Pfotenglück – Dackel Max auf Spurensuche (Dackel Max auf Sylt 2) Pfotenglück – Dackel Max auf Spurensuche (Dackel Max auf Sylt 2) - eBook-Ausgabe
Ein Sylt-Roman
— Lustiger Urlaubsroman an der Nordsee„Die tierischen Ermittlungen verlaufen fast überall auf der Insel, chaotische Verwicklungen und aberwitzige Situationen inklusive.“ - Sylter Rundschau
Pfotenglück – Dackel Max auf Spurensuche (Dackel Max auf Sylt 2) — Inhalt
„Dackel Max auf seiner neuesten Hunderunde - rasant, spannend und humorvoll! Eine Sylt-Geschichte voller Inselliebe, die ich Ihnen nur empfehlen kann!“ Gisa Pauly
Es geht wieder in den Urlaub nach Sylt! Dackel Max ist frisch verliebt, alles könnte entspannt sein. Wären da nicht die beiden Kinder von Frauchens neuer Liebe. Ein Sack Flöhe ist gegen den vierjährigen Lasse ein Rentnerverein. Und plötzlich verschwindet die Teenager-Tochter Lisa spurlos! Natürlich wollen Max und sein Rudel helfen. Die Ermittlungen verlaufen kreuz und quer über die Insel, was zu aberwitzigen Situationen und chaotischen Verwicklungen führt. Doch als auch noch der kleine Lasse verschwindet, müssen Max und sein Rudel ihren Leinenhaltern beweisen, was wirklich in ihnen steckt!
Hunde-Freundin und Sylt-Liebhaberin Sina Beerwald erzählt für Fans von „Dackelblick“ und „Herrchenjahre“ von einer ganz besonderen Suche auf Sylt aus Dackel-Perspektive
Band 1, "Pfotenglück - Dackel Max sucht seine große Liebe" war auf der Shortlist des Lovelybooks Community Awards und erreichte Platz 22!
Leseprobe zu „Pfotenglück – Dackel Max auf Spurensuche (Dackel Max auf Sylt 2)“
Kapitel 1
Endlich Urlaub! Wer hätte gedacht, dass ich mich jemals auf diese Zeit freuen würde?
Mein bisheriges Dackelleben lang habe ich die Gewohnheit meines Frauchens, mindestens vierzehn Tage im Jahr das Revier zu wechseln, aus tiefster Seele gehasst.
Warum? Ja, Frauchen fragt sich und mich auch jedes Jahr aufs Neue, warum ich mich weigere, ins Auto einzusteigen, sobald da Koffer drin sind. Kann sie denn nicht verstehen, dass ich mich in fremden Revieren unwohl fühle und an meine angestammte Laterne pinkeln will? Zudem nervt mich der Stress mit [...]
Kapitel 1
Endlich Urlaub! Wer hätte gedacht, dass ich mich jemals auf diese Zeit freuen würde?
Mein bisheriges Dackelleben lang habe ich die Gewohnheit meines Frauchens, mindestens vierzehn Tage im Jahr das Revier zu wechseln, aus tiefster Seele gehasst.
Warum? Ja, Frauchen fragt sich und mich auch jedes Jahr aufs Neue, warum ich mich weigere, ins Auto einzusteigen, sobald da Koffer drin sind. Kann sie denn nicht verstehen, dass ich mich in fremden Revieren unwohl fühle und an meine angestammte Laterne pinkeln will? Zudem nervt mich der Stress mit unbekannten frei laufenden Artgenossen – und vor allem habe ich keinen Bock auf kilometerlange Strandspaziergänge, die mir nichts als platte Pfoten und Sand im Maul bescheren.
Mit langen Autofahrten an sich habe ich kein Problem, wie ich in den vergangenen Stunden von München bis nach Niebüll mal wieder bewiesen habe, und auch jetzt harre ich noch geduldig im Kofferraum aus.
Wobei wir mittlerweile nicht mehr fahren. Wir stehen auf dem Autozug und warten auf dessen Abfahrt nach Sylt. Laut Frauchen hätte es schon vor einer halben Stunde losgehen sollen. Christian rutscht unruhig auf seinem Sitz hin und her und mahnt seine Kinder mit zunehmender Verzweiflung zur Ruhe, weil er keinen Streit im Urlaub haben will – erst recht nicht im Auto.
Ich kuschle mich an Goldie, denn wir liegen zusammen in einer Autobox im Kofferraum, so ist mehr Platz für das Gepäck, und der Versuch, uns zu trennen, wäre ohnehin zum Scheitern verurteilt gewesen.
Ich rolle mich ein in das Nest, das sie mit ihrem Körper formt, versuche das Gezanke zu ignorieren, schließe die Augen und denke an den vergangenen Sommer zurück, in dem ich Goldie wiedergetroffen habe – meine Jugendliebe, die ebenfalls auf Sylt Urlaub gemacht hat. Was hab ich sie gesucht, über die gesamte Insel bin ich ihrer Spur gefolgt – und habe dabei möglicherweise auch ein klitzekleines Chaos hinterlassen. Wirklich kaum der Rede wert. Gut, mein Frauchen war ziemlich fertig mit den Nerven und hat einige Rechnungen bezahlen müssen, die nicht nur von der Tierärztin stammten, aber die Hauptsache ist doch, dass ich überlebt habe und am Ende meine Goldie gefunden habe. Seitdem sind wir bis über beide Ohren verliebt – aber nicht nur wir beide.
Mein Frauchen und Christian – das Herrchen dieser wunderschönen Retriever-Hündin – haben sich nicht gesucht und trotzdem gefunden. Die beiden passen super zusammen, nicht nur weil beide schon steinalt sind – so ungefähr Mitte dreißig, beide kochen auch gern, machen viel Sport zusammen und treffen sich mit Freunden.
Außerdem ergänzen sie sich sehr gut, oft beginnt einer einen Satz, und dann fällt ihm der andere ins Wort. Nur beim Packen waren sie sich ausnahmsweise mal nicht einig. Christian besitzt ein riesiges Bügelbrett, das er unbedingt mitnehmen wollte. Das war für Frauchen erst in Ordnung, doch als sie das Bügeleisen einpacken wollte, hat Christian gesagt, dass sie das im Urlaub doch nicht brauche und das würde nur Platz wegnehmen. Das hat Frauchen nicht verstanden und ich noch viel weniger. Da schnallt er so ein riesiges Bügelbrett aufs Dach, und Frauchen soll das Bügeleisen zu Hause lassen? Das hat sie nicht eingesehen. Richtig so. Da ist Frauchen auch mal stur wie ein Dackel geblieben. Meine Hochachtung.
Wobei ich gegen beide immer noch Hochhaus gewinne, wenn es um den Grad der Sturheit geht, denn bisher sind sie erst auf dem Level eines Esels. Aber auch Christian zeigt gute Ansätze, denn er weigert sich strikt, sich von seiner Fetzenhose, wie Frauchen seine Lieblingsjeans nennt, zu trennen. Die ist oberhalb der Knie so ausgefranst, als ob ich daran gezerrt hätte. Aber ich bin unschuldig, diesmal wirklich.
All das wäre vielleicht anders, wenn Christian bei uns wohnen würde, aber das ist leider nicht der Fall – noch nicht –, und deshalb sehe ich meine Goldie immer nur an den Wochenenden.
Aber jetzt – Urlaub! In den kommenden vierzehn Tagen werden wir unzertrennlich sein, und deshalb freue ich mich wie verrückt auf diese Zeit.
Mein Glück ist perfekt.
Fast perfekt. Irgendeinen Haken gibt’s ja immer, in meinem Fall sogar zwei. Die heißen Lasse und Lisa und sind keine ganzen Geschwister, nur halbe.
Lasse ist der vierjährige Sohn von Christian, der während der Ferien zwei Wochen bei seinem Papa verbringen soll und deshalb mit uns im Auto sitzt. Seine Mutter, die Ex-Frau von Christian, hält es nämlich für eine ganz tolle Idee, dass ihr lieber Sohn mit uns in den Urlaub fährt, während sie mit ihrem Neuen auf ein Schiff gegangen ist und so eine Fahrt mit drei Kreuzen macht.
So, und das Problem ist, dass Klein-Lasse zwar grundsätzlich ein netter Kerl, aber ein Sack Flöhe gegen ihn ein Rentnerverein ist, und als wäre das nicht schon genug, ist auch noch Christians vierzehnjährige Tochter aus erster Ehe mit uns unterwegs, weil Lisa sich mit ihrer Mutter gestritten hat und keinesfalls mit ihr die Sommerferien verbringen will.
Letzteres war für Lisa tatsächlich eine noch schlimmere Vorstellung, als mit ihrem halben Bruder die Sommerferien verbringen zu müssen – und das will was heißen. Die beiden sind nämlich wie Blitz und Donner. Sobald sie zusammen sind, gibt’s Krach.
