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Neopolis – Im Herzen der Maschine (Neopolis 2)

Karl Olsberg
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Thriller

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Neopolis – Im Herzen der Maschine (Neopolis 2) — Inhalt

Trügerisch und unheilvoll: Eine hoch technisierte Metropole, in der sogar die eigenen Sinne täuschen

KI-Experte Karl Olsberg spinnt eine erschreckend aktuelle Zukunftsversion in seiner actionreichen „Neopolis“-Reihe.

In Band 2 der mitreißenden Near-Future-Reihe, sind es nicht nur die mächtigsten und einflussreichsten Shareholder der Stadt, mit denen Nick es aufnehmen muss.

Gamer Nick hat die sieben Ebenen der Hölle bezwungen – und darf zusammen mit Adina in Neopolis bleiben. Doch hinter den Kulissen der schönen neuen Augmented-Reality-Welt brodelt schon ein neuer Konflikt: Die KI, die die Stadt kontrollieren soll, wendet sich nach einem Update gegen ihre Schöpfer. Das gefällt nicht allen – vor allem nicht der Elite von Neopolis. Nick wird in den erbitterten Machtkampf zwischen Aron Keaton und seiner Rivalin Rynkova hineingezogen. Er und Adina müssen sich entscheiden, auf wessen Seite sie stehen.

Schärfen Sie Ihre Sinne, für ein fantastisches Leseerlebnis. 

€ 18,00 [D], € 18,50 [A]
Erschienen am 30.11.2023
336 Seiten, Klappenbroschur
EAN 978-3-492-70622-3
Download Cover
€ 14,99 [D], € 14,99 [A]
Erschienen am 30.11.2023
336 Seiten, WMePub
EAN 978-3-492-60562-5
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Leseprobe zu „Neopolis – Im Herzen der Maschine (Neopolis 2)“

1.


Adina lächelte nervös. „Aber du musst mir ehrlich sagen, was du davon hältst.“

Licht und Dunkelheit – eine Ausstellung von Adina Marini stand auf einem Schild neben der doppelflügeligen Tür. In der Neopolis Gallery of Contemporary Art einen eigenen Raum gewidmet zu bekommen, war schon an sich eine große Auszeichnung. Und anlässlich der Vernissage würden sich morgen zudem die Schönen, Reichen und Wichtigen von Neopolis hier einfinden, um ihre Werke zu bewundern. Ich merkte Adina an, wie aufgeregt sie war.

Ich nickte und gab ihr einen Kuss. „Na klar.“

Natü [...]

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1.


Adina lächelte nervös. „Aber du musst mir ehrlich sagen, was du davon hältst.“

Licht und Dunkelheit – eine Ausstellung von Adina Marini stand auf einem Schild neben der doppelflügeligen Tür. In der Neopolis Gallery of Contemporary Art einen eigenen Raum gewidmet zu bekommen, war schon an sich eine große Auszeichnung. Und anlässlich der Vernissage würden sich morgen zudem die Schönen, Reichen und Wichtigen von Neopolis hier einfinden, um ihre Werke zu bewundern. Ich merkte Adina an, wie aufgeregt sie war.

Ich nickte und gab ihr einen Kuss. „Na klar.“

Natürlich war das eine Lüge. Ich hätte es niemals übers Herz gebracht, ihre Werke zu kritisieren, selbst wenn sie mir nicht gefallen hätten. Sie hatte die letzten Monate wie besessen daran gearbeitet, als hätten die Ereignisse um den Token bei ihr einen Kreativitätsschub ausgelöst. In all der Zeit hatte sie mir nicht einen einzigen Blick darauf erlaubt. Doch nun, am Abend vor der offiziellen Eröffnung, durfte ich ihre neue Ausstellung als Erster sehen.

Sie öffnete die Tür, und ich betrat den großen Ausstellungsraum. Er hatte schlichte weiße Wände und einen Fußboden aus poliertem Stein. Zwei Reihen von je sechs weißen, quadratischen Tischen, auf denen jeweils ein Kunstwerk präsentiert wurde, standen an den Wänden. Dazwischen, in der Mitte des Raums, war ein deutlich größerer Tisch aufgestellt, mindestens fünf Meter lang und zwei Meter breit. Er war eindeutig der Blickfang der Ausstellung – eine Nachbildung der Innenstadt von Neopolis, deren höchste Gebäude gut einen Meter emporragten.

