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Der Falke von Aryn

Der Falke von Aryn

Richard Schwartz
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Roman

„Das ist ein Schmöker alter Schule, und dies im positiven Sinne - ein Buch, das den Leser packt, ihn an die Seiten fesselt, auf Abenteuer mitnimmt und dabei bestens unterhält.“ - Phantastik-Couch.de

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Der Falke von Aryn — Inhalt

Ein dunkler Schatten liegt über der Stadt Aryn: Der sagen umwobene Falke, ein mächtiges Artefakt der Göttin Isaeth, wurde gestohlen – und damit das empfindliche Gleichgewicht zwischen Macht, Intrige und Verrat ins Wanken gebracht. Die Soldatin Lorentha wird nun in die kaiserliche Enklave entsandt, um den Falken mit allen Mitteln zurückzugewinnen. Doch sie ist nicht die Einzige, die nach dem wertvollen Artefakt sucht: Der Magier Lord Raphanael wird Lorentha gegen ihren Willen als Beobachter zugeteilt – und sorgt mit seiner leichtfertigen Art dafür, dass die disziplinierte Soldatin vor ihrer größten Prüfung steht. Werden sie sich in den dunklen Gassen Aryns behaupten oder mit dem Falken untergehen?

„Richard Schwartz lässt die Konkurrenz weit hinter sich!“ Carsten Kuhr, phantastik-couch.de

€ 8,99 [D], € 8,99 [A]
Erschienen am 09.10.2012
464 Seiten, WMePub
EAN 978-3-492-95863-9
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Leseprobe zu „Der Falke von Aryn“

EIN SPÄTER GAST


1
Als der ungesehene Gast das Arbeitszimmer des hageren Mannes betrat, stand dieser am Fenster und schaute auf den nächtlichen Garten hinaus.
„Ihr seid unvorsichtig, Herr“, stellte der späte Gast fest und legte seinen breitkrempigen Hut auf einen der Sessel ab. „Ihr habt die Tür unverschlossen gelassen.“
„Seht es als eine Form der Höflichkeit“, antwortete der hagere Mann, bevor er sich seinem Gast zuwandte und ihn mit einer Geste aufforderte, in einem der Sessel Platz zu nehmen.
Wie üblich lehnte der Angesprochene mit einem leichten [...]

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EIN SPÄTER GAST


1
Als der ungesehene Gast das Arbeitszimmer des hageren Mannes betrat, stand dieser am Fenster und schaute auf den nächtlichen Garten hinaus.
„Ihr seid unvorsichtig, Herr“, stellte der späte Gast fest und legte seinen breitkrempigen Hut auf einen der Sessel ab. „Ihr habt die Tür unverschlossen gelassen.“
„Seht es als eine Form der Höflichkeit“, antwortete der hagere Mann, bevor er sich seinem Gast zuwandte und ihn mit einer Geste aufforderte, in einem der Sessel Platz zu nehmen.
Wie üblich lehnte der Angesprochene mit einem leichten Kopfschütteln ab.
„Ihr habt Neuigkeiten für mich?“
„Ihr Vertrag wird nicht verlängert, und man hat sie für die nächsten Wochen vom Dienst freigestellt. Sie wurde letzte Woche verwundet, das hat als Vorwand wohl genügt.“
„Verwundet?“, fragte der hagere Mann erschrocken. „Wie schlimm ist es?“
Sein Gast tat die Frage mit einer nachlässigen Geste ab. „Ein Kratzer, nicht mehr.“
Der Hagere entspannte sich ein wenig. „Diesmal“, sagte er leise. „Diesmal ist es nur ein Kratzer.“ Einen langen Moment herrschte Schweigen in dem abgedunkelten Arbeitszimmer. „Was noch?“
„Sie hat eine Passage mit dem nächsten Kurierschiff nach Aryn gebucht.“
Ein Seufzen war zu vernehmen. „Es war abzusehen, dass sie irgendwann dorthin zurückkehren wird.“
Der andere straffte seine breiten Schultern und nickte langsam. „Ihr denkt, dass sie den Mörder ihrer Mutter suchen wird?“
Ein knappes Nicken. „Folgt ihr dorthin. Haltet Euch bereit, wenn sie ihn findet.“
„Es ist über zwanzig Jahre her“, gab sein Gast zu bedenken. „Selbst mir ist das damals nicht gelungen.“
Der hagere Mann schaute zu ihm hinüber. „Ich hege allerhöchsten Respekt für Euch und Eure Fähigkeiten, mein Freund“, sagte er bedächtig. „Aber Ihr seid nicht sie. Sie wird ihn finden. Aber das ist nicht der Grund, warum ich Euch nach Aryn senden werde.“
Es war nicht leicht, seinen Gast zu überraschen, aber diesmal war es dem Hageren gelungen. Auch wenn der Breitschultrige nur einmal blinzelte.
„Warum dann?“
„Man plant dort eine Rebellion.“
„Eine Rebellion? In Aryn?“
„Ja. Meine Quellen berichten mir davon, dass man dort einen Aufstand plant.“
„Warum lasst Ihr sie dann dorthin gehen?“
Sein Gastgeber schnaubte ungläubig. „Meint Ihr wahrhaftig, ich könnte sie davon abhalten?“
Der breitschultrige Mann nickte langsam. So, wie er die Majorin kannte, war das in der Tat unwahrscheinlich. „Dennoch …“
„Ich kann sie nicht daran hindern, ihrem Schicksal zu folgen. Es ruft sie nach Aryn, schon bevor sie geboren wurde“, meinte der Gastgeber mit einem traurigen Lächeln. „Einmal versuchte ich schon, dagegen anzugehen, Ihr wisst, wohin es führte.“ Er schluckte schwer. „Seht zu, dass es sich diesmal so nicht wiederholt.“
Der breitschultrige Mann nickte und griff nach seinem Hut. „Ihr habt bezahlt dafür.“