Beide haben blonde Haare wie ihr Vater, und das war’s dann aber auch schon mit den Gemeinsamkeiten zwischen den halben Geschwistern. Wobei, blond stimmt bei Lisa auch nicht mehr. Genau genommen hat sie sich die Haare vor der Abreise noch lila gefärbt. Ihr Vater hat das nur mit hochgezogenen Augenbrauen kommentiert. Lasse hat sich seine Haare selbst geschnitten und auf den entsetzten Blick seines Vaters hin stolz erklärt, er wolle eines Tages Friseur werden, woraufhin seine Schwester meinte, sie würde ihm eher empfehlen, einen Laden für Glatzenträger zu eröffnen.
Jetzt gibt’s anstelle von Krach aber erst mal Begeisterungsrufe von Christian und Frauchen, weil sich der Autozug in Bewegung setzt.
Also damals, bei der ersten Überfahrt, fand ich es ja höchst merkwürdig, dass man mit dem Auto auf einen scheinbar endlos langen flachen Zuganhänger drauffährt und damit auf Schienen über diesen Hindenburgdamm rollt, wo doch schlicht und ergreifend eine Straße sein könnte. Zudem erinnere ich mich noch sehr gut daran, wie ich auf der holprigen Strecke derart durchgeschüttelt wurde, dass ich am Ende meine Knochen neu sortieren musste.
Darum erschließt sich mir nicht, warum mein Frauchen und Christian so freudig aufgeregt sind – aber Menschen muss man ja nicht immer verstehen.
Die Hoppelei geht also los, und jetzt bin ich doch froh, dass ich mein Beinchen auf der Autobahnraststätte an so einem ekligen Laternenpfahl gehoben habe, wo vor mir bereits hundert andere Hunde waren. Wenn die wenigstens treffen würden, aber nein, stattdessen muss man sich möglichst würdevoll in die Suppe des Vorgängers stellen, um sich zu erleichtern, weil es keine andere Möglichkeit gibt.
Goldie hebt den Kopf. „Was ist denn das für eine schlechte Straße?“, fragt sie verschlafen.
„Da-a-as i-i-st de-e-er Hi-i-indeeenbu-u-urgda-a-amm“, bringe ich hervor und komme aus dem Nicken nicht mehr heraus.
Goldie betrachtet mich amüsiert. „Ich habe plötzlich so eine Ahnung, bei welcher Gelegenheit der Erfinder des Wackeldackels auf seine Idee gekommen ist.“
„Se-e-ehr w-i-i-i-tzig“, entgegne ich und verziehe eine Lefze.
„Allerdings“, kichert Goldie und legt ihre Pfote übers Maul, um ihr Lachen zu verbergen.
Da ertönt der begeisterte Aufschrei meines Frauchens, der einer Möwe alle Ehre gemacht hätte. „Das Meer! Wie schön!“
„Wunderschön!“, seufzt Christian. „Fast so, als ob wir übers Meer fahren würden, so nah kommt das Wasser an den Damm. Und ich glaube, da ist auch schon die Insel. Siehst du da ganz weit hinten den Leuchtturm?“
Goldie setzt sich auf, so als sei sie diejenige, die ihr Herrchen gefragt hätte, und schaut aus dem Fenster. Sie hat es gut. Ich kann nämlich nix sehen, weil ich zu klein bin.
Allerdings hieße ich nicht Maximilian von Großbeeren – oder auch Max, aber niemals Maxl, wie mein Frauchen behauptet –, wenn ich mir nicht zu helfen wüsste.
Wie ein Gummiball hüpfe ich auf den Hinterbeinen auf und ab, recke den Hals, wobei ich mich leider zu spät auf die Suche nach meinem Gleichgewicht begebe.
Zum Glück falle ich weich auf meine Goldie.
„Oh, wau“, sagt Goldie. Wobei sie wider Erwarten nicht meine astronomische Showeinlage, sondern die Aussicht meint. „Am liebsten würde ich gleich ins Wasser springen, mich juckt es jetzt schon in den Pfoten.“
Puh, mir wird ganz anders, wenn ich an die Nachwirkungen des Salzwassers denke, das ich im vergangenen Sommer geschluckt habe und das mein Gedärm auf rechts oder links gedreht hat. Keine Ahnung, in welche Richtung genau, ich verwechsele rechts und links manchmal, und mein Gedärm war da wohl auch unentschlossen, denn das hatte sich am Ende ziemlich verknotet. Eines steht jedenfalls fest wie die Kirchenmauer auf der Erde, nein, das ist so festgemauert wie die Glocke in der Kirche: In diesem Urlaub werde ich Goldie zuliebe über das Wasser gehen und in den Schatten springen müssen.
Na ja, aber man muss es ja nicht gleich übertreiben. Ich könnte ja damit anfangen, eines meiner kurzen Beinchen noch viel kürzer ins Wasser zu halten – es muss ja nicht gleich wieder ein Bad im Hafenbecken sein.
„Ach, Christian, ich freue mich so sehr auf den Urlaub mit dir“, sagt Frauchen und streicht sich ihre leicht gewellten Haare hinters Ohr, die im gleichen Farbton glänzen wie Goldies Fell, und schickt einen Luftkuss zu Christian rüber, der freiwillig auf dem Beifahrersitz Platz genommen hat. Er meinte, das sei besser so, damit er seine Kinder trennen kann, bevor es zu Kurzschlüssen kommt, und tatsächlich war das bereits einige Male der Fall.
„Noch freust du dich …“, antwortet Christian mit einem gequälten Lächeln und wirft einen Blick über die Schulter zu seinen Kindern. „Ich hoffe, ihr habt mich verstanden. Das auf der Fahrt hat gereicht. Ich will keinen Streit im Urlaub. Ihr reißt euch beide zusammen. Und schaut doch mal raus, da ist das Meer!“
Seine Kinder halten die Köpfe gesenkt, was mit dem Tablet auf Lisas Schoß zusammenhängt. Auch Lasse findet den Film, der darauf läuft, viel spannender als die Bilder in seinem Buch oder den Blick nach draußen.
„Das wird schon werden“, sagt Frauchen lächelnd.
„Noch hast du den Duracell-Hasen und das Zicklein keine vierzehn Tage am Stück in Aktion erlebt. Glaub mir, danach verstehst du mich.“
Frauchen legt die Hand auf Christians Oberschenkel und wirft über den Rückspiegel einen Blick auf die Kinder. „Das bekommen wir schon hin. Nicht wahr, ihr zwei?“
Lasse und Lisa schweigen und halten ihre Blicke weiterhin gesenkt. Aber das scheint Frauchen nicht zu stören, offenbar hat sie gar keine Antwort erwartet, denn sie redet bereits gut gelaunt weiter. „Das wird ein wunderschöner Urlaub!“
Ja, denke ich. Immerhin herrscht gerade mal kein Kleinkrieg zwischen Lasse und Lisa, und Frauchen glaubt wirklich, dass wir alle unseren Spaß haben werden.
Die ganze Fahrt über hat sie nur über die Streitereien von Lisa und Klein-Lasse gelacht und darüber geredet, was wir im Urlaub alles unternehmen könnten.
Überhaupt, seitdem sie mit Christian zusammen ist, kommt es mir so vor, als würde sie die Welt um sich herum nur noch in den allerbuntesten Farben sehen. Mal angenommen, in ihrem Garten würde eine Bombe einschlagen, dann würde sie sich darüber freuen, dass sie nicht mehr Rasen mähen muss.
„Ich habe da meine Zweifel …“, sagt Christian und schiebt sich die Sonnenbrille nach oben, damit er Frauchen besser ansehen kann. „Aber ich will hoffen, dass du recht behältst, Ronja. Wenn wir diese vierzehn Tage gemeinsam im Wohnwagen überstehen, dann können wir wirklich beruhigt zusammenziehen.“
„Allerdings!“, lacht Frauchen. „Ich denke, wir können den Schritt auf jeden Fall wagen, denn das Einzige, was mir auf die Nerven geht, ist unsere Wochenendbeziehung. Deine Kids und ich kommen klar, keine Sorge. Und wenn ich mal ganz unromantisch sein darf, durch das Zusammenziehen würden wir auch viel Geld sparen.“
Na ja, denke ich, das stimmt schon, das Zusammenziehen würde Geld sparen, aber was ist mit meinen Nerven? Besonders mit Klein-Lasse werde ich es nicht lange aushalten. Es reicht ja schon, wenn wir am Wochenende mal einen Ausflug zusammen unternehmen. Zugegeben, auch mir fällt jede Menge Blödsinn ein, aber gegen Klein-Lasse bin ich ein alter Schoßhund im Ruhestand, und Lasse ist nur wirklich glücklich, wenn er sein Umfeld in den Wahnsinn treiben kann.
„Den finanziellen Aspekt sehe ich ja auch …“, entgegnet Christian zögerlich. „Aber nach dem Urlaub denkst du womöglich anders darüber.“
„Ganz bestimmt nicht“, sagt Frauchen entschieden.
„Na, hoffentlich.“ Christian grinst schief.
