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Gebrauchsanweisung für Neuseeland Gebrauchsanweisung für Neuseeland - eBook-Ausgabe Gebrauchsanweisung für Neuseeland - eBook-Ausgabe

Joscha Remus
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— Aktualisierte Neuausgabe 2024. Der beliebte Reiseführer für den Neuseeland-Urlaub
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Gebrauchsanweisung für Neuseeland — Inhalt

Von schrägen Vögeln und erstklassigen Weinen

Zwei große grüne Inseln auf der anderen Seite der Welt, Gletscher und verliebte Vulkane, malerische Weindörfer und 15000 Kilometer Meeresküste: Neuseeland ist das Paradies für Outdoor-Freunde, die Filmheimat der Hobbits, ein Traumziel für Reisende und Auswanderer.

Joscha Remus blickt hinter die Kulissen eines Landes, dessen Licht und Landschaften nicht nur Fotografen und Maler verzaubern. Das als erstes das Frauenwahlrecht einführte, in dem Barfußlaufen und Bescheidenheit zum Alltag gehören und es nur selten Hausnummern und Türklingeln gibt. Und in dem man von den Maori in Sachen Umweltschutz noch etwas lernen kann.

„Remus erzählt herrliche Geschichten.“ NDR Kultur

Eindrücklich und in unzähligen Geschichten, die man so in keinem Reiseführer finden würde, berichtet er von einem Land, in dem man Weltmeister im Schafeschnellscheren kürt und beim Wild Food Festival die absurdesten Gerichte verspeist. In dem Bungeejumping und „Zorbing“ erfunden wurden und ständig neue, nervenkitzelnde Sportarten dazukommen. In dem Peter Jackson Mittelerde fand und selbst kleine Hobbits sich zu Hause fühlen.

Dabei taucht Remus ein in die Lebenswelt der Maori. Er erzählt von einer Literaturszene, deren Stars fast ausschließlich Frauen sind. Davon, wie ein kleiner buckliger, flugunfähiger Vogel zum Wappentier und zum Nationalsymbol wurde. Und von Hundertwassers stillem Örtchen am Ende der Welt.

Dieser umfassende und originelle Band zu einem der beliebtesten Fernreiseziele in völlig überarbeiteter Fassung darf in keinem Reisegepäck fehlen!

€ 16,00 [D], € 16,50 [A]
Erscheint am 29.08.2024
224 Seiten, Flexocover mit Klappen
EAN 978-3-492-27783-9
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€ 13,99 [D], € 13,99 [A]
Erscheint am 29.08.2024
224 Seiten
EAN 978-3-492-60820-6
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€ 12,99 [D], € 12,99 [A]
Erschienen am 27.09.2012
224 Seiten
EAN 978-3-492-95823-3
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Leseprobe zu „Gebrauchsanweisung für Neuseeland“

Godzone oder von der Schwierigkeit des Schwärmens
New Zealand at its best: Ich liege in einem von Thermalquellen erwärmten Wasserbecken, hoch oben nahe der Welcome Flat Hut auf der neuseeländischen Südinsel. Von meiner Holzhütte sind es bis zu den Hot Pools nur ein paar Schritte durch den Dschungel, über einen schmalen Pfad, eine Art naturgegebener Fußbodenheizung. Vor mir eine in irisierendes Licht gehüllte, schneebedeckte alpine Bergkulisse mit Dreitausenderkette. Im Südlicht glänzen die Pflanzen um das Thermalbecken in beinahe unnatürlich satten [...]

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Godzone oder von der Schwierigkeit des Schwärmens
New Zealand at its best: Ich liege in einem von Thermalquellen erwärmten Wasserbecken, hoch oben nahe der Welcome Flat Hut auf der neuseeländischen Südinsel. Von meiner Holzhütte sind es bis zu den Hot Pools nur ein paar Schritte durch den Dschungel, über einen schmalen Pfad, eine Art naturgegebener Fußbodenheizung. Vor mir eine in irisierendes Licht gehüllte, schneebedeckte alpine Bergkulisse mit Dreitausenderkette. Im Südlicht glänzen die Pflanzen um das Thermalbecken in beinahe unnatürlich satten Farben. An meinen Beinen und meinem Rücken perlen kleine Kohlesäurebläschen hoch, die mir, als läge ich in einem Champagnerbad, eine zärtliche Rückenmassage verpassen. Ich entspanne mich im warmen Wasser, umgeben von Riesenfarnen und wilden Orchideen, und schlürfe eisgekühlten Feijoa-Saft. Zwei kleine, freundlich turtelnde Robins sitzen auf einem Ast und wärmen ihr Gefieder im aufsteigenden Wasserdampf der Thermalquelle. Einige neugierige Kea-Vögel kommen an den Pool. Einer von ihnen hat eine zum Trocknen ausgelegte Wandersocke von der Veranda der nahen Hütte gestohlen, um sie zum Nestbau zu verwenden. Das Himmelsgewölbe über mir glänzt endlos lightskyblue. Ein lichtes Blau, das mich seit Tagen in Euphorie versetzt.
God’s own Country, nennen die Neuseeländer ihr Land, oder auch schlicht und verkürzt Godzone. Die Māori bezeichnen es als Aotearoa, das Land der langen weißen Wolke. Viele Kiwis sagen, Neuseeland sei nichts anderes als die Steigerung alles Wilden: wild, wilder, wilderness. Dabei sind von den ehemals flächendeckenden Wäldern nur noch ganze fünfundzwanzig Prozent erhalten geblieben, weshalb sich nun die Frage auftut, ob ich von Neuseeland einfach so schwärmen darf, so hemmungslos, wie ich das hier eben getan habe?
Aber natürlich darf man das, wenn man dabei die all der Schönheit zugrunde liegende Wahrheit nicht aus den Augen verliert! Denn natürlich gibt es auch im Paradies einige Schattenseiten, wie das zwiespältige Ziel, Aotearoa bis 2050 raubtierfrei zu machen und Ratten, Hermeline und Opossums vollständig auszulöschen. Dennoch bleibt das Land der langen weißen Wolke ein Sehnsuchtsziel. Denn das Land, in dem Frauen weltweit zum ersten Mal das Wahlrecht erhielten und das sich als einer der ersten Staaten der Anti-Atomkraft-Bewegung anschloss, war auch immer ein Vorreiter und ist mit seinen dreizehn Nationalparks gleichzeitig eines der wichtigsten und innovativsten ökologischen und klimatischen Versuchslabore der Welt. Neuseeland steckt voller Widersprüche.

