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Stolen Kisses

Andreas Suchanek
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Roman

„Andreas Suchanek lässt die beiden Protagonisten Kai und Jannis abwechselnd erzählen. Das sorgt für spannende Unterhaltung aus verschiedenen Blickwinkeln.“ - Der Prignitzer

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Stolen Kisses — Inhalt

Prickelnde queere Romance in Berlin - Für Leser:Innen von Casey McQuiston und Alexis Hall

Eigentlich hatte es für Kai und Jannis nur ein One-Night-Stand im Hotel werden sollen, doch zwischen leidenschaftlichen Küssen und dem Plündern der Minibar vergehen die Stunden wie im Flug. Trotzdem verschwindet Kai am nächsten Morgen schweren Herzens. Sein Leben besteht aus Verpflichtungen, ein Coming-out ist unmöglich. Jannis bleibt traurig zurück, droht in der absoluten Freiheit zu ertrinken. Dann konkurrieren die beiden Modefirmen ihrer jeweiligen Familien plötzlich miteinander. Gewinnt die Liebe zwischen beiden oder verlieren sie sich in einem Netz aus Machtkampf und Intrigen?


  • LGBTQ-Fokus - Stolen Kisses ist ein LGBTQ-Buch, das sich auf die Darstellung von Gay Romance konzentriert. Perfekt für alle, die nach LGBTQ-Romanen und deutscher Gay-Romance suchen!
  • Schwule Charaktere - Die Hauptfiguren in Stolen Kisses sind schwul, was zur Vielfalt und Inklusivität in Romanen beiträgt!
  • Authentisch - Andreas Suchanek verleiht seinem New Adult-Roman mit Own-Voice-Elementen viel Echtheit! 
€ 15,00 [D], € 15,50 [A]
Erschienen am 31.08.2023
320 Seiten, Klappenbroschur
EAN 978-3-492-06425-5
Download Cover
€ 9,99 [D], € 9,99 [A]
Erschienen am 31.08.2023
320 Seiten, WMePub
EAN 978-3-492-60446-8
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Leseprobe zu „Stolen Kisses“

Prolog

Jannis


Eigentlich hatte es nur ein Quickie sein sollen. Das hatte ich zumindest gedacht. Bis mein Date das Hotelzimmer betrat, das wellige Haar vom Wind zerzaust, in Hoodie und Jogginghose gekleidet. Er trug seine Selbstsicherheit vor sich her wie eine Mauer, durch die keine Emotion hindurchschimmerte.

„Kai“, sagte er.

„Jannis“, sagte ich.

Dann fanden sich unsere Lippen. Gierig, wie zwei Verdurstende in einem Meer aus zu vielen Möglichkeiten. Das Bett war die Rettungsinsel. Die Verbindung war einfach da, und die Kleidungsstücke wurden auf Autopilot [...]

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Prolog

Jannis


Eigentlich hatte es nur ein Quickie sein sollen. Das hatte ich zumindest gedacht. Bis mein Date das Hotelzimmer betrat, das wellige Haar vom Wind zerzaust, in Hoodie und Jogginghose gekleidet. Er trug seine Selbstsicherheit vor sich her wie eine Mauer, durch die keine Emotion hindurchschimmerte.

„Kai“, sagte er.

„Jannis“, sagte ich.

Dann fanden sich unsere Lippen. Gierig, wie zwei Verdurstende in einem Meer aus zu vielen Möglichkeiten. Das Bett war die Rettungsinsel. Die Verbindung war einfach da, und die Kleidungsstücke wurden auf Autopilot weggerissen und ins Zimmer geworfen.

Seine Augen hatten die Farbe eines wolkenverhangenen Meeres. Unsere Körper verschmolzen miteinander, während der Wind den Regen gegen das Hotelzimmerfenster prasseln ließ. Das Licht der Stehlampe floss warm über das Bett, tauchte den Rest des Raums in ein diffuses Schattenspiel. Nicht, dass das eine Rolle gespielt hätte.

Es gab nur ihn und mich.

Wir lagen nackt auf dem Bett, konnten den Blick nicht voneinander lösen. Unsere Kleidungsstücke waren im ganzen Zimmer verteilt, und ehrlich, ich war nicht gerade stolz auf die Socke, die auf dem Lampenschirm gelandet war.