Frauchen fügt mit einem verschmitzten Grinsen hinzu: „Frauen haben immer recht.“
„Hast du gehört, Lasse?“, lässt sich Lisa vernehmen. „Merk dir das.“
„Ich höre nichts!“, ruft Lasse und schnappt sich blitzschnell den weißen Knopf aus Lisas Ohr. Zu ihren lilafarbenen Haaren trägt sie übrigens ein dunkelgrünes T-Shirt, zumindest laut ihrem Vater, ich kann das nämlich aufgrund meiner Rot-Grün-Schwäche gar nicht erkennen. Aber er meinte vor der Fahrt mit Blick auf seine Tochter, dass es für einen Tannenbaum noch reichlich früh sei im Jahr und er gar nicht wusste, dass wir einen mit in den Urlaub nehmen.
„Ey, gib mir sofort meinen AirPod wieder.“
„Meiner, meiner!“, ruft Lasse und versucht, sich das Ding ins Ohr zu stecken.
„Lasse …“ Christians Stimme hat einen drohenden Unterton. „Gib deiner Schwester den Ohrstöpsel zurück.“
„Wenn er so mit mir reden würde“, flüstere ich Goldie zu, „würde sogar ich auf der Stelle Platz und Sitz machen.“
„Du meinst erst Sitz und dann Platz“, schmunzelt Goldie. „Und das will ich sehen, dass du mal auf Kommando tust, was man dir sagt. Aber genau diese Sturheit liebe ich ja an dir.“
„Ich gehorche nur, wenn ich es für sinnvoll erachte – etwas anderes ergibt ja auch keinen Sinn“, sage ich im Brustton der Überzeugung.
Goldie seufzt. „Ich wäre manchmal gern so stur wie du, aber mein Herrchen muss mich nur angucken, dann tue ich, was er von mir will.“
„Ich will aber auch Musik hören!“, kräht Lasse.
„Gib Lisa den Ohrstöpsel zurück. Sofort!“, wiederholt Christian.
„Boah, Papa, das sind keine Ohrstöpsel, sondern AirPods“, beschwert sich Lisa und rollt mit den Augen. „Und jetzt gib mir das Ding her!“, fordert sie von ihrem Halbbruder und gerät mit ihm in ein Handgemenge, bei dem er schnell den Kürzeren zieht.
„Aua!“, schreit Lasse und stimmt ein ohrenbetäubendes Geheul an, so als hätte Lisa ihm einen Finger abgebissen. „Lisa hat mir wehgetan!“
„Hab ich nicht!“, giftet Lisa zurück. „Hör auf mit dem Theater, und sei still, ich will jetzt den Film weiter … igitt – da klebt jetzt dein Ohrenschmalz dran, du bist so eine widerliche Kröte!“
„Papa, Lisa hat widerliche Dröte zu mir gesagt!“, schreit Lasse und heult noch lauter.
Noch ehe Christian etwas entgegnen kann, ruft Lisa dazwischen: „Lern du erst mal richtig sprechen, bevor du dich beschwerst. Sag mal Kröte, Kröte, Kröte!“
„Ruhe!“, donnert Christian. „Wir sind im Urlaub, und es wird nicht mehr gestritten, hab ich gesagt!“
„Safe“, sagt Lisa.
„Hör auf mit diesem Safe“, entgegnet Christian. „Das nervt.“
„Was soll ich denn sonst sagen?“
„Das heißt: Ja, Papa.“
„Ja, Papa“, äfft Lisa ihren Vater nach, doch der seufzt nur.
„Außerdem sind wir im Auto“, sagt Lasse mit wichtiger Miene. „Noch nicht im Urlaub. Wenn wir da sind, streiten wir nicht mehr.“
Na, da bin ich ja mal gespannt, denke ich. Denn Lasse und Lisa nehmen beide kein Brett vor den Mund, und überhaupt, wenn es um einen Rinderknochen gegangen wäre, hätte ich diesen Streit ja noch nachvollziehen können, aber mir erschließt sich ohnehin nicht, warum sich die Menschen diese Knöpfe ins Ohr stecken, ich dachte, das gehört nur bei Rindviechern so – und bei diesen Teddybären.
Aber ich bin ja auch davon ausgegangen, dass das ein entspannter Urlaub mit meiner geliebten Goldie wird, bis wir erfahren haben, dass diese Tornados auf zwei Beinen mit uns kommen.
Tja, und nun sollen es vierzehn Tage Sylt sein. Auf dem Kampener Campingplatz. Im Mietwohnwagen. Zwei Erwachsene, ein Sack Flöhe und eine vierzehnjährige Ziege.
Herrliche Aussichten!
Generell bin ich ja der Meinung, dass Menschen so einen Urlaub mit einem Umzug verwechseln. Es könnte doch so einfach sein: Trinknapf, Fressnapf, Kuscheldecke, Körbchen – was braucht man mehr? Gut, einen Kauknochen noch, und für Goldie einen Ball, aber das war es dann auch schon.
Keine Ahnung, was die Menschen immer alles mit sich herumschleppen.
Allein Lisa hat zwei Koffer dabei. Was für ein Glück, dass mein neues Herrchen so ein großes Auto samt so einer langen Box auf dem Dach hat. Oder auch sein Pech, denn er stöhnt ganz schön beim Ausladen. Überhaupt leuchtet mir nicht ein, was an dieser Box so praktisch sein soll, denn schon das Beladen hat ewig gedauert. Christian hat, auf dem Tritt der offenen Fahrertür balancierend, die Taschen von links nach rechts geschoben, weil sich das Ding nicht schließen ließ. Kein Wunder, die hat nämlich einen speziellen Mechanismus. Erst nachdem Christian etwa fünfzig verschiedene Flüche ausprobiert hat, ging sie endlich zu.
Aber so sind die Menschen. Die kaufen gern komplizierte Dinge und machen sich damit das Leben schwer – sogar im Urlaub.
Ich habe mich mit Goldie in eine Ecke des Vorzelts verzogen, zwangsläufig, weil Frauchen uns da angebunden hat.
Na gut, sie hat nur mich angebunden, weil sie mir nicht über den Weg traut – dabei bin ich doch im vergangenen Urlaub auf Sylt gar nicht sooo oft abgehauen. Abgesehen davon hatte ich allen Grund dazu, nachdem ich Goldies Fährte auf der Uwe-Düne erschnüffelt hatte.
Jetzt habe ich keinen Grund mehr auszubüxen, denn wo meine geliebte Golden-Retriever-Lady ist, bin auch ich – und umgekehrt, denn Goldie lässt auch mich nicht mehr aus den Augen.
Nun gut, das könnte ich als Kompliment sehen, aber ich weiß schon, warum sie das macht. Schließlich gibt es diese einfache und bekannte Gleichung, bei der man den Abstand zwischen zwei Katastrophen berechnet und exakt meine Dackellänge herauskommt.
„Was machen wir jetzt?“, frage ich und gucke Goldie mit geneigtem Kopf unternehmungslustig an.
„Was wohl? Warten“, entgegnet sie mit aller Gemütsruhe, während sie sich hinlegt und dabei beobachtet, wie ihr Herrchen schnaufend einen Koffer durch das Vorzelt zieht, an den sich Klein-Lasse wie ein Äffchen klammert.
Ich seufze. „Deine Geduld möchte ich haben …“ Und die von meinem neuen Herrchen auch, denke ich bei seinem Anblick. Er ist zwar ein ziemlich sportlicher Typ, aber auch seine Energie hat Grenzen, und ich sehe ihm an, dass er bald am Ende seiner Kräfte und damit am Ende seines Geduldsfadens angelangt ist.
Frauchen kommt ins Vorzelt, sie hat sich bereits ihr hellblaues Strandkleid übergeworfen, ist barfuß und hat die Arme voller Sandspielzeug. „So, hier habe ich Ablenkungsmaterial. Schau mal, Lasse.“
„Ja, Sand spielen!“, jubelt Lasse und springt vom Koffer.
Christian zieht die Augenbrauen hoch und blickt in Richtung Frauchen. „Ich glaube kaum, dass du Lisa zum Burgenbauen überreden kannst.“ Auch sein graues Lieblingsshirt, mit den bunten Brettern und den Wellen drauf, passt zur erwartungsvollen Urlaubsstimmung.
„Warum Lisa?“
„Weil wir Lasse nicht allein lassen können.“
„In Sichtweite ist doch der schöne Sandspielplatz, da könnte er allein hin und ein bisschen buddeln. Wir hätten ihn immer im Blick.“
„Nicht, solange wir hier ausräumen.“
„Ich bitte dich, wir gehen doch ständig rein und raus.“
„Glaub mir, Lasse hat viel zu viel Blödsinn im Kopf. Dem reicht eine Sekunde ohne Aufsicht.“
Eine Sekunde. Wow, ich muss schon sagen, das beeindruckt mich. Unter drei Sekunden hab ich es noch nie geschafft. Klingt nach einer Herausforderung.
„Wo steckt Lisa überhaupt?“, fragt Frauchen.