Schwärmt man aber von Neuseeland, macht sich, insbesondere bei Menschen, die dieses Land gut kennen, schnell eine eigenartige Unruhe breit. Nicht nur, dass einem die Bilder allzu schnell ins Kitschige und Klischeehafte abzugleiten drohen. Vieles scheint übertrieben und unglaubwürdig. Selbst eingefleischte Neuseeländer rümpfen die Nase, wenn sie ein Hochglanzbild der Fjordlandschaft des Milford Sound sehen, mit dem unwirklich pyramidenartig aus dem kristallklaren Wasser wachsenden Zauberberg namens Mitre Peak. Von einem Weltwunder, wie es das staatliche Touristikamt tut, wagt kaum ein junger Neuseeländer zu sprechen, da man weiß, dieser Anblick ist aufgrund von stetem Dunst über dem Fjord an höchstens fünfzig Tagen im Jahr zu haben.
Deutsche Neuseelandautoren warnen eindringlich vor dem leichtfertigen Gebrauch des Wortes Paradies. Verständlich, denn die inflationäre Beschreibung Neuseelands als paradiesisch schreit regelrecht nach einem realistischen Korrektiv, in dem dann die häusliche Gewalt und die Erdbebengefahr nicht fehlen dürften. Und spätestens seit die kitschigen Neuseelandklischees auch in deutsche Wohnzimmer schwappen, wenn nämlich das Fernsehtraumschiff Neuseeland entdeckt und zu seichten Südseeklängen pittoresk vor eine prächtige Südalpengletscher-Fjord-Kulisse gleitet – kleines Lämmlein im Arm einer Schauspielerin darf nicht fehlen –, möchte man die pathetische Beschreibung der Natur sofort einstellen. Zu viel des Schönen, Wahren, Guten. „Das schönste Ende der Welt“, „Das letzte Paradies“, „Gottes eigenes Land“.

Es gibt viele gute Wohlfühlgründe, um ans andere Ende der Welt zu reisen. Neuseeland ist ein Land, in dem es für manche Kinder völlig normal ist, mit einer Horde wilder Delfine im Wasser zu spielen oder in der Schule zwischen Kursen wie Unterwasserpolo und Drachenbootrennen wählen zu können. Ich zumindest hätte mir so etwas als Kind gewünscht. Jedes Buch über Neuseeland ist immer auch ein Buch über unsere Sehnsüchte, unsere geheimen fernen Wünsche, unsere innere Flucht vor dem Alltäglichen. Neuseeland scheint mit seiner atemberaubenden und betörend schönen Naturkulisse wie geschaffen für diese Projektionen. Willkommen in einem giftschlangenfreien Land, in dem Barfußgehen zum Alltag gehört.
Wie leicht könnte einem Neuseeland zu einem reinen Kuriositätenkabinett geraten, mit all seinen seltsamen Käuzen, ungewöhnlichen Menschen, schrägen Vögeln, mit all den Gestrandeten, Außenseitern und raubeinigen Gestalten. Was soll man halten von einem Land, in dem neun Monate nach einem gewonnenen Rugbyländerspiel die Geburtenrate sprunghaft steigt und nach einem verlorenen Rugbyspiel die Börse abstürzt? In dem Sportarten erfunden werden wie Golf Cross, eine Mischung aus Golf und Rugby? In dem es tätowierte Weihnachtsmänner gibt und wo sich die Leute vor lauter Höflichkeit entschuldigen, wenn man sie aus Versehen anrempelt?
Die Diskrepanz zwischen den schönen Abziehbildern Neuseelands, dieser kitschigen Fototapete mit Bergkulisse vor Palmen mit Schaf, und der insbesondere für die indigene Bevölkerung, die Māori, nicht immer ganz so lieblichen Realität hat der Regisseur Lee Tamahori in der Eröffnungssequenz seines Films „Once Were Warriors“ (auf Deutsch: „Die letzte Kriegerin“) eingefangen. Die Kamera weilt auf einer schneebedeckten Berglandschaft, einer bukolischen, farbenfrohen Traumkulisse, wie wir sie von zahlreichen Bildern des Landes schon kennen. Dann schwenkt die Kamera nach links auf eine viel befahrene, mehrspurige Autobahntrasse und auf die Māori, die unter dieser Trasse hausen. Das wunderbare Neuseelandbild, das wir zu Beginn des Films gesehen haben, entpuppt sich als ein riesiges Werbeplakat für die Naturschönheiten Neuseelands, das neben der grauen Autobahn steht.

