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Das Erste Horn (Das Geheimnis von Askir 1)Das Erste Horn (Das Geheimnis von Askir 1)

Das Erste Horn (Das Geheimnis von Askir 1)

Richard Schwartz
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Das Geheimnis von Askir 1

Richard Schwartz ist der Shooting-Star der Fantasy! - phantastik-couch.de

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Das Erste Horn (Das Geheimnis von Askir 1) — Inhalt

Ein verschneiter Gasthof im hohen Norden: Havald, ein Krieger aus dem Reich Letasan, kehrt in dem abgeschiedenen Wirtshaus „Zum Hammerkopf“ ein. Auch die undurchsichtige Magierin Leandra verschlägt es hierher. Die beiden ahnen nicht, dass sich unter dem Gasthof uralte Kraftlinien kreuzen. Als der eisige Winter das Gebäude vollständig von der Außenwelt abschneidet, bricht Entsetzen aus: Ein blutiger Mord deutet darauf hin, dass im Verborgenen eine Bestie lauert. Doch wem können Havald und Leandra trauen? Die Spuren führen in das sagenhafte untergegangene Reich Askir … Ein sensationelles Debüt mit einer intensiven, beklemmenden Atmosphäre, die in der Fantasy ihresgleichen sucht.

€ 14,00 [D], € 14,40 [A]
Erschienen am 01.06.2011
400 Seiten, Broschur
EAN 978-3-492-26817-2
Download Cover
€ 8,99 [D], € 8,99 [A]
Erschienen am 25.10.2011
400 Seiten, WMePub
EAN 978-3-492-95452-5
Download Cover

Leseprobe zu „Das Erste Horn (Das Geheimnis von Askir 1)“

1. Die Maestra


Ich war schon häufiger im Gasthof Zum Hammerkopf gewesen, und so besaß ich das Privileg, einen einzelnen Tisch in der Nähe der Theke mein Eigen nennen zu dürfen. Von dort aus hatte ich einen guten Blick auf die Tür, und der Zufall wollte es, dass ich in jenem Moment aufsah, als sie die Gaststube betrat.
Die Frau verstand es, einen Auftritt hinzulegen: erst der Blitz, welcher die dunkle Gaststube durch die Ritzen der Fensterläden erhellte, dann der Donner, der die Erde vibrieren ließ. Dass sie in diesem Moment die Tür zur Gaststube aufstieß [...]

