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The Curse of Saints (The Curse of Saints 1) The Curse of Saints (The Curse of Saints 1) - eBook-Ausgabe

Kate Dramis
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Roman

— Der Booktok-Hit über eine gerissene Spionin und dunkle Magie
Paperback (18,00 €) E-Book (5,99 €)
€ 18,00 inkl. MwSt. Erscheint am: 01.08.2024 In den Warenkorb
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The Curse of Saints (The Curse of Saints 1) — Inhalt

Als Spionin der Königin hat sich Aya dazu verpflichtet, ihr Reich vor dunkler Magie zu schützen. Doch bei einem feindlichen Angriff entfesselt Aya selbst ungeahnte magische Kräfte, die seit Jahrhunderten nicht mehr gesehen wurden – ausgerechnet vor den Augen von Will, dem Vollstrecker der Königin und Ayas größtem Konkurrenten.

Aya wird mit einer unmöglichen Frage konfrontiert, die ihr die Kontrolle über ihr Leben entreißt: Schlummert etwas Finsteres in ihr, das ihre Heimat vernichten wird? Um herauszufinden, woher ihre Kräfte stammen und wer sie wirklich ist, schließt Aya widerwillig einen Pakt mit Will. Denn ihre Gabe könnte sie in eine Waffe verwandeln und in einen Krieg hineinziehen, von dem sie nicht weiß, ob sie ihn gewinnen kann.

€ 18,00 [D], € 18,50 [A]
Erscheint am 01.08.2024
Übersetzt von: Vanessa Lamatsch
592 Seiten, Klappenbroschur
EAN 978-3-492-70941-5
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€ 5,99 [D], € 5,99 [A]
Erschienen am 27.06.2024
Übersetzt von: Vanessa Lamatsch
592 Seiten
EAN 978-3-492-60821-3
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Leseprobe zu „The Curse of Saints (The Curse of Saints 1)“

1

Langsam entwickelte sich das zu einem schrecklichen Abend, wenn sie sich das Blut an ihren Händen und das Bier auf ihrem Mantel ansah.

„Miststück“, knurrte der Mann, eine Hand an die Nase gedrückt. Das Blut, das zwischen seinen Fingern hervorquoll, schloss sich dem Bier an, das von der Bar tropfte – ein Überbleibsel seines zerstörten Kruges.

Aya rieb lediglich mit den Händen über ihre Lederhose, betrachtete stirnrunzelnd die roten Flecken auf ihren Händen.

Tova würde sie das nie vergessen lassen. Ihre Freundin kommentierte ständig, dass Aya fast jeden Tag [...]

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1

Langsam entwickelte sich das zu einem schrecklichen Abend, wenn sie sich das Blut an ihren Händen und das Bier auf ihrem Mantel ansah.

„Miststück“, knurrte der Mann, eine Hand an die Nase gedrückt. Das Blut, das zwischen seinen Fingern hervorquoll, schloss sich dem Bier an, das von der Bar tropfte – ein Überbleibsel seines zerstörten Kruges.

Aya rieb lediglich mit den Händen über ihre Lederhose, betrachtete stirnrunzelnd die roten Flecken auf ihren Händen.

Tova würde sie das nie vergessen lassen. Ihre Freundin kommentierte ständig, dass Aya fast jeden Tag bedeckt mit den Körperflüssigkeiten anderer Leute ins Quartier zurückkehrte … und dabei roch, als hätte sie sich in einem Schweinestall gewälzt. Aber überrascht war sie eigentlich nie. Aya, als die Dritte der Königin, hatte schon mehr als ein gerüttelt Maß an Blut gesehen. Man nannte sie „Die Augen der Königin“. Oder „Giannas Oberste Spionin“.

„Fass mich noch mal an, und ich breche dir etwas, was dir viel mehr am Herzen liegt“, flötete Aya. Ihr war der Dreck des Squals nicht fremd, nachdem sie allein dreimal in den letzten zwei Wochen Männer dorthin verfolgt hatte. Aber der betrunkene, übergriffige Kneipengast hatte ihr den letzten Rest mühsam erworbene Selbstkontrolle geraubt.

Niemand hatte auch nur mit der Wimper gezuckt, als sie ihn geschlagen hatte. Der Squal zog den Abschaum der Stadt Dunmeaden und seiner Besucher an – Spieler und Raufbolde und Diebe. Anscheinend fügte Aya sich perfekt ein.

Der Mann stürmte fluchend davon. Aya dagegen schenkte dem Barkeeper ein kokettes Lächeln. Er beäugte sie schon den ganzen Abend – jeden Abend, den sie hier verbracht hatte, um genau zu sein. Jetzt kam er herübergeschlendert, sodass sein breiter Körper das bisschen Licht abschirmte, das hinter der Bar flackerte.