Ich möchte mir das Schwärmen dennoch nicht nehmen lassen, auch wenn ich weiß, dass Neuseeland einige Seiten hat, die weit entfernt vom Ideal des öko-grünen Paradieses sind. Aber zu vieles hier ist tatsächlich wunderschön – für mich immer wieder beeindruckend zum Beispiel ist das neuseeländische Licht. Steht man auf der Südinsel auf einem Berg und schaut in die Ferne, so muss einem dieses besondere Leuchten auffallen, das durch eine völlig klare Luft auf die Erde und Pflanzen, auf die Seen und Gletscher fällt. Längst haben Fotografen und Filmemacher dieses besondere Licht entdeckt und schwärmen von der Weite, die es in seinem Dialog mit der Landschaft erschafft. Als die europäischen Maler, die im 18. Jahrhundert nach Neuseeland kamen und die dortige Landschaft festzuhalten versuchten, mit ihren Gemälden nach England und Schottland zurückkehrten, glaubte ihnen niemand, dass es in Neuseeland, am anderen Ende der Welt, ein derart unglaubliches Licht geben könnte. Im staubbedeckten Europa, auf der fernen Nordhalbkugel, zur Zeit der tiefsten Industrialisierung konnte sich niemand ein solches Leuchten auch nur vorstellen.
Die Luft über Neuseeland ist weitgehend staubfrei, weil es keine großen Industrien im Land gibt und die Meereswinde den wenigen Staub sofort wieder hinaus auf den Pazifik oder die Tasmanische See tragen. Auch heute sind die Bilder der ersten britischen Maler noch Grund genug, dem Licht Neuseelands nachzufolgen und seinen Glanz zu erforschen. Und natürlich darf man schwärmen von dieser Landschaft, ihrem Licht und der unglaublichen Luft, die so klar ist, dass einem selbst ein dreihundert Kilometer entfernter Mount Cook zum Greifen nah erscheint. Eine Luft, die so rein und transparent ist, dass es im Mackenzie-Becken im Zentrum der Südinsel Neuseelands sogar einen internationalen Naturschutzpark für den Sternenhimmel gibt. Ein geschützter Himmelspark für Astrofans und Sternengucker: Auch das ist Neuseeland.


Tierischer Empfang
Nach einem langen Flug aus dunklen deutschen Winternächten zeigt mir Neuseeland sein freundliches Gesicht in Form einer feuchten Hundeschnauze. Was gibt es Schöneres, als am Flughafen von Auckland, der Eingangstür zu meinem zweiten Zuhause, standesgemäß von einem fröhlichen Hund begrüßt zu werden? Viele Besucher werden die Schnüffelwunder, all die Harrier, Beagles und Labradore, die an neuseeländischen Airports ihre Dienste tun, nicht sonderlich beachten. Wer aus Europa kommt, hat einen mehr als zwanzigstündigen Flug hinter sich und womöglich andere Dinge im Kopf als ausgerechnet Hunde. Mich jedoch erinnert der Empfang der sogenannten Bio-Security Dogs an die tierisch schönen Begrüßungsrituale, die es früher, in meiner Kindheit, bei mir zu Hause gegeben hat.
Da ich all unsere Vierbeiner einst hemmungslos mit meiner Kinderliebe überschüttet habe, darf es nicht verwundern, wenn ich es zu schätzen weiß, auch an meiner neuseeländischen „Haustür“ von Hunden empfangen zu werden. Eine derartige Begrüßung zum Beispiel erwartet mich gleich hinter dem Gate in Auckland, wo ich sofort auch die schönen Māori-Schnitzereien wiedererkenne und die kaum vernehmbare Begrüßungsmusik der Māori, die Waiata, die ganz leise aus den Flughafenlautsprechern erklingt. Wäre man prominent und hieße Emma Stone oder David Beckham, hätte man in Neuseeland, bevor man von den Hunden empfangen wird, übrigens noch ein Anrecht auf einen offiziellen Pōwhiri, eine herzliche und stimmgewaltige Māori-Begrüßung mit allem Drum und Dran inklusive Nasenküssen. Als Normalsterblicher schreitet man ungeküsst voran und sieht auf einem warnenden Plakat in der Empfangshalle des Flughafens, worauf es die kleinen neuseeländischen vierbeinigen Freunde abgesehen haben. Das Bild zeigt die Röntgenaufnahme einer Familie mit Gepäck, und auf der ansonsten schwarz-weißen Aufnahme leuchten allein ein Apfel, eine Orange, eine Banane und der warnende Spruch in grellen Farben:
Last point before we get you.
Die letzte Chance, einen angebissenen Apfel noch auf der Toilette verschwinden zu lassen, bevor die Kontrolle der Bio-Security einen erwischt. Neuseeland muss dringend vor der Einreise unerwünschter Gäste geschützt werden, da bereits kleinste Sporen, Fruchtfliegen oder Motten die endogenen Pflanzen und Tiere des Landes nachhaltig schädigen könnten.
Anfang dieses Jahrtausends kam es durch eingeschleppte Larveneier der Asian Gypsie Moth zu einem fürchterlichen Mottenbefall auf der Nordinsel, was nicht rechtzeitig entdeckt wurde und seinerzeit ganz Auckland monatelang in Atem hielt. In den letzten Jahren kämpften die Hunde von der Bio-Sicherheit vor allem gegen Fruchtfliegen. Das empfindliche ökologische Gleichgewicht der Arche Neuseeland, die wie zwei große Stücke Treibholz in der Südsee schwimmt, ist auf die sensiblen Detektornasen dieser Spürhunde angewiesen. Die kastanienbraune dreijährige Hündin Zeta war einst der Star des Detector Dog Team am Flughafen von Auckland. Zetas hoch spezialisierte Nase fand alles, vom kleinen Pflanzenrest, der in Form einer vertrockneten Rose ins Land wollte, über Fisch und Fleisch bis hin zu Gemüse und Eiern. Beim Geruch von Knoblauch schlug Zetas Hundeherz besonders schnell, denn Knoblauch war ihr Lieblingsgeruch. So stand es auch auf Zetas eigener Businesscard.