Ich trat an den Tisch, um mir die Skulptur genauer anzusehen. Unwillkürlich streckte ich eine Hand danach aus, zog sie jedoch rasch wieder zurück.

„Ist das etwa … Sand?“

„Ja.“

Als ich genauer hinsah, erkannte ich, dass sich am Fuß einiger Gebäude bereits kleine Dünen aus herabgerieselten Sandkörnern gebildet hatten. Weiter oben waren in den Fassaden Risse zu erkennen, ein Teil einer Turmspitze fehlte. Ich zuckte zusammen. Die Skulptur zerfiel schon, bevor die Ausstellung eröffnet war! Adina hatte offenbar zu wenig Fixierungsmittel verwendet. Ich überlegte, ob ich sie darauf hinweisen sollte. Sicher würde ich sie damit in Panik versetzen.

Doch dann wurde mir klar, dass ihr ein solcher Fehler niemals unterlaufen wäre. Nicht Adina, die beim gemeinsamen Kochen jede Zutat vorher sorgfältig abwog und in einer eigenen Schale bereitstellte, bevor sie den Herd einschaltete.

„Wow!“, rief ich aus. „Die Stadt zerfällt langsam vor den Augen des Betrachters.“

Sie lächelte. „Gut erkannt. Jetzt setz deine Brille auf!“

Es wurde Nacht, als ich ihre Anweisung befolgte. Die Wolkenkratzer vor mir leuchteten in schillernden Farben, wie sie es auch in der Wirklichkeit taten. Ich entdeckte den Riesengorilla, den ich an meinem ersten Abend in Neopolis gesehen hatte, und Keatons Firmenzentrale, um die winzige Elfen schwirrten. Doch die Animationen liefen im Zeitraffer ab: Der Affe flitzte die hektisch blinkende Fassade hinauf und wieder herunter, während die Fahrzeuge in der Straße unter ihm einen leuchtenden Strom bildeten. Während ich zusah, wurde es hell, und die Schatten der Wolkenkratzer drehten sich mit dem Lauf der Sonne, während zahllose winzige Menschen wie Ameisen auf Speed durch die Straßen wuselten. Über alldem schwebte ein Schriftzug mit dem Titel des Kunstwerks: Zeit.

Ich nahm die Brille wieder ab. „Ich glaube, ich verstehe, was du damit sagen willst: Über all den Illusionen und der Hektik unserer Zeit vergessen wir unsere eigene Vergänglichkeit – und die der Dinge, die wir schaffen.“

Sie strahlte. „Das ist besser als der Erklärungstext im Ausstellungskatalog!“

Ich zog sie näher an mich heran. „Tja, du hättest mich eben schon eher einbeziehen sollen.“

„Ich bin da ein bisschen abergläubisch“, erwiderte sie und schaute mir verführerisch lange in die Augen. „Wenn ich jemandem ein halb fertiges Kunstwerk zeige, dann habe ich immer die Sorge, dass ich die Energie verliere, um es zu vollenden. Das ist mir schon ein paarmal passiert.“

Ich konnte das verstehen, dennoch hatte ich mich in den letzten Wochen ein wenig vernachlässigt gefühlt. Adina war so vertieft in ihre Arbeit gewesen, dass wir kaum Zeit miteinander verbracht hatten. Doch ich hütete mich, ihr das zu sagen.

„Wie lange hast du daran gearbeitet?“, fragte ich stattdessen.

