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Die Gelehrten der Scheibenwelt (Die Wissenschaft der Scheibenwelt 1)

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Die Wissenschaft der Scheibenwelt 1

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Die Gelehrten der Scheibenwelt (Die Wissenschaft der Scheibenwelt 1) — Inhalt

Drei unnachahmlich unterhaltsame Sachbücher aus Sicht der Gelehrten der Scheibenwelt – unverzichtbar für alle Terry-Pratchett-Jünger: Als Ergebnis eines missglückten Experiments besitzen die Zauberer der Unsichtbaren Universität plötzlich ein Miniaturweltall: die irdische Rundwelt. Unter Führung der weisen Magier verfolgen wir die Geschichte unseres Universums vom Urknall bis zum Internet und darüber hinaus.

€ 8,99 [D], € 8,99 [A]
Erschienen am 12.11.2012
Übersetzt von: Andreas Brandhorst, Erik Simon
528 Seiten, WMePub
EAN 978-3-492-95952-0
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Leseprobe zu „Die Gelehrten der Scheibenwelt (Die Wissenschaft der Scheibenwelt 1)“

„Jede hinreichend entwickelte Technik unterscheidet sich nicht mehr von Magie.“
ARTHUR C. CLARKE


„Jede Technik, die sich von Magie unterscheidet, ist nicht hinreichend entwickelt.“
GREGORY BENFORD


„Die Wahrheit ist deshalb soviel seltsamer als Fiktion, weil sie nicht konsistent sein muß.“
MARK TWAIN


„Es gibt nirgends Schildkröten.“
PONDER STIBBONS


Die Geschichte beginnt hier…


Es war einmal die Scheibenwelt. Und es gibt sie noch heute.
Die flache Scheibenwelt wird von einer riesigen Schildkröte durchs All getragen und ist Gegenstand von – bisher – [...]

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„Jede hinreichend entwickelte Technik unterscheidet sich nicht mehr von Magie.“
ARTHUR C. CLARKE


„Jede Technik, die sich von Magie unterscheidet, ist nicht hinreichend entwickelt.“
GREGORY BENFORD


„Die Wahrheit ist deshalb soviel seltsamer als Fiktion, weil sie nicht konsistent sein muß.“
MARK TWAIN


