
Die Geschichte der Einsamkeit
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Beschreibung
„Fesselnd, erschütternd und zutiefst bewegend.“ The Sunday Times
Odran Yates kommt 1972 an das renommierte Dubliner „Clonliffe Seminary“, um Priester zu werden. Er kann es kaum erwarten, endlich Gutes zu tun. Vierzig Jahre später ist sein Vertrauen in die katholische Kirche jedoch zutiefst erschüttert. Bestürzt muss er dabei zusehen, wie alte Freunde vor Gericht stehen und ehemalige Würdenträger ins Gefängnis kommen.
Die Beichte eines guten Priesters: durchdrungen von wohlplatzierten Lücken und überraschenden Untiefen
Erst als bei einem Familientreffen alte Wunden aufgerissen werden, sieht er…
„Fesselnd, erschütternd und zutiefst bewegend.“ The Sunday Times
Odran Yates kommt 1972 an das renommierte Dubliner „Clonliffe Seminary“, um Priester zu werden. Er kann es kaum erwarten, endlich Gutes zu tun. Vierzig Jahre später ist sein Vertrauen in die katholische Kirche jedoch zutiefst erschüttert. Bestürzt muss er dabei zusehen, wie alte Freunde vor Gericht stehen und ehemalige Würdenträger ins Gefängnis kommen.
Die Beichte eines guten Priesters: durchdrungen von wohlplatzierten Lücken und überraschenden Untiefen
Erst als bei einem Familientreffen alte Wunden aufgerissen werden, sieht er sich gezwungen, die Ereignisse in seinem Leben in einem anderen Licht zu betrachten und sich einzugestehen, dass er über all die Jahre nicht sehen wollte, was direkt vor seinen Augen geschah.
„Kein zeitgenössischer Schriftsteller behandelt Schuld mit so viel Tiefe und Feingefühl wie John Boyne. Dies ist sein wichtigster Roman.“ John Irving
Über John Boyne
Aus „Die Geschichte der Einsamkeit“
Erstes Kapitel
2001
Erst spät in meinem Leben begann ich mich dafür zu schämen, dass ich Ire bin.
Vielleicht sollte ich mit dem Abend beginnen, an dem ich meine Schwester zum Essen besuchte und sie sich nicht daran erinnern konnte, mich eingeladen zu haben. An jenem Abend bemerkte ich zum ersten Mal, dass etwas mit ihr nicht stimmte.
Gegen Mittag war George W. Bush in Washington für seine erste Amtszeit als Präsident vereidigt worden, und als ich in der Grange Road im Süden von Dublin ankam, saß Hannah vor dem Fernseher und schaute sich einen Bericht über die [...]
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John Boyne wuchs in Dublin auf. Nach Jahren des Schweigens erzählt er nun über sein Leben im streng katholischen Irland und über seine Probleme mit der irischen katholischen Kirche - und wie diese Thematik in seinem Buch „Die Geschichte der Einsamkeit“ Einzug fand.
„In meinem Schriftstellerleben wurde ich oft gefragt, warum ich meine Romane nicht in Irland spielen lasse. Auf diese Frage hatte ich eine Standardantwort: dass ich nicht über mein eigenes Land schreiben wollte, solange ich keine Geschichte zu erzählen hatte. Nun, da ich ein Buch geschrieben habe, das den Missbrauch von Macht in der irischen katholischen Kirche zum Thema hat, frage ich mich, ob diese Antwort wirklich komplett ehrlich war. Ich habe die letzten zwei Jahre damit verbracht, mich an Erfahrungen aus meinen Kinder- und Teenagertagen zu erinnern und durch Literatur Momente wiederherzustellen, die damals klein erschienen, von denen ich aber viel später gemerkt habe, dass sie mir großen Schaden zugefügt haben. Deshalb denke ich, dass der wahre Grund dafür, dass ich nie über Irland geschrieben habe, im ersten Satz meines Romans erklärt wird:
Ich habe erst begonnen, mich dafür zu schämen, Ire zu sein, als ich mich schon tief in den mittleren Jahren meines Lebens befand.
Ich wuchs in den Siebziger- und Achtzigerjahren in Dublin auf. Im Nachbarhaus zu unserer Rechten wohnte der Gemeindepriester, zur Linken wohnten acht Nonnen. Ich war Ministrant, ging auf eine katholische Schule und wurde jeden Sonntag mit zur Messe genommen. Ich wusste, dass es in Dublin Protestanten – und Methodisten, Juden und Mormonen – gab, aber ich hatte noch nie einen von ihnen gesehen und wäre wahrscheinlich schreiend weggelaufen, wäre mir einer untergekommen. Sie würden schließlich in die Hölle kommen, das war zumindest, was uns die Priester erzählten. Und solange wir unseren Katechismus auswendig lernten und ein gutes, katholisches Leben führten, würde uns das nicht geschehen.