„Den größten Teil der Arbeit haben zwei Roboterarme gemacht. Mit der Hand hätte ich diese filigranen Strukturen aus Sand niemals hingekriegt.“

„Trotzdem … Es tut mir weh, mit anzusehen, wie das jetzt alles zu Staub zerfällt.“

„Genau das habe ich beabsichtigt.“

Wir lösten uns aus unserer Umarmung, und ich wandte mich dem Tisch in der Ecke zu meiner Linken zu. Darauf stand eine Art miniaturisiertes Baugerüst, das einen halb fertigen Turm mit quadratischem Grundriss umgab. Die Oberkanten der Mauern sahen aus wie eine Wendeltreppe, die nirgendwo hinführte. Ein kleines Männchen aus grauem Ton stand ungefähr auf halber Höhe auf einer der Stufen.

Der Blick durch die Brille erweckte die Skulptur zum Leben und offenbarte Adinas Botschaft. Nun wuselten winzige Bauarbeiter auf dem Gerüst herum. Während der graue Mann mit gebeugtem Rücken die Treppe hinaufkletterte, fügten sie am oberen Ende neue Stufen hinzu. Das Material dafür holten sie vom unteren Rand des Turms, sodass dieser immer wieder ein Stück nach unten sackte. Auf diese Weise rannte das Männchen endlos im Kreis herum wie auf einer der unmöglichen Endlostreppen in den Bildern eines M. C. Escher. Der Weg zum Glück lautete der Titel des Kunstwerks.

Auch die meisten anderen Skulpturen hatten eine reale und eine virtuelle Komponente. Bei einer Installation mit dem Titel Hot Rhythm tropfte zum Beispiel Wasser aus einem Schlauch auf eine heiße Herdplatte, wo die Tropfen dann verdampften und dabei zischten und tanzten. Durch die Brille gesellten sich winzige Menschen zu den Wasserperlen und hüpften im Takt fetziger Musik um sie herum. Ein anderes Kunstwerk namens Zweifel zeigte eine wunderschön gestaltete Rose, die anstelle der Blätter zwei dürre Arme mit dornigen Händen hatte. In der virtuellen Animation rissen die Arme die Blütenblätter aus, bis die kahle Rose zusammensackte, zu knospen anfing und sich wieder entfaltete, nur um sich erneut selbst zu zerfleddern. Auf einem Tisch war ein gewöhnlicher Spiegel aufgestellt. Betrachtete man ihn durch die Brille, sah man sein eigenes Spiegelbild in Flammen aufgehen. Selbsterkenntnis lautete die Überschrift.

Ich war beeindruckt. Zwar hatte ich schon zuvor Werke von Adina gesehen, doch die Skulpturen dieser Ausstellung waren anders: doppeldeutig, düster und ironisch. Ihre Kunst schien Adinas Art zu sein, ihre traumatischen Erlebnisse zu verarbeiten.

Meine eigene Strategie war weniger effektiv. An der Oberfläche führte ich ein Leben, wie ich es mir früher in meinen kühnsten Träumen nicht ausgemalt hätte. Doch etwas hielt mich davon ab, dieses Leben zu genießen, eine Art Schatten, der stets am Rand meines Gesichtsfelds zu lauern schien.

Seit ich den Token losgeworden war, lebte ich mit Adina zusammen. Ich hatte meinen Job in Berlin gekündigt und war damit vermutlich einem Rauswurf zuvorgekommen; die anderen Mitglieder meines Teams waren alle gefeuert worden. In Neopolis eine neue Stelle zu finden war leichter gewesen, als ich erwartet hatte. Seit ein paar Wochen arbeitete ich als Projektleiter bei Bowman & Hall, einer IT-Beratungsfirma, die sich auf die Unterstützung ausländischer Firmen mit Niederlassungen in Neopolis spezialisiert hatte. Es war nicht gerade mein Traumjob, aber er wurde gut bezahlt, und so hatte ich nicht das Gefühl, nur nutzlos herumzusitzen.

