„Eine anrührende, sehr persönlich geprägte Erinnerung an die große Dichterin und ihren frühen Tod vor 50 Jahren.“ Madame
Heinz Bachmann über seine Schwester Ingeborg Bachmann
„›Ich will Ingeborg in meiner Erinnerung festhalten, wie sie für mich war. Ich denke an sie wie an ein Mädchen.‹ Das hatte Heinrich Böll in seinem Nachruf geschrieben und traf auch für mich zu.“
Ingeborg Bachmann wurde am 25. Juni 1926 in Klagenfurt/Kärnten geboren. Schon früh schrieb sie erste Gedichte und Erzählungen. Nach dem Studium der Philosophie promovierte Bachmann im Alter von 23 Jahren in Wien über Martin Heidegger. Dort lernte sie unter anderem den einflussreichen Feuilletonisten Hans Weigel, der zu ihrem ersten wichtigen Förderer wurde, und Paul Celan kennen, mit dem sie später eine tiefe Freundschaft verband.
Ab 1951 arbeitete Ingeborg Bachmann für den Sender Rot-Weiß-Rot in Wien, wo sie sich als Hörspielredakteurin einen Namen machte. Im Mai 1952 nahm sie erstmals an einer Lesung der Gruppe 47 teil und wurde schon beim dritten Treffen mit dem Preis der Gruppe ausgezeichnet.
Im Spätsommer 1953 siedelte die Autorin nach Italien über. Dort bestritt sie ihren Lebensunterhalt mit Rundfunkessays für Radio Bremen und Beiträgen für die „Westdeutsche Allgemeine“, die sie unter dem Pseudonym Ruth Keller schrieb. 1957 unterbrach Bachmann ihren Romaufenthalt und war ein Jahr lang in München als Dramaturgin beim Bayerischen Fernsehen tätig. In den späten Fünfziger Jahren verbrachte sie zusammen mit Max Frisch einige Zeit in Zürich und Rom (eine Beziehung, die für Ingeborg Bachmann von großer persönlicher Bedeutung war und nicht zuletzt als Erfahrung von Schmerz und existenziellen Krisen Eingang in ihr Werk gefunden hat).
Ausdruck des Gewichts ihrer schriftstellerischen Stimme waren Bachmanns Frankfurter Poetikvorlesungen im Wintersemester 1959/1960, in denen sie ihre Forderung nach einer neuen literarischen Sprache formulierte, deren utopische Dimension darstellte und gegen „schöne Worte“ polemisierte.
Nach zweijährigem Aufenthalt in Berlin begann 1965 Bachmanns zweiter großer Romaufenthalt, wo ihr Zyklus „Todesarten“ entstand.
Am 17. Oktober 1973 starb Ingeborg Bachmann im Alter von 47 Jahren in Rom.
„Ich existiere nur, wenn ich schreibe, ich bin nichts, wenn ich nicht schreibe, ich bin mir selbst vollkommen fremd, aus mir herausgefallen, wenn ich nicht schreibe.“
Ingeborg Bachmann über ihre Kindheit
„Ich habe meine Jugend in Kärnten verbracht, im Süden, an der Grenze, in einem Tal, das zwei Namen hat – einen deutschen und einen slowenischen. Und das Haus, in dem seit Generationen meine Vorfahren wohnten – Österreicher und Windische –, trägt noch heute einen fremdklingenden Namen. So ist nahe der Grenze noch einmal die Grenze: die Grenze der Sprache – und ich war hüben und drüben zu Hause, mit den Geschichten von guten und bösen Geistern zweier und dreier Länder; denn über den Bergen, eine Wegstunde weit, liegt schon Italien, das ich niemals gesehen habe.
Ich glaube, dass die Enge dieses Tals und das Bewusstsein der Grenze mir das Fernweh eingetragen hat. Als der Krieg zu Ende war, ging ich fort, ohne Geld und Gepäck, und kam voll Ungeduld und Erwartung nach Wien, das unerreichbar in meiner Vorstellung gewesen war. Es wurde wieder eine Heimat an der Grenze: zwischen Ost und West, zwischen einer großen Vergangenheit und einer dunklen Zukunft. Und wenn ich später auch nach Paris, London und Deutschland gekommen bin, so besagt das wenig, denn in meiner Erinnerung wird der Weg aus dem Tal nach Wien immer der längste bleiben.
Manchmal werde ich gefragt, wie ich als Kind, in einem Dorf groß geworden, zu Literatur gefunden hätte. – Genau weiß ich es nicht zu sagen; ich weiß nur, dass ich in einem Alter, in dem man Grimms Märchen liest, zu schreiben anfing, dass ich ungern arbeitete und gern am Bahndamm lag, meine Gedanken auf Reisen schickte, in fremde Städte und Länder und an das unbekannte Meer, das irgendwo mit dem Himmel den Erdkreis schließt. Immer waren es Meere, Sand und Schiffe, von denen ich träumte, aber dann kam der Krieg und schob vor die traumverhangene, phantastische Welt, die wirkliche, in der man nicht zu träumen, sondern sich zu entscheiden hat.