Auf den anderen internationalen Flughäfen von Neuseeland gibt es vierbeinige Spione, die im Dienste Ihrer Majestät chinesische Hühnerreste oder unverpackte spanische Tortillachips entdecken und damit ganz Neuseeland vor dem biologischen Super-GAU retten. Am Anfang der über fünfzigjährigen Geschichte der tierischen Schnüffelnasen wurden sie ausschließlich auf das Aufspüren von Betäubungsmitteln trainiert. Nach den Terroranschlägen von New York setzte man neben Drogenhunden dann auch Explosive Detector Dogs ein, die Sprengstoffe detektieren konnten. Auf sie folgten Bargeldspürhunde, die seit ihrer Einführung über 50 Millionen US-Dollar an nicht deklariertem Bargeld in Neuseelands Staatskasse spülten, und ab 2020 kamen noch eigens trainierte Schusswaffenspürhunde hinzu. Mit all diesen Hunden werden Reisende auf den Airports und in den Häfen allerdings kaum in Kontakt kommen – das Berühren aller Spürhunde ist strengstens verboten. Mich jedenfalls interessierten die Bio-Security Detector Dogs am allermeisten. Es sind die wundersamsten Nasen, die ich kenne.
Ich habe mich immer gefragt, wie diese Hunde Obstsorten oder Pilze erschnüffeln können, wie zum Beispiel eine chinesische Morchel, deren Geruch ihnen ja völlig fremd ist, weil sie niemals dafür ausgebildet worden sind. Die Antwort lautet: Hunde können generalisieren. Einmal auf eine Banane, eine Kiwi, einen Apfel oder auf Lamm- und Rindfleisch geschult und mit einem kleinen Snack belohnt, machen sie sich begeistert auf die Suche nach anderem, ihnen völlig unbekanntem Obst und Fleisch. Die Ausbilder, die Dog Handler, können oft selbst kaum glauben, zu was die hochsensiblen Hundenasen so alles fähig sind. So hatte es einst die achtjährige Hündin Jet sogar fertiggebracht, ungeschlüpfte Küken in Enteneiern in einem chinesischen Koffer zu erschnüffeln.

Vor Jahren hatte ich die Ehre, die wohl bekannteste Hundenase Neuseelands kennenzulernen: die berühmte Zane, die einmal ein getrocknetes Blatt gefunden hat, das sich als Lesezeichen in einen Container voller Bücher verirrt hatte. Zane konnte am Flughafen von Christchurch sogar einen winzigen Schnips Zitronenscheibe an der Einreise nach Neuseeland hindern, indem sie den potenziellen Übeltäter in einer verschlossenen Thermoskanne mit heißem Grüntee erschnüffelte.
Neben Zane kam auch Kai, ein Sennenhund-Mischling, in die Schlagzeilen. Mit sechs Wochen wurde er als kleiner, abgemagerter, von Würmern befallener und Flöhen übersäter Straßenhund in Kaikohe aufgegriffen. Er entwickelte sich zu einem der schönsten und besten Detector Dogs ever. Wer also im Urlaub einen jungen armen Streuner findet, der als „Fruchthund“ Karriere machen könnte, kann diese Website kontaktieren: nzdetectordogs.co.nz
Wer Nahrungsmittel und Pflanzen an der Grenze Neuseelands nicht richtig deklariert, muss indessen mit empfindlichen Strafen rechnen. Das gilt auch für ökologisch angebaute deutsche Äpfel oder Bio-Knabbernüsse. Man sollte einfach alles angeben, dann erspart man sich unnötige Schweißausbrüche, viel Ärger und obendrein noch Geld, denn selbst der Schmuggel eines einzigen Apfels kann teuer zu stehen kommen. Auch Prominente wie Hilary Swank müssen übrigens zahlen. Als die Oscargewinnerin sich weigerte, einen Apfel und eine Orange zu deklarieren, musste sie dafür 200 Dollar Strafe und die anschließenden Gerichtskosten berappen.
Alles, was fremde Samen, Sporen, Pilze oder kontaminiertes Wasser enthalten könnte, wie Campingartikel, Sportschuhe und Outdoorsachen, ist an der Grenze anzugeben. Man könnte zuvor ja auf Borneo oder Sumatra durch einen Dschungel gestapft sein und ein unerwünschtes Larvenei an der Sohle kleben haben. Die Schuhe müssen auf jeden Fall ins Dekontaminierungsbad, nicht nur am Flughafen, sondern auch bevor man das Naturschutzgebiet Zealandia bei Wellington betritt. Man kann diese Einreiseprozedur verfluchen oder aber mit Humor nehmen, wie dies ein englischer Reisejournalist tat, der aus den sumpfigen Regenwäldern von Borneo und Sumatra nach Neuseeland reiste: „Ich habe meine Schuhe noch niemals so blitzeblank wiederbekommen wie nach dem Bio-Security-Check. Die sahen aus wie neu.“