„Gute Haltung“, sagte er mit einem schiefen Grinsen. Er rieb sich mit der Hand über die Glatze. Bei der Bewegung wölbte sich sein Bizeps. Alle Zeluus – diejenigen, die mit außergewöhnlicher Stärke gesegnet waren – waren quasi Riesen. Bei diesem hier passte das Ego zum Rest des Körpers. „Aber das Glas muss ich dir auf die Rechnung setzen.“

Aya löste die Bänder ihres Mantels, warf ihn über den Hocker neben sich und lehnte sich mit der Hüfte gegen die Bar. „Vielleicht können wir einen anderen Weg der Wiedergutmachung finden.“

Bei diesen Worten leuchteten seine Augen auf, dann stemmte er die dicken Unterarme auf den Tresen. „Ich kann übrigens auch ordentlich zuschlagen. Habe ich dir schon erzählt, wie ich mich mit nackten Fäusten zwei Anima gestellt habe?“ Sie hatte die Geschichte schon zwei Mal gehört. Beim ersten Mal hatte sich Aya kaum davon abhalten können, die Augen zu verdrehen. Auch wenn die Anima ihre Affinität für Leben und Tod hauptsächlich nutzten, um sich als Heiler zu betätigen, konnten sie doch tödlich sein. Eine kurze Berührung und der Pulsschlag verklang in Sekunden. Selbst ein Zeluus wie der Barkeeper konnte dieser Macht nichts entgegensetzen.

Außerdem war sie sich ziemlich sicher, dass Anima gar nicht an Ringkämpfen teilnehmen durften.

Aya lehnte sich näher an die Bar, setzte eine Miene faszinierten Interesses auf, als er die Geschichte ein weiteres Mal zum Besten gab. Sie lächelte nichtssagend und wand sich immer wieder eine Strähne ihres dunkelbraunen Haars um den Finger, während der Kerl mit wilden Gesten weitersprach.

Vorsichtig rief sie ihre Affinität und schickte sie aus.

Kein Schild. Wunderbar!

„Wie ist ein so starker Kämpfer wie du nur an einem solchen Ort gelandet?“, fragte sie und nippte an ihrem Bier. Sein Blick folgte ihrer Zunge, als sie sich den Schaum von den Lippen leckte.

Er zuckte mit den Achseln. „So schlecht ist es hier gar nicht. Ich gehöre zum Management, weißt du?“

Aya zwang sich, die Augen aufzureißen. „Wirklich? Also ist das dein Büro, in das du dich immer wieder schleichst?“ Sie nickte in Richtung des bewachten Flurs links von der Bar. Sie wusste genau, dass ein Misthaufen wie dieser Laden kein Büro besaß. Aber sie schob langsam die Hand über den Tresen, um mit den Fingern das Corpsoma-Tattoo an seinem Handgelenk nachzuzeichnen – ein Kreis mit einem Strich durch die Mitte. „Vielleicht könnten wir dorthin gehen. Wirkt … abgeschiedener.“

Der Barkeeper schüttelte den Kopf. „Nicht mein Büro.“ Er zögerte und sah sich um. „Ich sollte das wirklich nicht sagen, aber …“

Sie schickte mehr von ihrer Affinität aus … und der Mann fuhr fort, ohne zu bemerken, wie sie ihn mit ihrer Überzeugungsmacht dazu brachte, die Information aus seinem Geist zu seiner Zunge fließen zu lassen.

„Zwei Männer kommen seit Wochen regelmäßig her. Aus Trahir, vermute ich, wenn ich mir ihren Akzent so anhöre. Sie geben sich keine Mühe, in meiner Nähe auf ihre Worte zu achten. Aber ich höre zu.“ Er sah sich erneut um, bevor er sich zu ihr lehnte und seine Stimme zu einem Flüstern senkte. „Sie kaufen Waffen am Rat vorbei. Ich schätze, ich kann mir einen Anteil dafür sichern, dass ich sie nicht ausliefere.“

„Wirklich?“, hauchte Aya. Als vorrangiger Waffenlieferant für das Reich hatte der Händlerrat von Tala immer darauf geachtet, den Waffenhandel im Blick zu behalten und genau zu überwachen, wie viel sie an andere Königreiche verkauften.

Anscheinend hatte Trahir keine Lust mehr auf Beschränkungen.

Der Barkeeper grinste. „Illegale Käufe sind kein Scherz. Ich habe ein Druckmittel.“ Er ließ den Blick langsam über ihren Körper gleiten, wobei er am tiefen Ausschnitt ihres schwarzen Pullovers verweilte. „Vielleicht werde ich mir ein paar Stunden mit dir leisten. Du bist zu hübsch, um im Squal zu arbeiten.“

Aya hielt ihr kokettes Lächeln, als er die Hand ausstreckte, um ihr Kinn zu umfassen und den Daumen über ihre Kieferlinie gleiten zu lassen.

Widerlich. Einfach nur widerlich.

Persi konnten nicht manipulieren. Sie konnten jemanden nur von etwas überzeugen, wozu diese Person bereit war. Aber diese Bereitschaft musste nicht stark sein – besonders, wenn es sich bei der Persi um Aya handelte.

Sie lehnte sich noch ein wenig weiter vor, sodass ihr Atem über seine Lippen glitt. „Ich bin zu teuer für dich.“

Damit schnappte sie sich ihr Glas und zog es ihm über den Schädel. Der Becher zerbrach, während der Barkeeper zu Boden sank.

Aya wirbelte herum und schubste den Gast neben sich heftig genug, dass er, Gesicht voran, gegen die Frau stolperte, die er gerade bezirzt hatte. Mit einem Keuchen packte die Frau mit der Faust sein weißes Haar und schleuderte ihn gegen den untersetzten Gentleman, der hinter ihr Billard spielte und dann …

… brach absolutes Chaos aus.