Es folgten drei Stunden, in denen seine Lippen mich überall küssten. Seine Zunge meinen Körper erkundete. Seine Hände mich streichelten. Endlich spürte ich wieder echte Nähe, mehr als nur eine flüchtige Berührung.

Jetzt lag Kai auf mir. Schaute mit einem sanften Glanz in den Augen herab, der sich mit einem Hauch von etwas anderem vermengte. Sehnsucht? Traurigkeit? Er lächelte. Die Wolken über dem Meer rissen auf, es funkelte in dem dunklen Blau.

Ich strich ihm eine Strähne aus der Stirn.

Ein fragender Ausdruck erschien in seinen Augen, woraufhin ich nickte.

Er lag zwischen meinen Beinen, schob sich langsam in mich. Seine Schultermuskeln spannten sich an, traten hervor. Sanft strich ich darüber. Er biss sich auf die Unterlippe, bremste sich selbst, um mir nicht wehzutun. Gut so, denn ich hatte da schon andere, schmerzhafte Erfahrungen gemacht.

„Alles okay?“, fragte er heiser.

Ich genoss das Gefühl der absoluten Nähe und lächelte. Er begann, sich in mir zu bewegen.



Kai


Ich konnte mich nicht an ihm sattsehen.

Normalerweise flüchtete ich nach einem Quickie, so schnell es ging. Dieser Plan hatte sich in Luft aufgelöst, als ich vor sechs Stunden das Hotel betreten hatte. Der Regen hatte nachgelassen, prasselte aber noch immer gegen die Fensterscheibe. Die Nacht ging langsam in die Morgendämmerung über.

Jannis lag neben mir und erwiderte meinen Blick mit glänzenden Augen. Die Sommersprossen auf seinem Gesicht schienen zu leuchten. Seine rotblonden Locken hatten sich endgültig in eine Sturmfrisur verwandelt. Obwohl wir die Stunden mit Küssen und Streicheln verbracht und insgesamt vier Kondome verbraucht hatten, wollte ich noch immer nicht aufstehen.

Mein Blick glitt kurz über seine Schultern. Ich sah den Berliner Fernsehturm in der Morgendämmerung. Das hier war Freiheit. Der Druck war von meiner Brust gewichen, die Verantwortung zu einer fernen Erinnerung geworden. Nicht weit entfernt wartete ein anderes Leben, grau und schwer.

Jannis rückte näher, seine Hände legten sich auf meine Taille, seine Lippen berührten meinen Hals. Sie waren weich, hinterließen bei jeder Berührung einen kribbelnden Nachhall.

„Der längste Quickie meines Lebens“, sagte er mit einem Grinsen, das in meinem Magen ein seltsames Kitzeln auslöste.

„Stimmt“, gab ich zu.

Er verdrehte die Augen. „Du weißt, dass man Wörter auch zu ganzen Sätzen verbinden kann?“

Ich lachte leise. „Postkoitale Wortfindungsstörungen.“

Es war längst zur Gewohnheit geworden, so wenig wie möglich über mich zu erzählen. In den vergangenen Stunden hatte ich immer mal wieder etwas preisgegeben, meist aber ausweichend geantwortet.

„Alles klar, Medizinstudent?“, bohrte er weiter.

Meinen Beruf hatte ich ihm nicht genannt. Laut Datingprofil waren wir fast im gleichen Alter, er ein Jahr jünger als ich, also fünfundzwanzig. Nur war ich kein Student mehr. Leider.

Die Schatten schlossen langsam wieder zu mir auf, die Realität dämpfte das Licht, zog mich zurück in ihre Kälte. Ich wollte etwas sagen, doch Jannis hätte es nicht mehr gehört. Die Kitzelattacken hatten ihn genauso erschöpft wie mich. Sein Atem berührte gleichmäßig meinen Hals, er war eingeschlafen. Sicherheitshalber stellte ich meinen Wecker, aber nur auf lautlos. Meine Uhr würde vibrieren. Ich dämmerte ebenfalls weg, schreckte aber eine Stunde später wieder hoch.

Vorsichtig wand ich mich aus der Umarmung, deckte ihn zu und hauchte einen Kuss auf seine Stirn. Er lächelte im Schlaf. Beinahe hätte ich geschrien vor Schmerz.

Die Enge kehrte zurück in meine Brust.

Schnell zog ich mir Shorts, Jogginghose und Hoodie über und schlüpfte in die Sneaker. Ein letzter Blick auf das Bett, wo Jannis schlief.