„Es gibt nirgends Schildkröten.“
PONDER STIBBONS


Die Geschichte beginnt hier…


Es war einmal die Scheibenwelt. Und es gibt sie noch heute.
Die flache Scheibenwelt wird von einer riesigen Schildkröte durchs All getragen und ist Gegenstand von – bisher – dreiundzwanzig Romanen, vier Karten, einer Enzyklopädie, zwei Trickserien, T-Shirts, Schalen, Modellen, Abzeichen, Bier, Stickereien, Stiften und Postern. Wenn dieses Buch erscheint, dürfte es auch entsprechendes Talkumpuder und Parfüm geben. (Wenn nicht, ist es nur eine Frage der Zeit.)
Mit anderen Worten: Die Scheibenwelt erfreut sich großer Beliebtheit.
Und sie funktioniert mit Magie.
Rundwelt – unser Heimatplanet und das Universum, in dem er sich befindet – funktioniert auf der Grundlage von Naturgesetzen. Genau genommen funktioniert sie einfach. Wir beobachten sie dabei und ziehen Schlußfolgerungen, womit wir bei der Basis der Wissenschaft wären.
Eigentlich sollte man meinen, daß sich Magier und Wissenschaftler stark voneinander unterscheiden. Hier haben wir einige Leute, die sich sonderbar kleiden, ganz offensichtlich in einer eigenen Welt leben, eine besondere Sprache sprechen und häufig Bemerkungen von sich geben, die in krassem Gegensatz zum gesunden Menschenverstand stehen. Dort sehen wir Menschen, die sich seltsam kleiden, eine besondere Sprache sprechen, ganz offensichtlich in einer eigenen Welt leben und… äh…
Vielleicht sollten wir es andersherum versuchen. Existiert eine Verbindung zwischen Magie und Wissenschaft? Ist die Magie der Scheibenwelt mit ihren exzentrischen Zauberern, realistisch denkenden Hexen, dummen Trollen, feuerspeienden Drachen, sprechenden Hunden und einem personifizierten Tod imstande, uns die logische, durch und durch rationale Wissenschaft der Erde näherzubringen?
Wir glauben schon.
Den Grund dafür erklären wir gleich. Zuerst möchten wir darauf hinweisen, was das Buch ›Die Gelehrten der Scheibenwelt‹ nicht ist. Derzeit sind mehrere Bücher in der Art von The Science of the X-Files oder Die Physik von Star Trek erhältlich. Sie berichten von Bereichen der heutigen Wissenschaft, die vielleicht einmal zu betreffenden Ereignissen oder Apparaten führen könnten. Sind bei Roswell Außerirdische abgestürzt? Könnte jemals ein Warptriebwerk entwickelt werden, das die Energie von Antimaterie verwendet? Stehen uns irgendwann einmal die schier unerschöpflichen Batterien zur Verfügung, die offenbar in den Taschenlampen von Scully und Mulder stecken?
Wir hätten auf eine solche Weise vorgehen können. Wir hätten darauf hinweisen können, daß Darwins Evolutionstheorie erklärt, wie sich niedere Lebensformen zu höheren entwickeln. Wenn man von derartigen Voraussetzungen ausgeht, wäre es durchaus möglich, daß aus einem Mensch ein Orang-Utan wird (und dabei Bibliothekar bleibt, weil es keine höheren Lebensformen als Bibliothekare gibt). Wir hätten darüber spekulieren können, welche DNS-Sequenzen Asbestschichten im Innern von Drachen ermöglichen. Vielleicht wären wir sogar in Versuchung geraten, die Entstehung einer zehntausend Kilometer langen Schildkröte zu erklären.
Wir beschlossen aus gutem Grund, auf so etwas zu verzichten. Nun, eigentlich aus zwei guten Gründen.
Der erste Grund ist: So etwas wäre dumm gewesen.
Und zwar wegen des zweiten Grunds. Auf der Scheibenwelt spielt die Wissenschaft keine Rolle. Warum also sollten wir von einer solchen Annahme ausgehen? Drachen speien kein Feuer, weil sie Asbestlungen haben, sondern weil alle wissen, daß Drachen Feuer speien.