 

Aya schnappte sich eines der vergessenen Gläser vom Tresen und leerte es in einem Zug, bevor sie auf den versteckten Flur zuhielt. Sie musste sich beeilen. Die Information des Barkeepers hatte nur bestätigt, was sie schon lange vermutet hatte: Die Königin hatte recht. Trahir deckte sich mit Waffen ein – bereitete sich vielleicht sogar auf einen Krieg vor.

Und angesichts des Chaos’ in der Taverne blieben ihr nur Augenblicke, bevor die Händler verschwanden.

Aya fühlte, wie sich diese eisige Ruhe in ihr ausbreitete – diese Ruhe, die jedes Mal von ihr Besitz ergriff, wenn der nächste Schritt einer Mission klar vor ihr lag. Sie ließ sich davon erfüllen, bis die Empfindung jede Emotion dämpfte, bis Eis durch ihre Adern floss, während sie zwischen den raufenden Gästen hindurchglitt und dank ihrer kleinen Gestalt mühelos Schlägen auswich. Sie duckte sich unter einem fliegenden Stuhl hinweg, ohne ansatzweise langsamer zu werden.

Noch fünfzehn Schritte bis zum Flur.

Zehn.

Fünf.

Endlich bemerkten die Wachen sie zwischen den Kämpfenden. Sie machten Anstalten, ihre Schwerter zu heben, öffneten ihren Mund, um eine Warnung zu rufen. Aber sie waren nicht schnell genug für die Augen der Königin. Sie hatte ihr Messer bereits aus der Scheide an ihrem Schenkel gezogen.

„Die Dyminara senden ihre Hochachtung.“

Damit warf sie sich auf den ersten Wachmann. Ihr Messer glitt unter seinem Schwertarm hindurch und bohrte sich in seine Brust. Er war schon tot, bevor er auf dem Boden aufkam. Aya wirbelte herum und zog dem anderen Wachmann die Klinge über die Kehle. Blut spritzte auf ihr Gesicht, aber sie hielt nicht inne. Stattdessen sprang sie über die zusammengesackten Körper hinweg und rannte zu der ersten Tür links, um sie mit der Schulter aufzustoßen.

Der Raum war eng und dunkel. Der kleine Holztisch und die Stühle waren auf der Flucht zum Ausgang umgeworfen worden. Die offene Tür gab den Blick frei auf eine kleine Gasse. Aya rannte hindurch, drängte sich an Kisten und Paletten vorbei. Ihre Stiefel gerieten ins Rutschen, als sie auf vereiste Pflastersteine traf. Die beiden Männer hatten schon die halbe Straße hinter sich gelassen, entfernten sich eilig von den Docks.

Als wären die Nebengassen sicherer.

Narren.

Diese Gassen bildeten ein Labyrinth, voller plötzlicher Biegungen und Sackgassen.

Sie hielt den Blick auf den wehenden, braunen Mantel des hinteren Händlers gerichtet, als sie den Griff an ihrem Messer veränderte, dann hob sie den Arm, ihre Atmung ruhig und gleichmäßig. Die Klinge flog aus ihrer Hand und grub sich mit einem dumpfen Schlag in die Schulter des Mannes. Schreiend fiel er um.

Sein Begleiter sah zurück, dann stockten seine Schritte, als er das Blut auf ihrem Gesicht bemerkte.

Aya warf ein weiteres Messer in Richtung seines Kopfes – nah genug, um ihm eine kleine Wunde am Ohr zu schlagen.

„Die nächste Klinge gräbt sich in deinen Schädel“, rief sie. „Ich brauche nur einen von euch lebend.“ Er stoppte abrupt, hob kapitulierend die Hände und ließ sich langsam auf die Knie sinken. „Kluge Wahl.“

Aya schlenderte zu dem ersten Händler, der auf dem Boden lag und immer noch schmerzerfüllte Schreie ausstieß, die von den Ziegelgebäuden an der Gasse zurückhallten. „Ruhig“, befahl sie, als sie ihn auf die Beine zerrte. „Wie ich schon sagte, ich brauche nur einen von euch.“

Der Mann wimmerte, aber er presste die Lippen aufeinander. Sein Körper zitterte in ihrem Halt. Aya sah in Richtung der Docks. Kein Hinweis auf Ronan, den königlichen Wachmann, der eigentlich in dieser Gasse postiert sein sollte.

Und der Lieferant fehlte ebenfalls.

„Eigentlich solltet ihr zu dritt sein“, meinte sie locker und sah zwischen den Händlern hin und her. „Wo ist Euer Lieferant?“

Der kniende Mann schüttelte den Kopf. „Es gibt sonst niemanden.“

Aya seufzte, als sie das Seil löste, das sie an der Seite trug. Sie zerrte den Händler mit dem Messer in der Schulter zu seinem Kumpan; ließ ihn erst los, als sie in die Hocke ging, um die Hände des anderen zu fesseln. Dieser Kerl würde nirgendwo hingehen – nicht mit der Klinge in seinem Körper.

„Lügt mich an, solange ihr wollt“, hauchte sie. „Aber ich warne euch … der Vollstrecker mag so was gar nicht.“

Der Adamsapfel des Mannes hüpfte. O ja, der Zweite der Königin hatte einen Ruf, der ihm weit vorauseilte; selbst Ratsmitglieder aus fernen Ländern wussten, dass mit ihm nicht zu spaßen war.