„Danke“, flüsterte ich.

Ich öffnete die Hoteltür und ließ sie sanft hinter mir ins Schloss gleiten. Am Empfang bezahlte ich den Inhalt der Minibar, die wir in den vergangenen Stunden geplündert hatten.

Vor dem Hotel trat ich in den Regen, zog die Kapuze über. Der frühe Morgen nahm mich auf, Berlin erwachte. Die Regentropfen trafen mein Gesicht, liefen daran herab und spülten die Emotionen der Nacht davon, ließen die Erinnerung verblassen.

Nur sein Lächeln blieb.



1. Kapitel 

Jannis


Ich genoss das Gefühl von Wärme und Geborgenheit, das mit dem Aufwachen einherging. Das Prasseln des Regens gegen die Scheibe war schwächer geworden. Es dauerte ein paar Sekunden, bis ich die Stille registrierte. Mein Arm tastete wie von selbst nach rechts. Im nächsten Moment schoss ich in die Höhe.

Kai war fort.

Mein Herz begann zu rasen. Ich konnte nicht einmal genau sagen, warum. Das Gefühl von unendlicher Leere und Einsamkeit schlug über mir zusammen, und weil es so unvorbereitet kam, dauerte es einen Augenblick, bis ich mich wieder beruhigt hatte.

„Natürlich ist er weg.“ Ich zog die Beine an, presste die Stirn auf die Knie und ließ meinem Puls Zeit, von Sprint auf Spaziergang zurückzuwechseln.

Hatte er vielleicht seine Nummer hinterlassen?

Hatte er nicht. Sicherheitshalber suchte ich auch in der Ritze zwischen Nachttisch und Bett – man kannte das ja aus Filmen. Am Ende warteten beide auf den Anruf des anderen, und es gab unzählige Missverständnisse, bis sie sich schließlich auf einer Brücke in Paris umarmten, unter der die Seine entlangplätscherte. Ich wäre schon mit der Spree zufrieden.

Meine Uhr leuchtete mir entgegen, und ich stöhnte auf. Walk of Shame war gar kein Ausdruck für das, was mir bevorstand. Ich schlüpfte in meine Unterhose und den ganzen Rest meiner noch immer im Zimmer verstreuten Kleidungsstücke, natürlich im Zeitlupentempo wegen Koffeinmangel.

In meinem Magen saß der Kloß eines Berliner Morgens, der jede Wärme vertrieb. Kein Weichzeichner mehr, nur noch harte Linien und Kanten.

Genau das erwartete mich auch vor dem Hotel. Die Menschen eilten durch die Straßen, jeder hatte Angst vor dem nächsten Regenschauer. Oder Schnee. Mein Atem kondensierte in der Luft, zumindest bis ich die U-Bahn-Haltestelle erreichte. Der vertraute Geruch von Gummi, Metall und Dingen, die ich lieber ignorierte, drang an meine Nase. Kais Meinung dazu kannte ich ja, nach dieser Nacht. Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen, doch ich verdrängte es sofort.

Ich stieg ein und sank auf einen der Sitze, wenigstens musste ich nicht umsteigen. Die Bahn fuhr ruckelnd an, als wollte sie dafür sorgen, dass ich auch ja nicht versehentlich einschlief.

Minuten später schlurfte ich die Treppenstufen einer U-Bahn-Haltestelle hinauf und betrat den vertrauten Kiez. Kreuzberg. Die Straßen um mich herum füllten sich immer schneller, die Markthalle war bereits geöffnet. Kurz darauf stand ich vor unserem Haus. Es strahlte etwas aus, das irgendwo zwischen Künstlercharme und Abrissbude einzuordnen war. Der hüfthohe Metallzaun rostete vor sich hin, und der Vorgarten war ein Dschungel. Die Eingangstür war in diesem Monat gelb gestrichen, mit roten Punkten darauf.

Leise schob ich den Schlüssel ins Schloss, öffnete die Tür und betrat das Haus. Der Geruch von frischen Krapfen drang in meine Nase, Fett brutzelte in der Pfanne.

Ich fluchte innerlich.

„Ich habe Krapfen gemacht“, trällerte es aus der Küche.

Niedergeschlagen ließ ich die Schultern sinken. Ich nahm mir extra lange Zeit, die Sneaker an die Seite zu kicken.