Christian hebt die Hände. „Keine Ahnung, eigentlich wollte sie sich nach der Fahrt nur kurz im Waschraum frisch machen. Aber es kann gut sein, dass sie sich extra lange Zeit lässt, weil es hier viel zu tun gibt.“ Christian guckt ziemlich finster in Richtung Waschhaus. „Das gibt nachher eine Ansage – uns hier mit dem ganzen Kram allein zu lassen und stattdessen vor dem Spiegel Pirouetten drehen, also wirklich!“
Frauchen winkt mit einem Lächeln ab. „Ich hätte in dem Alter auch keine Lust gehabt, auf meinen kleinen Bruder aufzupassen oder Koffer zu schleppen – und um ihre eigenen Sachen kann sie sich ja auch später noch kümmern.“
„Na schön“, seufzt Christian, und kaum, dass er den Koffer wieder in die Hand genommen hat, ist Klein-Lasse auch schon wieder draufgehüpft.
„Hüa, hüa, Pferdchen!“, ruft er und hopst auf dem Koffer auf und ab, als ob er in einem Sattel sitzen würde. Sein gelbes T-Shirt mit Cowboy und Pistole passt dazu perfekt.
„Der hat ein Temperament“, sage ich ehrfürchtig zu Goldie.
„Ja, da staunst selbst du“, antwortet sie und knabbert liebevoll an meinem Ohr. „Aber ich liebe dein Temperament. Meistens …“, setzt sie augenzwinkernd hinzu.
Ja, wir sind ein ziemlich ungleiches Paar, ich gebe es zu – und das äußert sich nicht nur in unserem Temperament, sondern fängt schon beim Aussehen an.
Wenn wir zusammen unterwegs sind, drehen sich die Zweibeiner und die Vierbeiner nach uns um. Die Menschen finden uns total süß, von unseren Artgenossen hingegen kommen schon mal so gehässige Kommentare wie „Ach, guck mal, das schmale Frettchen und die Riesenhündin – da hat wohl jemand einen Mutterkomplex, und sie verwechselt den Rüden mit einem Welpen.“
Ich habe keine Ahnung, was komplexe Mütter sind, allerdings ist das noch einer der freundlicheren Sprüche, die wir zu hören bekommen.
Aber da stehen wir drüber – wobei, ich laufe eher drunter weg, und falls es einer ganz genau wissen will, ja, auch die schönste Sache der Welt, und damit meine ich nicht das Verspeisen eines Rinderknochens, funktioniert so halbwegs zwischen uns, wir üben noch, aber ich spare mir diskret alle weiteren Details.
Leider kommt es jedoch nur sehr selten zu diesem Vergnügen, denn erstens müssen wir einen unbeobachteten Moment erwischen, und zweitens lässt Goldie mich nur an sich ran, wenn sie läufig ist.
Eines steckt, ich meine, steht jedoch fest: Auf die Größe kommt es nicht an – das hat Frauchen damals auch zu ihrem letzten Freund, Mausebär, gesagt.
Goldie legt den Kopf auf diesem künstlichen Grasteppich ab. Gras, das man nicht bepinkeln darf, so was können sich auch nur Menschen ausdenken.
Unglaublich, dass Goldie nach der langen Autofahrt keine Hummeln im Ohr, nein, ich meine, Flöhe im Hintern hat.
Ich möchte mir dringend die Beine vertreten, meine Ankunft auf dem Campingplatz an jeder Laterne mitteilen und natürlich meine Freunde wiedersehen. Mein Rudel.
Unsere Leinenhalter haben nämlich vereinbart, dass wir uns in diesem Jahr zur selben Zeit auf dem Campingplatz wiedertreffen.
Okay, es ist nur ein Urlaubsrudel, das vierzehn Tage lang auf mein Kommando hört, aber ich bin schon ziemlich stolz darauf, dass ich im vergangenen Sommer als kleiner Dackel von einem Rottweiler diese ehrenvolle Aufgabe übertragen bekommen habe.
Nun gut, es war mehr ein Akt der Verzweiflung von Rotti, weil er in seinem Alter der nervlichen Belastung nicht mehr gewachsen war, die mit diesem verantwortungsvollen Posten zusammenhängt, drücken wir es mal so aus und reden nicht mehr von seinem Fressnapf, den er am Rande eines Nervenzusammenbruchs hingeworfen hat.
Warum er durchgedreht ist? Nun ja, unsere Truppe ist ein … Wie soll ich mich ausdrücken? Sagen wir, ein bunt zusammengewürfelter Haufen, der immer für eine Überraschung gut ist. War die Umschreibung freundlich genug für einen Chaotenhaufen, bei dem Bier und Korn verloren sind?
Ehrlich gesagt wollte ich den Job zunächst nicht machen, aber Rotti hat mich praktisch dazu genötigt, sonst wäre die Suche nach Goldie im Sande verlaufen – im wahrsten Sinne des Wortes.
Und so wurde ich Rudelführer von sechs Hunden, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten – vorsichtig formuliert.
„Ob wohl schon alle da sind?“, denke ich laut nach.
„Ich freue mich schon sehr darauf, sie alle endlich richtig kennenzulernen“, sagt Goldie.
Ich nicke beklommen, weil mir schlagartig bewusst wird, dass es auch nach hinten losgehen könnte, wenn Goldie mich als Rudelführer dieses Chaotenhaufens erlebt. Sie könnte enttäuscht von mir sein, und ich wäre nicht mehr der große Held, als den sie mich kennengelernt hat.
Am Ende des letzten Urlaubs mussten Camper und ich am Hundestrand vor dem Roten Kliff von Kampen nämlich ganz schön viel Fell und beinahe unser Leben lassen, um einen durchgeknallten Rüden in die Flucht zu schlagen, der sich an Goldie rangemacht hatte.
Seitdem weiß ich übrigens, was Klöten sind. Das hat mir Lotti beigebracht, eine Dackelhündin, die mich mit Maulkorb kennengelernt und deshalb gedacht hat, dass ich auch auf härtere Sachen stehe – aber das ist eine andere Geschichte. So wenig ich Lotti jedenfalls am Anfang mochte, so sehr habe ich sie am Ende für ihren Mut bewundert. Ich freue mich richtig auf ein Wiedersehen mit ihr, denn auch ihr Herrchen hat dieses Jahr den Campingplatz gebucht.
„Ich bin mal gespannt, ob Lotti auch einen Antrag auf Aufnahme in mein Rudel stellt“, sage ich nachdenklich, womit wir wieder zurück bei der Chaotentruppe wären.
„Na ja, so wie ich Lotti kennengelernt habe, ist Unterwürfigkeit nicht so ihr Ding“, bemerkt Goldie mit einem Schmunzeln.
„Ach was, du wirst schon sehen, wie sie auf mich hört“, gebe ich mich großspurig und baue mich mit stolzgeschwellter Dackelbrust vor Goldie auf. Dabei zieht die Leine ordentlich an meinem Halsband. „Was für ein Mist, warum hat Frauchen mich angebunden? Ich würde so gern über den Platz laufen und nachsehen, wer schon da ist.“
„Tja, warum hat dein Frauchen das wohl gemacht?“ Goldie grinst. „Ach, Max, du dürftest doch ohnehin nur in Begleitung eines Menschen über den Campingplatz spazieren.“
„Irrtum, das sieht der Platzwart anders. Hunde, die ihm bekannt sind, dürfen sich frei bewegen. Und falls sich doch mal einer danebenbenimmt, sorgt Rotti für Ordnung.“ Ich mache eine kurze Denkpause. „Oh, hoppla, das ist ja jetzt meine Aufgabe. Bei allen Rinderknochen, ich muss dringend los, damit ich meinen Job machen kann!“ Ich ziehe an der Leine und prüfe, ob ich mich irgendwie aus dem Halsband befreien kann.
Aussichtslos.
Flehend blicke ich Goldie an. „Was mache ich denn jetzt?“ Ich sitze wie auf glühenden Koffern.
Amüsiert schüttelt Goldie den Kopf und richtet den Blick auf Frauchen und Christian, die unablässig zwischen Auto und Vorzelt hin und her pendeln. „Abwarten und Wasser saufen, bis die beiden mit dem Auspacken fertig sind, dann gehen sie bestimmt mit uns Gassi. Im Moment scheinen sie etwas beschäftigt zu sein.“
Etwas beschäftigt. So kann man es auch ausdrücken. Christian sieht eher so aus, als ob er am Rande eines Nervenzusammenbruchs steht.
Kapitel 2
„Lasse, bitte, renn mir nicht ständig vor die Füße!“
„Ich darf nicht mehr auf dem Doffer reiten, hast du gesagt, also bin ich jetzt ein Rennpferd!“
„Aber nicht vor meinen Füßen! Ich wäre fast über dich drübergefallen. Willst du, dass ich mir wehtue?“
„Dann puste ich“, antwortet Lasse mit treuherzigem Blick.
Christian schüttelt den Kopf und stellt seufzend den Korb ab, in dem jede Menge Sachen sind, die Menschen gern essen, aber so wie ich das rieche, ist da leider nix für uns dabei.
„Lasse, kannst du nicht mal eine Minute still sitzen?“
Der Junge guckt seinen Vater ratlos an. „Das weiß ich nicht. Wie lange ist eine Minute?“
Christian kniet sich vor seinen Sohn hin und legt ihm die Hände auf die Schultern. „Okay, Lasse, pass mal auf, ich habe eine Idee. Du setzt dich hier hin, mitten ins Vorzelt. Ich hole noch was aus dem Auto und zähle dabei bis sechzig. Dann ist eine Minute um, und du sitzt immer noch genau auf dieser Stelle. Schaffst du das?“
„Ich schaffe alles!“, ruft Lasse und lässt sich mit Begeisterung auf die Knie seines Vaters fallen.