Aya stand auf, ihre Gelenke steif in der Kälte. Sie zog noch ein Stück Seil heraus und fesselte damit die Hände des zweiten Mannes, dann sah sie erneut Richtung Docks. Immer noch kein Ronan. Vielleicht hatte er den Lieferanten verfolgt.

Sie verdrängte die Unruhe, die in ihr aufstieg, und rief stattdessen ihre Macht.

„Ich vermute, ihr wollt weiterleben?“, fragte sie, während sie die beiden Männer mit schief gelegtem Kopf musterte. Sie wechselten einen wachsamen Blick, bevor sie kurz nickten. Sie ließ ihre Affinität fließen, schlang sie um diesen Überlebenswillen.

„Dann setzt euch in Bewegung.“


2

Zwanzig verdammte Minuten. So lange dauerte es, die zitternden Händler zu dem verlassenen Lagerhaus am Rand der Rouline zu bringen, dem Vergnügungsviertel, das sich um Dunmeadens Hafen zog. Aya hatte gehofft, dort Ronan mit dem Lieferanten vorzufinden, aber sie traf nur auf Liam, einen weiteren Persi in der Dyminara, der wie geplant drinnen auf sie wartete.

„Kein Ronan?“, murmelte er, als er die schwere Holztür hinter ihnen schloss und damit die beiden Händler gefesselt im Innenraum zurückließ.

„Nein“, sagte Aya knapp. Sie rieb sich die Hände, dachte voller Sehnsucht an die Handschuhe, die sie vergeblich in ihrem Zimmer gesucht hatte.

Bei meinem Eid, wenn diese götterverdammte Nacht nicht bald endet …

„Ich dachte, er hätte den Lieferanten verfolgt, aber wenn er immer noch nicht hier ist …“

Liam seufzte. Der helle Schein des Mondes ließ Schatten über seine dunkelbraune Haut und sein schwarzes Haar tanzen, das an den Seiten ausrasiert war. Er rieb sich das kantige Kinn und verzog angesichts der Kälte das Gesicht. „Es wäre nicht das erste Mal, dass eine Königliche Wache eine Aufgabe in den Sand setzt“, meinte er finster.

Die Königin bestand darauf, dass die Dyminara mit der Wache zusammenarbeiteten, die für den täglichen Schutz und die Strafverfolgung in der Stadt verantwortlich zeichnete. Aber um größere Bedrohungen kümmerte sich nur die Dyminara – die königliche Elitetruppe, die nur aus Visya bestand. Zusammengesetzt aus Kriegern, Gelehrten und Spionen, die alle mit Funken göttergleicher Macht von den Neun Gottheiten ausgestattet waren. Es gab niemanden, der besser für diese Aufgabe geeignet war. Die tiefe Kluft zwischen der Königlichen Wache und der Dyminara erzeugte eine Menge Spannungen. Doch selbst die Wache wäre nicht dumm genug, ihren Vorbehalten laut Ausdruck zu verleihen. Die Dyminara waren tödlich.

In der Ferne hörte sie die Glocken in der Innenstadt 1 Uhr schlagen. Eine Stunde nach Mitternacht. Aya stieß sich von der Tür ab, an der sie gelehnt hatte. „Sie behaupten, es wäre niemand bei ihnen gewesen; dass kein Lieferant anwesend war. Befrage sie dazu, bis er kommt“, befahl sie und deutete mit dem Kinn auf das Lagerhaus. Liam würde die Befragung beginnen – würde seine Überzeugungsaffinität einsetzen, um alle möglichen Fakten einzuholen, bis der Vollstrecker ankam, um die harte Arbeit zu leisten. Wenn irgendwer eine Quelle brechen konnte, dann der Zweite der Königin.

„Möge Saudra mich leiten“, murmelte Liam, halb eine Verabschiedung, halb ein Gebet an ihre Schutzgöttin. Aya nickte zustimmend.

Sie konnten die Hilfe jedenfalls gebrauchen.

Der Wind heulte, als Aya auf den Trampelpfad trat, der sie zur Stadt führen würde, und sie zog schützend den Kopf zwischen die Schultern. Wenn der Ventaleh-Wind seinen Zorn über dem Gebirgszug der Mala entfesselte, war er kalt genug, um selbst puren Granit einzufrieren. Den Legenden zufolge war der Ventaleh eine Warnung der Götter: obwohl die Visya immer einen Funken gottgleicher Gabe besaßen, hielten die Gottheiten die Macht, die Welt zu säubern. Sie hatten es schon einmal fast getan … und sie würden es wieder tun, sollten die Visya sich über ihre zugewiesene Stellung erheben.

Aber momentan fürchtete Aya sich nur vor Erfrierungen. Es gab gute Gründe, warum der Händlerrat wild entschlossen war, die Schaffarmer glücklich zu halten. Wie die Händler so oft verkündeten: Wenn man in Dunmeaden florieren wollte, brauchte man nur Wolle und Waffen. Und auch wenn ihr Pullover dabei geholfen hatte, den Barkeeper zu ködern, half er doch wenig gegen die eisigen Temperaturen.

Sie hätte ihren Mantel mitnehmen sollen.