„Es bringt dir gar nichts, es hinauszuzögern“, rief meine Mutter.

Der Flur war mit einem verschlissenen Teppich ausgelegt, an den Wänden hingen Bilder, die sie in ihrer Frühphase angefertigt hatte. Alle zeigten Silhouetten, gekleidet in bunte Kleckse, die Blusen, Pullis, Jeans oder andere Kleidungsstücke darstellten.

Unweigerlich sah ich eine Silhouette mit schwarzen Jogginghose, Hoodie und welligem, dunklem Haar vor mir.

„Ist er abgehauen?“, erklang die Stimme meiner Schwester.

„Das würde er seiner ihn liebenden Mutter nicht antun“, kam es sofort und extralaut. „Schließlich habe ich mich stundenlang vor den Herd gestellt, um ihm Krapfen zu machen.“

Was bedeutete, dass sie die Backmischung herausgeholt und in die Pfanne gekippt hatte. Unter Anleitung meiner Schwester natürlich, denn sobald Mama etwas tat, das ihr keinen Spaß machte, schweiften ihre Gedanken zu Modeentwürfen. Mit fatalen Folgen für die aktuelle Tätigkeit. O ja, Zucker konnte in der Pfanne brennen. Und wenn sie das nächste Mal einen Smoothie mixte, sollte der Pfeffer nicht in der Nähe stehen.

„Da ist er ja.“ Mit einem Satz war sie bei mir und riss mich in eine Umarmung.

Ich schob sie genervt von mir. Fehlte nur noch, dass sie mir in die Wange kniff.

Sie kniff mir in die Wange. „Wie war es?“

„Wir hatten doch darüber gesprochen.“ Meine Stimme war ein Knurren.

„Normalerweise bist du nicht so lange weg“, rief meine Schwester vom Küchentisch.

Sie war die kleine Ausgabe meiner Mutter. Beide besaßen einen dichten Lockenkopf und genau wie ich eine Menge Sommersprossen. Während meine Mutter zu poppigen Farben neigte – heute trug sie ein geblümtes Kleid und darunter eine Hose und Stiefel –, bevorzugte Rebecka gedeckte Töne. Das wusste ich, weil man im Haus einer Modedesignerin gewissen Fachbegriffen nicht entkam. Meine Schwester war wohl ein Herbsttyp.

„Setz dich.“ Sie klopfte auf den Stuhl neben sich.

Teller, Krapfen, Ahornsirup und Nutella standen bereit. Daneben eine große Tasse mit dampfendem Kaffee und einem Schuss Hafermilch darin. Diese Kombination war der auf mich zugeschnittene, perfekte Köder. Mit Nutella bekamen sie mich immer, das war sozusagen mein Kryptonit. Um sicherzugehen, hatten sie den Deckel bereits abgeschraubt und einen Löffel dazugelegt.

„Ich hasse euch“, verkündete ich grummelig.

„Aber das geht doch gar nicht, mein Schatz.“ Meine Mutter streckte die Hand aus, um meine Haare zu wuscheln, aber ich konnte darunter wegtauchen. „Du liebst uns.“

„Darüber habe ich noch nicht final entschieden.“

„Wie war er?“, fragte meine Schwester, zwei Sekunden nachdem ich mich gesetzt hatte.

Dass sie nicht einmal wartete, bis ich den Löffel in der Hand hielt, sagte einiges über sie aus. „Das geht dich nichts an.“ In diesem Haus gab es keine Privatsphäre.

„Du siehst ganz zerknautscht aus“, bemerkte meine Mutter. „In diesen Hotelbetten schläft man nie gut.“

„Ging schon.“ Ich kniff die Augen zusammen. Verdammt!

„Also Hotel.“ Becks nickte zufrieden. „Das ist ein Punkt für mich.“

An welcher Stelle hatte mein Leben eigentlich diesen Verlauf genommen? Vermutlich vor fünfundzwanzig Jahren, am Tag meiner Geburt. „Ihr habt schon wieder gewettet?!“

„Wetten ist das falsche Wort. Wir haben uns nur unterhalten“, korrigierte meine Mutter. „Schließlich …“ Sie sah Hilfe suchend zu Becks, die immer die besseren Ausreden parat hatte.

„… haben wir uns Sorgen um dich gemacht“, nahm diese elegant den Faden auf, während sie gleichzeitig gedankenverloren ein Papier studierte.

