nicht nur inhaltlich, sondern auch rhythmisch wiederzugeben.

Mit Erenis hast du eine ambivalente Figur geschaffen: ihre Hintergrundgeschichte ist fesselnd, ihr Schicksal dramatisch und man fiebert mit ihr – gleichzeitig nimmt man sie zuerst durch die Augen eines jungen Mannes, Stenrei, wahr. Warum hast du Erenis Geschichte nicht gleich aus ihrer Perspektive geschrieben?

Dafür gibt es – zusätzlich zu dem in der ersten Frage besprochenen
„Hineinarbeiten“ in die weibliche Sichtweise – auch noch einen inhaltlichen Beweggrund: Ich wollte, dass sich die Geheimnisse und die Herkunft von Erenis erst nach und nach erschließen. Hätte ich von Anfang an alles aus ihrer Sicht geschildert, hätte ich schon alles mit einfließen lassen müssen, was ihre Persönlichkeit ausmacht. Ich finde es jedoch spannender und auch sinnlicher, wenn sie am Anfang ein attraktives Rätsel ist. High-Fantasy ist ein eher männlich besetztes Genre. 

Ist „Klingenfieber“ ein Buch für weibliche Leser? Wem empfiehlst du es?

Jedem, der sich für komplizierte Beziehungen zwischen Frauen und Männern interessieren könnte. Also eigentlich ...jedem

Pressestimmen
bibliofantastica.wordpress.com

„Tobias O. Meißner hat eine neue Geschichte geschrieben, die allerdings auch Leser der ›alten Schule‹ überzeugen dürfte: Spannende (und blutige) Duelle und eine Queste, die sich erst im Laufe der Geschichte offenbart.“

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