Der Motor der Scheibenwelt geht über Magie und Wissenschaft hinaus. Ihre Antriebskraft besteht aus dem narrativen Imperativ, aus der Macht einer Geschichte. Ihr kommt eine ähnliche Rolle zu wie dem sogenannten Phlogiston, einer Substanz, die, wie man im achtzehnten Jahrhundert glaubte, allen brennbaren Körpern beim Verbrennungsvorgang entweicht. Im Universum der Scheibenwelt gibt es das Narrativium. Es zeigt sich im Spin eines jeden Atoms und kommt im Dahintreiben aller Wolken zum Ausdruck. Es macht die Bewohner der Scheibenwelt zu dem, was sie sind, und es gibt ihnen die Möglichkeit, auch weiterhin zu existieren und an den Geschichten mitzuwirken.
Auf der Rundwelt geschehen die Dinge, weil sie geschehen möchten.* Das Universum nimmt kaum Rücksicht auf die Wünsche seiner Bewohner und ist auch nicht da, um eine Geschichte zu erzählen.
Mit Magie kann man einen Prinzen in einen Frosch verwandeln. Mit Wissenschaft kann man einen Frosch in einen Doktor der Philosophie verwandeln – und behält den Frosch, mit dem man begonnen hat.
Das ist die übliche Ansicht in bezug auf die Wissenschaft von Rundwelt. Allerdings bleibt dabei vieles unberücksichtigt, was die Wissenschaft eigentlich ausmacht. Sie existiert nicht in einem abstrakten Sinn. Man könnte das ganze Universum in seine Einzelteile zerlegen, ohne eine Spur von Wissenschaft zu finden. Bei der Wissenschaft handelt es sich um eine Struktur, die von Menschen geschaffen und entwickelt wurde. Menschen wählen Dinge, die sie interessieren oder für wichtig halten. Oft geht es in diesem Zusammenhang auch um ihre Phantasie.
Narrativium ist überaus wirkungsvoll. Wir haben immer dazu geneigt, dem Universum Geschichten aufzuzwingen. Als die Menschen zum erstenmal zu den Sternen emporblickten, sahen sie keine unvorstellbar weit entfernten Sonnen, sondern riesige Stiere, Drachen und mythische Helden.
Diese menschliche Eigenschaft nimmt keinen Einfluß auf die Beschaffenheit der Naturgesetze – zumindest keinen großen –, aber sie bestimmt, welche Naturgesetze wir überhaupt untersuchen möchten. Außerdem müssen die Naturgesetze des Universums imstande sein, all jene Dinge hervorzubringen, die wir beobachten, wodurch auch die Wissenschaft eine Art narrativen Imperativ bekommt. Menschen denken in Geschichten. Zumindest in einem klassischen Sinn lief die Wissenschaft auf das Entdecken von ›Geschichten‹ hinaus. Man denke an Bücher mit Titeln wie Die Geschichte der Menschheit (The Story of Mankind), Die Abstammung des Menschen oder Stephen Hawkings Eine kurze Geschichte der Zeit.
Über den Geschichten der Wissenschaft könnte die Scheibenwelt eine sehr wichtige Funktion ausüben: Was wäre wenn? Die Scheibenwelt ermöglicht Gedankenexperimente: Wie sähe die Wissenschaft aus, wenn das Universum anders beschaffen wäre oder sich die Wissenschaft in einer anderen Richtung entwickelt hätte? Wir können die Wissenschaft von außen betrachten.
Für einen Wissenschaftler besteht ein Gedankenexperiment aus einer Art geistigen Diskussion. Anschließend versteht man die Dinge so gut, daß man keine echten Experimente durchführen muß, was nicht nur Zeit und Geld spart, sondern einen auch davor bewahrt, peinliche Resultate zu erzielen. Auf der Scheibenwelt geht man praktischer an diese Sache heran. Dort geht es bei Gedankenexperimenten um Dinge, die nicht möglich sind und auch gar nicht funktionieren würden, wenn sie möglich wären. Das von uns geplante Gedankenexperiment ist vielen Wissenschaftlern vertraut, obwohl sie es vielleicht gar nicht wissen. Man braucht es auch gar nicht in die Praxis umzusetzen, denn es dreht sich ja gerade um etwas, das nicht funktionieren würde. Viele der wichtigsten Fragen der Wissenschaft – und unserer Auffassung von ihr – betreffen nicht die wahre Natur des Universums. Wir fragen uns vielmehr, was geschähe, wenn das Universum anders beschaffen wäre.
