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Monsterjäger (Die Eisraben-Chroniken 2)

Richard Schwartz
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Die Eisraben-Chroniken 2

Ich habe ich Monsterjäger genossen! - grimoires

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Monsterjäger (Die Eisraben-Chroniken 2) — Inhalt

In der gigantischen Welt des Online-Spiels Vorena hat Alexandra McInnes ein neues Leben begonnen. Die ehemalige Pilotin der Special Forces wurde bei einem Einsatz schwer verletzt und hat ihr Bewusstsein nach Vorena transferiert, wo sie fortan als Kriegerin lebt. Doch ihre neue Heimat ist noch weitaus gefährlicher als die Wirklichkeit. Denn ihre Gegner sind ihr nach Vorena gefolgt. Und in einer Welt, die zahllose Geheimnisse birgt, in der Verschwörer ihr nach dem Leben trachten und Monster zum Leben erwachen, könnte jeder Schritt für Alexandra der letzte sein ...

€ 14,00 [D], € 14,40 [A]
Erschienen am 02.06.2020
528 Seiten, Broschur
EAN 978-3-492-28232-1
Download Cover
€ 9,99 [D], € 9,99 [A]
Erschienen am 01.03.2019
528 Seiten, WMePub
EAN 978-3-492-99382-1
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Leseprobe zu „Monsterjäger (Die Eisraben-Chroniken 2)“

1 
Ein Gedankenspiel

„Pah!“, fauche ich und werfe die Schriftrolle verächtlich auf den Tisch. „Ich weiß, warum ich Politik so hasse!“

„Wieder der Stadtrat?“, fragt Hog, nachdem er sich von Jessica löst. Eigentlich sitzen Elena, Pia, Hog, Jessica und ich hier am Tisch, um zu frühstücken, doch Hog und Jessica haben ihre Teller bisher kaum angerührt. Sie sind mehr damit beschäftigt, sich gegenseitig aufzufressen.

Freue mich für Hog, bin jedoch auch neidisch, und es macht mich ein ganz klein wenig mürrisch.

Nur ein klein wenig.

„Was ist es diesmal?“, will er [...]

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1 
Ein Gedankenspiel

„Pah!“, fauche ich und werfe die Schriftrolle verächtlich auf den Tisch. „Ich weiß, warum ich Politik so hasse!“

„Wieder der Stadtrat?“, fragt Hog, nachdem er sich von Jessica löst. Eigentlich sitzen Elena, Pia, Hog, Jessica und ich hier am Tisch, um zu frühstücken, doch Hog und Jessica haben ihre Teller bisher kaum angerührt. Sie sind mehr damit beschäftigt, sich gegenseitig aufzufressen.

Freue mich für Hog, bin jedoch auch neidisch, und es macht mich ein ganz klein wenig mürrisch.

Nur ein klein wenig.

„Was ist es diesmal?“, will er wissen.

„Wer sonst schickt uns Boten mit gesiegelten Schriftrollen?“, seufze ich. „Natürlich ist es der verdammte Magistrat! Sie haben endlich einem Termin zugestimmt. In zwei Wochen. Doch jetzt wollen sie, dass ich zu ihnen in die Ratshalle komme. Ohne Begleitung. Alleine!“

„Ich weiß, was ›ohne Begleitung‹ bedeutet“, lacht Hog. „Das musst du mir nicht erklären. Was du mir erklären kannst, ist, weshalb du mit ihnen verhandelst.“

Schaue ihn fragend an.

„Sie haben dich um eine Audienz gebeten, nicht wahr?“

Ich nicke.

„Also entscheidest du doch, wann, wo und unter welchen Umständen du sie triffst? Du gewährst ihnen eine Audienz. Aus Herzensgüte. Wie kommt es, dass sie jetzt Bedingungen stellen?“

„Ich habe ihnen den Vorschlag gemacht, vorbeizukommen, um offen über die Probleme zu reden. Sie haben höflich abgelehnt, da der Termin unpassend gewesen sei. Ab dann ging es irgendwie abwärts.“

„Euer Freund hat recht“, sagt Elena mit einem Blick zu Hog und Jessica. „Warum spielt Ihr dieses Spiel?“

„Weil ich diese Stadt will!“, erkläre ich unnötigerweise.

