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Free Solo

Free Solo

Alexander Huber
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Klettern ohne Sicherung und ohne Grenzen

Kompetent geschrieben und packend illustriert, ein fesselndes Zeugnis einer zwiespältigen Leidenschaft. - Frankfurter Allgemeine Zeitung

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Free Solo — Inhalt

In einer überhängenden Wand, die Finger in kleinen Griffen, darunter Hunderte Meter Luft. Kein Klettergurt, kein Seil – nichts, was den freien Fall aufhalten würde: Free-Solo-Klettern, die große Leidenschaft von Alexander Huber. Er schildert seine nervenzerreißenden Alleingänge und setzt zugleich 100 Jahren Freiklettern ein Denkmal – von den frühen Visionären wie Paul Preuß über die großen Begehungen von Wolfgang Güllich bis zu den jüngsten Spitzenleistungen eines Hansjörg Auer. Gastbeiträge und fulminantes Bildmaterial runden diesen opulenten Band ab.

€ 14,99 [D], € 15,50 [A]
Erschienen am 01.05.2011
208 Seiten, Klappenbroschur
EAN 978-3-492-40415-0
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Leseprobe zu „Free Solo“

Zeit für ein paar Minuten lebendig werden zu lassen. Berge sind eben doch keine leblose Masse oder nur tonnenweise kalter Fels. Wenn wir Bergsteiger unsere Sinne und Gedanken auf die Berge projizieren, dann beginnen sie sich zu verändern. Genauso wie kein Mensch dem anderen gleicht, so ist jeder Berg einzigartig und unvergleichlich. Der Berg lebt, in uns! Und tatsächlich, der Grand Capucin beginnt in mir zu leben. Ich bin völlig eingenommen von den Gedanken, die dieser Granitzahn in mir wachruft. Soll ich oder soll ich nicht? Geht das oder geht das [...]

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Zeit für ein paar Minuten lebendig werden zu lassen. Berge sind eben doch keine leblose Masse oder nur tonnenweise kalter Fels. Wenn wir Bergsteiger unsere Sinne und Gedanken auf die Berge projizieren, dann beginnen sie sich zu verändern. Genauso wie kein Mensch dem anderen gleicht, so ist jeder Berg einzigartig und unvergleichlich. Der Berg lebt, in uns! Und tatsächlich, der Grand Capucin beginnt in mir zu leben. Ich bin völlig eingenommen von den Gedanken, die dieser Granitzahn in mir wachruft. Soll ich oder soll ich nicht? Geht das oder geht das nicht? Das ist jetzt die große Frage. Kann ich diese Route wirklich so im Griff haben, dass ich in ihr ganz allein unterwegs sein könnte? Obwohl ich mit meinem Vater in einer Seilschaft verbunden bin, wird mir teilweise ganz anders, nur weil ich in Gedanken schon ohne Seil unterwegs bin. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.
Dann höre ich wieder eine Geschichte meines Vaters, und schon bin ich mit ihm vor fast fünfzig Jahren am Montblanc unterwegs. Kaum ist die Geschichte vorbei, gehen meine Gedanken wieder zurück: Was wäre, wenn das Seil nicht wäre? Zu viel Glaube an mich selbst wäre hier extrem ungesund. Während mein Vater sich seines Lebens in der Senkrechten freut, bekomme ich mitten in der Wand einen Schweißausbruch. Der Wunschtraum, hier noch free solo klettern zu können, platzt: eine nicht wirklich freundliche Kletterstelle, mit dem unteren achten Grad hart bewertet, und gerade hier der Fels nicht perfekt.
Grundsätzlich besteht der Grand Capucin aus stabilem, grobkörnigem Granit, aber an dieser Stelle ist er der reinste Rollsplitt, das wäre selbst in der Horizontalen noch eine Schleuderpiste. Hier in der Senkrechten rutschst du aus und bist dahin, zumindest, wenn du an dieser Stelle free solo kletterst. Meine „Free-solo-in-der-Bonatti-Welt“ ist zusammengebrochen. Knapp unter dem Gipfel erzähle ich meinem Vater doch, welches Kino sich in meinem Kopf abgespielt hat. „Guad, scheinbar wirst mit den Jahren doch no gscheider. Aber jetzt dua ned so lang umanand, auf geht’s!“ Er nimmt die nächsten Griffe in die Hand. Kurzer Blick zurück. „Host mi in der Sicherung?“