Außerdem half der Job dabei, die Erinnerungen an die Geschehnisse kurz nach meiner Ankunft in Neopolis zumindest tagsüber zu verdrängen. Doch nachts wachte ich oft schweißgebadet aus düsteren Träumen auf und starrte minutenlang in die Dunkelheit, bis ich sicher war, dass ich wach war und nicht gefangen in einem quälenden Endlostraum. Mein Dschinn hatte meine Angstzustände natürlich registriert und mir mehrfach den Vorschlag gemacht, mit ihm über meine Erlebnisse zu reden; er verfügte über ein Modul mit psychiatrischem Fachwissen und hatte mir absolute Vertraulichkeit zugesichert. Doch ich hatte das abgelehnt und mich ebenso geweigert, die Hilfe eines menschlichen Spezialisten in Anspruch zu nehmen. Auch mit Adina hatte ich bis jetzt kaum über unsere gemeinsamen Erlebnisse geredet. Es tat einfach zu weh, daran erinnert zu werden, wie ich an ihr gezweifelt hatte.

Schlimmer noch war, dass diese Zweifel niemals ganz verschwunden waren.

Willst du wissen, warum Adina Marini dir hilft? Welche Rolle sie in dieser Geschichte in Wahrheit spielt? Die Worte aus dem Chat hatten sich in meinem Unterbewusstsein festgesetzt wie antibiotikaresistente Keime. Vermutlich steckte dahinter die tief in mir verwurzelte Gewissheit, dass sich eine Frau wie sie – schön, klug, erfolgreich – niemals mit einem Typen wie mir abgeben würde. So oft sie mir auch versicherte, dass sie mich liebe, ich wurde diese Zweifel einfach nicht mehr los.

Der nächste Tisch war leer. Auch durch die Brille sah man keinerlei Objekt oder Animation, nur der Titel des Kunstobjekts, das hier eigentlich hätte ausgestellt werden sollen, schwebte in der Luft: Wirklichkeit.

„Fehlt da nicht noch was?“, fragte ich.

Adina grinste nur.

Leicht irritiert wandte ich mich dem nächsten Tisch zu, auf dem nur eine einzige Goldmünze lag, größer und dicker als eine gewöhnliche Münze. Ich erstarrte.

„Ist das etwa …?“

Adina sagte nichts, sah mich nur erwartungsvoll an.

Ich setzte die Brille wieder auf, doch die Münze sah unverändert aus. Wie bei den anderen Tischen erschien ein Schriftzug mit dem Titel des Kunstwerks in der Luft: Der Fluch. Und darunter in etwas kleinerer Schrift: Nehmen Sie die Münze in die Hand!

Zögernd streckte ich die Hand aus. Der Token fühlte sich schwer und seltsam warm an. Plötzlich quoll Blut daraus hervor und rann mir über die Hand. Ich konnte spüren, wie es mir über die Finger lief und auf den Tisch tropfte.

Erschrocken ließ ich die Münze fallen. Sie polterte auf den Tisch. Eine neue Schrift erschien: Bitte legen Sie die Münze zurück auf die rote Markierung in der Mitte des Tischs. Ich starrte meine blutige Hand an und nahm die Brille ab. In der Wirklichkeit war kein Blut zu sehen, aber meine Handfläche war feucht.

Meine Stimme zitterte, als ich sie fragte: „Wie … wie hast du das gemacht?“

Sie hob die Münze auf und zeigte mir ein winziges Loch auf der Rückseite.

„Im Inneren ist ein Schwamm, der warmes Wasser speichert. Über einen eingebauten Mechanismus wird dieser Schwamm ausgedrückt, wenn du die Münze in der Hand hast. Sobald die Münze auf der Markierung liegt, wird sie durch eine kleine Öffnung im Tisch wieder aufgefüllt.“

Sie deutete auf die runde Vertiefung in der Mitte, in der die Münze gelegen hatte, und platzierte sie dort wieder. Dann sah sie mich mit gerunzelter Stirn an.

„Was ist? Gefällt es dir nicht?“

„Doch … es ist … beeindruckend.“

„Aber?“

„Als ich gerade die Münze in der Hand hatte … Ich weiß auch nicht. Plötzlich war das alles wieder da. Der Marid. Die Singhs. Die Typen, die uns gejagt haben. Ich … es tut mir leid …“

Sie blickte mich ernst an. „Nein, mir tut es leid. Ich hätte dich vorwarnen sollen. Verzeih mir, ich …“

Ein Summen unterbrach sie. Durch die immer noch geöffnete Tür des Ausstellungsraums schwebte eine Kameradrohne herein.