„Aua!“, schreit Christian. „Vor allem schaffst du mich!“, fügt er hinzu und guckt dabei so, als ob er nicht weiß, ob er heulen oder lachen soll.
„Wie meinst du das, Papa?“, fragt Lasse und guckt noch ratloser als vorhin.
Christian seufzt erneut, dieses Mal noch tiefer. „Egal. Also, du bleibst jetzt eine Minute einfach mal still sitzen.“ Er schiebt seinen Sohn von den Knien runter und rappelt sich auf. Bevor er das Vorzelt verlässt, wirft er noch einen prüfenden Blick auf Lasse und geht dann zum Auto, wo auch Frauchen ist.
„Jetzt bin ich gespannt“, sage ich zu Goldie und beobachte den kleinen Kerl erwartungsvoll. Überraschenderweise bleibt er tatsächlich sitzen.
Wobei das mit Stillsitzen wenig zu tun hat. Lasse streckt die Ärmchen und greift in den Korb mit dem Essen. Zielsicher zieht er eine offene, durchsichtige Tüte heraus und schiebt sich ein süßlich riechendes, weiches weißes Teilchen nach dem anderen in den Mund.
„Lasse! Was machst du da?“, ruft Christian, als er mit zwei weiteren Einkaufstaschen ins Vorzelt zurückkehrt.
„Nichts.“ Lasse kaut und schluckt. „Ich sitze hier, wie du es gesagt hast. Und die Mamellos habe ich mir als Belohnung genommen.“
„Belohnung? Die Marshmallows darfst du nicht essen!“
Klein-Lasse macht große Augen. „Warum nicht? Die sind doch zum Essen da, und die Packung war offen.“
„Aber die gehören deiner Schwester, das weißt du ganz genau. Außerdem gibt es vor dem Abendessen keinen Naschkram.“
Lasse schiebt die Unterlippe vor, und es sieht so aus, als ob er jeden Moment in Tränen ausbrechen würde. Dem armen Kerl ist echt eine Wurst über die Leber gelaufen, und ich bekomme direkt Mitleid mit ihm.
„Aber ich sitze hier immer noch. Ganz brav. So wie du es gesagt hast. Dafür darf ich eine Belohnung. Du kannst Lisa ja neue Mamellos kaufen.“
„Nein und nein.“ Christian stellt die Einkaufstaschen ab. Als er sich wieder aufrichtet, fasst er sich mit einer Hand an den Rücken und verzieht das Gesicht.
„Biiiitttteeeeee, Papa!“ Lasse setzt einen Blick auf, der meinem Dackelblick alle Ehre macht, das muss ich schon zugeben. Aber mein neues Herrchen bleibt hart.
„Nein.“
Allerdings wäre Lasse nicht Lasse, wenn er sich davon beeindrucken lassen würde. „Dann will ich ein Eis.“
Christian seufzt und hält sich mit schmerzverzerrtem Gesicht den Rücken. „Wenn schon, dann heißt das: Ich möchte bitte ein Eis.“
„Ich möchte bitte“, verbessert sich Lasse prompt.
Sein Vater grinst schief und schüttelt den Kopf. „Da würde ich ja arm werden und du kugelrund, wenn ich eine Minute still sitzen mit einem Eis belohnen würde. Du musst schon ein bisschen länger durchhalten.“
„Wie lange denn?“, fragt Lasse interessiert.
Christian überlegt. „Sagen wir zehn Minuten. Wenn du das schaffst, dann kaufe ich dir nachher ein Eis am Kiosk. Aber das gilt nur für heute.“
Lasse legt den Kopf schräg. „Wie lange sind denn zehn Minuten?“
„Zehnmal so lang wie eine Minute“, sagt Christian, während er den Inhalt einer Einkaufstasche in ein Schränkchen im Vorzelt räumt.
Mich würde ja mehr interessieren, wo meine Leckerlis sind, aber so wie ich Frauchen kenne, hat sie die besonders gut versteckt, und ich muss irgendeinen Quatsch dafür machen wie Pfötchen geben oder bei Fuß gehen, was ich echt mühsam finde.
„Zehnmal so lange?“, wiederholt Lasse ungläubig. „Das ist zu viel. Langweilig! Das mach ich nicht. Außerdem hast du gesagt, dass das nur heute gildet. Morgen kriege ich also ein Eis ohne Stillsitzen.“
„Ganz schön clever, dein Sohn“, sagt Frauchen lachend, während sie noch eine weitere Einkaufstüte ins Vorzelt schleppt.
„Also, ich finde das auch“, sage ich. „Klein-Lasse kann echt nervig sein, aber seine Einstellung gefällt mir.“
„Ich hoffe nur, dass da mindestens ein Rinderknochen für uns dabei ist …“, sagt Goldie mit einem sehnsüchtigen Blick auf die Einkaufstüte. Für Klein-Lasse interessiert sie sich überhaupt nicht.
„Ich rieche leider keinen“, stelle ich ganz zu meinem eigenen Bedauern fest.
„Aber ich habe sooo einen Hunger“, jammert Goldie.
„Wann hast du mal keinen Hunger?“, frage ich belustigt. Goldie könnte wirklich den ganzen Tag futtern, und wenn ich sehe, welche Portionen sie verdrückt, dann frage ich mich immer, wie sie im Gegensatz zu mir ihre schlanke Figur behält. Okay, es könnte daran liegen, dass sie etwas lauffreudiger ist als ich, aber ich bewege mich angesichts meiner kurzen Beine wirklich viel, und eines möchte ich bei der Gelegenheit mal betonen: Ich habe keinen Hängebauch – das ist ein Feinkostgewölbe.
„Ich habe immer Hunger!“, bekräftigt Goldie keineswegs beleidigt, denn für sie ist das schlicht eine Tatsache. „Hoffentlich gibt’s vor dem Spaziergang noch was zu futtern, bis zum Abend halte ich das nicht aus. Wegen der Fahrt ist ja mein Frühstück ausgefallen.“
„Das schaffst du schon“, sage ich beschwichtigend. „Ich bekomme auch nur einmal täglich was.“
„Ich bin aber nicht du!“, jammert Goldie. „Mein Hunger wird immer schlimmer.“
„Dann setz dich vor dein Herrchen, und mach ihm klar, dass du dringend was zu futtern brauchst.“
Traurig schüttelt Goldie den Kopf. „Nein, das bringt nix. Der lässt sich nicht erweichen. Vor heute Abend gibt der mir nix, das weiß ich.“
Liebevoll stupse ich Goldie an. „Okay, pass auf, ich habe eine andere Idee. Ich setze bei Frauchen meinen Dackelblick ein – der wirkt, erst recht, wenn sie in Urlaubsstimmung ist –, und ganz gleich, welches Leckerli sie hervorzaubert oder womit sie sogar meinen Napf füllt, das bekommst du.“
„Du bist wirklich ein ganz großer Schatz“, sagt Goldie mit glänzenden Augen. Hach ja, manchmal kann es so einfach sein, ein Weibchen glücklich zu machen.
„Kein Problem“, sage ich leichthin, denn Hunger habe ich im Moment tatsächlich keinen. „Ich hoffe nur, dass Frauchen auf meinen Dackelblick anspringt, weil sie doch so im Stress ist.“
„Du schaffst das. Und ich werde auf unserem Spaziergang alles dafür tun, um dein Frauchen davon zu überzeugen, dass sie dich von der Leine lässt.“
„Das ist ein Deal!“, rufe ich erfreut. Wir ergänzen uns eben perfekt.
„Max ist ziemlich unruhig“, stellt Frauchen fest, als ich mit einem Jaulen auf mich aufmerksam mache.
„Ja, Goldie hat gerade auch schon gejault“, entgegnet Christian und fügt hinzu: „Ich glaube, die beiden müssen Gassi!“
„Ja!“, rufe ich. „Aber erst mal braucht Goldie dringend was zu futtern. Hast du was für mich, Frauchen?“ Wegen der Leine komme ich nicht so nah an sie ran, wie ich gern möchte, aber mein Gefühl sagt mir, dass mir mein Dackelblick ganz hervorragend gelungen ist.
„Ach, mein armer kleiner Maxl …“ Frauchen beugt sich zu mir runter und krault mich hinter den Ohren.
Sage ich es nicht? Wenn man davon absieht, dass sie mich schon wieder Maxl genannt hat, läuft mein Plan wunderbar. Als sie mir im letzten Urlaub den Herzchenanhänger gekauft hat, auf dem groß und breit Max steht, war ich ja guter Hoffnung, dass sie endlich lernt, wie ich richtig heiße. Aber Frauchen braucht zum Lesen nun mal eine Brille, und die hat sie nie auf, wenn sie mich anguckt. Leider.