Jemand fragt: „Warum bilden Zebras Herden?“ Man könnte nach einer Antwort suchen, indem man Soziologie und Psychologie von Zebras untersucht. Oder man stellt eine ganz andere Frage: „Was geschieht, wenn sie keine Herden bilden?“ Eine der offensichtlichsten Antworten lautet: „Dann wäre die Wahrscheinlichkeit viel größer, daß sie von Löwen gefressen werden.“ Dies läßt sofort den Schluß zu, daß Zebras Herden bilden, um sich zu schützen. Wir haben eine wichtige Erkenntnis in Hinsicht auf Zebras gewonnen, indem wir die Möglichkeit in Erwägung zogen, daß sie sich anders verhalten.
Ein weiteres und ernsteres Beispiel dafür bietet die Frage „Ist das Sonnensystem stabil?“ oder „Könnte es sich dramatisch verändern, wenn es zu einer geringfügigen Störung käme?“ Im Jahr 1887 bot der schwedische König Oskar II. 2500 Kronen für die Antwort. Hundert Jahre brauchten die Mathematiker der Erde, um eine eindeutige Antwort zu finden. Sie lautet: „Vielleicht.“ (Es war eine gute Antwort, aber sie wurde nicht bezahlt. Das Geld hatte jemand bekommen, der es versäumte, die richtige Antwort zu liefern und dessen prämierter Artikel im interessantesten Abschnitt einen großen Fehler aufwies. Die Korrektur dieses Fehlers führte zur Chaostheorie, die wiederum den Weg für das ›Vielleicht‹ bereitete. Manchmal besteht die beste Antwort aus einer noch interessanteren Frage.) Bei Stabilität geht es nicht um die aktuelle Verhaltensweise eines Systems, sondern um die Frage, wie es auf Störungen reagiert. Mit anderen Worten: Stabilität und Was-wäre-wenn-Situationen stehen in einem unmittelbaren Zusammenhang.
Da ein großer Teil der Wissenschaft die substanzlose Welt der Gedankenexperimente betrifft, muß sich unser Verständnis der Wissenschaft sowohl mit imaginären als auch mit realen Welten befassen. Die wahrhaft menschliche Qualität besteht nicht daher aus Intelligenz, sondern aus Phantasie. Und in dieser Hinsicht bildet die Scheibenwelt einen besonders geeigneten Ausgangspunkt. Sie bietet ein konsistentes, gut entwickeltes Universum mit eigenen Regeln, und es leben überzeugend reale Personen darin, trotz der großen Unterschiede zwischen den dortigen ›Naturgesetzen‹ und unseren. Viele von ihnen wurzeln im ›gesunden Menschenverstand‹, einem natürlichen Feind der Wissenschaft.
In den Scheibenwelt-Geschichten ist immer wieder die Rede von der Unsichtbaren Universität, dem wichtigsten magischen Bildungsinstitut weit und breit. Die Zauberer* sind ein recht lebhafter Haufen, immer dazu bereit, eine Tür mit der Aufschrift ›Unbedingt geschlossen lassen‹ zu öffnen oder nach einem zischenden Gegenstand zu greifen. Sie machten einen recht nützlichen Eindruck auf uns…
Wenn wir – oder sie – die Magie der Scheibenwelt mit Rundwelts Wissenschaft vergleichen, so finden wir erstaunlich viele Parallelen und Gemeinsamkeiten. Den Zauberern der Unsichtbaren Universität muß Rundwelt natürlich wie eine Parodie ihrer eigenen Welt erscheinen. Auch die Unterschiede zwischen den beiden Welten erwiesen sich als sehr aufschlußreich. Die Wissenschaft erscheint in einem ganz neuen Licht, wenn man auf Fragen in der Art von ›Wie sieht Molch-DNS aus?‹ verzichtet und statt dessen fragt: ›Wie würden die Zauberer wohl reagieren, wenn man so über Molche nachdenkt?‹
Es gibt keine Wissenschaft als solche auf der Scheibenwelt, und deshalb mußten wir diese Lücke füllen. Die Zauberer sollten mit magischen Mitteln die Möglichkeit erhalten, eine eigene Form der Wissenschaft zu entwickeln, ein kleines ›Universum‹, in dem Naturgesetze die Magie ablösen. Und während die Zauberer herausfinden, wie aufgrund der Naturgesetze interessante Dinge geschehen, die Steine, Bakterien und Zivilisationen betreffen, beobachten wir sie dabei, wie sie… nun, uns beobachten. Es ist eine Art rekursives Gedankenexperiment oder eine russische Matrjoschka-Puppe, bei der das kleinste Exemplar das größte enthält.
Und dann fanden wir heraus, daß… Oh, das ist eine andere Geschichte.
TP, IS & JC IM DEZEMBER 1998