Bescheiden. Freundlich. Schwarz.
Die Neuseeländer haben sich sehr lange mit der Frage beschäftigt, was ihr Land eigentlich ausmacht und wodurch sich die neuseeländische Identität auszeichnet. Für all die Dinge, die in Neuseeland erfunden wurden oder mit denen sich Neuseeländer identifizieren – wie das Spielzeug Buzzy Bee, eine hölzerne Honigbiene, das Dessert namens Pavlova oder der famose Draht No. 8 –, haben sie einen eigenen Überbegriff geschaffen: die Kiwiana. Wer etwas über die tiefere Seelenlage der Neuseeländer wissen möchte, sollte jedoch nicht allein auf dieses historisch begründete Sammelsurium von Kuriositäten schauen. Zu den Kiwiana zählen nämlich nicht nur Dinge, sondern auch andere landestypische Indikatoren wie Farben, ein bestimmtes Verhalten oder besondere Grundsätze. Wie der Gleichheitsgrundsatz zum Beispiel.
So fanden sowohl die ersten Polynesier als auch die ersten Europäer in Neuseeland nicht nur ein Paradies vor, sondern auch ein Leben voller Herausforderungen und Härten. Seit James Cooks Entdeckung der beiden Inseln und dem Ansturm darauf waren jeder Nagel und jede Schraube, jeder Hammer und jede Säge sechs bis acht Monate lang mit dem Schiff unterwegs, und jeder Neuankömmling musste gleichermaßen Holz hacken, Felder anlegen und ein Jahr auf die erste Ernte warten, weshalb sich schon bald in der jungen Gesellschaft der ersten Pioniere etwas herausbildete, was die Neuseeländer egalitarianism nennen. Eine Gleichheit unter Gleichen, weit weg von britischen Standeshierarchien und jeglichem Klassendenken. Jeder Neuseeländer fand nicht nur die gleichen Startbedingungen vor, sondern sollte zudem auch vor dem Gesetz gleichgestellt werden. So erhielt anfangs jeder Siedler genau einen Viertel Acre Land zugeteilt (0,1 Hektar). Etwas, was sich in dem Spruch erhalten hat, man lebe auf seinem one quarter acre paradise.
Bis heute beherrscht dieser Gleichheitsgedanke das alltägliche Leben. Mein neuseeländischer Zahnarzt zum Beispiel verdient durchaus etwas mehr als mein neuseeländischer Klempner, trotzdem trainieren beide in ihrer Freizeit im selben Kricketverein und spielen dort, nach eigener Aussage, beide auf gleichem Niveau gleich schlecht. Dieses Gefühl, Seite an Seite zu stehen, ist den Neuseeländern sehr wichtig, egal, welche Schichten es betrifft. Zwar gibt es die Schicht der sogenannten white collar people, der zum Beispiel die Rechtsanwälte angehören. Aber diese Weißkrägen genießen keinen besonderen Status, bekommen keine Extraportion Respekt, nur weil sie Volljuristen sind. Man würde meinen neuseeländischen Zahnarzt und meinen Klempner nach Feierabend in Wellington auf der Cuba Street anhand ihrer Kleidung nicht voneinander unterscheiden können. Beide sind gleichermaßen nett, zuvorkommend, freundlich und hilfsbereit. Und wenn sich beide dann später einmal zur Ruhe setzen, wird auch ihre Pension in etwa gleich hoch sein. Dieser egalitarian state, ein Staat der Gleichen, gehört nach wie vor zum Ideal der neuseeländischen Gesellschaft, auch wenn der neoliberale Turbofinanzkapitalismus in den letzten Jahren gehörig an diesem Gleichheitsgrundsatz geknabbert hat und ihn vielleicht eines nahen Tages zu einer sehnsüchtigen Erinnerung werden lässt.


Des Kiwis liebste Farbe
Ich sitze im ruhigen und gemütlichen Café des Te Papa Museum in Wellington (ein echter Insidertipp, nicht unten ins Touristencafé gehen, sondern das Café im vierten Stock wählen) und denke bei einem short black, einem neuseeländischen Espresso, über die Farbe Schwarz nach, die mich in Wellington und ganz Neuseeland verfolgt. Schwarz ist hier allgegenwärtig. In der Werbung, im Sport, in der Architektur, im Alltag, vor allem aber in der Mode. So fallen mir an Neuseeländerinnen permanent die eng anliegenden schwarzen Sportshirts und Leggings ins Auge. Mir ist klar, dass die Neuseeländer über eine schwarze Schuhcreme namens Kiwi zu ihrer Identität gefunden haben (eine Geschichte, von der noch zu berichten sein wird), aber nun scheinen auch die rabenschwarzen Jerseyshirts der Rugby-All-Blacks auf alles abzufärben, was das Leben der Kiwis so ausmacht. Natürlich hängt dieser einheitliche Farbgeschmack auch mit der neuseeländischen Liebe zum Gleichheitsgedanken zusammen, denn wenn alle in Schwarz rumlaufen, kann ja keiner mehr aus der Masse herausstechen. Es gibt neuseeländische Modedesigner wie Zambesi und NOM*d, die sich seit Jahrzehnten immer wieder der schwarzen und dunklen Mode verschrieben haben. Kritiker sprechen bei Designern, die nur in schwarzen Kreationen denken können, längst von den dark intellectuals.
Als ich im zarten Alter von fünfzehn Jahren zum ersten Mal einen neuseeländischen Leichtathleten namens John Walker in schwarzem Trikot auf dem Bildschirm erlebte, brannte sich auch bei mir die Verknüpfung „Schwarz gleich Neuseeland“ tief ins Hirn ein. Neuseeland liebt Schwarz. Es ist das einzige Land der Welt, in dem Schwarz zur Nationalfarbe wurde, was aktuell zu heißen Debatten über die britisch eingefärbte Landesflagge führt. Schwarz verbindet die Menschen Neuseelands, denn Schwarz ist seit jeher auch eine traditionelle Farbe der Māori.