Später ist vieles so gekommen, wie ich mir’s wünschte: Universitätsstudium, Reisen, Mitarbeit an Zeitschriften und Zeitungen und jetzt die ständige Arbeit im Rundfunk. Das sind alltägliche Stationen eines Lebens, die austauschbar und verwechselbar sind. Es bleibt noch die Frage, nach den Einflüssen und Vorbildern, nach dem literarischen Klima, dem man sich zugehörig fühlt. – Ich habe einige Jahre hindurch viel gelesen, am liebsten vielleicht die Dichter, die mir am fremdesten waren, Gide, Valéry, Eluard, Eliot und Yeats von den neueren, und es mag sein, dass ich von ihnen manches gelernt habe. Im Grunde aber beherrscht mich noch immer die mythenreiche Vorstellungswelt meiner Heimat, die ein Stück echter, kaum realisiertes Österreich ist, eine Welt, in der viele Sprachen gesprochen werden und viele Grenzen verlaufen.
Gedichte zu schreiben, scheint mir das Schwerste zu sein, weil hier die Probleme des Formalen, des Themas und des Vokabulars in einem gelöst werden müssen, weil sie dem Rhythmus der Zeit gehorchen und dennoch die Fülle der alten und neuen Dinge auf unser Herz hinordnen sollen, in dem Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft beschlossen sind."
Editierter Text der Lesung vom 3.11.1952
„Meine Gedichte sind mir abhanden gekommen. Ich suche sie in allen Zimmerwinkeln. Weiß vor Schmerz nicht, wie man einen Schmerz aufschreibt, weiß überhaupt nichts mehr.“
Ingeborg Bachmanns „Das dreißigste Jahr“ zählt zu den prägenden Lektüren meines Lebens, insbesondere die Erzählungen „Jugend in einer österreichischen Stadt“ und „Undine geht“.
Die Intensität von Bachmanns Prosa, ihre unbedingte Aufrichtigkeit und ihr Drang, ihrem bewussten wie ihrem unbewussten Wissen, Sehen und Fühlen Ausdruck zu verleihen, beeindruckt mich immer wieder zutiefst.
Ob man ihre Gedichte liest oder ihre Prosa: jedes Mal wird man Zeuge einer Neuerschaffung von Welt.
Felicitas von Lovenberg, Verlegerin des Piper Verlags
„Die Gesellschaft ist der allergrößte Mordplatz. In der leichtesten Art sind in ihr seit jeher Keime zu den unglaublichsten Verbrechen gelegt worden, die den Gerichten dieser Welt für immer unbekannt bleiben.“
„Die kluge Biografie von Ingeborg Gleichauf fesselt wie ein Liebesroman.“ BRIGITTE
Für vier Jahre, zwischen 1958 und 1962, waren sie ein Paar: Ingeborg Bachmann und Max Frisch. Ein Paar allerdings, von dem es keine gemeinsamen Fotos gibt und über das nur wenige Details nach außen drangen. Einfühlsam und mit feinem Gespür erzählt Ingeborg Gleichauf die Geschichte einer so großen wie unmöglichen Liebe.
„Ich bin ein Narr und weiß es.“ Max Frisch über seine Liebe zu Ingeborg Bachmann
Kommentare
DATENSCHUTZ & Einwilligung für das Kommentieren auf der Website des Piper Verlags
Die Piper Verlag GmbH, Georgenstraße 4, 80799 München, info@piper.de verarbeitet Ihre personenbezogenen Daten (Name, Email, Kommentar) zum Zwecke des Kommentierens einzelner Bücher oder Blogartikel und zur Marktforschung (Analyse des Inhalts). Rechtsgrundlage hierfür ist Ihre Einwilligung gemäß Art 6I a), 7, EU DSGVO, sowie § 7 II Nr.3, UWG.
Sind Sie noch nicht 16 Jahre alt, muss zwingend eine Einwilligung Ihrer Eltern / Vormund vorliegen. Bitte nehmen Sie in diesem Fall direkt Kontakt zu uns auf. Sie selbst können in diesem Fall keine rechtsgültige Einwilligung abgeben.
Mit der Eingabe Ihrer personenbezogenen Daten bestätigen Sie, dass Sie die Kommentarfunktion auf unserer Seite öffentlich nutzen möchten. Ihre Daten werden in unserem CMS Typo3 gespeichert. Eine sonstige Übermittlung z.B. in andere Länder findet nicht statt.
Sollte das kommentierte Werk nicht mehr lieferbar sein bzw. der Blogartikel gelöscht werden, ist auch Ihr Kommentar nicht mehr öffentlich sichtbar.
Wir behalten uns vor, Kommentare zu prüfen, zu editieren und gegebenenfalls zu löschen.
Ihre Daten werden nur solange gespeichert, wie Sie es wünschen. Sie haben das Recht auf Auskunft, auf Berichtigung, auf Löschung, auf Einschränkung der Verarbeitung, ein Widerspruchsrecht, ein Recht auf Datenübertragbarkeit, sowie ein Recht auf Widerruf Ihrer Einwilligung. Im Falle eines Widerrufs wird Ihr Kommentar von uns umgehend gelöscht. Nehmen Sie in diesen Fällen am besten über E-Mail, info@piper.de, Kontakt zu uns auf. Sie können uns aber auch einen Brief schicken. Sie erhalten nach Eingang umgehend eine Rückmeldung. Ihnen steht, sofern Sie der Meinung sind, dass wir Ihre personenbezogenen Daten nicht ordnungsgemäß verarbeiten ein Beschwerderecht bei einer Aufsichtsbehörde zu. Bei weiteren Fragen wenden Sie sich gerne an unseren Datenschutzbeauftragten, den Sie unter datenschutz@piper.de erreichen.