So, jetzt bin ich aber gespannt, was sie mir Leckeres zum Trost anbietet. Vielleicht hat sie ja doch einen Rindfleischknochen gekauft? Davon würde ich dann allerdings zwei, drei Bissen nehmen, okay, vielleicht auch fünf bis sieben – aber natürlich würde ich Goldie den größten Anteil überlassen.
Damit mein Frauchen auch wirklich genug Mitleid mit mir bekommt, jaule ich zur Sicherheit noch ein bisschen, während sie mich krault.
„Ja, Maxl, ist ja gut …“
„Ich heiße Max!“, beschwere ich mich lautstark. „Meinetwegen auch Maximilian von Großbeeren – aber nicht Maxl!“
Frauchen dreht sich zu Christian um. „Weißt du, wie froh ich bin, dass du nicht gleich an die Decke gehst, wenn Maxl mal bellt oder jault?“
„Warum sollte ich?“, fragt mein neues Herrchen irritiert. „Lasse, nein, nicht die Küchenrolle abwickeln!“ Er nimmt seinem Sohn das Ding aus der Hand, mit dem auch ich so gern spiele, wenn ich es mal in die Pfoten kriege. Das macht so richtig Spaß, die zu zerfetzen. Ich verstehe gar nicht, warum man das nicht darf. Ist doch ein total unverfängliches Vergnügen.
Frauchen seufzt. „Ach, bei mir kam gerade nur so eine Erinnerung an den letzten Urlaub hoch.“
„Lasse! Finger weg von der Sonnencreme. Das mache ich nachher!“, ruft Christian, und zu Frauchen sagt er: „Stimmt, dein damaliger Freund war nicht so der Hundefreund, obwohl er so getan hat. Wie hieß der Typ noch gleich?“
„Mausebär!“, rufe ich und bemerke erleichtert, dass Lasse die Sonnencreme weggelegt hat. An die habe ich auch keine guten Erinnerungen.
„Carsten hieß er“, entgegnet Frauchen knapp und krault mich so liebevoll, dass ich mich instinktiv auf den Rücken drehe, die Beinchen anziehe und ihr meinen Bauch anbiete. Das muss jetzt sein, in dieser Zeit wird Goldie bestimmt nicht verhungern.
„Hat er sich mal wieder gemeldet?“, fragt Christian, während er die Kaffeepackung öffnet. „Ich brauche jetzt einen Kaffee. Möchtest du auch?“
Mich fragt mal wieder keiner. Ich mag zwar ein Hund sein, aber ich liebe Kaffee. Trinken darf ich den allerdings nicht. Frauchen sagt, da ist Koffein drin, und das ist gefährlich für mich. Als ich mal in einem unbeobachteten Moment aufs Sofa gesprungen bin, um ein bisschen was davon aus ihrem Becher zu schlabbern, gab’s ganz schön Ärger.
„Nein, danke, dafür ist es mir zu spät. Und von Carsten habe ich nichts mehr gehört. Gott sei Dank. Ich hab ihn ja damals aus gutem Grund in die Wüste geschickt. Nur von Weitem habe ich ihn mal gesehen, in München, an der Ecke zur Maximilianstraße, mit einer aufgebrezelten Tussi, das kannst du dir nicht ausdenken! Die Lippen und Brüste so aufgespritzt, dass ich dachte, sie stünde kurz vorm Platzen. Aber das Beste war, die Frau hatte einen Pekinesen auf dem Arm.“
„Wieder eine Frau mit Hund? Das ist ja unfassbar! Hat der wirklich nichts dazugelernt?“
„Offenbar nicht. Aber vielleicht ist sie ihn auch schon wieder losgeworden. Als sie den Hund abgesetzt hat, hat der Pekinese ihm ans Bein gepinkelt.“
„Das nennt sich dann wohl Karma“, sagt Christian, schüttet etwas von dem schwarzen Pulver in die Kaffeemaschine und lacht.
„Tja, Geschichte wiederholt sich eben, wenn man nichts aus ihr lernt.“
Ja genau, denke ich. Da bin ich ganz der Meinung von Frauchen, und tatsächlich hat sie einiges dazugelernt und mit meinem neuen Herrchen die richtige Wahl getroffen. Wobei, genau genommen bin ich ja der Fährte gefolgt, die uns beide zum Glück geführt hat, auch wenn Frauchen am Anfang noch Schwierigkeiten hatte, das zu erkennen, sagen wir es mal so.
Frauchen hat nach dem Urlaub jedenfalls nie wieder ein Wort darüber verloren, was ich alles angestellt habe, also schweige auch ich, und wir vergraben den abgenagten Knochen von gestern.
Apropos Knochen – da war doch noch was. Schnell rolle ich mich aus meiner Rückenlage zurück auf den Bauch, um Frauchen flehend anzusehen.
„Goldie hat Hunger und ich …“
„Ja, mein Kleiner, ich versteh dich schon.“
Das ist gut, denke ich erleichtert. Sehr gut. Mir fällt ein Herz vom Stein, denn mit unserer Kommunikation ist das ja manchmal so eine Sache …
„Ich weiß, du willst Gassi. Wir machen uns gleich auf den Weg.“
„Nein, du verstehst mich nicht!“, jammere ich. „Gassi ist super, aber davor brauche ich noch was zu futtern. Du hast doch bestimmt was Feines für mich – also für Goldie?“ Noch ein Dackelblick. Und zwar einer von der Sorte, der ganz klar ausdrückt, dass ich kurz vorm Hungertod stehe. Also, jetzt muss sie es doch kapieren.
Prompt spiegelt sich eine Erkenntnis in Frauchens Augen, begleitet von einem sorgenvollen Stirnrunzeln. „Geht’s dir nicht gut, mein Kleiner? Dein leidender Blick gefällt mir gar nicht.“
„Ich leide nicht! Goldie leidet, weil sie Hunger hat!“, protestiere ich.
„Ist dir vielleicht übel? Kommt das noch von der Autofahrt?“ Fragend blickt sie erst mich und dann mein neues Herrchen an.
„Vielleicht liegt es auch an der Luft im Vorzelt“, sagt Christian nachdenklich und schaltet die Kaffeemaschine an. „Es ist ja doch etwas stickig hier drin.“
„Daran wird es liegen! Im Auto hatte er ja auch keine frische Luft. Vielleicht sollten die beiden doch im Schatten vor dem Vorzelt …“
„Lasse, nein, nicht hier drin mit dem Ball spielen!“, ruft Christian. „Außerdem gehört der Gol…“
Weiter kommt er nicht, denn wenn es ums Spielen geht, dann ist Goldie die Erste am Ball. Im wahrsten Sinne des Wortes.
Ich kann nicht mehr genau sagen, wer zuerst an dem Schränkchen war. Goldie oder der Ball. Dort stand jedenfalls das offene Päckchen mit dem Kaffee.
Ja, es stand dort. Jetzt liegt es auf dem Boden, und das Pulver hat sich großzügig über den künstlichen Grasteppich verteilt.
„O nein!“, ruft Christian. „Auch das noch!“
„Alles halb so wild“, entgegnet Frauchen beruhigend.
Na, wenn sie das auch mal zu mir sagen würde, nachdem ich mit einem Sofakissen gekämpft habe, das sich mit mir angelegt hat …
„Was für eine Bescherung!“, ruft Christian noch immer fassungslos und rauft sich die Haare.
Also, eine Bescherung sieht wirklich anders aus – die gibt’s nur einmal im Jahr, und zwar, wenn es ein Festmahl für mich gibt und zum Nachtisch einen Geschenkpapierhaufen, garniert mit Kartons, in den ich mich genüsslich stürzen darf.
Okay, dürfen ist vielleicht etwas weit gegriffen. Es ist eher so, dass ich abwarte, bis Frauchen mit einem gefüllten Trinknapf in der Hand am Ende des Heiligabends selig und erschöpft auf die Couch sinkt – dann gehört das Papier mir, und ich weiß, dass sie nicht in der Stimmung ist, um mit mir zu schimpfen. Das ist dann eine wirkliche Bescherung, so wie es danach im Wohnzimmer aussieht.
„Ich kümmere mich darum“, sagt Frauchen und lenkt Christian an den Schultern sanft in unsere Richtung. „Bring du bitte die Hunde nach draußen, nicht dass sie von dem Pulver was auflecken. Das wäre gefährlich.“
„Geht klar“, sagt Christian, doch kaum, dass er sich um uns kümmern will, kräht Lasse hinter seinem Rücken:
„Ich baue dir eine Burg, Papa. Eine schwarze Burg, da wohnt ein gefährlicher Ritter drin!“ Lasse holt sich seine Schaufel und stößt sie in die Luft, als ob sie ein Schwert wäre. „Ein ganz gefährlicher Ritter!“
„Da bekomme ich aber Angst!“, ruft Christian lachend, dann wird er wieder ernst. „Ich glaube, das ist keine gute Idee, Lasse. Aber ich habe sowieso einen viel besseren Vorschlag. Wie wäre es, wenn du mit den Hunden vor dem Vorzelt Ball spielst?“
Lasse legt den Kopf schräg und sieht dabei alles andere als begeistert aus, aber dann scheint ihm etwas einzufallen. Er strahlt und ruft: „Ja, ich will Ball spielen!“
„Na, dann komm. Aber mach keinen Blödsinn, ich habe dich im Blick“, warnt ihn sein Vater, während wir hinausgehen.