Jeder hier am Tisch weiß, dass diese Stadt zum Herzogtum Maren gehört. Da ich die Herzogin bin, gehört die Stadt mir. Ich muss sie nur in Besitz nehmen. Da sich der Magistrat weigert, mich als Lehnsherrin der Stadt anzuerkennen, ist das nicht so einfach. Ein Weg ist, die Stadt zu erobern. Was ich nicht kann und, wenn ich ehrlich sein soll, auch nicht will. Ein Bürgerkrieg ist das Letzte, was wir hier brauchen können. Also muss ich den Magistrat überzeugen. Mit ihm verhandeln. Doch bislang hat mich der Stadtrat nur höflich ignoriert. Nachdem wir den Spieler gefunden und abgeurteilt haben, der als Bestie von Arensvelt die ganze Stadt in Angst versetzt hat, ist es dann doch der Magistrat gewesen, der bei mir um eine Audienz nachgefragt hat.

Das ist jetzt erst zwei Tage her und der Eiertanz geht mir jetzt schon auf die Nerven.

„Ist das wirklich so?“, fragt mich Pia. „Wir haben mit der Festung und Marensfurt noch so viel zu tun, willst du dir das tatsächlich aufbürden? Wir kommen so schon kaum dazu, all das zu tun, was wir tun wollen.“

„Okay“, sagt Jessica. „Machen wir ein Gedankenspiel.“ Ich schaue sie überrascht an. Jessica und Hog sind ein Paar, doch sie ist die Gildenmeisterin einer anderen Gilde, die der Wilden Hühner, die sich bei uns in Marensfurt ein Gildenhaus gekauft haben, weil sie sich bei uns wohler fühlen als in Arensvelt. Wenn sie mit uns frühstückt, hält sie sich meistens aus den Gesprächen heraus, um nicht den Eindruck zu erwecken, sie wolle sich in die Angelegenheiten unserer Gilde einmischen. „Stell dir vor, sie würden dir den Treueid schwören und du erhältst die Stadt. Was dann? Willst du deine Zeit aufwenden und die Stadt selbst regieren?“

„Dazu habe ich nicht die Zeit. Die Stadt besitzt einen Stadtrat, der …“

Oh.

„Der korrupt ist“, beendet Jessica meinen Satz. „Du müsstest ihn austauschen. Du weißt das, sie wissen das. Was der Grund ist, weshalb sie sich nicht unterwerfen wollen. NSC oder nicht, es sind Politiker. Sie wollen sich ihre Pfründe sichern und du sagst selbst, dass sie sich alle, wo sie nur können, bereichern. Also gut. Du tauschst den Stadtrat aus. Gegen wen? Wen kennst du hier, von dem du weißt, er ist loyal und dass er sich nicht auch korrumpieren lässt?“

Gute Frage.

Jeder hier, sogar der einfache Mann auf der Straße, ist der festen Überzeugung, dass der Magistrat korrupt ist. Es war so ziemlich das Erste, was ich über den Magistrat gehört habe.

Doch was genau bedeutet das?

Irgendetwas kommt mir an der ganzen Sache komisch vor.

Der Magistrat der Stadt Arensvelt wird derzeit von vier Magistern geleitet.

Da gibt es zum einen Magister Erlau.

Habe ein gutes Gefühl für Menschen. Weiß natürlich nicht, ob das auch für die hiesigen NSC gilt, doch Magister Erlau macht nicht den Eindruck auf mich, als ob er korrupt wäre. Zudem hat er mir das Hochrecht in Arensvelt anerkannt, was, wäre er tatsächlich korrupt, eine ziemlich dumme Idee gewesen wäre.

Dann gibt es da Magister Kristan. Er leitet die Königliche Bank von Maren. Schaue noch einmal sicherheitshalber nach. Okay, das System behauptet, die Bank gehört mir. Meinem Interface zufolge – ich liebe dieses Interface, ich wünschte mir, ich könnte in der realen Welt so schnell auf Daten zugreifen – haben er und seine Vorfahren seit Jahrhunderten Gelder der Bank unterschlagen. Kein Zweifel, Magister Kristan ist ein Dieb.