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1. Die Maestra


Ich war schon häufiger im Gasthof Zum Hammerkopf gewesen, und so besaß ich das Privileg, einen einzelnen Tisch in der Nähe der Theke mein Eigen nennen zu dürfen. Von dort aus hatte ich einen guten Blick auf die Tür, und der Zufall wollte es, dass ich in jenem Moment aufsah, als sie die Gaststube betrat.
Die Frau verstand es, einen Auftritt hinzulegen: erst der Blitz, welcher die dunkle Gaststube durch die Ritzen der Fensterläden erhellte, dann der Donner, der die Erde vibrieren ließ. Dass sie in diesem Moment die Tür zur Gaststube aufstieß und ein kalter Luftzug die Hälfte der rauchigen Talgkerzen in der Stube erlöschen ließ, war sicherlich Zufall.
Der Wind griff mit kalten Fingern nach der Tür und schlug sie hinter ihr mit solch einer Wucht in den Rahmen, dass ich fürchtete, das Lederband würde abreißen, das der Tür als Scharnier diente. Gleißende, blendende Helle strömte erneut durch jede Ritze der schweren Fensterläden und der Tür; ein weiterer Donnerschlag folgte, der den Gasthof zu erschüttern schien.
Nur das Pfeifen des Windes war zu hören, als wir die dunkle Gestalt sprachlos musterten, hier und da sah ich jemanden das Zeichen der Dreieinigkeit schlagen und Idole küssen oder hörte einen Söldner einen Gott anrufen, von dem kaum jemand hier jemals etwas gehört hatte.
Für einen Moment stand sie still da, ließ unsere Augen auf sich verharren. Der mitternachtsblaue Mantel, schwer und nass von ihrem Ritt durch einen der schlimmsten Schneestürme des Jahrzehnts, täuschte nicht über ihre Weiblichkeit hinweg, das nasse Gewebe betonte eher noch ihre Formen. Die Kapuze war tief ins Gesicht gezogen, gab uns im unsicheren Schein der verbliebenen Kerzen den Blick auf ein rundes, entschlossenes Kinn und einen vollen Mund frei, der nun zu einem dünnen Strich zusammengepresst war. Nach einem Ritt durch einen solchen Schneesturm wäre auch ich nicht bester Laune.
Ihre Haut war weiß, so weiß wie der Schnee, der diesen entlegenen Gasthof zu begraben drohte. Der lange Umhang verhüllte den Rest von ihr, bis auf die Spitzen ihrer Kettenstiefel, und trotz all der kleinen Flocken, die sich auf ihren Mantel niedergelegt hatten, war jenes dunkelblaue Funkeln auszumachen, das Mithril kennzeichnete.
Für jeden ersichtlich ragte der Griff des Bastardschwerts durch einen Schlitz im Umhang über ihre linke Schulter. Der silberne Drachenkopf war höher als ihr Haupt, das dunkle gewundene Leder des Griffs führte zu einem Parierstück, das aus zwei Pranken bestand, die silbernen Klauen wirkten beinahe lebendig in den unsicheren Schatten, und die Augen des Drachen waren eine Bedrohung aus dunklem Rubin. Ein Elmsfeuer lief über den Griff, über ihre ganze Gestalt, hüllte sie in schwaches blaues Leuchten, als sie die Hand hob, die Kapuze zurückschlug und den Mantel öffnete.
Ihr fahles Gesicht war nicht minder eindrucksvoll als ihr Auftritt. Eine klassische Schönheit, auch wenn ihre Augen rötlich glühten. Die Haare, die man nun sah, waren zu einem langen Zopf gebunden, ein weißes Blond, das im Elmsfeuer von einem inneren Leuchten erfüllt schien. Ein Albino – oder eine der legendären Elfen.
Die Rüstung, die der offene Mantel preisgab, zählte zu jenen Schätzen, über die Königreiche in Streit geraten konnten: ein Kettenhemd aus Mithril, fein und weich wie Seide und kaum schwerer als Leder; wie ein dunkelblauer Fluss fiel es über ihre Formen und hüllte sie in ein Lodern.
Ein Greif schimmerte in den Kettengliedern auf ihrer Brust, er schimmerte, ebbte ab und erschien erneut im Rhythmus ihrer Atemzüge.
Ein breiter Schwertgurt lag auf ihren Hüften auf, betonte ihre schlanke Taille und hielt ein weiteres Schwert, ein Langschwert, das nicht minder exquisit gefertigt war.