Die „Bonatti“ am Grand Capucin free solo zu klettern bewertete ich als zu riskant, als für mich nicht vertretbar. Zwar ist der achte Grad für die heutige Generation der trainierten Sportkletterer keine große Herausforderung mehr, und die „Bonatti“ frei zu klettern ist rein klettertechnisch gesehen keine sportliche Höchstleistung. Free solo erst recht nicht: Man spart sich das Gewicht des Seils, kann auf das lästige und kraftraubende Seileinhängen verzichten und ist damit schneller und effizienter als in Seilschaft. Aber da ist dann noch das „Aber“. Denn das ist eine rein theoretische Überlegung und damit weniger als die Hälfte der Wahrheit. Der Mensch hängt dann doch zu sehr an seinem Leben, zumindest die meisten von uns. Und die anderen von der Fraktion der heillosen Chaoten sind in den Bergen noch selten weit gekommen. 400 Meter „Bonatti“, weit über tausend Kletterzüge. Da brauchst du nur ein ganz klein wenig schlampen, und schon liegst du unten!
Ich hänge am Leben, und deswegen wurde es nichts mit der „Bonatti“. Aus der Traum. Aber wie heißt es so schön: Jedem Ende wohnt ein Anfang inne! Und auf dem Rückweg zur Turiner Hütte steht der „Neue“ schon da: der Dent du Géant, 4013 Meter und eigentlich der schwierigste Viertausender der Alpen, wenn er nicht mit 300 Meter Fixseil verkabelt und degradiert wäre. Der reinste Hochseilgarten, wobei „Seil“ da nur eine grobe Begriffsannäherung ist, es sind nämlich Taue mit zehn Zentimetern Durchmesser wie für einen Ozeanriesen. Schön bleibt der Berg trotzdem. Und die Südwand erst! Da weißt du dann, was überhängend heißt.
Das Ziel vage im Auge, stapfe ich meinem Vater hinterher. Eine tiefer gehende Betrachtung mit dem Fernglas ist jetzt natürlich nicht drin. „Was schaugst ’n scho wieder? Jetzt geh hoid weida! I hob an Durscht!“ Und ich weiß genau, an was mein Vater jetzt denkt.
Später bekam ich aber dann doch noch die Gelegenheit, den Dent du Géant und seine 250 Meter hohe Südwand genauer zu erkunden. Schon auf der Turiner Hütte treffe ich einen Kletterer aus Bergamo, der diese Südwand in höchsten Tönen lobt. „Una arrampicata meravigliosa! Bella roccia, sempre strapiombante e, soprattutto, in una posizione spettacolare!“ Besser scheint’s gar nicht zu gehen. Beste Kletterei in supersteilem Fels! Und wie schwer? „Non lo so! Ho fatto la via in artifiziale. C’è numerosi passaggi con chiodi. Ma credo che per te non c’è nessun problema di liberare la via.“ Aha. Also klassisch mit ein paar Hakenleitern.
In einem deutschsprachigen Kletterführer lese ich dann noch nach, dass die „Burggasser“ im Jahr 1935 die erste Route im Montblanc-Gebiet war, bei der die Haken konsequent als Fortbewegungsmittel eingesetzt wurden. Und später bekomme ich die Information, dass die Route etwa im oberen siebten Grad einchecken sollte.
Perfekt! Die Idee ist geboren und beginnt sich langsam zu entwickeln. Das Jahr ist aber vorbei, ich muss warten. Winter und Frühling ziehen mit anderen Projekten vorbei, Anfang Juli geht es wieder nach Courmayeur.
Diesmal ist Marius Wiest mit dabei, ein Spanier mit deutschen Eltern, der in Valencia und Barcelona aufgewachsen ist. Mittlerweile ist er ein spanischer Preuße, der in Bayern lebt und studiert, wenn er gerade Zeit dazu hat. Für Marius ist es das erste Mal Klettern am Massiv des Montblanc, für mich das erste Mal am Dent du Géant. Anders als mein Vater ist Marius von Anfang an in die Absicht hinter der Aktion eingeweiht.
Wir brechen früh auf. Am Montblanc weiß man nie, wann die ersten Gewitter auftauchen. Was am Morgen erste kleine Wölkchen sind, die durch den thermischen Aufwind entstehen, wird später zu stattlichen Cumuli, die einen gern oben am Berg in Nebel einhüllen. Wenn dann die Sonne weiterheizt, zucken am frühen Nachmittag die ersten Blitze. Da bist du dann drin, mitten im Inferno, und glaubst, dass dir die halbe Welt um die Ohren fliegt.
Nach gut zwei Stunden Aufstieg in leichtem, kombiniertem Gelände erreichen wir zeitgleich mit der Sonne den sogenannten Frühstücksplatz, einen wunderschönen Felsblock am Beginn des berühmten Rochefortgrats.
Ein gewaltiger Anblick: die weiße Firnschneide, die fast 3000 Meter über dem Tal zu schweben scheint, und direkt darüber die mächtige Granitnadel, die raketengleich in den makellos blauen Himmel fährt. Ein steiles Teil!