ANKUNFT IN ARYN


2
Der Hafen von Aryn, dachte Lorentha grimmig, während das Lotsenboot das angeschlagene kaiserliche Kurierschiff Morgenbrise langsam zu seinem vorbestimmten Anlegeplatz schleppte. So viele schlechte Erinnerungen banden sie an diesen Ort, und nur so wenig gute. Ein kühler Wind von See her ließ sie frösteln, und sie zog ihren Umhang enger um sich, obwohl es nicht die Kälte war, die sie frieren oder ihr den Magen krampfen ließ. Hätte sie den Ort nie wieder gesehen - selbst das wäre zu früh gewesen!
Wenngleich es schon nach Sonnenuntergang war, herrschte hier noch immer Betrieb, und durch den Wald der Masten konnte sie die Laternen der Schiefen Bank sehen, wo sich Hurenhäuser und Tavernen dicht an dicht reihten.
Tagsüber bot sich ein anderes Bild, das einer wichtigen Handelsstadt, mit unzähligen Kränen, die keinen Stillstand kannten, Ladung löschten oder prall gefüllte Netze in die Frachträume der Schiffe abließen, ein Bild von Reichtum und Wohlstand. Glänzende Kutschen rollten dann über die Hafenpromenade, die sich um das gesamte Hafenbecken zog, brachten reich gekleidete beleibte Herren her, die eifersüchtig darüber wachten, ob ihre Ladung auch gut und unversehrt angekommen war, um dann in den zahllosen Kontoren und Lagerhäusern im West- und Südteil des Hafens zu verschwinden, während Hunderte Hafenarbeiter schwitzten und sich den Rücken buckelig schufteten, um für einen kargen Lohn die Taschen der Reichen zu füllen.
Doch kaum war die Sonne untergegangen, wandelte sich das Bild. Wer dann noch im Hafen lag und die Ebbe verpasst hatte, der blieb auch über Nacht. Während die Kontore und Lagerhäuser ihre Tore schlossen und sich, meist gut bewacht, auf die Nacht einrichteten, erwachte die Schiefe Bank zum Leben. Mit dem Löschen der Ladung wurden die Kapitäne ausgezahlt, und die wiederum zahlten ihren Leuten die Heuer aus, Lohn für oftmals lange Wochen harter Arbeit und Entbehrungen auf See. Wehe dem Kapitän, der versuchen würde, seine Mannschaft vom ersehnten Landgang abzuhalten, denn auf der Schiefen Bank fand sich alles, was man auf See vermisst hatte. Ob Wein, Bier, Rum oder Schnaps, solange noch ein Kupfer von der Heuer übrig war, vermochte man hier seinen Durst zu löschen, und wem das nicht reichte, der fand andere Vergnügungen, meist in den roten Häusern oder auch davor und überall im Viertel, wo Huren versprachen, den Seeleuten den Weg zum Paradies zu zeigen. Im Lauf der Nacht torkelten oder krochen sie dann wieder zurück auf ihre Schiffe, mit leeren Taschen, pochenden Schädeln und meist um eine Erfahrung oder ein paar Beulen reicher. Ihr Schiff lief aus … und ein anderes nahm seine Stelle ein. Fast jede Nacht blieb dabei irgendjemand auf der Strecke, wurde vom Hafen aufgefressen und später wieder ausgespuckt oder aus dem dunklen Wasser gezogen.