Schwarz ist dermaßen mit der neuseeländischen Psyche verwurzelt, dass auch die Forschung vermehrt der Ursache dieser obsessiven Vorliebe auf den Grund zu gehen versucht. Praktische Gründe gibt es genug. Da wären zum einen die gestrickten knielangen, traditionell schwarzen Westen der Schafscherer. An deren Schneidegeräten klebte immer schon viel Dreck und Öl, und so war es nur sinnvoll, sich während der Arbeit in schützendes Schwarz zu hüllen.
Wer sich mit dem Thema beschäftigt, landet unweigerlich in der Zeit, als Schwarz im Commonwealth noch eine reine Trauerfarbe war. Die spektakuläre Tour der All Blacks, der neuseeländischen Rugbynationalmannschaft, im Jahr 1905 durch Großbritannien und Irland wird heute als farbliche Rebellion gegen das Mutterland England gesehen, dessen Sportler zur damaligen Zeit fast ausschließlich in reinstes Weiß gekleidet waren. Weiß, die Farbe der Unschuld, Weiß, die Farbe des Friedens. Weiße Kricketspieler auf grünem Grund, weiße Tennisspieler, weiße Golfer, weiße Fußballer. Weiß war in England – verblüffenderweise – lange Zeit auch die Farbe der Rugbyspieler, die sich aus diesem Grund vermutlich noch heute ungern, wie wahre neuseeländische Männer dies liebend gerne tun, an matschigen Wintermorgen durchs Rugbygeläuf wühlen. Clevere neuseeländische Mütter setzten sich hingegen bereits Ende des 19. Jahrhunderts dafür ein, dass ihre Kinder schwarze Rugbykleidung trugen, denn das war, was die Wäsche betraf, einfach praktischer. Schwarz wurde bald zum neuen Farbcode für ein ganzes Land.
Das Schwarz der All Blacks färbte sehr früh auf die Farbgebung der Modewelt Neuseelands ab, und als Coco Chanel im fernen Paris 1926 ihr petit noir, ihr kleines Schwarzes, vorstellte, war auch die neuseeländische Damenwelt bald nicht mehr ausschließlich in versnobtem englischen Weiß und kitschigem Ascot-Hellrosa zu sehen. Schwarz machte in Neuseeland selbst vor den traditionell hellen maritimen Sportarten wie dem Segeln nicht halt. Schwarz eroberte die Sportarten Kricket (die Black Caps), das Frauenrugby (die Black Ferns) sowie Hockey (die Black Sticks), um nur eine kleine Auswahl zu nennen. Und natürlich darf es auch nicht verwundern, wenn die weltweite Vermarktung des Landes Neuseeland mit der Kampagne „100 % pur New Zealand“ von der Werbeagentur völlig in schwarze Farben getunkt wird. Allein die Fußballnationalmannschaft, die sogenannten All Whites, verweigern sich in ihrer durchgehend weißen Kleidung dem nationalen Einheitslook. Wahrscheinlich ein weiterer Grund, warum die Fußballer in Neuseeland nicht den gleichen Stellenwert wie die Rugbyspieler genießen und nicht so ernst genommen werden wie die All Blacks.
Eine Freundin sagte mir, ein Neuseeländer habe einer Deutschen, die gerade ins Land gezogen sei, geraten: Auf offiziellen Veranstaltungen in Neuseeland ist es völlig egal, welche Farbe du trägst. Hauptsache, deine Kleidung ist schwarz.