Na ja, denke ich, wenn er meint. Dieses Glänzen in den Augen seines Sohnes hat er wohl übersehen? Lasse führt doch schon wieder was im Schilde. Aber gut, wir sind ja wirklich nicht weit weg, und wenn was schiefläuft, dann bellen wir einfach.
Ach nein, Moment, ich habe noch eine viel bessere Idee, denke ich, kaum dass wir draußen sind. Goldie wird mit dem kleinen Wildfang Ball spielen, und ich checke mal, wer von meinem Rudel schon da ist, und sage ihnen Hallo. Seitdem der Ball aufgetaucht ist, scheint Goldie ihren Hunger ohnehin vergessen zu haben.
Ich halte meine Nase in den Wind. Christian beugt sich zu mir und nimmt den Karabiner in die Hand.
„Maxl bleibt aber an der Leine, den bindest du draußen an“, höre ich Frauchen rufen.
Das darf ja wohl nicht wahr sein! Ich war einen Klick von meiner Freiheit entfernt!
„Ernsthaft, Ronja? Das ist doch Folter für Max!“, ruft Christian. „Wenn Goldie Ballspielen darf und Max nicht.“
„Ach Unsinn, Maxl ist viel zu faul zum Ballspielen, erst recht bei der Wärme“, antwortet Frauchen.
„Na dann“, sagt Christian und bindet mich an der Verlängerung vom Wohnwagen an, an der normalerweise die Autos ziehen. „Hier hast du ein bisschen Schatten.“
„Nicht dein Ernst!“, protestiere ich, obwohl ich bereits ahne, dass ich mit meinem Gebell nichts bezwecken werde.
„Tut mir leid, Max“, sagt er schulterzuckend und ruft dann Frauchen zu: „Das sehe ich ja erst jetzt. Der Fahrradverleih hat die E-Räder mit den Anhängern schon geliefert und hier hinten angeschlossen. Perfekt! Aber wo sind die Schlüssel?“
„Müssten an der Rezeption sein!“, ruft Frauchen zurück. „Ja, das hat super geklappt.“
Super? Verzweiflung keimt in mir auf. Ich hasse Anhänger fahren, hat Frauchen das denn schon vergessen? Das letzte Mal vor ein paar Jahren ist mir noch sehr gut in Erinnerung geblieben – oder sagen wir besser: meinem Magen. „Das ist eine ganz blöde Idee mit dem Anhänger“, rufe ich Frauchen zu.
„Ruhe, Maxl! Huch, warum funktioniert denn der Staubsauger nicht?“
„Ich komme!“, ruft Christian und wirft erneut einen mahnenden Blick auf seinen Sohn. „Und du spielst schön Ball mit Goldie.“
„Wird gemacht!“, sagt Lasse.
Na, denke ich, da kann ja wirklich nicht viel schiefgehen. Eigentlich.
Goldie wedelt erwartungsvoll mit ihrer buschigen Rute, sie hechelt und springt vor Lasse hin und her, der ihr den roten Ball präsentiert. An ihren Hunger scheint sie wirklich nicht mehr zu denken.
So aufgeregt erlebt man sie selten, denn normalerweise ist Goldie die Geduld in Person, sie kann stundenlang in aller Seelenruhe auf ihrem Platz ausharren, aber sie muss nur das Wort „Ball“ hören, und schon vergisst sie alles um sich herum.
So wie jetzt, als Lasse den Ball in meine Richtung wirft und Goldie mich fast umgerannt hätte.
Sie sieht nur noch den Ball, schnappt ihn sich, trägt ihn zurück zu Lasse und legt ihn vor seinen Füßen ab – bereit für die nächste Runde.
Lasse wirft erneut, und das Spiel beginnt von vorn. So geht es noch ein drittes Mal, und ich lasse mich seufzend ins Gras fallen, das wenigstens angenehm kühl ist.
„Merkwürdig …“, höre ich Christian sagen. „Ich sehe mal beim Stromkasten nach, vielleicht ist die Sicherung raus.“
„Gute Idee“, sagt Frauchen. „Ich gucke mir das auch mal an.“
„Sehr schön, Lasse, du spielst ja wirklich ganz lieb mit Goldie!“, bemerkt Christian begeistert, als er mit Frauchen aus dem Vorzelt kommt. Dann gehen die beiden auf die andere Seite des Wohnwagens zu diesem Stromkasten, den sie offenbar ansehen wollen. Na, wenn das was hilft?
Goldie hingegen scheint jetzt aufzufallen, dass es zum Ballspielen doch etwas zu warm ist. Obwohl sie sich nicht besonders anstrengen musste, kommt sie hechelnd auf mich zu. Die Zunge hängt ihr seitlich aus dem Maul, was ich besonders niedlich finde, und sie lässt sich neben mich ins Gras fallen.
„Goldie, spielen!“, ruft Lasse und winkt mit dem Ball.
Vergeblich.
Wenn Goldie nicht mehr will, dann will sie nicht. Da ist sie genauso stur wie ich.
„So erschöpft?“, frage ich und stupse ihr liebevoll in die Seite.
„Allerdings“, hechelt sie. „Und ich hab Hunger.“
Lasse lässt den Ball achtlos fallen und nimmt stattdessen das unbewachte Vorzelt ins Visier.
Was ihm wohl in den Sinn gekommen ist? Genauso gucke ich, wenn ein Hase in mein Blickfeld gerät. Voll innerlicher Vorfreude, die sich als Glanz in meinen Augen spiegelt.
Klein-Lasse huscht schnell wie eine Maus ins Vorzelt und ist genauso schnell wieder draußen.
Hm, merkwürdig.
Als sein Vater vom Stromkasten zurückkehrt, sitzt Lasse bei uns, als ob nichts gewesen wäre.
„Was machst du da?“, fragt Christian argwöhnisch.
„Mit den Hunden duscheln“, sagt Lasse. Wie zur Bestätigung legt er den Kopf auf Goldies Bauch ab.
Aus meiner Perspektive kann ich erkennen, dass er unter seinem Körper die Tüte mit den Mamellos versteckt. Die hat er also aus dem Vorzelt stibitzt. Aber ich vermute, da ist noch nicht alles.
„Das ist aber schön“, sagt Christian zufrieden, und an Frauchen gewandt fügt er hinzu: „Merkwürdig, die Sicherung ist drin, Strom haben wir also. Theoretisch. Jetzt stecken wir mal den Staubsauger im Wohnwagen ein, und wenn er dort auch nicht funktioniert, dann muss ich mir das Gerät mal ansehen. Lasse, du bist weiter schön brav!“
„Ich bin ganz brav, ich streichle nur die Hunde“, versichert Lasse erneut.
Erstaunlicherweise scheint Goldie es zu genießen, dass die Kinderhände unkoordiniert auf ihrem Körper herumpatschen, oder sie hat die Aussicht auf Futter aufgegeben, jedenfalls hält sie die Augen geschlossen, während ich Lasse aufmerksam beobachte. Ich traue ihm nicht.
Zu Recht.
Kaum sind Christian und Frauchen im Vorzelt verschwunden, greift Lasse zu seiner Beute. Und nun sehe ich auch, was er sich außer den Mamellos geschnappt hat: Die Sonnencreme.
Na bitte, soll er sich einschmieren, denke ich noch, doch meine Gelassenheit verwandelt sich schnell in Panik, als er die geöffnete Flasche über Goldies Bauch hält.
„Goldie, schnell, steh auf!“
„Was ist denn?“, entgegnet sie schläfrig.
„Das Zeug kenne ich, das kriegst du kaum mehr aus dem Fell!“ Das weiß ich aus leidvoller Erfahrung.
„Was denn für ein Zeug? Lasse streichelt mich doch nur“, entgegnet Goldie, ohne die Augen zu öffnen.
„Von wegen!“
Lasse hat die Creme bereits großflächig in ihrem Fell verteilt und kommentiert sein Tun mit ernster Miene: „Eincremen ist wichtig. Sonst gibt es Sonnenbrand. Dich muss ich auch noch eincremen.“ Damit meint er mich. Ich, der ich an der Leine bin und nicht flüchten kann.
Nur Frauchen kann mich jetzt noch retten.
„Nein, nein, nein!“, belle ich. „Frauchen? Hörst du …“
Der Staubsauger. Mein Erzfeind. Er funktioniert wieder. Lautstark und über jedes Hundegebell erhaben.
Meine kurze Leine lässt nicht zu, dass ich mich unter dem Wohnwagen verstecken kann. „Goldie, hilf mir!“
Sie guckt mich verwundert an. „Nun hab dich doch nicht so. Das Zeug riecht gut und kühlt angenehm.“
„Du musst ewig duschen, um das wieder aus dem Fall zu bekommen!“, jaule ich. Aber jetzt ist es sowieso zu spät, denke ich schicksalsergeben, während ich mich in einen weißen Dackel verwandle.