PS. Auf den nachfolgenden Seiten kamen wir nicht umhin, Schrödingers Katze, das Zwillingsparadoxon und die Sache mit der Taschenlampe zu erwähnen, die vor einem Raumschiff leuchtet, das mit Lichtgeschwindigkeit fliegt. Die Regeln der Gilde wissenschaftlicher Autoren verlangten von uns, diese Dinge zu erwähnen. Wir haben uns allerdings bemüht, uns an den betreffenden Stellen möglichst kurz zu fassen.
Es ist uns auch gelungen, außerordentlich wenige Worte über die Hose der Zeit zu verlieren.


EINS


Die Spaltung des Thaums


Manche Fragen sollten nicht gestellt werden. Doch sie waren praktisch unausweichlich.
„Wie funktioniert es?“ fragte Erzkanzler Mustrum Ridcully, Rektor der Unsichtbaren Universität.
Diese Frage verabscheute Ponder Stibbons fast ebensosehr wie die Frage ›Wieviel kostet es?‹ Es handelte sich um zwei der schwierigsten Fragen, mit denen ein Forscher konfrontiert wurde. Er war de facto für die magische Entwicklung an der Universität zuständig, und in dieser Funktion vermied er finanzielle Fragen um jeden Preis.
„Auf eine recht komplexe Art und Weise“, antwortete er schließlich.
„Ah.“
„Ich wüßte gern, wann wir den Squashplatz zurückbekommen“, ließ sich der Oberste Hirte vernehmen.
„Du spielst nie, Oberster Hirte“, sagte Ridcully und sah an der großen schwarzen Vorrichtung hinauf, die auf dem alten Universitätshof stand.*
„Aber vielleicht möchte ich es eines Tages. Und es wird verdammt schwer, wenn uns dabei dieses Ding im Weg steht. Wir müßten ganz neue Regeln bestimmen.“
Draußen sammelte sich Schnee an den hohen Fenstern. Dies war der längste Winter seit Menschengedenken. Er war sogar so lang, daß das Menschengedenken kürzer wurde, denn einige der ältesten Bewohner der Stadt starben. Der Frost durchdrang sogar die dicken Mauern der Unsichtbaren Universität, sehr zum Verdruß der Fakultät. Zauberer können mit Entbehrungen und Unannehmlichkeiten aller Art fertig werden, vorausgesetzt natürlich, sie betreffen andere.
Aus diesem Grund war Ponder Stibbons’ Projekt endlich genehmigt worden, nach drei langen Jahren des Wartens. Sein Hinweis, die Spaltung des Thaums würde die Grenzen des Wissens zurückdrängen, stieß auf taube Ohren. Die Grenzen von irgend etwas zurückzudrängen… Die Zauberer verglichen diesen Vorgang damit, einen sehr großen feuchten Stein hochzuheben. Als Ponder betonte, die Spaltung des Thaums werde die Gesamtsumme menschlicher Zufriedenheit vergrößern, bekam er zur Antwort, alle seien bereits recht zufrieden.
Schließlich sprach er davon, daß die Spaltung des Thaums gewaltige Mengen magischer Energie freisetze, die sich leicht in billige Wärme umwandeln lasse. Das funktionierte. Die Fakultät zeigte nur mäßiges Interesse, wenn es um Wissen an sich ging, aber ihr Enthusiasmus wuchs erheblich, wenn man ihr warme Schlafzimmer in Aussicht stellte.
Die anderen Zauberer wanderten auf dem Hof umher, der jetzt nicht mehr annähernd soviel Platz bot wie früher, und betasteten den Apparat. Der Erzkanzler nahm die Pfeife aus dem Mund und klopfte sie geistesabwesend an der mattschwarzen Vorrichtung aus.
„Äh… das solltest du besser unterlassen, Herr“, sagte Ponder.
„Warum denn?“
„Weil… weil, äh…, weil die Möglichkeit besteht, daß …“ Ponder unterbrach sich. „Um zu vermeiden, daß es hier schmutzig wird, Herr.“
„Ah. Guter Hinweis. Das Ding könnte also nicht explodieren, oder?“
„Äh… nein, Herr. Haha“, erwiderte Ponder kummervoll. „Dazu ist viel mehr erforderlich, Herr…“
Mit einem lauten Pochen prallte ein Squashball erst von der Wand und dann von der Außenhülle des Apparats ab. Er schlug dem Erzkanzler die Pfeife aus dem Mund.
„Das warst du, Dekan“, sagte Ridcully vorwurfsvoll. „Meine Güte, jahrelang beachtet ihr den Hof überhaupt nicht, und plötzlich wollt ihr alle… Stibbons? Stibbons?“
Er stieß den leitenden Forschungsmagier der Universität an, der sich geduckt hatte. Ponder Stibbons hob den Kopf ein wenig und blickte durch die Lücken zwischen den Fingern.
„Es wäre wirklich eine gute Idee, wenn sie damit aufhören würden, Squash zu spielen, Herr“, flüsterte er.
„Das finde ich auch. Es gibt nichts Scheußlicheres als einen schwitzenden Zauberer. He, hört auf. Und kommt näher. Stibbons will uns jetzt alles erläutern.“ Er bedachte den jungen Zauberer mit einem durchdringenden Blick. „Bestimmt wird es ein sehr informativer und interessanter Vortrag, nicht wahr, Stibbons? Er wird uns jetzt erklären, wofür er 55 879,45 AM$ ausgegeben hat.“
„Und warum er einen wundervollen Squashplatz ruinieren mußte“, fügte der Oberste Hirte hinzu. Er klopfte mit seinem Schläger an den Apparat.