Der Einstieg und die nach Westen hin offene Verschneidung der ersten Seillänge liegen noch im Schatten. So bekommen wir, obwohl wir in einer Südwand klettern, doch noch die Kälte ab. Es ist überraschend kalt angesichts der heißen Temperaturen tief unten im Val Ferret, und in dieser Kälte erscheinen die Griffe ganz schön klein. In einer schweren Stelle direkt am Beginn der zweiten Seillänge werden die Finger gleich gut angenagelt. Aber wir sind schließlich nicht beim Sportklettern, sondern am Dent du Géant, und umsonst gibt es nichts. Nach der Hälfte der Seillänge endet die Verschneidung, es geht kurz um die Ecke, und endlich tauche ich in die Wärme der Sonne ein. Marius kommt nach und ist begeistert. Das macht nicht nur die Wand aus, der Fels, die fast 4000 Meter Höhe, sondern alles zusammen. Es ist ganz einfach herrlich, hier oben zu klettern, und in diesem Moment könnte es für uns nichts Schöneres auf der Welt geben. Marius steigt die nächste Seillänge vor. Eine überhängende Welle kompakten Granits steigt über uns in den Himmel, die nächste hakentechnische Passage, jetzt schon ziemlich luftig. Gut 60 Meter über dem Boden ist an sich gar nicht so viel, aber der Wandfuß ist eben keine Wiese und auch kein Schuttfeld, sondern ein 50 Grad steiles Eisfeld, das die Optik gewaltig in die Tiefe zieht.
Das macht den Unterschied: Hier oben am Dent du Géant wirkt alles so abgehoben, losgelöst von der Erde. Wir, die kleinen Kletterer, nicht mehr als winzige Fliegen auf dem Spielplatz der Giganten. Eine Wolke steigt vom Tal herauf, kurze Zeit später sind wir im Nebel. Der Überhang der dritten Seillänge ist anfällig für Nässe, was in dieser Höhe bedeutet, dass diese Meter häufig vereist sind. Im Nachstieg schaue ich mich nach Alternativen zu der problematischen Passage um. Tatsächlich sehe ich gut zwei Meter weiter rechts an freier Wand eine Serie von Griffen, die exponiert, aber trocken über die kritische Stelle führen. Passt und schaut gut aus! Über uns jetzt nochmals eine kompakte Verschneidung, kleine Griffe – exaktes Steigen, aber kontrollierbar. Sehr gut! Die kompakten Granitwellen des unteren Wandteiles sind überwunden, und der mit einer großen Verschneidung klar gegliederte obere Wandteil schaut nicht mehr gar so arg aus.
Die Meter laufen dahin, Marius und ich gewinnen an Höhe, und erst kurz vor dem Gipfel muss ich noch einmal genau nachchecken. Ein vereister Überhang, in dem sechs Haken stecken, verleiht dem Ausstieg etwas Würze. Das Problem ist, dass sich direkt darüber die Wand zurücklegt und das Gelände dort mit jedem Wettersturz oder Gewitterschauer mit Schnee versorgt wird. Kaum ist das Wetter dann wieder gut, lässt die Sonne die kleinen Schneemengen abschmelzen. Gegen Abend bilden sich kleine Rinnsale, die über die Risse durch den Überhang laufen. Nachts vereist das Ganze, und weil die Sonne in die Risse, die ich zum Klettern brauche, nicht vordringt, bleiben diese vereist. Die Lösung solcher Passagen findet man in der freien Wand. Und wie schon unten in der dritten Seillänge finde ich eine Umgehung. Elegant leiten Griffe an dem Problem vorbei. Die Stelle wäre im Vorstieg nicht absicherbar, aber was interessiert mich das als Free-Solo-Kletterer schon?
Das Bild fügt sich zusammen, und anders als am Grand Capucin wird es komplett. Keine Vision, die sich im Nichts auflöst, sondern ein Edelstein, der sich zu formen beginnt und langsam auskristallisiert. Ich habe genug gesehen. Am nächsten Tag fährt eine glückliche bayerisch-spanisch-preußische Seilschaft zurück nach Berchtesgaden.
Zwei Wochen später bin ich, deutlich weniger entspannt, wieder in Courmayeur, mit dabei der Tiroler Guido Unterwurzacher. Weniger entspannt deswegen, weil ich ganz genau weiß, dass es diesmal um die Wurst geht. Noch sind die Vorbereitungen nicht ganz abgeschlossen, aber viel wird es dazu nicht brauchen. Einen Tag werde ich nochmals investieren, um die Route noch besser kennenzulernen. Die Schwierigkeiten sind überschaubar. Eine Handvoll anspruchsvoller Stellen, bei denen ich die Griffe, Tritte und die dazugehörigen Sequenzen kennen sollte. Klar könnte ich darauf verzichten, normalerweise falle ich bei diesen Schwierigkeiten auch aus einer mir unbekannten Route nicht heraus. Vielleicht ist es fast schon eine übertrieben pedantische Vorbereitung, aber dieser eine Tag an Vorbereitung ist mir mein Leben wert. Es bleibt auch so spannend genug.

Alexander Huber

Über Alexander Huber

Biografie

1968 in Trostberg/Oberbayern geboren, gehört Alexander Huber zu den besten Bergsteigern und Kletterern unserer Zeit. Erste Erfolge gelangen dem Bergführer und Physiker im Sportklettern; er eröffnete weltweit die erste Sportkletterroute im oberen elften Grad. Die Route „Pan Aroma“ als Highlight im...

Pressestimmen
Frankfurter Allgemeine Zeitung

Kompetent geschrieben und packend illustriert, ein fesselndes Zeugnis einer zwiespältigen Leidenschaft.

Süddeutsche Zeitung

Ein schwindelerregendes Buch.

Reinhold Messner

Alexander Huber ist zur Zeit der beste Felskletterer.

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