In diesen Augenblicken rechnete ich ihr keinerlei Chancen aus, jemals als Schauspielerin Fuß zu fassen.

„Sportlich oder Business?“, fragte sie.

„Sportlich“, erwiderte ich reflexartig.

„Der Punkt geht an mich“, stellte meine Mutter klar.

Ich verdrehte die Augen und steckte den Löffel ins Nutellaglas. Die Nugatcreme landete in Form von Klecksen und Punkten auf dem Krapfen, als hätte ich sie mit einem Pinsel dorthin geschleudert. Moderne Kunst war das allemal. Schnell stopfte ich mir den Mund damit voll.

„Passt es dir mit dem großen Löffel?“, fragte meine Schwester. „Oder brauchst du einen kleinen? Welcher Löffel ist dir lieber?“

Ich warf ihr einen tödlichen Blick zu und machte damit klar, dass ich diese Frage nicht beantworten würde.

„Berliner oder Tourist?“, fragte sie weiter.

Ich deutete auf meinen Mund und zuckte mit den Schultern. „Forry.“

„Mensch, Becky, jetzt lass ihn doch mal kauen“, sagte meine Mutter. „Mit vollem Mund …“

Meine Schwester setzte bereits zum Protest an. Sie hasste es, Becky genannt zu werden.

„Schluss jetzt“, brüllte ich und schleuderte die Krapfenkrümel davon.

Natürlich war mir klar, was die nächste Frage gewesen wäre. Meine Mutter kannte keine Grenzen. Für sie war Freiheit gleichbedeutend mit Brokkoli und Tempeh, ein Grundnahrungsmittel. Und genau deshalb ließ sie sich auch grundsätzlich nicht den Mund verbieten. Dazu gehörte auch, sich in alles – wirklich alles – einzumischen. Andere Kinder wurden durch Jugendzeitschriften oder auf dem Pausenhof aufgeklärt. Ich hatte schon mit sieben Jahren gewusst, was „nicht binär“ und „Drag Queen“ bedeutet.

Glücklicherweise verzog meine geliebte Zwillingsschwester angeekelt das Gesicht. Auch sie hatte wohl geahnt, in welche Richtung unsere Mutter als Nächstes gefragt hätte. „Also ich habe gewonnen“, beschloss sie daher. „Du könntest ruhig mal ein bisschen kreativer werden, was deine Sexpartner angeht.“

„Sag das den Touristen.“ Die Niedergeschlagenheit war zurück, und plötzlich hatte ich keine Lust mehr auf Krapfen oder Nutella. „Die wollen halt immer nur Spaß.“

Meine letzte Beziehung war mit einem Knall zu Ende gegangen, als ich erfuhr, dass es neben mir noch einen anderen gab. Und obwohl ich keine Probleme hatte, Dates zu vereinbaren, wollte es einfach nicht mit etwas Ernstem klappen. Möglicherweise war mein Herz noch nicht wieder vollständig geheilt, doch nach all der Zeit sehnte ich mich nach einer Schulter zum Anlehnen. Eine, die mich nicht aus dem Hinterhalt rammte.

„Tut mir leid“, sagte meine Schwester jetzt.

Ich erwiderte ihren Blick mit einem schwachen Lächeln.

„Denk immer daran, du hast hier eine Freiheit, die viele Menschen nicht haben“, kam es erwartungsgemäß von meiner Mutter. „Der Rest kommt auch noch.“

Sie sah grenzenlose Freiheit als eine grüne Wiese voller bunter Blumen. Für mich war es ein Meer, in dem ich ertrank. Doch wenn sie von Nähe oder festen Partnerschaften sprach, legte sich stets ein Schatten über ihr Gesicht. Vermutlich hatte es etwas mit unserer Familie zu tun. Rebecka und ich wussten so ziemlich gar nichts über unsere Großeltern – sie waren früh gestorben – und über „den Erzeuger“.

„Was hast du denn heute vor?“, fragte Becks.

Manche Fragen waren einfach überflüssig. „Es ist Sonntag.“

„Und?“

„Keine Pläne“, ergänzte ich. „Ilyas ist nachher bestimmt mit Sandy auf dem Tempelhofer Feld unterwegs.“

Meine Mutter legte die Stirn in Falten. Sie liebte Tiere, aber seitdem die Dackelhündin von Ilyas einen ihrer Modeentwürfe zu Fetzen verarbeitet hatte, beäugte sie „das Tier“ mit maximaler Skepsis.