Die Wichtigkeit des kirchlichen Lebens in meiner Gemeinde zu dieser Zeit kann nicht genug betont werden. Eine Familie, die nicht zur Messe ging, riskierte es, sofort aus allen gesellschaftlichen Kreisen ausgeschlossen zu werden. Einen Priester zum Abendessen zu Gast zu haben war ein Traum, und wenn es tatsächlich geschah, wurde wochenlang zuvor geplant und vorbereitet. Heißt es nicht, die Queen denke, die Welt rieche nach frischer Farbe? Nun, Priester dachten das auch. Das ganze Haus musste saniert werden, bevor einer von ihnen zum Tee kam. Trotz des kriecherischen Gehabes, das vonstattenging, war es dennoch selten, einen wahren Gläubigen zu finden. Jeder wusste, welche Priester die kürzesten Messen lasen, und niemand sagte bei der Beichte jemals die Wahrheit. Ich erinnere mich, dass ich dachte, wenn ich sagte, was wirklich in meinem Kopf vor sich ging, würde ich wahrscheinlich exkommuniziert, verhaftet oder beides.
Also tat ich, was alle taten: Ich erfand Dinge. Normale, anständige Sünden.
Ich war ein stilles, schüchternes und gut erzogenes Kind, doch wenn ich überhaupt je in Schwierigkeiten geriet, hatten sie immer mit Priestern zu tun. Als achtjähriger Ministrant hatte ich so große Angst vor den Konsequenzen davon, bei der falschen Messe aufgetaucht zu sein, dass ich vor dem Altar heulend zusammenbrach und weggetragen werden musste. Das klingt heutzutage lustig, aber ich erinnere mich noch gut an die völlige Panik davor, was mit mir passieren würde. Ich glaube, ich hatte noch nie so große Angst, weder vorher noch jemals seither.
Mit dreizehn hatte ich das Unglück, einen sadistischen Priester zum Lehrer zu haben, der in seinem Ärmel einen hölzernen Stock trug, an dessen Spitze ein Metallgewicht festgeklebt war. Er nannte diesen Stock Excalibur und schlug mich damit einmal so schrecklich, dass ich zwei Wochen nicht in die Schule konnte. Es war offensichtlich, dass es ihm Spaß machte zu sehen, wie ich vor ihm zusammenbrach. Ein anderer Priester veranstaltete „gerechte Prozesse“, in denen ein Junge – oftmals ich – für ein Vergehen vor die Klasse gestellt wurde, woraufhin seine Klassenkameraden ihm den Prozess machten und ihn unausweichlich für schuldig befanden. Dann wurde ihm vor allen anderen die Hose heruntergezogen und eine Tracht Prügel verpasst. Es waren jedoch nicht nur die Priester. Weltliche Lehrer, denen die akzeptierten Praktiken ihrer religiösen Arbeitgeber wohlbekannt waren, konnten ebenfalls für unerfreuliche Taten verantwortlich zeichnen.
All dies und mehr geschah zu dieser Zeit, und wir wehrten uns nie auch nur im geringsten dagegen.
Wir dachten, sie hätten ein Recht zu tun, was sie wollten, weil sie einen Priesterkragen trugen. Und jetzt fragen sie sich, warum meine Generation so wenig Respekt für sie hat.
Als meine Pubertät und mein unabhängiges Denken in Schwung zu kommen begannen, begegnete ich der Kirche mit größerer Ablehnung. Es ist nicht leicht, ein junger, schwuler Teenager zu sein und gesagt zu bekommen, man sei krank, geistig gestört oder brauche Elektroschocktherapie, besonders wenn derjenige, von dem man es hört, einen am Tag zuvor auf dem Weg ins Klassenzimmer begrapscht hat. Ich bezweifle, dass auch nur einer von ihnen verstand, dass die Art, wie sie Liebe predigten und Hass praktizierten, meine Jugend und die Jugend von Leuten wie mir verdarb und zu ungesunden und verstörenden Beziehungen führte, sobald ich sexuell aktiv wurde. Ich kämpfe in meinem Leben mit Depressionen – häufigen, immer wiederkehrenden und chemisch unterdrückten – und ich führe sie darauf zurück, dass mir meine Priester und Lehrer das Gefühl gaben, wertlos zu sein und mich bei jeder Gelegenheit herabsetzten und demütigten. Was ironisch ist, wenn man bedenkt, dass ich in allen anderen Lebensbereichen eine äußerst glückliche Kindheit hatte.
Während meiner Jugend reiste Papst Johannes Paul II. in der Luxusklasse durch die Welt und nutzte seine Popularität aus, um Konzepte zu bestärken, die nicht nur veraltet, sondern zerstörerisch und schädlich waren, und badete dabei im Applaus von jungen Leuten, während er gleichzeitig sicherstellte, dass jede einzelne Straftat, die an ihnen begangen wurde, vertuscht wurde. Und dennoch strömten dieses Jahr zehntausende von Menschen auf den Petersplatz, um seine Heiligsprechung zu feiern, ein Verhalten, das kaum zu glauben ist. Wo ist ihr Mitleid?