Damit ist er das geringste Problem für mich. Denn er hat all die unterschlagenen Gelder fein säuberlich in der Bank deponiert. Es ist leicht zu erkennen, wie es dazu gekommen ist. Vor zweihundertvierundsiebzig Jahren sind meine In-game-Schwester und mein Charakter spurlos verschwunden. Der damalige Magister Kristan, der zu diesem Zeitpunkt die Bank geleitet hat, hat bis zu seinem Tod alle Geschäfte bis auf das letzte Kupferstück sauber geführt. Sein Sohn, der die Nachfolge angetreten ist, nahm es dann etwas weniger genau. Schließlich gab es niemanden mehr, der ihm auf die Finger sehen konnte. Jede Generation hat sich mehr und mehr bereichert, bis zu unserem Magister Kristan, der die Bank führt, als würde sie ihm gehören. Abgesehen davon, dass sie ihm nun mal nicht gehört, scheint er dies sogar recht gut zu tun.

Doch all das bedeutet, dass ich ihn in der Hand habe. Ob er korrupt ist oder nicht, ich kann seine Gelder einfrieren oder umbuchen … ich schaue nach, tue es tatsächlich und buche das Geld gleich wieder zurück. Es ist noch nicht der richtige Zeitpunkt dafür. Er wird tun, was ich ihm sage. Erpressung ist keine feine Angelegenheit, Diebstahl aber auch nicht.

Großmagister Dennen ist nicht nur im Magistrat vertreten, er leitet zudem die Akademie der Arkanen Künste hier in der Stadt. Auch die Akademie gehört nominell mir, doch hier liegt die Sache etwas anders. Einer meiner In-game-Vorfahren war Gründungsmitglied der Akademie und hat das Gebäude beziehungsweise das Nutzungsrecht an diesem Gebäude der Akademie gestiftet. Über Großmagister Dennen weiß ich nicht viel, nur das, was ich nebenbei aufgeschnappt habe, hauptsächlich Gerüchte. Er ist wohl so etwas wie ein zerstreutes Genie, ein Professor in einem Elfenbeinturm.

Hier kann ich keine Hinterziehung von Geldern feststellen, obwohl der gute Mann regelmäßig ein Vermögen für magische Texte ausgibt … doch diese kommen der Akademie als Ganzes zugute. Tatsächlich gibt es für mich im Moment keinen Hinweis darauf, dass der Großmagister korrupt wäre.

Nach dem Organigramm der Stadt Arensvelt ist Magister Tariss der Vierte im Bunde. Und von ihm weiß ich rein gar nichts. Außer dass er einer kleinen, elitären Händler-Gilde vorsteht, gibt es keine weiteren Informationen, keine Gerüchte, nichts. Stände er nicht im Organigramm, gäbe es keinen Hinweis darauf, dass der Mann existiert.

Hhm.

Jessica schaut mich immer noch erwartungsvoll an. Richtig, sie hat gefragt, was ich tun will.

Eine Möglichkeit gäbe es.

„Arensvelt ist eine Grafschaft. Ich könnte den Grafentitel jemandem geben, der dem Stadtrat auf die Finger schaut.“

„Okay“, sagt Jessica geduldig. „Doch wen willst du als Graf oder Gräfin einsetzen? Ich würde den Job nicht haben wollen. Es ist nicht nur der Magistrat. Die Menschen hier haben seit Jahrhunderten keinen Lehnsherrn mehr gehabt, und es gefällt ihnen so. Sie sind nicht der Ansicht, dass sie dich brauchen, damit es ihnen besser geht. Also werden sie dich nicht unterstützen.“

„Sie hat recht, Alex“, meint Hog, der sich jetzt doch eine Brotscheibe belegt. „Im Moment wird Arensvelt dir nur Kopfschmerzen bereiten.“

„Was Jessica eben gesagt hat, ist der Schlüssel“, erklärt Pia plötzlich. „Genau das ist der Weg. Die Menschen hier wissen noch nicht, dass es ihnen besser gehen würde, wenn du hier regierst. Wir können es ihnen mit Marensfurt zeigen.“