„Wenn du quasi nichts zu tun hast“, sagte meine Mutter listig, „wäre das doch die perfekte Gelegenheit, den Katalog zu erweitern. Außerdem habe ich dir die Liste mit den neuen Pop-up-Stores auf den Schreibtisch gelegt.“

Das hatte ich davon, Informatik zu studieren. Der emotionale Teil meiner Mutter war in Tränen ausgebrochen, als ich meinen technokratischen Berufswunsch verkündet hatte. Der pragmatische hatte vor Freude gejauchzt, denn damit konnte ich Websites programmieren.

„Wird gemacht“, sagte ich. „Aber ich stelle eine Bedingung.“

„Habe ich dir nicht all meine Liebe gegeben?“, begann sie sofort.

„Keine Wetten mehr über mich und meine …“

„Betthäschen“, schlug Becks vor.

„One-Night-Stands“, kam es von meiner Mutter.

„Hotelluder“, setzte Schwestermonster noch eins drauf.

Diesen Tag würde ich nutzen, um meine Rache zu planen. Oh, sie hatten ja keine Ahnung, was ihnen bevorstand.

„… potenziellen Lebensgefährten“, sagte ich.

„O Gott“, entfuhr es meiner Mutter, und das wollte schon was heißen, denn sie war alles, aber nicht religiös. „Das ist so heteronormativ.“

„Mutter!“ Ich funkelte sie an.

„Ist ja gut, ist ja gut.“

Sie wedelte mit der Hand. „Keine Wetten mehr. Für die nächsten sechs Monate, versprochen. Aber du hörst auf, mich ›Mutter‹ zu nennen.“

Ich nickte zufrieden. Immerhin ein Schritt in die richtige Richtung. Kurzerhand tauchte ich den Löffel ins Nutellaglas und schob ihn danach in meinen Mund. Die Stuhlbeine schabten über den Boden, als ich aufstand. Die Kaffeetasse kam mit.

Von der Küche führten drei Türen ab. Keine Ahnung, welcher Architekt dieses Haus konstruiert hatte, aber dass meine Mutter es liebte, sagte schon alles. Die Zimmer der Frauen – oder wie ich sie nannte, die Frauenzimmer (jep, ein absichtliches Wortspiel) – befanden sich im Erdgeschoss. Sie hatten ihr eigenes Tageslichtbad.

Ich öffnete die Tür und stieg die Stufen hinauf, die in mein Reich führten. Ein großer Raum, an den ein kleineres Bad angeschlossen war. Da es hier im Winter meist frostig wurde und wegen der schlechten Dämmung keine Chance auf vernünftiges Heizen bestand, hatte ich nicht mal groß darum kämpfen müssen. Im Sommer war es dafür eine Sauna.

Mein Bett war eine Palette, auf der eine Matratze lag. Vor dem orangen Schreibtisch stand ein 1970er-Schalensitz. Der Fernseher war recht neu, die Couch davor von IKEA. Ein Hängesessel hing von der Decke.

Das Ganze wirkte, als habe jemand Möbelstücke aus unterschiedlichen Jahrzehnten herausgepickt und hier abgestellt. Immerhin war mein Laptop vom letzten Jahr, mit dem konnte ich arbeiten.

Mit einem Seufzen ließ ich mich auf die Matratze fallen. Sofort sah ich Kais Augen wieder vor mir. Sturmgepeitschtes Blau, darüber eine gelöste Strähne seines Haares. Das war überraschend weich gewesen, vermutlich benutzte er irgendein superedles Shampoo. Dieser akkurate Schnitt, dazu manikürte Fingernägel … er hatte eindeutig einen guten Job, bei dem er sich auch präsentabel herrichten musste.

„Der war garantiert geschäftlich hier“, murmelte ich.

Natürlich bestand die Möglichkeit, ihn einfach noch einmal über Grindr anzuschreiben. Ich zog mein Smartphone hervor. Es war keine Pushnachricht eingegangen, also hatte er sich nicht gemeldet. Vielleicht schlief er ja noch.