„Und ich möchte wissen, ob dieses Ding sicher ist“, verlangte der Dekan. „Ich bin dagegen, an der Physik herumzupfuschen.“
Ponder Stibbons verzog das Gesicht.
„Ich versichere dir, Dekan: Die Wahrscheinlichkeit dafür, daß die… äh… Reaktionsmaschine jemanden tötet, ist sogar noch größer als die, beim Überqueren der Straße überfahren zu werden“, sagte er.
„Tatsächlich? Oh, na schön.“
In Gedanken wiederholte Ponder den improvisierten Satz und beschloß, ihn unter den gegebenen Umständen nicht zu korrigieren. Gespräche mit den alten Zauberern ähnelten dem Versuch, ein Kartenhaus zu bauen: Wenn irgend etwas stehenblieb, atmete man ganz vorsichtig und griff nach der nächsten Karte.
Ponder hatte ein kleines System entwickelt, das er insgeheim Lügen-für-Zauberer nannte. Es war zu ihrem eigenen Besten, sagte er sich. Es hatte keinen Sinn, den Vorgesetzten alles zu verraten. Viele Dinge erforderten ihre Aufmerksamkeit, und sie wollten ihre Zeit nicht damit vergeuden, sich Erklärungen anzuhören. Es wäre falsch gewesen, sie mit Einzelheiten zu belasten. Eigentlich wünschten sie sich nur kleine Geschichten, die sie verstanden; anschließend gingen sie fort und hörten auf, sich Sorgen zu machen.
Auf der anderen Seite des Hofes hatten Ponders Studenten etwas vorbereitet. Mehrere Rohrleitungen führten durch die Wand des nahen Forschungstrakts für hochenergetische Magie und verbanden ein Terminal mit HEX, der Denkmaschine der Unsichtbaren Universität. Daneben stand ein Sockel mit einem großen roten Hebel, an dem jemand ein rosarotes Band befestigt hatte.
Ponder sah auf seine Notizen und blickte dann zur Fakultät.
„Ähm…“, begann er.
„Ich habe irgendwo ein Halsbonbon“, sagte der Oberste Hirte und klopfte auf seine Hosentaschen.
Ponder betrachtete erneut seine Notizen und fühlte sich von schrecklicher Hoffnungslosigkeit erfaßt. Er konnte die Thaumspaltung gut erklären, vorausgesetzt, die zuhörende Person wußte bereits darüber Bescheid. Bei den alten Zauberern hingegen mußte er die Bedeutung eines jeden Wortes erklären, manchmal sogar von Worten wie ›und‹ und ›oder‹.
Sein Blick glitt zur wassergefüllten Karaffe auf dem Pult, und er beschloß zu improvisieren.
Ponder hob ein Glas Wasser.
„Wußtet ihr“, sagte er, „daß das thaumische Potential in diesem Wasser… ich meine, sein magisches Feld, hervorgerufen vom Narrativiumgehalt, der uns mitteilt, daß es sich um Wasser handelt, und der dafür sorgt, daß der Inhalt des Glases Wasser bleibt und sich nicht etwa in, haha, eine Taube oder einen Frosch verwandelt … Nun, wußtet ihr, daß eine Freisetzung der entsprechenden Energie ausreichen würden, um diese ganze Universität bis zum Mond zu bringen?“
Er strahlte.
„Dann sollte sie besser im Glas bleiben“, bemerkte der Professor für unbestimmte Studien.
Ponders Lächeln erstarrte.
„Natürlich können wir nicht die gesamte Energie gewinnen“, fuhr er fort. „Aber wir…“
„Genug, um einen kleinen Teil der Universität zum Mond zu bringen?“ fragte der Dozent für neue Runen.
„Der Dekan könnte einen Urlaub vertragen“, meinte der Erzkanzler.
„Diese Bemerkung gefällt mir nicht, Erzkanzler.“
„Ich wollte nur die Stimmung ein wenig verbessern, Dekan.“
„Aber wir können genug Energie für viele nützliche Dinge freisetzen“, erklärte Ponder und hatte bereits Mühe.
„Wir wär’s damit, mein Arbeitszimmer zu heizen?“ warf der Dozent für neue Runen ein. „Heute morgen trug das Wasser im Krug schon wieder eine Eisschicht.“
„Genau!“ sagte Ponder und griff nach einer Lügefür-Zauberer. „Wir können die Energie verwenden, um einen großen Kessel zu erhitzen! Darum geht es! Alles ist völlig harmlos und überhaupt nicht gefährlich! Deshalb hat mir der Universitätsrat den Bau gestattet! Ihr hättet mir doch nicht erlaubt, etwas Gefährliches zu konstruieren, oder?“
Er trank das Wasser.
Die versammelten Zauberer wichen mehrere Schritte zurück.
„Laß uns wissen, wie’s dort oben aussieht“, bat der Dekan.
„Bring einige Steine mit oder so“, schlug der Dozent für neue Runen vor.
„Wink uns zu“, meinte der Oberste Hirte. „Wir haben ein ziemlich gutes Teleskop.“
Ponder starrte auf das leere Glas hinab und rückte seine mentale Perspektive erneut zurecht.
„Äh… nein“, sagte er. „Der Treibstoff muß im Innern der Reaktionsmaschine untergebracht werden. Und dann… und dann…“
Ponder gab auf.
„Die Magie dreht sich im Kreis und gerät schließlich unter den eingebauten Kessel, und dann ist es in der Universität angenehm warm“, erklärte er. „Irgendwelche Fragen?“