Lorentha kannte dieses Spiel und diesen Hafen, war so oft von ihm fast aufgefressen worden, dass es ein Wunder war, dass sie noch lebte.
Entschlossen wandte sie den bunten Laternen den Rücken zu und sah zu der Anlegestelle hin, die nun, da das Lotsenboot das angeschlagene Schiff um einen großen Kahn herumgezogen hatte, auch für sie frei einsehbar war. Hier, im Südteil des Hafens, war es ruhiger, die meisten der Anlegestellen lagen hinter gut bewachten Toren, den reichsten Händlern vorbehalten, oder, wie in diesem Falle, der Marine des Kaiserreichs. Vier Liegeplätze gab es dort, drei davon besetzt, zwei davon von einem Linienschiff, das wie ein Riese unter Zwergen wirkte, mit vier Masten und vierundfünfzig Kanonen, eine Demonstration kaiserlicher Macht, die etwas an Wirkung verlor, kam man, wie sie jetzt, nahe genug heran und konnte nur zu gut sehen, wo die Farbe Risse hatte oder die Takelage zu verrotten begann. Vielleicht, dachte die Majorin, war es sogar dasselbe Schiff, das schon damals hier verrottet war, für den Fall war es allerdings ein Wunder, dass es noch immer schwamm.
Auf der anderen Seite löste gerade ein anderes Schiff die Leinen, ebenfalls ein Kurier, mit schmalen Flanken und einem scharfen Bug, ein Schwesternschiff der Morgenbrise, nur dass die Morgentau - Lorentha schüttelte verständnislos den Kopf, wer kam nur auf solche Namen? - noch beide Masten besaß. Dahinter lag das kaiserliche Trockendock, später würde man dort versuchen, ihrem Schiff einen neuen Mast zu geben, doch für jetzt blieb nur eine Liegestelle übrig.
Wie es aussah, erwartete man das Schiff schon sehnlichst. Ein schwerer Kastenwagen und ein Kontingent von zehn Marinesoldaten standen bereit, einmal alle drei Monate brachte eins dieser Schiffe den kaiserlichen Sold, und diesmal war es ihr Schiff gewesen.
Sie erinnerte sich noch gut daran, wie sie und Raban von dem Dach dort hinten aus mit brennenden Augen zugesehen hatten, wie die schweren Kisten verladen wurden und davon träumten, einen Weg zu finden, die fränkischen Soldaten um ihren Sold zu erleichtern. Vielleicht sollte sie mal nachfragen, ob es jemals jemandem gelungen war, dachte Lorentha mit grimmiger Erheiterung, sie hatte ihren Zweifel daran.
Die beiden anderen Wagen waren für die Post bestimmt, die säckeweise den Laderaum der Morgenbrise füllte, doch bei dem Anblick der schwarz lackierten Kutsche mit dem kaiserlichen Wappen an dem Schlag krampfte sich ihr Magen nur noch mehr zusammen. Mit der Kutsche wartete ein livrierter Diener, dessen goldene Livree keinen Zweifel daran ließ, dass er in den Diensten des Gouverneurs stand, und noch bevor die ersten Leinen an Land geworfen wurden, konnte sie bereits den gesiegelten Umschlag erkennen, den der Mann in Händen hielt.
So viel also zu der Ruhe, die sie sich hatte gönnen sollen.