Wo ist ihre Menschlichkeit?
Je mehr Skandale im Lauf der Jahre ans Licht kamen, desto fester wurde meine Überzeugung, dass es unter ihnen nicht einen einzigen guten Mann gab, und dass es für uns alle besser wäre, sie verschwänden möglichst schnell aus unserem Leben.
Als ich vor fünfzehn Jahren begann, Romane zu veröffentlichen, wusste ich, dass ich darüber nicht schreiben konnte, bis ich erfahren genug war. Und dann erzählte mir eines Tages ein Verwandter, er habe einen jungen Priester gesehen, der vor der Grotte der Kirche von Inchicore niedergeworfen hysterisch weinte, während in der Nähe eine Frau saß – offenbar seine Mutter – und ähnlich verzweifelt war. Warum er dort war, weiß ich nicht, aber ich stellte fest, dass mich das Bild stark berührte. Ich fragte mich, ist er ein Krimineller? Wahrscheinlich. Aber wie hatte er gelitten, als er jung war? Was hatte ihn zu dieser großen inneren Verzweiflung geführt? Und zu meinem Erstaunen verspürte ich etwas, das ich nie erwartet hätte, jemals für einen Priester zu fühlen: Mitleid.
Schriftsteller suchen nach den Geschichten, die noch niemand erzählt hat.
Es wäre sehr einfach, eine Geschichte zu schreiben, die sich um ein Monster dreht, einen unermüdlichen Pädophilen, der sich ohne Reue an Schutzlosen vergeht. Die Herausforderung für mich war es, einen Roman über den anderen Priester zu schreiben, den wahren Priester, den, der sein Leben dem Tun von guten Taten gewidmet hat und sich nun verraten von der Institution sieht, der er alles geopfert hat. Dadurch versuchte ich, Gutes dort zu finden, wo ich mein ganzes Leben lang nur Böses gesehen hatte.
Ich habe viele Priester interviewt, die nicht im Habit aus dem Haus gehen, weil sie befürchten, angespuckt zu werden; und andere, die sich davor fürchten, allein mit einem Kind zu sein, aus Sorge, zu Unrecht angeklagt zu werden. Ihr Schmerz und ihr Mitleid mit Missbrauchsopfern berührten mich und zwangen mich, meine eigenen Vorurteile zu konfrontieren.
Wir dachten, sie hätten ein Recht zu tun, was sie wollten, weil sie einen Priesterkragen trugen. Und jetzt fragen sie sich, warum meine Generation so wenig Respekt für sie hat.
Als meine Pubertät und mein unabhängiges Denken in Schwung zu kommen begannen, begegnete ich der Kirche mit größerer Ablehnung. Es ist nicht leicht, ein junger, schwuler Teenager zu sein und gesagt zu bekommen, man sei krank, geistig gestört oder brauche Elektroschocktherapie, besonders wenn derjenige, von dem man es hört, einen am Tag zuvor auf dem Weg ins Klassenzimmer begrapscht hat. Ich bezweifle, dass auch nur einer von ihnen verstand, dass die Art, wie sie Liebe predigten und Hass praktizierten, meine Jugend und die Jugend von Leuten wie mir verdarb und zu ungesunden und verstörenden Beziehungen führte, sobald ich sexuell aktiv wurde.
Ich kämpfe in meinem Leben mit Depressionen – häufigen, immer wiederkehrenden und chemisch unterdrückten – und ich führe sie darauf zurück, dass mir meine Priester und Lehrer das Gefühl gaben, wertlos zu sein und mich bei jeder Gelegenheit herabsetzten und demütigten. Was ironisch ist, wenn man bedenkt, dass ich in allen anderen Lebensbereichen eine äußerst glückliche Kindheit hatte.
Als ich diesen Roman schrieb, hoffte ich, dass diejenigen, die die Kirche blind gegen alle Kritiker verteidigen, die Untaten erkennen würden, die diese Institution begangen hat, während diejenigen, die sie unablässig verurteilen, akzeptieren könnten, dass es viele anständige Menschen gibt, die in ihr ein gutes Leben gelebt haben.
Es ist eine Geschichte, die die meisten irischen Schriftsteller ignoriert haben, aber sie ist weder als Verteidigung der Kirche geschrieben – am Ende muss der Leser bedenken, inwieweit der Erzähler an den Ereignissen mitschuldig ist, die sich vor ihm abspielen – noch ist sie ein offener Angriff. Es ist einfach nur ein Roman, der die Leser auffordert, das Thema aus einer weiteren Perspektive zu betrachten und die Leben all jener neu zu bewerten, die gelitten haben, sowohl im Innern als auch außerhalb einer der tragenden Säulen der irischen Gesellschaft.“
John Boyne in THE IRISH TIMES.
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