Wenn ich eingeschlafen war, konnte eine Bombe neben mir detonieren, nichts bekam mich wach. Und das meine ich wortwörtlich. Becks hatte sich früher immer geärgert, weil ihr blöder Bruder ständig Silvester verschlief. Als meine Mutter einmal nicht hingesehen hatte, hatte dieses Monster neben meinem Kinderbett Knallfrösche gezündet.

Ich sage jetzt nichts zur Aufsichtspflicht, die eindeutig von gewissen Erziehungsberechtigten vernachlässigt worden war. Auf jeden Fall hatte ich trotz Lärm weitergeschlafen.

Es war also durchaus möglich, dass Kai versucht hatte, mich zu wecken, und am Ende unverrichteter Dinge abgezogen war. Und wozu ein Zettel, schließlich konnten wir ja über Grindr miteinander schreiben. Alles easy.

Ich öffnete die App.

Und schloss sie wieder.

Es kam schon irgendwie klammernd rüber, wenn ich mich jetzt sofort meldete. Ein paar Stunden konnte ich warten. Gar kein Problem. Zumindest kein großes Problem.

Eine Pushnachricht ging ein. Mein Bauch vollführte einen Purzelbaum.

Es war Ilyas.

Enttäuschung pur, obwohl ich das meinen besten Freund nicht unbedingt wissen lassen sollte. Wie vermutet war er bereits auf dem Tempelhofer Feld unterwegs, damit Sandy ihre überschüssige Energie loswerden konnte. Diese Dackel sahen unschuldig aus, aber in denen steckte die Power eines Kernreaktors. Ich hatte einmal auf sie aufgepasst – der Tag des Zwischenfalls mit Moms Entwurf –, und das Tier hatte mich geschafft. Ehrlich. Am Ende war es mir egal, dass sie auf der Decke lag und mein ausgepackter Döner neben ihr.

Ich versprach Ilyas, mich gleich auf den Weg zu machen. Vermutlich lud er Nico ebenfalls ein. Der Dritte im Bunde fungierte als Alibihetero. Falls Ilyas’ Eltern uns entdeckten. Schließlich war ich der verdorbene Schwule.

In diesen Augenblicken war ich tatsächlich dankbar für die Freiheit, die meine Familie mir ermöglichte. Und diese Stadt. Ich warf meine Kleidung aufs Bett und sprang unter die Dusche. Wenigstens begann der Kaffee langsam zu wirken.

Zwanzig Minuten später war ich ausgehbereit.

Kurz vor der Tür stoppte ich, knabberte an meiner Unterlippe und rang mich schließlich dazu durch, die App noch einmal zu öffnen. Es wurde im Profil angezeigt, wann Kai zuletzt online war, da konnte ich ja einen Blick riskieren.

Ich ging auf die Favoritenseite, wo er abgespeichert war.

Mein Magen sackte ab.

Sein Profil war gelöscht.

Andreas Suchanek

Über Andreas Suchanek

Biografie

Andreas Suchanek, 1982 geboren, veröffentlicht seit mittlerweile zehn Jahren in den Genres Science-Fiction, Fantasy, Krimi, Kinderbuch und Lovestory. Der in Karlsruhe lebende Autor verfasste schon in seiner Jugend eigene Geschichten und Romane. Er machte sein Fachabitur, schloss erfolgreich eine...

Jannis
© Maximilian Günther

Secret Pleasure: Süchtig nach Nutella
Perfekter Sonntag: Ausgiebiges Frühstück und anschließende Radtour die Spree entlang
Spitzname, den Kai ihm verliehen hat: Knuffi ger Höhlentroll
Größter Wunsch: Jeden Morgen neben seinem Herzensmensch aufzuwachen

 

Kai
© Maximilian Günther

Secret Pleasure: Schaut heimlich Reality-TV
Perfekter Sonntag: Ein Spaziergang durchs Grüne
Spitzname, den Jannis ihm verliehen hat: Nachwuchssnob
Größter Wunsch: Ein eigener Hund. Und Freiheit

Pressestimmen
Der Prignitzer

„Andreas Suchanek lässt die beiden Protagonisten Kai und Jannis abwechselnd erzählen. Das sorgt für spannende Unterhaltung aus verschiedenen Blickwinkeln.“

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„.Ich genoss jede Zeile, jedes gesprochene und unausgesprochene Wort“

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„›Stolen Kisses‹ ist eine wundervolle, emotionale Geschichte mit authentischen Protagonisten und einer spannenden Handlung.“

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