Aya eilte durch das Zentrum der Rouline, beschleunigte ihre Schritte, als sie sich dem gepflasterten Pfad näherte, der das Ende des Vergnügungsviertels und den Beginn des Händlerbezirks markierte. Je weiter sie sich vom Dock und dem Fluss entfernte, desto besser. Der Loraine, der aus dem Bergen durch das Herz der Stadt und dann hinaus in das Anath-Meer floss, trug den Wind in seiner unerbittlichen Kälte von den Malas in die tiefer gelegenen Gebiete.

Endlich erreichte Aya den Händlerbezirk, wo das Pfeifen des Windes und das Knirschen der Holzschilder über den Läden die einzige Geräuschkulisse bildeten. Sie duckte sich in eine Seitengasse neben dem Eden – dem feinsten Restaurant der Stadt. Licht flackerte hinter den Buntglasfenstern und warf Flecken aus Farbe in die braunen, grauen und schwarzen Schatten der Gasse. Wenn sie die Augen schloss und sich konzentrierte, konnte sie sich fast einbilden, sie könne die Wärme des Kamins im Inneren spüren.

Hin und wieder, wenn die Mahagonitür sich öffnete und Gruppen von Feiernden sich auf die Hauptstraße ergossen, schwappten Lachen und Musik auf die Straße. Niemand sah in ihre Richtung. Sie bezweifelte, dass irgendwer sie auch nur bemerkte. Aya wusste, wie man mit dem Schatten verschmolz. Unsichtbarkeit war ihr immer schon zupassgekommen.

Gerade als die Glocken auf dem Hauptplatz die zweite Stunde nach Mitternacht läuteten, strömte eine große, lärmende Gruppe aus dem Restaurant und schrie sich gegenseitig Versprechen auf lang anhaltende Geschäftsbeziehungen und Frieden für alle Tage zu.

Aya verdrehte die Augen, nachdem sie genau wusste, dass dieselben Leute morgen schon wieder über Tarife und Handelsrouten und alles andere diskutieren würden, was ihnen mehr Geld in die Taschen spülte, als sie verdient hatten.

Arschlöcher. Allesamt.

Die Leute verabschiedeten sich, dann brach ein Großteil der Gruppe in Richtung ihrer Anwesen und schicken Hotels am Rand des Bezirks auf. Ein paar wanderten Richtung Rouline – wahrscheinlich, um den Abend mit ein wenig Ausschweifung ausklingen zu lassen. Und dann war nur noch einer übrig: ein junger Mann, der mit lässigen Schritten auf die Stadtmitte zuhielt.

Aya hielt sich in den Schatten, als sie ihm folgte, blieb mehrere Schritte hinter ihm, um sicherzustellen, dass ihnen sonst niemand folgte. Der Mann war hochgewachsen. Auch seiner schweren Wolljacke gelang es nicht, die Linien seines muskulösen Körpers zu verbergen. Sein Haar war vom Wind zerzaust, gerade lang genug, um hinten auf seinen Kragen zu fallen.

Aya konnte sein Selbstbewusstsein quasi spüren, als er die Hauptstraße entlangging, seine Schritte locker und lässig, als hätte er keine Sorgen auf der Welt.

Sehr gefährlich bei einem nächtlichen Spaziergang allein.

Aya schloss zu ihm auf und wartete, bis er in eine gewundene Gasse abgebogen war – eine Abkürzung, die den Aufstieg ins Quartier begann –, bevor sie sich lautlos hinter ihm einreihte.

Eine schnelle Bewegung, und er presste sie mit einem Arm gegen die Steinmauer. Mit der anderen drückte er ein Messer gegen ihre Kehle.

„Gut zu wissen, dass du tatsächlich auf deine Umgebung achtest“, presste sie hervor.

„Verdammt, Aya!“ Will senkte das Messer, Wut in seinen grauen Augen. Mit geröteten Wangen knurrte er: „Du kannst dich glücklich schätzen, dass ich dich nicht umgebracht habe.“

„Und du kannst dich glücklich schätzen, dass ich uns nicht allen einen Gefallen getan und dich getötet habe, als du nach Hause stolziert bist.“

Wills Arm presste sie mit zusammengebissenen Zähnen fester gegen die Wand, nur um dann die Nase zu rümpfen, als ein Windstoß durch die Gasse glitt.

„Du riechst, als hättest du in Bier und Pisse gebadet.“

„Ist das der Charme, der dir den Weg in so viele Damenbetten ebnet?“

„Willst du es herausfinden?“, meinte er mit einem hinterhältigen Lächeln, dann trat er noch näher an sie heran und musterte sie unter seinen langen Wimpern hervor.

Aya stieß ihn heftig von sich. „Ich würde mich lieber in meinen eigenen Dolch stürzen.“

Will fing ihre Hand ein und ließ den Daumen über das Blut gleiten, das dort klebte. „Ich sehe, du hast Chaos angerichtet – mal wieder.“

Schon einen Wimpernschlag später hatte sie sich seinem Halt entzogen. Er knallte mit einem dumpfen Schlag auf den Boden, als sie ihm die Beine unter dem Körper wegtrat.