„Was ist mit der Kohle?“ fragte der Dekan. „Es ist einfach unerhört, wieviel die Zwerge heutzutage dafür verlangen.“
„Nein, Herr“, antwortete Ponder. Eine Schweißperle rann ihm über die Schläfe. „Die Wärme ist… gratis.“
„Tatsächlich?“ erwiderte der Dekan. „Dann sparen wir eine Menge Geld, nicht wahr, Quästor? He, wo ist der Quästor?“
„Oh… äh… der Quästor hilft mir heute, Herr“, murmelte Ponder. Er deutete zu einem hohen Balkon. Dort stand der Quästor, lächelte sein verträumtes Lächeln und hielt eine Axt in der Hand. Ein Seil war am Geländer befestigt und führte zu einer langen, schweren Stange, die mitten über der Reaktionsmaschine schwebte.
„Es ist… äh… nicht ganz auszuschließen, daß der Apparat zuviel Magie produziert“, erläuterte Ponder. „Die Stange besteht aus Blei und Ebereschenholz. Beides zusammen dämpft magische Reaktionen. Wenn es zu… Ich meine, wenn wir die Dinge ein wenig beruhigen wollen, schlägt der Quästor das Seil durch, und dann fällt die Stange ins Zentrum der Reaktionsmaschine.“
„Welche Aufgabe nimmt der neben ihm stehende Mann wahr?“
„Das ist mein Assistent Adrian Rübensaat. Er fungiert als für den Notfall bestimmtes und absolut zuverlässiges Sicherheitssystem.“
„Was ist seine Aufgabe?“
„Er soll ›Um Himmels willen, schlag das Seil durch!‹ rufen, falls es notwendig werden sollte, Herr.“
Die Zauberer nickten. Nach den Maßstäben von Ankh-Morpork, wo man den Daumen als Temperaturmesser verwendete, waren das geradezu extreme Sicherheitsmaßnahmen.
„Nun, mir scheint, hier kann überhaupt nichts schiefgehen“, sagte der Oberste Hirte.
„Wie kam dir der Einfall für diese Sache, Stibbons?“ fragte Ridcully.
„Nun, ein großer Teil basiert auf meinen eigenen Forschungsarbeiten, aber einige wichtige Anregungen gaben mir die Schriftrollen von Loko aus der Bibliothek, Herr.“ Ponder glaubte, sich hier auf sicherem Boden zu bewegen. Die Zauberer wußten alte Weisheit zu schätzen, sofern sie alt genug war. Sie verglichen Weisheit mit Wein: Sie wurde immer besser, je länger man sie sich selbst überließ. Vermutlich lohnte es gar nicht, Dinge zu kennen, über die seit Jahrhunderten niemand Bescheid wußte.
„Loko… Loko… Loko…“, murmelte Ridcully. „Das ist oben in Überwald, nicht wahr?“
„Ja, Herr.“
„Ich glaube, ich erinnere mich daran“, sagte Ridcully und rieb sich den Bart. „Ein tiefes Tal, umgeben von einem Ring aus Bergen? Ja, ein sehr tiefes Tal, wenn ich mich recht entsinne.“
„In der Tat, Herr. Nach dem Bibliothekskatalog wurden die Schriftrollen von der Krustlich-Expedition in einer Höhle entdeckt…“
„Dort gibt’s jede Menge Zentauren und Faune und andere seltsam aussehende magische Geschöpfe. Hab mal davon gelesen.“
„Tatsächlich, Herr?“
„Und starb Stanmer Krustlich nicht an Planeten?“
„Leider kenne ich mich nicht mit…“
„Eine sehr seltene magische Krankheit, soweit ich weiß.“
„Mag sein, Herr, aber…“
„Wenn ich jetzt darüber nachdenke…“, fuhr Ridcully fort. „Einige Monate nach ihrer Rückkehr erkrankten alle Teilnehmer der Expedition an irgendwelchen ernsten magischen Leiden.“
„Äh… ja, Herr. Man glaubte, ein Fluch liege auf dem Land. Was natürlich Unsinn ist.“
„Ich muß diese Frage stellen, Stibbons: Könnte dieser Apparat explodieren und die ganze Universität zerstören?“
Ponder seufzte innerlich. In Gedanken prüfte er den Satz und suchte Zuflucht bei der Wahrheit. „Nein, Herr.“
„Versuch einmal, ganz ehrlich zu sein, Stibbons.“ Und genau darin bestand das Problem mit dem Erzkanzler. Die meiste Zeit über schritt er umher und schrie die Leute an. Aber wenn er seine Gehirnzellen einmal Aufstellung beziehen ließ, so zeigten sie sofort auf den nächsten schwachen Punkt.
„Nun… in dem sehr unwahrscheinlichen Fall, daß ein ernster Unfall passiert… Die Explosion würde nicht nur die Universität zerstören, Herr.“
„Was müßte damit rechnen, vernichtet zu werden?“
„Äh… alles, Herr.“
„Du meinst, alles, was sich in der Nähe der Universität befindet?“
„Alles in einem Radius von fünfzigtausend Meilen, Herr. Nach HEX’ Berechnungen geschähe es innerhalb eines Sekundenbruchteils. Wir hätten nicht einmal Gelegenheit, etwas davon zu bemerken.“
„Und die Chancen dafür stehen…?“
„Etwa eins zu fünfzig, Herr.“
Die Zauberer entspannten sich.
„Das ist ziemlich sicher. Bei einer solchen Wahrscheinlichkeit würde ich nicht einmal auf ein Pferd setzen“, sagte der Oberste Hirte. An der Innenseite seines Schlafzimmerfensters hatte sich eine ein Zentimeter dicke Eisschicht gebildet. So etwas sorgte dafür, daß man Risiken aus einem ganz neuen Blickwinkel sah.