„Ist das denn so?“, fragt Jessica und hebt rasch die Hand. „Ich spiele nur des Teufels Advokat. Würde es ihnen besser gehen?“

„Ja“, sagt Elena überzeugt. „Die gesamte Stadt ist korrupt. Da die Herzogin diese Korruption nicht dulden wird, wird sie diese beseitigen. Damit wird es den Menschen hier auf lange Sicht besser gehen.“

Da ist er wieder, dieser Satz. Die gesamte Stadt ist korrupt. Als ob dies jeder wüsste. Vor ein paar Jahren stieß eine junge Pilotin zu uns in die Staffel. Und jeder wusste, dass sie mit dem Staffelkommandanten schlief. Jeder zerriss sich den Mund darüber. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass mir das ganz recht war, damit ließ man sich dann seltener über mein tatsächliches oder eingebildetes Liebesleben aus.

Bis ich sie dann einmal in einer Bar außerhalb des Stützpunktes getroffen habe. Mit roten, verweinten Augen. Weil ihr Ehemann die Scheidung eingereicht hat. Weil jeder wusste, dass sie mit dem Kommandanten schlief.

Was sie, wie sie mir glaubhaft versichert hat, nie getan hat. Drei Monate später hat sie die Versetzung eingereicht.

Ich habe etwas daraus gelernt.

Was jeder weiß, muss nicht immer wahr sein.

„Auf lange Sicht ja“, gibt Jessica zu. „Auf kurze Sicht wird es so sein, dass sie sich hier Feinde macht, die sich im Moment noch an den Schaltstellen der Macht befinden. Ebendie, die du als korrupt bezeichnest. Sie werden nicht einfach so gehen, wenn Alex nett fragt.“ Sie deutet mit ihrem Buttermesser auf mich. „Ich wiederhole meine Frage. Willst du diese Stadt tatsächlich? Nützt es dir denn überhaupt etwas?“ Sie macht eine nachlässige Geste. „Auf lange Frist ist es etwas anderes. Doch was ist jetzt, in diesem Moment?“

Sie hat recht.

„Im Moment nützt sie mir nicht“, gebe ich zu. „Du erzählst mir damit nichts Neues. Es ist mir schon von Anfang an bewusst gewesen, dass Arensvelt mir nicht einfach in die Tasche fallen wird.“

Hog nickt. „Weshalb wir uns darauf geeinigt haben, uns zuerst um Marensfurt zu kümmern. Sodass unsere kleine Stadt den Menschen hier beweisen kann, dass es ihnen unter deiner Regierung besser geht“, sagt er. „Warum den Plan jetzt ändern?“

Wende mich an Orissa, die uns heute beim Frühstück bedient. Sie ist eine der verfluchten Seelen, die wir befreit haben, als wir die Festung Eisrabe in Besitz genommen haben. Am Anfang habe ich sie so sehr an ihre letzte Herrin erinnert, dass sie vor Panik fast gestorben ist, wenn ich sie nur angeschaut habe. Jetzt eilt sie lächelnd herbei, als ich ihr ein Zeichen gebe. Was auch daran liegen kann, dass Mouse und sie eine Liebschaft haben. „Ich brauche ein Pergament, Tinte und Feder“, sage ich zu ihr.

Elena seufzt vernehmlich. „Orissa“, sagt sie zu der hochgewachsenen blonden Dienerin. „Die Herzogin ruft nach einem Schreiber.“

Elena ist kein Spieler, sondern eine NSC, die Tochter des Wirts in Marensfurt, die sich dazu entschlossen hat, in meine Dienste zu treten. Mittlerweile glaube ich, dass sie Mitleid mit mir hatte und der Meinung war, dass ich ihre Hilfe brauche. Sie hat eine klare Vorstellung davon, wie sich eine Herzogin zu verhalten hat. In der letzten Zeit hat sie es auf sich genommen, meine Fehler in dieser Hinsicht zu korrigieren. Ich muss mich nicht an ihre Ratschläge halten, doch in den meisten Fällen hat sie schlichtweg recht.