Die Handschuhe, die sie nun auszog, waren aus dunkelblauem Leder, weich und geschmeidig, glänzend und mit feinen Schuppen. Ich schüttelte langsam den Kopf, denn ich glaubte nicht, was ich hier erblickte. Ich erkannte Drachenhaut, wenn ich sie sah, und dieses Leder stammte nicht nur von einem solchen, sondern war von einer ganz besonderen Körperstelle entnommen worden. Welches Vieh auch immer ihr das Leder für diese Handschuhe gespendet hatte, es hatte keinen Nutzen mehr für seine Eier.
Vielleicht vierzig Leute befanden sich in der Gaststube, und sie hielt jeden von uns hypnotisiert wie ein Kaninchen vor der Schlange. Verantwortlich dafür war der Ausdruck in ihrem Gesicht, der Blick aus diesen roten Augen, als er über uns schweifte.
„Mein Name ist Sera Maestra de Girancourt. Ich trage Steinherz, die Klinge der Gerechtigkeit.“
Schwertgebunden war sie also auch noch. Das war kaum anders zu erwarten, mit dem Griff über ihrer Schulter. Der Drachenkopf schien den Gastraum genauso zu mustern wie sie.
Hoher Besuch für diese arme Hütte, in der Tat. Und eine Erklärung, wieso sie lebendig hier ankam. Eine Rüstung wie diese mochte zwar schützen, aber sie war auch ein Vermögen wert. Ich fragte mich, wie viele Räuber und Vogelfreie der Versuchung erlegen waren und Steinherz zu spüren bekommen hatten.
Ihre Stimme war wie sie: glasklar und von winterlicher Kälte. Sie erreichte jedes Ohr in diesem Raum und hinterließ den Eindruck von eiskalter Schönheit und noch kälterem Willen.
Der Wirt, ein kleiner, stämmiger Mann mit einer Halbglatze, erholte sich als Erster von seinem Schrecken. Er sah ihre Erwartung, dass er zu ihr kommen möge, und tat es nun mit einer tiefen Verbeugung.
„Willkommen im Hammerkopf, dem besten Gasthof zwischen Lassahndaar und Coldenstatt.“ Wahr gesprochen, mein Freund. Vor allem, wenn man bedachte, dass es auch die einzige Bleibe war, falls man nicht in der alten Festung am Pass nächtigen wollte. Und das wollte niemand. Zu viele Geister.
„Ich bin Eberhard, der Wirt, mein bescheidenes Heim sei Euer. Ihr werdet mein bestes Zimmer erhalten, ich muss es nur noch räumen lassen.“
„Bis dahin wäre ich dankbar für einen guten Braten und einen anständigen Wein“, antwortete die Sera.
„Gewiss, gewiss …“ Immer wieder ehrfürchtig verbeugend, geleitete er die Dame zu dem Tisch neben meinem und versprach ihr sofortige Bedienung. Mit einer flüssigen Bewegung hängte sie Steinherz’ Scheide aus und stellte es auf die Spitze neben ihren Tisch, wo es, ohne angelehnt zu sein, senkrecht stehen blieb – ein einfaches und doch beeindruckendes Zeichen, dass dies tatsächlich eines der gebundenen Schwerter war.
Eine Schankmagd eilte bereits herbei und stellte der Sera einen gewärmten Zinnbecher mit Rotwein und kostbaren Nelken auf den Tisch, knickste respektvoll, um sofort wieder in die Küche zu flüchten. Derweil drehte sich der Wirt zu mir um; ich ahnte schon, was er wollte.
„Ser! Ihr müsst verstehen …“, sagte er. Ich wartete. „Die Sera bedarf eines Zimmers. Ihr werdet sicherlich nichts dagegen haben, Eures für eine solche Dame aufzugeben. Es ist das beste, wie Ihr wisst …“
„Nein“, erwiderte ich bestimmt. „Es ist mein Zimmer. Ich zahle dafür mit des Königs Münze, und das für drei volle Wochen. Ich werde den Raum nicht freigeben.“
„Aber Ihr könnt doch nicht …“ Er rang mit den Händen, seine Verzweiflung stand ihm in die Augen geschrieben.
„Gebt ihr die zweitbeste Kammer.“
Seine Augen wanderten zu dem Söldnerführer am anderen Tisch, der dort mit fünf seiner Männer gesessen und Würfel gespielt hatte, bis die Abwechslung durch die Sera den Abend belebte. Der Mann lächelte bissig, seine Zähne gelb wie die eines Raubtiers. Wagt Euch, kleiner Mann, schien dieses Grinsen auszustrahlen.
Hilfe suchend wandte sich der Wirt wieder mir zu.
„Aber Herr, Ihr seht doch, dass die Söldner nicht bereit sind zu gehen. Ich bitte Euch!“