„Nehmt Euch eine Auszeit, Lorentha“, hatte Oberst von Leinen zu ihr gesagt. „Gönnt Euch Ruhe, bis Ihr wieder ganz erholt seid.“ Er hatte freundlich, ja, schon fast väterlich dazu gelächelt. „Jeder wird es verstehen, es wird auch Zeit, dass Hauptmann Janiks etwas von der Verantwortung erlernt, die es braucht, will man die Garda führen.“ Unüberhörbar natürlich die Andeutung, dass sie darin versagt hatte. Also hatte man Janiks schon als ihren Nachfolger bestimmt.
„Wie lange?“, hatte sie gefragt.
„Ach, vier Wochen sollten reichen“, war von Leinens nachlässige Antwort gewesen. Er hatte auf die Unterlagen auf seinem Tisch herabgesehen, als ob er mit den Gedanken schon ganz woanders wäre. „Bis dahin wird sich der Stich gegeben haben, dann werden wir wohl weitersehen.“


Jetzt sah sie auf ihre Hände herab, die sich in das Holz der Reling krallten, und zwang sich dazu, ruhig zu bleiben. Von Leinen war ihr Vorgesetzter, er war für die südliche Garda verantwortlich, und die Garda in Augusta unterlag ebenfalls seiner Verantwortung. Dennoch hatte sie ihn in den fünf Jahren, in denen sie die Garda in der Hauptstadt kommandiert hatte, selten genug zu Gesicht bekommen. Auch wenn er freundlich getan hatte und die Worte anders klangen, wusste sie, dass dieses Gespräch für sie das Ende ihrer Zeit in der Garda eingeläutet hatte.
Er hätte auch gleich sagen können, dass die Kommission entscheiden würde, ihr Patent nicht zu verlängern. In zwei Monaten waren es zwölf Jahre, die sie der Garda diente. Nach zwölf Jahren musterte ein Offizier nicht ab, der Viertelsold, den man als Ruhegeld erhielt, reichte nicht ansatzweise für ein Leben, erst nach vierundzwanzig Jahren erhielt man den ersehnten halben Sold, von dem es sich dann leben ließ.
Doch um Sold war es weder ihr noch dem Herrn Oberst gegangen. Vielmehr darum, dass sie zwei Tage zuvor einen Mann in schweren Fesseln in eine Zelle hatte verbringen lassen, den sie selbst auf frischer Tat ertappte, als er einem anderen mit seinem Gehstock den Schädel eingeschlagen hatte.
Schon zwei Stunden später hatte ein steifer Advokat ihr die Papiere vorgelegt, die besagten, dass ihr Gefangener tatsächlich der war, der er angegeben hatte zu sein, und dass es für sie Konsequenzen haben würde, einen Grafen des Reichs, ja mehr noch, einen Berater am Hofe Kaiser Heinrichs, derart öffentlich gedemütigt zu haben. Bei der Erinnerung daran schnaubte Lorentha verächtlich, die verantwortungsvolle Aufgabe des Grafen bestand darin, darauf zu achten, dass es immer genügend Fasanen in den Gärten gab!
Von dem erschlagenen Müller, der dazwischenging, als der Graf sich an seinem Weib vergriff, war schon nicht mehr die Rede gewesen.
Die Garda schützte das Recht des Kaiserreichs. Ein gleiches Recht für alle. So hieß es. Doch die Wahrheit sah anders aus.
Schon am nächsten Tag hatte eine Kommission befunden, dass Graf von Bergen berechtigt gewesen war, sich bei einem Angriff auf Leib und Leben zu verteidigen, vor allem, da es ein Bürgerlicher gewesen war, der es gewagt hatte, die Hand gegen einen Adeligen zu erheben, womit der Fall dann abgeschlossen war. Bis darauf, dass der Graf darauf bestand, eine schriftliche Entschuldigung von Lorentha zu verlangen.