Tall Poppy Syndrome
Auf Menschen mit Burn-out-Syndrom wirkt Neuseeland wie Balsam auf die überarbeitete Seele. Auf Egomanen hingegen, die gern heiße Luft produzieren, wie ein feuchtheißer Leibwickel, der ihnen hilft, ihre geblähten Egos loszuwerden. In Neuseeland entspannt man sich, bleibt gelassen, muss nicht permanent zeigen, wer man ist. The most laid back country in the world, nennt man sich selbstbewusst, das gelassenste Land der Welt. Man fragt weder nach dem Status noch nach dem Besitz, und für Jugendliche gibt es keinen Druck, einen bestimmten Markenschuh zu kaufen, weil man sowieso viel lieber barfuß herumläuft. Was zählt, sind der Mensch und sein Charakter.
Zu diesem entspannten Selbstbewusstsein gesellt sich eine Eigenschaft, die man in Neuseeland Tall Poppy Syndrome nennt. Wenn eine Mohnblume, im Englischen poppy genannt, in einem Mohnfeld herausragt und sich somit über alle anderen poppies erhebt, dann wird sie einfach abgeschnitten. Cutting the ego. Zurechtstutzen wäre wohl der passende deutsche Ausdruck für dieses Phänomen.
Jeder und jede wurde lange so behandelt, arrogante Emporkömmlinge aus der Wirtschaft ebenso wie hochnäsige Wichtigtuer im Showbusiness. Doch der Nutzen dieses so tief in der Gesellschaft verankerten Gebots, nicht aus der Masse herauszuragen, wird in Neuseeland zunehmend in Zweifel gezogen. Denn das einst so subtil eingeübte Gesellschaftsspiel, bei dem alle, die sich als Wichtigtuer, eben als Tall Poppy, in den Vordergrund spielen wollten, auf humorvolle oder süffisante Weise einfach ignoriert oder sogar herabgewürdigt wurden, erwies sich zunehmend als problematisch. Was früher als gutmütiger Spott unter Freunden, die sich zu wichtig nahmen, begann und auch auf einer Party oder am Filmset mit einem arroganten amerikanischen Filmstar gut funktionierte, nämlich die Egos nicht zu füttern, indem man ihnen einfach die kalte Schulter zeigte, ufert neuerdings in den sozialen Medien aus und mündet dort in immer brutalere Beleidigungen.
Diese eigenartige Kultur Neuseelands, jemanden zu demütigen, der bessere Leistungen zeigt als andere, wird vor allem von den Māori abgelehnt. Sie stellen der Herabwürdigung ein Prinzip des gemeinschaftlichen Handelns entgegen, das sie E Tū Tāngata nennen. Man könnte es mit Zusammenstehen übersetzen, wobei jede und jeder, egal wie gut, wie stark, wie schnell, wie klug, unterstützt und gefeiert wird. Das Herabwürdigen und die damit verbundene Demütigung wird durch Ermutigung ersetzt.
Meinen Māori-Freunden gefiel in diesem Zusammenhang die deutsche Wendung „Kopf hoch“ besonders gut. Der Musiker Horomona Horo sagte, genau das sei der Kern von E Tū Tāngata: sich zu ermutigen und gegenseitig bei der Verfolgung von Träumen und beim Erreichen von Erfolgen zu unterstützen. Dann klopfte er mir auf die Schulter und sagte: „Kopf hoch, auch wenn der Hals dreckig ist.“
Ob berühmter Regisseur, Schafscherweltmeister, Fußballstar oder Kapitän der Rugbynationalmannschaft, keiner käme in Neuseeland auf die Idee, sich als vorlauter Star zu gebärden.
Einer, der das Kiwi-Ideal vom Humble Man perfekt verkörperte, war der berühmte Bergsteiger Sir Edmund Hillary. Zu den Menschen sagte er, nennt mich einfach nur Ed, ich bin doch nur ein ganz gewöhnlicher Kiwi. Seine Frau musste all die Besucher höflich abweisen, die den gutmütigen, jederzeit zu einem Gespräch bereiten Ed einmal persönlich treffen wollten. Der erste Bezwinger des Mount Everest wohnte in einem einfachen Häuschen, jeder wusste, wie leicht es war, mit Ed ins Gespräch zu kommen, man musste quasi nur an seine Tür klopfen – und hoffen, dass er selbst öffnen würde. Kein Stargehabe, keine Allüren, keine Arroganz. Komm mal vorbei, wenn du in der Gegend bist! Neuseeländer meinen diesen Satz genau so, wie sie es sagen, und sind damit quasi das Gegenteil der Amerikaner.
Nichts prädestiniert einen übrigens in Neuseeland mehr dazu, ein gutes, zufriedenes Leben zu führen, als ein Humble All Black zu werden, ein Spieler der Rugbynationalmannschaft. Wer diesen Status erklommen hat, dabei aber trotz allem bescheiden geblieben ist, hat den gesellschaftlichen Mount Everest erreicht. Ein Status übrigens, den nicht nur Männer, sondern seit der Gründung der Frauenrugbynationalmannschaft auch Frauen erreichen können. Der Traum, ein All-Black-Spieler zu werden, rangiert in Neuseeland bei jungen Männern weit vor Berufswünschen wie Pilot oder Filmstar. Und wenn man es dann tatsächlich geschafft hat, empfiehlt es sich als guter Kompromiss, die Rolle des Reluctant Hero einzunehmen, des Helden, der trotz all seiner Erfolge bescheiden und zurückhaltend bleibt.