„Fass mich noch einmal an, und wir werden herausfinden, ob du genauso heftig blutest wie er.“

Will lachte, leise und finster. Das Geräusch hallte von den rauen Wänden der Gasse wider. „Wie immer überwältigst du mich mit deinem Liebreiz. Die Götter mögen jedem beistehen, der dich sieht und vermutet, du wärst so sanft, wie du wirkst“, schnurrte er förmlich, als er wieder aufstand. „Hast du irgendetwas Nützliches zu sagen? Falls ja, spuck es aus. Mir ist kalt, und tatsächlich wartet eines dieser warmen Betten auf mich. Und du brauchst dringend ein Bad.“

Aya biss sich auf die Lippen, um die scharfe Antwort zurückzuhalten, die ihr auf der Zunge lag. Sie konnte sich, ohne mit der Wimper zu zucken, in eine Kneipenschlägerei stürzen, aber Will …

Will war es immer gelungen, ihr unter die Haut zu gehen; er hatte gestichelt und sie verhöhnt, bis die Kette, mit der sie ihr Temperament zügelte, nicht nur lockerer wurde, sondern tatsächlich riss.

Sein Vater, Gale, war der erste Visya in der Geschichte von Dunmeaden, der im Händlerrat von Tala saß. Er hatte geholfen, Talas Handelsmacht zu stärken, obwohl Königreiche wie Trahir mit ihren vielseitigen Köstlichkeiten mehr zu bieten hatten.

Aber das änderte nichts an der Tatsache, dass er und sein Sohn die zwei größten Scheißkerle waren, die Aya je getroffen hatte. Sie hatte sie von dem Moment an verabscheut, als Will vor dreizehn Jahren mit der Nachricht vom Tod ihrer Mutter auf einer von Gales Reisen auf ihrer Türschwelle erschienen war.

Ganz zu schweigen von dem einen Mal, als Will Aya fast ihren Platz in der Dyminara gekostet hatte.

Aber in Bezug auf die Kälte hatte er recht. Und auch was das Bad anging. Und wenn es darum ging, wer ihm das Bett wärmte … das war das Unglück der betreffenden Dame.

„Wenn man bedenkt, dass du im Lagerhaus gebraucht wirst, wird dein Vergnügen warten müssen. Sie sind hinter Waffen her. Die Käufer sitzen im Lagerhaus, aber der Lieferant ist verschwunden, bevor ich in den Raum gekommen bin. Ronan ist nicht aufgetaucht.“

Will hielt inne, dann fuhr er sich mit einer Hand durchs Haar und knurrte: „Was meinst du mit Ist nicht aufgetaucht?“

Trotz der Hölle, durch die Ronan sie heute Abend geschickt hatte, ließ ihre Frustration ein wenig nach, als sie den gefährlichen Unterton in seiner Stimme hörte. Das war kein gutes Zeichen für die Person, die sich Wills Zorn stellen musste.

Als sie noch jünger und einfach Mitschüler gewesen waren, war es ihr leichtgefallen, zu vergessen, dass Wills Sensainos-Affinität – seine Fähigkeit, die Gefühle und Empfindungen anderer zu fühlen und zu manipulieren – sich auch auf Angst und Verzweiflung erstreckte; sogar auf Schmerz. Seine Attraktivität verbarg das gut. Sein schwarzes Haar war dicht und lockig, seine helle Haut hatte einen olivfarbenen Grundton, sodass er immer sonnengeküsst wirkte. Und mit seinen scharfen Gesichtszügen und seiner maßgeschneiderten Kleidung wirkte er wie der perfekte, junge Adelige. Alle hatten damit gerechnet, dass er das Handelsimperium seines Vaters übernahm.

Aber dann hatte sich Will stattdessen der Dyminara angeschlossen – wo offensichtlich wurde, dass sein wahres Talent nicht darin lag, für die Königin den Händlerrat von Tala zu überwachen, sondern als ihr Vollstrecker zu dienen.

Dunmeadens dunkler Prinz.

Diejenigen, die gesehen hatten, wie er Strafen austeilte, hatten genug Geschichten verbreitet, um dafür zu sorgen, dass ihm leise Furcht überallhin folgte.

„Ronan sitzt wahrscheinlich betrunken in irgendeiner Bar“, murmelte Aya schließlich.

„Also hast du versagt“, antwortete Will langsam. „Der Lieferant ist entkommen.“

Aya ignorierte den Impuls, nach ihrem Messer zu greifen, als sie Will unverwandt anstarrte. „Vielleicht hätte ich ihn noch erwischen können, wenn du nicht darauf bestanden hättest, mich zu einem Botenmädchen zu machen“, zischte sie. Die Tatsache, dass sie ihm ihre Erkenntnisse berichten musste, als wäre sie ein Schoßhündchen, sorgte dafür, dass sie auf etwas einschlagen wollte.

Will bog auf den gewundenen Weg Richtung Quartier ein und sah erwartungsvoll zu ihr zurück. Mit schlurfenden Schritten reihte sie sich neben ihm ein, ließ den heulenden Wind das Schweigen zwischen ihnen füllen. Sie hatte gehofft, er würde direkt zum Lagerhaus gehen und sie den Heimweg in Frieden antreten lassen.