Er bekam sie noch am selben Tag. Schon als sie schrieb, wie sehr sie es bedauerte, mit dem Grafen so verfahren zu sein, wie es die Vorschrift der Garda für den Fall verlangte, dass man einen Mörder auf frischer Tat ertappte, wusste sie, dass sie damit auch gleich ihren Dienst hätte quittieren können.
Vielleicht war es ihr Weg gewesen, die Entscheidung zu erzwingen, die schon seit Jahren überfällig gewesen war.
Jetzt, als die Mannschaften die Leinen festzogen und die Planke ausbrachten, konnte sie nur bitter darüber lachen, mit welchem jugendlichen Idealismus sie damals zur Garda gegangen war, ein trotziges Kind, das alle Warnungen in den Wind geschlagen hatte, das sogar mit seinem Vater darüber brach, das zeigen wollte, dass man die Welt verändern konnte, so man es nur wollte.
Für eine gewisse Zeit schien es auch, als wäre es möglich. Sie hatte in der Tat ein Händchen dafür gehabt, Verbrechen aufzuklären. Wie hatte ein Subaltern damals gesagt? Als ob sie in die Köpfe der Verbrecher sehen könnte. Nur war ihm gar nicht klar gewesen, wie recht er damit hatte. Sie wusste, wie sie dachten, weil sie selbst eine Verbrecherin gewesen war.
Recht früh hatte sie die Aufmerksamkeit eines Mannes erregt, der sie lachend darin bestärkt hatte, das Unmögliche zu wagen. Erst nur ihr Vorgesetzter, später Freund und Lehrmeister und ganz zum Schluss auch Liebhaber, war Herzog Albrecht, der jüngere Bruder Kaiser Heinrichs, kein Mann, der das Wort „unmöglich“ kannte.
Unter seinem Schutz war ihr Licht hell erstrahlt, war sie von Erfolg zu Erfolg geeilt, bis man ihr das Kommando über die Garda der Hauptstadt übertragen hatte. Doch dann, nach dem feigen Mord an ihm, hatte es sich sehr schnell gezeigt, welcher Neid, welche Missgunst sich vor seinem strahlenden Licht versteckt hatte, und wäre sie klug gewesen, dachte sie jetzt, hätte sie damals schon ihren Abschied genommen. Doch sie war besessen davon gewesen, den Mord an dem zweitmächtigsten Mann des Kaiserreichs aufzuklären, getrieben davon, den Mörder ihres Mentors zu stellen und ihn hängen zu sehen.
Doch mittlerweile hatte sie einsehen müssen, dass es zu viele gegeben hatte, die dem Herzog Übles wollten, die es nicht hatten dulden wollen, dass sein Glanz sie alle überstrahlte. Von einem Herzriss sprach man, dachte sie jetzt bitter, und man hatte es ihr mehr als deutlich gemacht, dass auch sie nicht anders davon sprechen sollte.
Herzog Albrecht war eine überlebensgroße Gestalt gewesen, ein robuster Mann mit einem schallenden Lachen, der nichts ernst zu nehmen schien und gar nicht bemerkte, wie sich gewöhnliche Sterbliche um das mühten, was ihm mit Leichtigkeit gelang. Hinter der Maske von Ehrerbietung und Unterwürfigkeit waren ihm Neid und Missgunst auf dem Fuß gefolgt, ohne dass er es je bemerkte, und zum Schluss hatte sein Stern so hell geleuchtet, dass sich Lorentha in dunklen Momenten wie diesen sogar fragte, ob er nicht selbst für Kaiser Heinrich zu hell gewesen war.
Doch jetzt, als sie sich straffte und das Kinn anhob, war der Majorin von diesen düsteren Gedanken wenig anzusehen. Sie rückte ihr Schwert zurecht und zog einen Riemen gerade, um, kaum dass die Planke ausgebracht war, an Land zu gehen. Das schmale Holz wippte unter ihrem Gewicht, oft genug hatten andere darauf ihr Gleichgewicht verloren und Bekanntschaft mit dem Wasser gemacht, sie jedoch schien keinen Gedanken daran zu verschwenden.