Dass die Sera das Gespräch verfolgte, war mir klar. Sie hatte sich in die bestmögliche Position begeben, hielt es wie ich von Vorteil, die Theke im Rücken zu haben, und beobachtete ebenfalls den Gastraum und ab und an auch mich. Nichts in ihrem Gesicht zeigte, dass sie ein Interesse an der Unterhaltung zwischen dem Wirt und mir hatte, dennoch wusste ich, dass es so war. Auch versäumte sie nicht, die Söldner zu mustern, deren Gier unter dem Schleier der Betrunkenheit leicht auszumachen war.
„Gebt ihr den nächsten Raum, der frei ist“, sagte ich. „Sie wird ihn nehmen und Euch wohlgesonnen sein, obwohl Ihr ihr das beste Zimmer angeboten habt, auch wenn es bereits vermietet war. Hättet Ihr es der Sera nicht versprochen, wärt Ihr nicht in Bedrängnis.“
„Aber …“
„Tut es.“ Ich hob meine Stimme kaum, aber mein Blick fing seinen ein, und seine Augen weiteten sich. Er nickte eifrig.
Mit zittriger Stimme erklärte er nun der Sera, dass er nur einen bescheidenen Raum für sie hatte, er wünschte sie nicht zu beleidigen, aber …
Sie hob eine schlanke Hand. „Guter Mann, es ist in Ordnung. Sorgt nur dafür, dass die Flöhe nicht zu eifrig sind, das soll mir genügen.“
Dankbar nickte der Wirt, ganz fassungslos, dass ihm so leicht verziehen wurde, und eilte davon in die Küche, wo er den Braten mit besonderer Sorgfalt richten wollte.
Sie nutzte die Zeit, sich jeden hier im Raum anzuschauen und sich zu orientieren. Nun lagen ihre Augen auch auf mir. Ich erwiderte ihren Blick ohne Regung.
Ich wusste, was sie sah. Einen dunklen Umhang aus grobem Leinen und Leder, die Kapuze tief in mein Gesicht gezogen und ein langes ledernes Bündel, das hinter mir an der Wand lehnte. Ich hatte meine Hände noch in den Ärmeln, der Becher Wein vor mir schien kaum angerührt. Unter meinem Umhang sah sie breite Schultern. Als ihr Blick zu meinen Füßen wanderte, konnte sie dort Kettenstiefel erkennen, nicht unähnlich ihren eigenen, aber weitaus weniger kostbar und nicht so fein gearbeitet. Mehr sollte von mir nicht zu sehen sein. Abgesehen davon war es kühl in der Stube, und inzwischen fror ich leichter als früher. Grund genug, mich in meinen Umhang zu hüllen.
„Ich suche Roderic von Thurgau“, begann sie in ihrer kühlen Stimme. „Man sagte mir in Lassahndaar, dass er sich hier in dieser götterverlassenen Gegend sein Winterquartier suchen wollte. Seine Beschreibung passt auf Euch, seid Ihr es, den ich suche?“
Ich seufzte innerlich. Ich musste es wohl sein, mein Äußeres ähnelte niemand anderem hier im Raum.
„Thurgau ist tot. Seit fast dreißig Jahren. Er fiel in der Schlacht bei Avincor.“
„So sagt man.“ Sie erhob sich von ihrem Platz, nahm Steinherz gedankenlos mit zu meinem Tisch und stellte es wieder neben sich.
„Ihr erlaubt?“, fragte sie etwas verspätet, denn sie setzte sich schon. Ich hatte mich nicht gerührt.
„Nein.“
Sie zog eine Augenbraue hoch. „Ihr wünscht nicht, dass ich an Eurem Tisch Platz nehme?“
„Ihr habt es erfasst, Sera. Ich suche hier meine Ruhe nach einer langen Reise, und mir ist nicht nach weibischem Geschwätz zumute.“
Sie blinzelte einmal, zweimal.
„Ihr seid rüde.“
„Ja, und Ihr sitzt noch immer hier. Euer Wein wartet an Eurem Tisch.“
Sie nickte. „Der Wirt wird ihn mir sogleich bringen.“
Eberhard hörte es und eilte herbei, um ihr den Kelch aus dunklem Zinn zu reichen.
Sie schenkte ihm dafür ein Lächeln, und für einen Moment dachte ich, er stürbe auf der Stelle vor Verzückung, aber dann fing er sich und eilte wieder nach hinten.
„Ihr könnt Euch ja entfernen, wenn Ihr wollt“, schlug sie mit einem Lächeln vor. „Aber dann muss auch ich mich erneut bewegen, denn ich möchte Euch ein Geschäft vorschlagen.“
„Welches mich nicht interessiert“, erwiderte ich und wollte mich in der Tat erheben, als sie an ihren Hals griff und einen Beutel hervorholte. Sie entleerte ihn in ihre Hand und ließ von dort einen Ring auf den Tisch fallen.