Zuhause. Für einen Moment reichte der Gedanke an die Wärme des Quartiers – des kleinen, palastartigen Heims der Dyminara – aus, um ihr fast ein Stöhnen abzuringen. Ihr Körper war wund von der Kälte und der Prügelei in der Taverne. Hoffentlich hatte Elara noch Chaucholada im Speisesaal stehen. Das warme, mit Honig verfeinerte Getränk wurde traditionell serviert, wenn der Ventaleh heulte. Um die Geister fern- und das eigene Fleisch intakt zu halten, sagte die Küchenchefin der königlichen Küche immer, den Blick auf die benachbarten Spitzen der Malas gerichtet. Der Ventaleh unterwirft sich niemandem, nicht einmal den Dyminara.

„Vielleicht werden unsere Freunde aus dem Westen großzügig ihre Informationen über den Lieferanten teilen, und ich kann dir die Mühe sparen, die Person aufzuspüren“, murmelte Will schließlich, den Blick auf den Pfad vor ihnen gerichtet. Aya nahm die Drohung, die in seinen Worten mitschwang, durchaus wahr. „Wie ist es dir gelungen, zu bestätigen, dass sie Waffen kaufen?“

Sie sah ihn an, aber sein – immer noch nach vorne gerichteter – Blick wirkte kalkulierend, nicht herablassend.

„Der Barkeeper war der Einzige, der das Hinterzimmer betreten durfte. Ich musste ihn nur in die richtige geistige Verfassung bringen … und dann für Ablenkung sorgen.“

Will stieß ein bellendes Lachen aus. „Also hast du ihn mit deiner Schönheit betört, hast ihn überzeugt, dir all seine Geheimnisse zu verraten, und dann seinen Laden zerstört.“ Er musterte ihre mit Bier und Blut verklebte Kleidung. „Unglaublich!“

„Du bist unerträglich.“

„Das habe ich schon öfter gehört. Das beruht auf Gegenseitigkeit, Aya-Schatz.“

Auch drei Jahre, in denen sie Seite an Seite in der Tría der Königin gearbeitet hatten – der Rang, der nur den drei vertrauenswürdigsten Dyminara der Krone zugestanden wurde –, hatten nicht ausgereicht, um die Bitterkeit zwischen ihnen zu tilgen.

Aya ignorierte ihn, konzentrierte sich stattdessen auf das Palastgebäude, dem sie sich näherten. Das Quartier lag im hinteren Teil der Königlichen Anlage, die sich in ein Waldgebiet höher am Berg schmiegte, ein wenig über der Stadt.

„Ich vermute, ich werde Ronan einen Besuch abstatten müssen, sobald ich mit den Händlern fertig bin“, seufzte Will.

Aya hob eine Augenbraue, als sie durch das eiserne Palasttor traten und auf den gepflasterten Weg abbogen, der sie zum Quartier bringen würde. „Wieso bist du noch nicht auf dem Weg zum Lagerhaus?“

Will grinste schief. „Ich habe dir doch gesagt, dass ich ein Bett zu wärmen habe.“ Er lachte über ihren angewiderten Gesichtsausdruck. „Götter, dieser Blick! Entspann dich, ja? Ich will mich umziehen.“ Er machte eine Geste in Richtung seines zweireihigen Jacketts und der schwarzen Hose. „Ich hasse diese noblen Gewänder.“

Sie dachte darüber nach, ihm mitzuteilen, dass von allen Dingen, die er an sich selbst verabscheuen sollte, seine Kleidung sicherlich ganz unten auf der Liste stand. Aber sie hielt die Worte zurück, als sie an den Stallungen vorbeistapften und einer Kurve folgten, bis der Pfad sich auf eine große Lichtung öffnete, in deren Mitte das Quartier stand.

Das Gebäude war viel kleiner als der Palast der Königin, aber trotzdem atemberaubend, mit grauer Steinfassade und Buntglasfenstern, die durch das Licht im Inneren funkelten.

Sie eilten durch den Torbogen, der das Gelände der Dyminara von denen der Königin trennte, dann folgten sie dem Pfad zu dem Gebäude, das an die aufwendigen Gärten anschloss. Im Licht der Fackeln, die immer noch in ihren Haltern brannten – was sie zweifellos den Incendi zu verdanken hatten, deren Flammen dem Ventaleh trotzen konnten –, waren gerade so die weißen Winterrosen zu erkennen.

Sie schoben die große Eichentür auf und traten in die Haupthalle. Auch wenn es ein großer Raum war, dessen steinerne Wände hoch aufragten, um die gewölbte Holzdecke zu stützen, wirkte er trotzdem warm. Einladend. In der Mitte der großen Bodenfläche lag ein scharlachroter Teppich, und darauf stand ein langer Holztisch. Zur Rechten lag die Holztür, die ins Speisezimmer führte, und links erhob sich ein riesiger, steinerner Kamin, in dessen Tiefen immer noch langsam verlöschende Flammen flackerten.

Aya eilte sofort zum Kamin und hielt die Hände über die Glut, um ihre Finger zu wärmen. Ein Blick zum Tisch sorgte dafür, dass sie die Stirn runzelte. Der Behälter mit Chaucholada war bereits gründlich geleert worden.

„Gab es im Squal irgendwelche Beobachter, vor denen wir uns in Acht nehmen müssten?“, fragte Will, als er neben sie trat.