„Duschen ist doch nicht schlimm … und du siehst lustig aus“, kichert Goldie. „Wie ein Retriever-Welpe …“
„Sehr witzig“, gebe ich zurück. „Wenn du erst unter der Dusche stehst, dann vergeht dir schon noch das Lachen.“
„Warum? Hast du vergessen, dass ich es liebe zu duschen? Ich könnte den ganzen Tag im Wasser verbringen. Liegt wohl an meinen Genen. Meine Vorfahren mussten dem Jäger die geschossene Beute bringen, und das waren gern auch mal die Enten aus dem See.“
„Ich kann nur in Fuchs- und Kaninchenbauten krabbeln und das Wild rausscheuchen, dem Jäger vor die Füße. Aber ich bin nun mal wasserscheu! Frauchen! Hilfe!“
Goldie erhebt sich und schüttelt sich. „Oha, das klebt tatsächlich ganz schön im Fell. Fühlt sich doch nicht so toll an!“
„Sag ich doch!“, rufe ich verzweifelt, weil ich mich schon unter der Dusche sehe. Unter der Campingplatz-Hunde-Außendusche, die ich im vergangenen Sommer schon kennenlernen durfte, wo es keinen Sichtschutz gibt.
Schon mal was davon gehört, dass auch ein Hund seine privaten Sphären haben möchte? Erschwerend kommt hinzu, dass ich Gefahr laufe, mich zum Gespött meines Rudels zu machen.
„Ballspielen!“, ruft Lasse, nachdem Goldie aufgestanden ist.
Aber die schüttelt sich erneut und beschnüffelt ihr beschmiertes Fell.
„Nicht ablecken!“, warne ich sie.
„Bah, jetzt hab ich das Zeug auch noch in der Nase!“ Goldie schnaubt.
„Ballspielen!“, beharrt Lasse und wirft Goldie ihr Lieblingsspielzeug hin.
Demonstrativ wendet sie sich von dem kleinen Quälgeist ab und streckt ihm den Hintern zu. Goldie hat anscheinend die Nase voll – im wahrsten Sinne des Wortes.
Das begreift auch Klein-Lasse, aber er wäre nicht Klein-Lasse, wenn er sich damit abfinden würde.
Er greift zu der Tüte mit den Mamellos und schiebt sich eines davon in den Mund.
Na, meinetwegen, denke ich erleichtert. Soll er die Dinger futtern, bis er Bauchweh bekommt. Hauptsache, er lässt uns in Ruhe.
Zumindest ist das für einen Moment lang meine Hoffnung. Aber natürlich wird Lasse das schnell langweilig. Schließlich will er Ballspielen. Und wenn wir nicht mit ihm spielen, spielt er eben mit uns – und er wäre nicht Lasse, wenn er nicht immer noch ne Schrippe drauflegen würde. Nein, keine Schrippe, sondern Mamellos.
Das erste Mamello landet auf mir. Lasse jubelt, schiebt sich ein Mamello in den Mund, das nächste wirft er nach Goldie, und so geht das abwechselnd weiter.
Innerhalb kürzester Zeit sehen wir aus wie nach einer Schneeballschlacht, nur mit dem Unterschied, dass die Bälle kleiner sind und teuflisch im Haar kleben.
„He, ihr beiden, wie seht ihr denn aus?“
„Camper!“, rufe ich aus, als ich meinen Freund erblicke, dessen Fell auf natürliche Art weiß ist. Ich will auf ihn zustürmen, aber meine Leine hält mich mit einem kräftigen Ruck zurück. „Ich freue mich so, dich zu sehen!“
„Und ich erst!“, bellt Camper. „Vor allem freue ich mich, euch so glücklich miteinander zu sehen. Da hat es sich gelohnt, dass ich im Kampf gegen Harro ein paar Federn gelassen habe.“
„Seit wann hast du Federn?“, frage ich verwundert.
Camper lacht. „Du hast dich nicht verändert. Aber sag mal, trägt man das jetzt so?“, fragt er und mustert uns beide kritisch von oben bis unten.
Ich seufzte. „Ja, das trägt man jetzt so, zumindest, wenn man mit Klein-Lasse zusammenlebt. Nimm dich bloß vor ihm in Acht, der Kleine hat es faustdick hinter den Ohren.“ Kaum dass ich ausgesprochen habe, landet so ein Mamello auch in Campers langem weißen Fell.
Von Lasse vorgekaut, damit es auch gut hält.
Camper beschnüffelt das weiße Ding neugierig. Seine Nase übrigens ist braun und nicht schwarz, wie das bei den meisten Hunden der Fall ist, aber die Natur hat bei ihm kein Schwarz vorgesehen. „Riecht nicht unbedingt genießbar, das Zeug, und sonderlich kleidsam ist es auch nicht. Boah, das klebt ja wie Hölle.“
„Sei froh, dass du nicht auch noch mit Sonnencreme …“ beginnt Goldie und unterbricht sich selbst. „Zu spät“, sagt sie, als Lasse eine ordentliche Portion von der Creme über Camper schmiert.
„Ach guck an, hier ist ja was los …“
„Lotti!“, rufe ich meinem weiblichen Ebenbild zu. „Das ist ja cool, dass du auch schon da bist.“
Zum Cover: In das Cover habe ich mich unendlich verliebt. Es zeigt Rauhhaardackel Max und seine Golden Retriever Freundin Goldi und im Hintergrund die Insel Sylt mit Reetdachhaus und eine Dünenlandschaft. Im Inneren gibt es kleine Hundepfotenabdrücke an den Kapiteleinteilungen. Meine Meinung: Mit "Pfotenglück - Dackel Max auf Spurensuche" schreibt Sina Beerwald den zweiten Band der "Dackel Max auf Sylt"- Reihe und war für mich das erste Buch aus dieser Reihe. Obwohl ich den ersten Band nicht kenne hatte ich nicht das Gefühl, dass mir Details fehlen, aber große Lust bekommen, noch viel mehr über Max und sein Rudel zu lesen. Der nächste Urlaub auf Sylt steht an und Dackel Max samt Frauchen Ronja, ihrem neuen Freund Christian, mit seinen Kindern Lisa und Klein-Lasse und Goldie, die Golden Retriever Freundin von Max, begeben sich wieder auf den vertrauten Campingplatz, wo schon das Sylter-Urlaubsrudel auf ihren neuen Rudelführer Max warten. Doch schon auf dem Weg dorthin gibt es ordentlich Krach zwischen den beiden Halbgeschwistern. Endlich angekommen freut sich Max auf einen erholsamen Urlaub, doch schon bald verschwindet plötzlich Tochter Lisa und das Urlaubsrudel hat eine neue Spurensuche vor sich, die allerhand Katastrophen mit sich bringen. Bereits mit dem Einstieg in das Buch, mit der Vorstellungsrunde des Rudels, habe ich so einige Male schmunzeln müssen und war begeistert von der Schreibweise, die aus Sicht des Dackels Max geschrieben wurde. Jeder Hundebesitzer und besonders Dackelbesitzer, wie ich selbst, werden hier ihren Hund in Max wiedererkennen. Diese Geschichte sollte man auf keinen Fall ernst nehmen, denn so passieren hier einige sehr turbulente Dinge, die im normalen Leben so zwar passieren können, aber dennoch extrem aufeinanderprallen - und trotzdem hat es hier einfach total gepasst. Ich habe oftmals Tränen gelacht und sogar Bauchmuskelkater davongetragen. Dackel Max ist einfach nur zum verlieben, wie auch alle anderen Hunde des Rudels. Bobbie, der Bobtail, hat mich teilweise in richtige Lachanfälle versetzt. Durch seine fellbedeckten Augen sieht er sehr schlecht und gerät oftmals in brenzliche Situationen, die einfach nur köstlich waren. Zudem die Sprichwörterverdrehungen oder falsch gesprochenen Begriffe haben es in sich. Herrchen Christian ist ein richtiger Tollpatsch und auch Ronja glänzt durch eine kleine Pechsträhne. Klein-Lasse ist ein richtiger Wirbelwind mit frechen Flausen im Kopf und seine niedliche Kindersprache machte ihn einfach nur knuffig. Lotti, die Dackeldame hat mich ganz besonders an meine Dackeline Lotte erinnert, denn sie könnte ihre Zwillingsschwester sein. Von Beginn an bis zum Ende des Buches bleibt es durchweg spannend und vor allem sehr humorvoll. Die Spurensuche des Urlaubsrudels waren ereignisvoll und voller kleiner Pannen und Unfälle durchzogen. Der Schluss lässt auf ein Wiedersehen hoffen und ich freue mich schon sehr auf eine Fortsetzung der Reihe. Bis dahin werde ich mich auf den ersten Band der Reihe stürzen. Fazit: Mit "Pfotenglück - Dackel Max auf Spurensuche" von Sina Beerwald hatte ich ein pures Lesevergnügen mit Sylter-Inselflair. Selten habe ich so viele Tränen gelacht, wie in diesem Buch. Eine absolute Leseempfehlung mit Lachmuskelkater garantiert! ~ idyllisches Inselflair ~ Dackelliebe ~ humorvoll bis zur letzten Seite ~ aus den Augen eines Dackels geschrieben ~ chaotisch & turbulente Story! ~
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