„Ja“, sage ich mit einem Blick in Elenas Richtung, der ihr deutlich machen soll, dass ich nicht glücklich damit bin, dass sie immer recht hat. Sie ignoriert den Blick geflissentlich. „Ich brauche einen Schreiber. Er soll eine Botschaft an den Magistrat verfassen, in der ich dem Magistrat mitteile, dass ich es bedauere, dass sie solche Schwierigkeiten haben, sich untereinander zu verständigen, und ich ihnen mitteilen werde, wann ich wieder bereit bin, ihrer Bitte um eine Audienz zu entsprechen. Wenn er fertig ist, soll er mir die Botschaft zum Siegeln bringen.“

Ding!

Du hast die Fähigkeit Diplomatie auf Stufe 1 erworben.

Sie erlaubt dir zu lügen, ohne rot zu werden, Verantwortung abzuschieben und anderen aufzulasten, Erfolge anderer für dich zu beanspruchen und stundenlang zu reden, ohne etwas zu sagen. Mit jeder Stufe dieser Fähigkeit steigt die Wahrscheinlichkeit um 2 %, dass du andere davon überzeugen kannst, deinen Worten zu glauben, egal welchen Unsinn du erzählst.

 

Ich weiß mittlerweile, dass all diese Systemnachrichten personalisiert sind. Diana sagt, dass der Quantencomputer Loki diese Texte schreibt, und er scheint zu glauben, dass ich Sarkasmus mag.

Elena lächelt.

„Perfekt“, lacht Hog. „Bedeutet das, dass wir jetzt endlich nach Marensfurt zurückkehren können?“

„Nein“, seufze ich. „Ich muss hier noch ein paar Dinge erledigen.“






Das größte Experiment der Menschheitsgeschichte

Das Herzogtum Maren besteht aus drei Grafschaften und elf Baronien. Nach der Vorgeschichte meines Charakters hier im Spiel hat meine böse Zwillingsschwester Maguela das Herzogtum verflucht, als unser Vater meinem Charakter das Herzogtum vererbt hat und nicht ihr. Der Fluch verhindert, dass jemand Land innerhalb der Grenzen des Herzogtums beanspruchen kann. Der Fluch lässt sich nur durch den rechtmäßigen Erben brechen, also durch mich. Ich habe den Fluch bisher nur zweimal brechen können, einmal in der Festung Eisrabe und in Marensfurt, dieser kleinen Ortschaft, die fast ausgestorben war, als ich ins Spiel gekommen bin.

Eisrabe, Marensfurt und Arensvelt stellen die Kernländer meines Herzogtums dar und sind von einer Gebirgskette umschlungen, die grob die Form eines Rs besitzt. Die Festung befindet sich in etwa auf dem Mittelbalken und beherrscht so den Zugang zu einem Tal, das vollständig von Bergen umgeben ist. Zieht man von dort einen Strich mehr oder weniger gerade nach unten, hat man eine Straße, die nach einer Tagesreise (zu Fuß) zu der Ortschaft Marensfurt führt und nach zwei weiteren Tagen zu der Stadt Arensvelt, die zwischen den offenen Beinen des Rs zu finden ist.

Es besteht kein Zweifel daran, dass VRI, die Firma, die Vorena Online entwickelt hat, mir mit der Herzogskrone bei der Charaktererschaffung enorme Vorteile zugespielt hat. Wir sind uns mittlerweile sicher, dass sich VRI, oder besser Dr. Jensen, der die Firma gegründet hat und die Aktienmehrheit bei VRI hält, sich dabei etwas gedacht hat.

Nur wissen wir noch nicht, was. Unsere Vermutung geht ungefähr in die Richtung, dass wir, oder besser ich, in irgendeiner Art das Gleichgewicht im Spiel halten sollen. Warum, wie, wo und wann, wissen wir noch nicht.

Diese Welt ist mehr als nur ein Computerspiel. Sie ist eine Simulation, die eine simulierte Vorgeschichte von zwanzigtausend Jahren besitzt. Ich weiß von Diana, einem weiteren Quantencomputer, dass Dr. Jensen siebenhundertfünfundzwanzig Durchgänge gebraucht hat, um mit dieser Simulation endlich zufrieden zu sein. Für die NSC wie Elena bedeutet das, dass sie ein Leben gelebt hat, bevor wir Spieler in die Welt gekommen sind. Sie besaß eine Kindheit und ein Leben, das nichts mit uns Spielern zu tun hatte.