Aya unterdrückte ein Schnauben, als sie an das Chaos zurückdachte, das in der Bar ausgebrochen war. „Nein. Wenn irgendwer überhaupt aufgepasst hat, dann dürften sie davon ausgehen, dass Mathias’ Gilde für die Verwüstung verantwortlich zeichnet.“

Mathias herrschte mit festem Griff über die Unterwelt von Dunmeaden. Seine Diebe und Meuchelmörder waren berüchtigt. Es war ein Segen, dass die Königin sie nicht aus der Stadt geworfen hatte. Dank ihnen fiel es leichter, bestimmte Arten von Aufmerksamkeit von der Krone abzulenken.

„Und ich habe mich um die Wachen gekümmert“, fügte sie hinzu.

Als sie die Worte aussprach, schlug eine Welle von Erschöpfung über ihr zusammen.

Gewalt war Aya nicht fremd. Die Visya hatten von den Göttern die Aufgabe übertragen bekommen, das Reich und die Menschen, die darin lebten, zu beschützen und ihnen zu dienen – und die Dyminara waren die wahrhaftigste Manifestation dieses Auftrages. Nicht alle Visya dienten auf diese Art, aber Aya … sie war für genau das geboren worden, in mehr als nur einer Hinsicht. Aber sie erfreute sich nicht an den Momenten, in denen sie gezwungen war, Leben zu beenden. Vielleicht machte sie sich schlicht nichts aus den Erinnerungen, die dadurch aufstiegen.

Wills Augen blieben auf ihre Hände gerichtet, starrten das Blut auf ihren Fingern an, wie er es schon in der Gasse getan hatte. „Du hast im Namen unseres Königreichs gehandelt“, sagte er schließlich leise.

Und da fühlte sie es, seine Affinität, die gegen ihren Körper brandete und die Last unter der Oberfläche aufspürte. „Ich brauche deine Gnade nicht“, murmelte sie. „Halte dich einfach aus meinem Kopf raus.“

Er zog eine Augenbraue hoch. „Ich habe mich nur gefragt, warum so tiefe Falten dieses schöne Gesicht verunzieren. Außerdem … deine Schuldgefühle machen dich angreifbar. Dann ist dein Schild am schwächsten. Das habe ich schon vor langer Zeit gelernt.“

„Meine Schuldgefühle bedeuten, dass ich mich noch nicht in ein Monster verwandelt habe.“

Eine weitere Lüge auf ihrer langen Liste.

Will verspannte sich, und ein Muskel an seinem Kiefer zuckte. „Wie ich“, beendete sie ihren Satz kühl. „Wenn du mich beleidigen willst, Aya, dann erweise mir wenigstens die Höflichkeit, es auch durchzuziehen.“

Sie war zu müde, um mit ihm zu diskutieren. Ihre Erschöpfung war stärker als die Wärme des Feuers, die langsam in ihren Körper eindrang. Sie brauchte Schlaf – besonders vor der Begegnung mit der Königin.

„Wir treffen uns direkt nach Sonnenaufgang“, murmelte Aya. „Versuch, bis dahin etwas Nützliches herauszufinden. Und pass auf dich auf. Du wirst dich noch umbringen, wenn du so durch die Straßen stolzierst.“

Wills Augen glitzerten im Feuerschein. Die Flammen betonten die grünen Flecken im Grau seiner Iris. Er legte den Kopf schief, als er sie musterte, und die Bewegung sorgte dafür, dass ihm die Haare in die Stirn fielen. „Wüsste ich es nicht besser, Aya-Schatz, würde ich sagen, das interessiert dich tatsächlich.“

„Bilde dir nur nichts ein“, gab sie zurück. Wenn überhaupt, war seine Existenz eine ständige Erinnerung an den Hochmut der Händlerklasse, den sie so verabscheute. Aber selbst Aya konnte nicht leugnen, dass Wills Macht und Durchtriebenheit in dem Konflikt von Nutzen sein würden, der mit Trahir dräute. Sowohl in Ratssitzungen als auch – die Götter mochten das verhüten – auf dem Schlachtfeld. „Ich denke eher an Tala. Wenn die Situation sich verschlimmert, fehlt uns die Zeit, dich zu ersetzen.“

Er presste sich spöttisch eine Hand an die Brust. „Ich fühle mich unendlich geehrt, dass du mich so sehr schätzt.“

Mit finsterer Miene wanderte sie der Treppe zu, die am anderen Ende des Saals nach oben führte.

„Vergiss nicht, ein Bad zu nehmen“, rief er ihr hinterher. „Ich kann dich selbst hier noch riechen.“

Sie zeigte ihm über die Schulter den Mittelfinger. Sein Lachen jagte sie über die Stufen nach oben, als sie ihn zurückließ. Mit langsamen Schritten schlurfte sie in ihr Zimmer. Das Blut an ihren Händen und auf ihrem Gesicht fühlte sich immer schwerer an, je länger es an ihrer Haut klebte.

Es war eine Ehre, ihren Göttern und ihrem Königreich zu dienen, erinnerte sie sich selbst.

Und für jemanden wie Aya war es vielleicht auch ein Akt der Sühne.

Kate Dramis

Über Kate Dramis

Biografie

Kate Dramis lebt als Schriftstellerin in Atlanta. Ihre Leidenschaft für Fantasywelten und gute Liebesgeschichten inspirierte sie dazu, Autorin zu werden. Auf TikTok und Instagram spricht sie über ihre Fantasyromane und hat Tausende Follower und Views. „The Curse of Saints“ ist ihr Debüt und Band 1...

Weitere Titel der Serie „The Curse of Saints“

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