„Gehört das auch zu deinem Ausstellungskonzept?“

Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Die ist vermutlich vom Sicherheitsdienst.“ Sie machte eine Geste in Richtung der Drohne und rief: „Verschwinden Sie sofort von hier! Die Drohne könnte meine Kunstwerke beschädigen!“

Die Drohne verharrte einen Moment auf der Stelle. Ihre beiden Kameraaugen schienen uns neugierig zu mustern. Dann drehte sie ab, flog jedoch nicht aus dem Raum, sondern beschrieb einen Halbkreis um uns herum und schwebte genau auf die Nachbildung von Neopolis zu.

„Nein, verdammt!“, schrie Adina. „Nicht!“

Doch es war bereits zu spät: Die Drohne flog dicht über die Spitzen der Wolkenkratzer. Der starke Wind der Rotoren fegte wie ein Sturm durch die Stadt aus Sand und hinterließ eine Spur der Zerstörung. Etliche Fassaden der Hochhäuser bröckelten. Die Nachbildung einer rechteckigen Säule, die auf einem kleinen Platz stand, stürzte um.

Ich machte einen Satz und versuchte, das Fluggerät zu packen, doch es wich mir mühelos aus und flog über einen der Tische, auf dem die übergroße Nachbildung eines Gehirns zu sehen war.

Bevor die Drohne erneut in die Mitte des Raums fliegen konnte, stellte ich mich ihr in den Weg und sprang mit hochgestreckten Armen auf der Stelle wie ein Fußballtorwart, um sie abzuwehren. Immerhin gelang es mir so, das Ding von dem Tisch in der Mitte fernzuhalten.

„Verpiss dich, du blöder Troll!“, rief ich.

Die Drohne nahm einen erneuten Anlauf, an mir vorbei über die Nachbildung von Neopolis zu schweben. Bei dem Versuch, sie zu packen, versetzte ich dem Gerät einen Stoß. Es trudelte leicht, stabilisierte sich aber sofort wieder. Dann jedoch legte es sich schräg, beschleunigte und krachte über dem Tisch mit der heißen Herdplatte gegen die Wand.

Die Rotoren des Fluggeräts jaulten auf wie vor Schmerz. Es prallte zurück, beschrieb eine Kurve und stieß ein Stück weiter rechts erneut gegen die Wand. Immer wieder flog es dagegen wie eine Fliege vor einer Glasscheibe. Wer auch immer das Ding steuerte, musste die Kontrolle darüber verloren haben.

Ich riss mir mein schwarzes T-Shirt vom Leib und warf es über die Drohne. Der Stoff verfing sich in ihren Rotoren und ließ sie absacken. Ich packte sie in der Luft und hielt sie fest. Die beiden noch funktionierenden Rotoren dröhnten in dem vergeblichen Versuch, sich zu befreien, auf maximaler Leistung, bis ich den Notschalter fand und sie deaktivierte.

Ein Mann in der Uniform eines Sicherheitsbediensteten stürmte in den Raum.

„Was ist hier los?“, rief er.

Adina zeigte auf die Drohne. „Irgendwer hat versucht, meine Ausstellung zu sabotieren!“, sagte sie mit bebender Stimme.

Der Sicherheitsmann verstand ihre Worte falsch. Er hob einen Elektroschocker.

„Nehmen Sie die Hände hoch!“, schrie er in meine Richtung.

„Nein, nein, nicht er!“ Adina drückte die Hand des Mannes nach unten. „Die Drohne! Irgendwer hat sie hier reingesteuert und wollte meine Kunstwerke zerstören!“

„Das ist eine von unseren Drohnen“, erwiderte der Sicherheitsmann.