Wahre Größe
Neben dem Gleichheitsprinzip und dem Tall Poppy Syndrome, dem Zurechtstutzen wild wuchernder Egos, haben die Neuseeländer die Tendenz, ihre junge Nation als kleines Land am Ende der Welt zu bezeichnen. Tatsächlich ist die Fläche Neuseelands aber mit 268 680 Quadratkilometern wesentlich größer als die Großbritanniens. Als Reisender sollte man auch die 1700 Kilometer lange Nord-Süd-Ausdehnung des Landes nicht leichtfertig unterschätzen. Dennoch wirbt Neuseeland damit, ein kleines, abgelegenes Land in den Weiten des Pazifik zu sein, was angesichts der geringen Bevölkerung von knapp fünf Millionen Einwohnern wiederum verständlich ist.
Doch trotz der beharrlichen Neigung zum Understatement spielte die Größe in Neuseeland von Beginn an eine gewichtige Rolle, und Größe ist auch heute noch etwas, das viele Dinge des Landes auszeichnet.
Einst besaß Neuseeland mit dem bis zu vier Meter großen Moa den größten Laufvogel des Planeten, der Eier legte, die mit 4,5 Kilogramm Gewicht so gigantisch waren, dass man heute mehr als achtzig Hühnereier bräuchte, um auf ein ähnliches Volumen zu kommen. Obwohl der riesige Moa nicht, wie früher angenommen, als Vorfahre der Kiwivögel in Betracht kommt, hatten sie mit dem australischen Emu dennoch einen Giganten in der früheren Verwandtschaft. Der gemeinsame Vorfahre von Emu und Kiwi konnte, so vermuten die Wissenschaftler, wahrscheinlich noch fliegen, und somit stammt das heutige Wappentier Neuseelands, man höre und staune, eigentlich aus Australien.
Übrigens bestehen die Kiwiweibchen bis heute darauf, sehr große Eier zu legen. Im Verhältnis zu ihrer Körpergröße sind es die weltweit größten Eier im ganzen Vogelreich. Vielleicht ist diese Fixierung auf gigantische Eier ja eine tiefe genetische Verbeugung vor den einstigen Riesenvögeln in der Verwandtschaft.
Groß waren früher auch die Erwartungen der ersten Siedler, die auf fruchtbarem neuseeländischen Boden landeten, um bald schon vier Kilogramm schwere Karotten in der Nähe von Christchurch, neun Kilogramm schwere Rote Beten und einen fünfundzwanzig Kilogramm schweren Kohlkopf in der Nähe von Dunedin zu züchten. Ein Mythos war geboren, Neuseeland wurde, auch durch die Berichte in der britischen Presse, zum bizarren Wunderland auf der anderen Seite des Planeten – und es besitzt diesen Ruf bis heute.

Große Teile Neuseelands waren bis ins 19. Jahrhundert mit gigantischen, bis zu fünfzig Meter hohen Kauri-Baumriesen bewachsen. Im Kauri-Museum in Matakohe (130 Kilometer nördlich von Auckland) erfährt man ein eindringliches Beispiel seiner Größe. Im 19. Jahrhundert gab es einen Kauri-Baum, der so mächtig war, dass die Familie eines irischen Siedlers einige Kilometer außerhalb von Paihia auf der Nordinsel mit dreizehn Kindern direkt in den hohlen Baum einziehen konnte. Die Familie kratzte damals das morsche Holz heraus, zog einen Boden und eine Decke in den Stamm ein, und das erste Baumhaus Neuseelands war bezugsfertig. Als die Familie weiteren Nachwuchs bekam, baute sie einfach ein neues Stockwerk mit mehreren Schlafzimmern in den Baum. 
Wer möchte, kann einige der letzten gigantischen Kauri-Bäume, die einst einen ganzen Wirtschaftszweig Neuseelands ausmachten, heute im Waipoua Kauri Forest an der Westküste der Nordinsel bewundern. Unter ihnen auch den mit zweitausend Jahren ältesten und mächtigsten aller noch lebenden Kauri-Bäume, der von den Māori Tāne Mahuta genannt wird, der Herr des Waldes.
Und auch die Landbevölkerung denkt nicht klein. Neuseeländische Farmen sind mit durchschnittlich 131 Hektar wesentlich größer als ein typischer deutscher Bauernhof (63 Hektar), und die Dairy Farms, die Milch produzierenden Betriebe, sind inzwischen so groß, dass sich eine Gegenbewegung im Land formiert hat, die den Größenwahn mit bis zu 20 000 Milchkühen auf einer einzigen Farm gern begrenzen möchte.
Wahre Größe erreichen auch die sogenannten Big Things, eine neuseeländische Spezialität, die einem Besucher des Landes sofort ins Auge fällt. Big Things sind landestypische Ikonen, ein Kiwivogel beispielsweise oder ein Lachs oder eine Möhre, die in meterhohen, oft schreiend bunten Nachbildungen am Ortseingang einiger Gemeinden zu finden sind. Diese Big Things genannten Skulpturen können als markante Attraktionen am Straßenrand für ortsfremde Autofahrer durchaus zu wichtigen Wegmarkierungen werden, wie zum Beispiel das aus Wellblech geformte Riesenschaf inklusive Wellblechschäferhund in Tirau.
Neuseeländische Farmer denken nicht klein und leben aus diesem Grund auch niemals in einem Dorf. Um vom Image des ländlichen Nobody wegzukommen, bezeichnen die Neuseeländer jedes noch so kleine Dörfchen selbstbewusst als Town. Das englische Township war den Neuseeländern als Begriff allerdings zu britisch, und das Wort Village wollte und will ihnen auch nicht über die Lippen, da es in neuseeländischen Ohren einfach zu winzig klingt.
„Ich gehe mal eben in die Stadt, Schatz“, kann in Neuseeland deshalb bedeuten, dass der Farmer mal eben eine Stunde zum Tratschen raus an die nächste Tankstelle fährt. Oder das Ehepaar fährt zusammen in die Town, die nichts anderes ist als eine einsame große Halle, in der man dann beim Scottish Country Dance eine flotte Sohle auf den Tanzboden legt.

Joscha Remus

Über Joscha Remus

Biografie

Joscha Remus, geboren 1958 in der Südeifel, ist Reiseschriftsteller, Wissenschaftsjournalist, Gourmetautor und leidenschaftlicher Fotograf. Er veröffentlichte über zwanzig Bücher zum Thema Reisen. Seine Hörbuch-Reihe „wegwärts“ wurde mit dem Deutschen Hörbuchpreis ausgezeichnet. Wenn er nicht gerade...

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