_______________


* In gewisser Weise. Die Dinge geschehen, weil sie den Naturgesetzen gehorchen. Ein Stein hat keine feststellbare Meinung in Hinsicht auf Gravitation.
* Wie die Bewohner einer beliebigen Rundwelt-Universität haben sie unbegrenzte Zeit für Forschung, verfügen über unbegrenzte finanzielle Mittel und brauchen sich keine Sorgen über die Amtszeit machen. Darüber hinaus sind sie sprunghaft, beweisen bei ihrer Boshaftigkeit großen Einfallsreichtum, widersetzen sich neuen Ideen, bis alte daraus werden, sind in den seltsamsten Momenten äußerst kreativ und streiten dauernd – in dieser Hinsicht haben sie überhaupt keine Ähnlichkeit mit ihren wissenschaftlichen Kollegen in Rundwelt.
* Das von den Zauberern gespielte ›echte‹ Squash hat kaum Ähnlichkeit mit der schweißintensiven Hochgeschwindigkeitsversion, die man anderenorts kennt. Zauberer sehen keinen Sinn darin, sich schnell zu bewegen. Der Ball wird eher träge geschlagen. Allerdings sorgen magische Inkonsistenzen im Boden und in den Wänden dafür, daß der Ball nicht unbedingt von der gleichen Wand abprallt, an die er stößt. Später begriff Ponder Stibbons, daß es besser gewesen wäre, diesem Punkt größere Beachtung zu schenken. Für ein magisches Teilchen gibt es nichts Aufregenderes, als auf sich selbst zu treffen.

Über Jack Cohen

Biografie

Jack Cohen ist Genetiker und schrieb gemeinsam mit Ian Stewart zahlreiche Bücher über Evolution und Chaos sowie mit Terry Pratchett die furiosen Bestseller um „Die Wissenschaft der Scheibenwelt“.

Terry Pratchett

Über Terry Pratchett

Biografie

Terry Pratchett, geboren 1948 in Beaconsfield, England, erfand in den Achtzigerjahren eine ungemein flache Welt, die auf dem Rücken von vier Elefanten und einer Riesenschildkröte ruht, und hatte damit einen schier unglaublichen Erfolg: Ein Prozent aller in Großbritannien verkauften Bücher sind...

Ian Stewart

Über Ian Stewart

Biografie

Ian Stewart, geboren 1945 in Folkstone/England, studierte Mathematik an der University of Cambridge und promovierte an der University of Warwick. Dort ist er heute Professor für Mathematik und Direktor des Mathematics Awareness Center. Seit 2001 ist er Mitglied der Royal Society.
Stewart hat über 140...

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