Der Diener, dem man aufgetragen hatte, auf sie zu warten, schluckte, als er sie näher kommen sah. „Er wird sie leicht erkennen können“, hatte ihm der Sekretär gesagt, als er ihm die Order für die Majorin in die Hand gedrückt hatte. „Sie ist eine große Frau und wird die lederne Rüstung der Garda tragen.“
Groß war untertrieben, dachte der Diener, als er nun staunend zu ihr aufsah, sie mochte fast sechs Fuß erreichen! Mit ihrem scharf gezeichneten Gesicht, den festen blonden Haaren, welche sie achtlos zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatte, und den dunkelgrünen Augen einer Katze sah sie für ihn verwegen aus. Fast wäre er sogar vor ihr zurückgewichen, doch dann trat sie vor ihn, um ihm eine Hand in festem Handschuh entgegenzuhalten.
„Major Sarnesse“, stellte sie sich ihm mit einer dunklen Stimme vor. „Hat Er Nachricht für mich?“
„Ja“, sagte der Mann und schaute blinzelnd zu ihr hoch, als er ihr die Nachricht reichte. „Von Seiner Exzellenz dem Gouverneur. Er …“
Sie hob die Hand, und eingeschüchtert hielt er inne. „Ich kann es mir denken“, meinte sie müde, während sie das Siegel brach und die kurze Nachricht überflog. Es war leicht zu erkennen, wie wenig ihr gefiel, was sie da las, ihre Wangenmuskeln mahlten, dann schaute sie zu ihm. Diesmal wich er doch vor ihr zurück, doch der Zorn in ihren Augen galt nicht ihm. „Es gibt nur eine Seekiste als Gepäck, kümmere Er sich um sie.“
Der Diener nickte hastig und eilte zum Lademeister hin, um ihn zu drängen, diese Kiste noch als Erste auszuladen. Verstohlen sah er zu ihr zurück, doch sie achtete nicht auf ihn, ihr Blick war gen Norden gerichtet, wo in der Ferne, im Mondlicht nur schattenhaft zu erkennen, die hohen Türme des Tempels zu sehen waren.
Wer auch immer es war, dem dieser Zorn galt, dachte der Diener eingeschüchtert, er würde nicht mit ihm tauschen wollen. Aber bevor ihr Blick doch noch einmal auf ihn fiel, erinnerte er sich, sollte er wohl besser darauf achten, dass ihre Kiste nicht einen Kratzer abbekam oder am Ende noch ins Wasser fiel.