„Dann feuern Sie den Typen, der sie gesteuert hat!“ Adinas Gesicht war rot vor Zorn. Sie zeigte auf die Stadt aus Sand. „Sehen Sie sich an, was er angerichtet hat! Ich habe Wochen an dieser Skulptur gearbeitet, und in ein paar Stunden ist Ausstellungseröffnung!“

Der Mann vom Sicherheitsdienst wirkte eingeschüchtert. „Aber … aber diese Drohne ist selbststeuernd. Sie fliegt einen festgelegten Kurs durch die Galerie und schlägt Alarm, falls etwas nicht stimmt. Sie ist auch darauf programmiert, eventuelle Einbrecher zu verfolgen. Vielleicht hat sie Sie für Diebe gehalten.“

„Wir haben beide eine Sicherheitsfreigabe, sonst wären wir doch um diese Zeit gar nicht in den Raum gekommen“, protestierte Adina.

„Es tut mir leid“, meinte der Sicherheitsmann kleinlaut. „Die Steuerung muss kaputt sein.“

Er nahm mir die Drohne ab, betrachtete sie argwöhnisch von allen Seiten und schickte sich an, sie aus dem Raum zu tragen.

„Moment“, rief ich, zog das T-Shirt aus den Rotoren und streifte es mir wieder über. Es war an mehreren Stellen eingerissen.

Nachdem der Sicherheitsbedienstete gegangen war, starrte Adina eine Weile stumm auf die Sandskulptur. Um sie zu trösten, nahm ich sie in den Arm.

„Es tut mir leid. Wenn ich schneller gewesen wäre …“

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, im Gegenteil. Wenn du nicht eingegriffen hättest, hätte das Ding die ganze Stadt zerstört.“

„Meinst du, du kannst den Schaden bis morgen reparieren? Wenn ich kann, helfe ich dir natürlich dabei.“

„Nein. Nein, ich glaube, das ist gar nicht nötig. Die Stadt sollte ja sowieso im Verlauf der Ausstellung allmählich zerfallen. Ich hatte mir schon Sorgen gemacht, dass man den Effekt bei der Vernissage noch nicht richtig sieht und die Leute vielleicht meine Botschaft nicht verstehen. So gesehen hat mir dieser Typ einen Gefallen getan.“

„Das war bestimmt nicht seine Absicht. Was denkst du, wer steckt dahinter? Hast du irgendwelche Hater?“

„Nur die üblichen Netztrolle, soweit ich jedenfalls weiß. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wer so etwas macht. Zumal es sicher nicht so leicht ist, die Kontrolle über eine der Sicherheitsdrohnen zu übernehmen.“

„Ein anderer Künstler vielleicht, der neidisch auf dich ist?“

Sie zuckte mit den Schultern. „Kann ich mir nicht vorstellen. Wahrscheinlich war es irgendein dummer Junge in Schanghai oder Kuala Lumpur, der einfach ein bisschen Chaos anrichten wollte und jetzt ein Holo davon ins Netz stellt.“

„Ausgerechnet am Abend vor der Vernissage? Wäre das nicht ein seltsamer Zufall?“

„Was weiß ich. Jedenfalls müssen wir es dem Sicherheitsdienst überlassen, rauszufinden, wer dahintersteckt. Zum Glück ist ja nicht allzu viel Schaden entstanden. Lass uns nach Hause gehen. Ich will versuchen, noch ein paar Stunden zu schlafen.“

Ich stimmte ihr zu, doch das Ereignis hatte uns beide so sehr aufgewühlt, dass wir kaum ein Auge zubekamen. Lange lag ich in der Dunkelheit, starrte an die Decke und dachte über das nach, was geschehen war. Vielleicht war es wirklich nur ein dummer Zufall gewesen, dass die Drohne ausgerechnet an diesem Abend verrücktgespielt hatte. Doch ich konnte den Gedanken nicht abschütteln, dass mehr dahintersteckte, wenn ich auch beim besten Willen keine Ahnung hatte, was.

Karl  Olsberg

Über Karl Olsberg

Biografie

Karl Olsberg, geboren 1960, promovierte über Anwendungen Künstlicher Intelligenz, war Marketingdirektor eines TV-Senders, Geschäftsführer und erfolgreicher Gründer zweier Unternehmen in der „New Economy“. Er wurde unter anderem mit dem „eConomy Award“ der Wirtschaftswoche für das beste Start Up 2000...

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