Sowohl Dr. Jensen als auch Diana haben mir gesagt, dass sie Vorena Online für das größte Experiment der Menschheitsgeschichte halten und der Ansicht sind, dass die Zukunft der Menschheit sich hier in diesem Spiel entscheiden und ich dabei eine Rolle spielen würde.

Wie und warum genau das so ist, haben sie mir bis jetzt nicht deutlich gesagt.

Das Besondere an Vorena ist, dass für die Spieler keine augenscheinliche Grenzen gesetzt sind. Solange sie die Konsequenzen auf sich nehmen, können sie tun, was sie wollen.

Wie sich gezeigt hat, bedeutet dies für einige Spieler Mord, Totschlag und Vergewaltigung. VRI steht für Virtual Reality Integrated, was bedeutet, dass sich diese Welt echt anfühlt. Ein Arschloch, das darauf steht, jemanden zu vergewaltigen, bekommt all das, was er sucht: Todesangst, Verzweiflung, Scham, Blut und Schrecken.

Für die NSC ist das, was hier geschieht, echt und sie wissen nicht, dass ihre Gefühle, ihr Leid und Elend und auch Glück und Freude, nur simuliert sind.

Eine der Fragen, die mich umtreibt, ist, ob eine Simulation, die nicht mehr als solche zu erkennen ist, nicht doch irgendwann anfängt, mehr zu sein als nur eine Simulation.

Für die NSC ist das hier ihr Leben und sie hängen daran wie wir. Nur dass wir Spieler hier nicht sterben können.

Nicht endgültig.

Vor drei Tagen habe ich, da ich das Hochrecht in Maren noch immer besitze, einen Spieler namens Loverboy gleich mehrfach zum Tode verurteilt, da er siebenunddreißig NSC entführt, vergewaltigt und auf bestialische Weise umgebracht hat. Von jedem dieser Opfer hat Loverboy eine Trophäe für sich behalten und die Verzweiflung des Vaters eines dieser Opfer, der die Brosche seiner Tochter bei der Gerichtsverhandlung wiedererkannte, ist mir nicht weniger echt vorgekommen, als wäre dies im realen Leben geschehen.

Alleine das hätte Loverboy überführt, doch das war nicht nötig gewesen, der Idiot ist stolz auf seine Taten. Er sagt, nichts hier wäre echt und man könne ihm nicht vorwerfen, dass er hier seinen Spaß hätte.

Sehe das anders.

Im realen Leben bin ich dreifach querschnittsgelähmt, nachdem mich ein besoffener Idiot mit seinem überdimensionierten Pick-up überfahren hat, und meine einzige Hoffnung auf Heilung besteht in einer experimentellen Therapie, die das Wachstum meiner Nervenzellen fördert, indem sie Signale von meinem Gehirn erhalten, während sich mein Körper nicht bewegen darf.

Um dies zu erreichen, wurde ich mit einer experimentellen neuronalen Brücke ausgestattet, die mich direkt mit dem Quantencomputer Diana verbindet und zu hundert Prozent in Vorena Online integriert, sodass ich hier ein aktives Leben führen kann, was wiederum mein Gehirn dazu bringt, Signale an meine Nerven zu schicken, die wiederum dadurch besser regenerieren und an den verletzten Stellen die richtigen Nervenbahnen mit den richtigen Nervenenden verbinden können.

Kurzum, anders als alle anderen Spieler bin ich nicht imstande auszuloggen und in die reale Welt zurückzukehren. Im Moment und auf absehbare Zeit ist Vorena die einzige Welt, in der ich leben kann.

Abgesehen davon, dass ich das einzige gekrönte Haupt unter den sieben Millionen Spielern bin, die sich in Vorena umtreiben, hat mir VRI eine legendäre Charakterklasse zugespielt. Diana, die sich mir anfangs nur als mein persönliches Hilfesystem vorgestellt hat, hat versucht, mir zu erklären, dass keine meiner Fähigkeiten einzigartig ist.