EINE ERZWUNGENE AUDIENZ


3
Es gab einen Audienzsaal im Palast des Gouverneurs, wenn sie sich recht erinnerte, stand sogar ein Thron darin, aber dorthin führte sie der Diener nicht, vielmehr ging es durch einen langen Gang, von dessen hohen Wänden ihre Schritte widerhallten. Der Mann ging durch eine hohe Tür, die zu einem großen Vorzimmer führte, das jetzt leer und verlassen lag, an zwei Schreibtischen vorbei zu einer anderen hohen Tür, an der er klopfte und die er dann für sie aufzog.
Dieser Raum war überraschend freundlich eingerichtet, mit hohen verglasten Türen, die zum Garten des Palasts führten und nun mit schweren Vorhängen verhangen waren, einem Kamin aus Marmor, einer hohen Decke mit einem Gemälde daran, das leicht bekleidete Schäferinnen bei einem Tanz auf einer Wiese zeigte. Links von ihr sah ein alter Mann mit einem steifen Kragen von seinen Akten auf und lächelte sie freundlich an.
Die Feder in seiner Hand und die Tintenflecken an seinen Ärmeln und, vor allem, die runde Brille auf seiner Nase erinnerten sie an einen Mann, jünger damals, der als Einziger freundlich zu ihr gewesen war, als man sie damals mit rauen Soldatenhänden, nass und verdreckt, durch diese selbe Tür gestoßen hatte. Fellmar hieß er, erinnerte sie sich, und schenkte ihm ein freundliches Lächeln, um dann zu dem Mann hinzusehen, der sie hierhergeordert hatte.
Seine Exzellenz, Graf Montagur Mergton, Gouverneur der kaiserlichen Stadt Aryn und damit, leider, auch jedem Offizier der Garda vorgesetzt, den es in die Stadt verschlagen würde. Also, in diesem Fall, ebenfalls ihr.
Vor ihm breitete sich ein Schreibtisch aus, groß genug, um darauf ein Manöver abzuhalten. Er war leer bis auf ein silbernes Tablett mit Gebäck und eine Kanne mit zwei Tassen. Und eine gut fingerdicke Akte, die das Siegel der kaiserlichen Garda trug. Lorentha fragte sich, wann er sie hatte anfordern lassen, eigentlich hätte sie gedacht, dass nicht genug Zeit dafür gewesen wäre.
Jetzt hörte sie sein Korsett knirschen, als er sich etwas vorbeugte, um sie mit einem freundlichen Lächeln zu begrüßen.
„Ah, Major, schön, Euch zu sehen“, meinte er, als hätte er sie nicht noch am späten Abend herbefohlen. „Ich hoffe, Ihr habt eine angenehme Überfahrt gehabt? Wir waren schon besorgt.“
„Nein“, antwortete sie kühl. „Wir gerieten in einen Sturm, der zu einem Mastbruch führte, und bis wir vorhin in den Hafen einliefen, hielt die Mannschaft die Lenzpumpen in Betrieb.“
Mittlerweile war Meister Fellmar an sie herangetreten, um von ihr Umhang, Handschuhe und Schwert entgegenzunehmen.
Ihre scharfe Antwort ließ den Grafen blinzeln. „Das ist bedauerlich“, erwiderte er knapp. „Ich weiß nicht, ob Ihr Euch an mich erinnern könnt, Lorentha. Wir haben uns schon einmal gesehen, ich habe damals Eurer Mutter meine Aufwartung gemacht, Eure Frau Mutter und ich waren gut miteinander befreundet.“
Richtig. Damals hatte er noch mehr Haare gehabt und war deutlich schlanker gewesen. Er hatte im Salon auf ihre Mutter gewartet, Lorentha freundlich angelächelt, als er sie sah, und dann mit ihr gesprochen, als wäre sie drei Jahre alt und nicht fast schon neun. Gut befreundet? Nur mit Mühe unterdrückte sie ein Schnauben. Ja, er war ihrer Mutter ein Jugendfreund gewesen, hatte ihr sogar den Hof gemacht. Früher. Aber damals, vor über zwanzig Jahren, als er sie aufgesucht hatte, hatten sie sich bereits seit Jahren nicht mehr gesehen. An jenem Abend war er mit Blumen gekommen, um der alten Zeiten willen, und hatte ihre Mutter dazu gedrängt, ihm zu erlauben, sie zu einem Ball zu führen. Sie hatte ihn lachend gebeten, sie nicht zu sehr zu bedrängen, sie wäre eine verheiratete Frau, und er hatte es ihr dann auch versprochen. Ihre Mutter hatte es nicht ernst genommen, aber Lorentha erinnerte sich nur zu gut an den brennenden Blick, mit dem er ihre Mutter angesehen hatte, wenn er dachte, sie würde es nicht bemerken. Jetzt daran anknüpfen zu wollen, war ein Fehler des Herrn Grafen, denn angenehm war er ihr nicht in Erinnerung geblieben.
„Ja“, sagte sie jetzt kühl. „Ich erinnere mich.“
Seine Augen zogen sich etwas zusammen, als er den Unterton in ihrer Stimme spürte, aber sie hielt ihr Gesicht neutral, sah nur geradeaus auf die Wand hinter ihm. Er hatte sie als Soldatin herbefohlen, wollte er es anders haben und sich in Erinnerungen ergehen, hätte er sie auch zum Tee laden können. Nur, dass sie dann nicht gekommen wäre. Jetzt gab es nur noch einen Grund mehr, die Vorschrift zu verfluchen, die von ihr gefordert hatte, sich schriftlich bei ihm anzumelden.

Richard Schwartz

Über Richard Schwartz

Biografie

Richard Schwartz, geboren 1958 in Frankfurt, hat eine Ausbildung als Flugzeugmechaniker und ein Studium der Elektrotechnik und Informatik absolviert. Er arbeitete als Tankwart, Postfahrer und Systemprogrammierer und restauriert Autos und Motorräder. Am liebsten widmet er sich jedoch phantastischen...

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