Es war ein schwerer Siegelring, der Ring eines Mannes, obwohl das Ringmaß zu klein für einen männlichen Finger war. Jemand hatte ihn sich wohl enger machen lassen. Auf rubinrotem Grund zeigte er ein Relief aus Elfenbein. Ein Einhorn und eine Rose. Das Wappen derer von Thurgau.
Ich betrachtete es.
„Ein schönes Stück“, sagte ich mit betont neutraler Stimme.
„Einst war er das Pfand Eurer Ehre.“
„Ehre ist heutzutage völlig überbewertet. Sie bringt den Tod und wenig Glück“, antwortete ich ihr. Ich ließ eine Hand aus meinem Umhang gleiten – ohne den Dolch, den ich dort verborgen hatte – und hielt sie dann hoch. Sie war noch immer breit und kraftvoll, aber dunkle Altersflecken zierten das Pergament meiner Haut.
„Als Ser Roderic ihr diesen Ring gab, war sie gerade zehn Jahre alt. Dies ist über dreißig Jahre her, sie sah ihn nie wieder. Denn er starb, wie jeder weiß, im Pass von Avincor. Zusammen mit den Rittern des Bunds. Nicht einer überlebte, aber sie hielten den Pass.“
„Wisst Ihr noch, wie sie aussah?“, fragte sie mich.
Ich zuckte die Schultern. „Die Prinzessin, meint Ihr? Ich bewege mich nicht in so erlauchter Gesellschaft. Aber ich habe gehört, dass sie zierlich war, blond und krank. Auch Ser Roderic sah wohl kaum mehr als eine schlanke Hand, die seinen Ring in Empfang nahm. So sagt man es in dieser Ballade. Ein jeder kennt die Geschichte.“
„Er und die vierzig Getreuen. Ein jeder schwor ihr, dass er sein Leben geben würde, um ihr Land vor den Barbaren zu schützen. Sie hielten den Pass. Zwölf Tage lang.“ Ihre Stimme hatte sich gesenkt, sie sprach leise, fast ehrfürchtig. „Lange genug, damit das Heer des Grafen Filgan in Stellung war, um die Barbaren zu empfangen, sobald sie durch den Pass kämen. Aber sie kamen nie.“
„Und hätte der Graf einen Kundschafter geschickt, wäre ihm klar geworden, dass er gut die Hälfte der Getreuen hätte retten können. Aber so saß er in seinem perlenbestickten Zelt auf seinem Hintern und wartete einfach ab.“
Meine Stimme klang bitter. Aber der Groll war lediglich ein Echo, ein Schatten vergangener Tage. Schwach, wie ich es war.
„Ich bin alt. Dies hat Ser Roderic gemein mit mir. Er müsste sechzig sein oder älter. Selbst wenn ich er wäre, wie könnte ein alter Mann einer Sera Maestra von Nutzen sein? Nicht nur, dass Ihr Steinherz tragt, Ihr seid auch gebildet im Umgang mit der Magie. Was könnte Ser Roderic für Euch tun, das Ihr nicht selbst vermögt?“
Ich drehte meine Hand vor ihren Augen.
„Ser Roderic ist weitaus älter, als Ihr es seid. Und was ich von ihm möchte, ist sein Rat.“
„Ich kann Euch den Rat geben, ihn zu vergessen. Ser Roderic ist in jenem Pass gestorben.“
„Wollt Ihr nicht wissen, warum ich seinen Rat benötige?“
Ich zuckte mit den Schultern und nahm einen Schluck aus meinem Kelch. Schließlich hatte ich den Wein bezahlt. Ich war angenehm überrascht. Man konnte ihn sogar trinken.
„Nicht wirklich. In wenigen Jahren wird mich nichts mehr interessieren. Vielleicht sind es nur Monate. Lange bin ich gewiss nicht mehr von dieser Welt.“
„Die Stadt Kelar fiel letzten Monat an das Imperium von Thalak.“
Kelar. Ich erinnerte mich an die hohen Mauern, die Lagerhäuser und die Speicher. Ihre Worte überraschten mich. Vor zweihundertneunzig Jahren war Kelar für fast zwanzig Jahre belagert worden, ohne zu fallen. Früher hätte mich das alles interessiert, aber heute …
„Die Belagerung dauerte nun schon acht Jahre. Es war abzusehen.“
Sie blickte auf. „Habt Ihr denn kein Mitleid?“
„Wofür? Krieg ist Krieg.“ Der Vorteil des Alters war, dass man solche Dinge sagen konnte, ohne sich dabei idiotisch anzuhören.
„Der Imperator ließ die Stadt schleifen. Jedes Kind, jede Frau und jeder Mann wurde hingerichtet. Und Melbaas, Angil und Jatzka ergaben sich, aus Furcht, das gleiche Schicksal könnte sie ereilen.“