Mag sein. Ich bin mir dessen noch immer nicht sicher.

Was den Unterschied macht, ist die Kombination dieser Fähigkeiten. Eine dieser Fähigkeiten besteht darin, dass ich für jede fünfte Stufe, die mein Charakter erreicht, imstande bin, ein zusätzliches Portal gleichzeitig zu öffnen, das weite Strecken überwindet.

Das Gleiche können hochstufige Magier tun und tatsächlich stellen diese Portale für die Magiergilden dieser Welt eine ihrer größten Einnahmequellen dar. Nur fällt es mir deutlich leichter und soviel ich weiß, gibt es keinen einzigen Magier, der mehr als ein Portal gleichzeitig aufhalten kann.

Meine In-game-Vorgeschichte macht mich zur Herzogin von Maren und obwohl die Stadt selbst nicht bereit ist, sich mir zu unterwerfen, besitze ich hier in Arensvelt verschiedene Grundstücke, unter anderem auch den alten Stadtpalast der Herzogin, den wir kürzlich wieder in Besitz genommen und instand gesetzt haben, sodass nichts mehr daran erinnert, dass er vor wenigen Tagen noch eine halb verfallene Ruine gewesen ist.

Auch in meiner In-game-Vorgeschichte ist mein Charakter eine Spellwarden gewesen, die Portale stellen konnte, und genau das hat sie auch getan. Sowohl in der Festung als auch hier in meinem Stadthaus gibt es einen Raum, in dem ich Portale semipermanent verankern kann, solange ich eine Spellmatrix, einen Kristall, der Mana aufnehmen kann, gefüllt halte. Dank dieser ist es nur ein Schritt, um nach Marensfurt zu kommen, obwohl der Ort zwei Tagesreisen von Arensvelt entfernt liegt.

Richard Schwartz

Über Richard Schwartz

Biografie

Richard Schwartz, geboren 1958 in Frankfurt, hat eine Ausbildung als Flugzeugmechaniker und ein Studium der Elektrotechnik und Informatik absolviert. Er arbeitete als Tankwart, Postfahrer und Systemprogrammierer und restauriert Autos und Motorräder. Am liebsten widmet er sich jedoch phantastischen...

Weitere Titel der Serie „Die Eisraben-Chroniken“

Alexandra McInnes’ Bewusstsein wird in die fantastische Welt des Onlinespiels Vorena übertragen. Sie nutzt die Chance und beginnt ein völlig neues Leben. Doch schon bald wird die Spielwelt realer und gefährlicher, als Alexandra je hätte ahnen können. Für alle Fans von High-Fantasy-Abenteuern, virtuellen Realitäten und LitRPGs!

Pressestimmen
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Ich habe ich Monsterjäger genossen!

Kommentare zum Buch
Eisraben-Chronik, Absolut klasse!
Peter G am 21.10.2019

Ich habe den zweiten Teil genauso schnell verschlungen, wie trotzdem erste Buch. Spannung und ein tolle Geschichte lassen jeden Fantasi-Fan in sekundenschnelle in eine bunte und rasante Welt einsinken. Die Bücher sind so gut , dass man schon traurig ist, wenn man am letzten Viertel des Buches ist. Nur darum weil man wissen will wie es weiter geht. Ich hoffe es kommen noch gaaanz viele Teil. LG

Martin am 21.04.2019

Insgesamt ganz ok, es haben sich jedoch teilweise Fehler eingeschlichen. Unter anderem bei den Leveln ist mir das aufgefallen. Schon bischen doof wenn die am Ende niedriger sind als in der Mitte, sich aber beides mal darüber gefreut wird wie hoch das Level denn schon ist...

André E. am 02.03.2019

Der zweite Teil der Eisraben-Chroniken ist so toll wie der erste. Das zwischenzeitliche "Ende" (letzten zwei Kapitel) ist überraschen, unerwartet und irgendwie seltsam... Es juckt einen somit in den Fingern den dritten Teil lesen zu wollen.... Wann wird dieser voraussichtlich erscheinen ist nur die Frage?

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