„Melbaas ergab sich?“ Das war eine weitere Überraschung. Eine unangenehme. Die Stadt galt als uneinnehmbar. Mit dem Hafen im Rücken hätte sie unbegrenzt aushalten können.
„Thalak hat dunkle Magie verwendet, um Kelar zu befrieden. Die Nachricht sagt, dass er seine eigenen toten Soldaten mit Katapulten über die Mauern der Stadt werfen ließ, um sie in der Nacht wieder zum Leben zu erwecken.“
„Eindrucksvoll. Und kreativ.“
Sie warf mir einen strafenden Blick zu. „Nach dem Fall von Kelar kapitulierte das Königreich Jasfar vollständig und sandte den Prinzen als Unterpfand nach Thalak.“
Ich seufzte. Jetzt wusste ich, wohin das führen sollte. Ich nickte langsam. „So steht kaum noch etwas zwischen unserem Reich und dem seinen. Unsere schöne Prinzessin wird ihr blondes Haupt vor dem Imperator beugen müssen. Das Schicksal gekrönter Häupter. Mal kniet man vor ihnen, mal müssen sie knien.“
Sie schlug mit der geballten Faust auf den Tisch, und gerade noch verhinderte ich, dass mein Becher umfiel. Er war noch fast voll, und vom vielen Reden bekam ich Durst. Ich trank einen Schluck, bevor der gute Wein sinnlos auf dem Tisch endete.
„Ser, wie könnt Ihr so etwas sagen! Es ist unsere Königin!“ Ich hob mahnend den Finger. „Nicht mein Land, nicht meine
Königin. Ich stamme aus Letasan.“
„Ser Roderic …“
Ich unterbrach sie erneut. Schlechte Manieren, jawohl, ein weiterer Vorteil des Alters. Außerdem hatte ich nichts zu verlieren, selbst wenn sie mich in einen Igel verwandelte. Wen interessierte das schon?
„Ich bin nicht Ser Roderic.“ Ich beobachtete meine Hand, wie sie einen Finger in den Rotwein tunkte und ein Dreieck auf den Tisch zeichnete. Fasziniert sah ich zu, wie meine Hand eine kleine Geste machte und das Dreieck aufglühte. Der Geruch von brennendem Holz stieg auf. „Bei der Dreieinigkeit, ich bin nicht Ser Roderic.“
Eine weitere kleine Geste, und das Leuchten hörte auf, übrig blieb ein perfektes Dreieck, ins Holz gebrannt. Überraschend, woran man sich so alles erinnern konnte, wenn man nicht aufpasste.
Als ich wieder zu ihr aufblickte, sah ich das Verstehen in ihren Augen und die Niederlage. Von Ser Roderic war bekannt, dass er nicht einmal eine Kerze mit Magie entzünden konnte. Er war ein Krieger, ein famoser Kämpfer, aber ohne magisches Talent. Meine Stimme wurde leiser, freundlicher.
„Was genau wolltet Ihr von ihm, Sera Maestra?“, fragte ich sie.
„Ich brauche eine Eskorte durch die Donnerberge, die Steppe, dann das Kaiserreich Xian, bis hin nach Askir.“
„Askir? Existiert es überhaupt? Ich dachte, es sei eine Legende. Zudem würde diese Reise Monate dauern. Wenn alles glatt ginge.“ Ich starrte in meinen Becher. Ich hatte doch wohl mehr getrunken als gedacht, er war fast leer. „Eine ziellose Reise, die man einem alten Mann nicht zumuten sollte. Ganz abgesehen davon, dass man, um zu den Donnerbergen zu gelangen, über den Pass muss.“ Ich schüttelte den Kopf. „Auch mit Euren magischen Kräften ein vergebliches Unterfangen.“
Für eine Weile schwiegen wir. Im Hintergrund hörte ich die Unterhaltung der anderen Gäste, leiser als zuvor, immer wieder warfen sie Blicke in unsere Richtung. Etwas, das mir nicht gefiel. Man würde sich an die Sera erinnern, es war fast nicht möglich, dass man sie vergessen konnte. Genauso würde man sich an den alten Mann erinnern, dessen Gesellschaft sie so offensichtlich suchte.

Richard Schwartz

Über Richard Schwartz

Biografie

Richard Schwartz, geboren 1958 in Frankfurt, hat eine Ausbildung als Flugzeugmechaniker und ein Studium der Elektrotechnik und Informatik absolviert. Er arbeitete als Tankwart, Postfahrer und Systemprogrammierer und restauriert Autos und Motorräder. Am liebsten widmet er sich jedoch phantastischen...

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