

Funken – The Secrets of Dracon Rock (Drachen in Ignia 1) Funken – The Secrets of Dracon Rock (Drachen in Ignia 1) - eBook-Ausgabe
Roman
— New Adult Romantasy mit DrachenFunken – The Secrets of Dracon Rock (Drachen in Ignia 1) — Inhalt
Geheimnisse, Intrigen, Verrat und Drachen: Packende Urban-Fantasy für Fans von Rebecca Yarros und Marie Niehoff
Seit tausend Jahren wird jeder Magier in Ignia zum Drachenreiter ausgebildet. Alyssas Vater rebellierte dagegen und scheiterte. Seit seinem Tod lebt Alyssa unter falscher Identität mitten unter seinen Feinden. Als ihr Forschungsprojekt sie den Reitern näherbringt, verliebt sie sich in Rowan, der niemals erfahren darf, wer sie wirklich ist. Dann werden die Rebellen, die ihr Vater anführte, wieder aktiv. Sie wollen ihr Projekt zerstören, doch auch sie haben keine Ahnung, wer sich hinter Alyssa Rivera wirklich verbirgt. Für welche Seite wird sie sich entscheiden, wenn ihre Vergangenheit sie einholt?
Leseprobe zu „Funken – The Secrets of Dracon Rock (Drachen in Ignia 1)“
Kapitel 1
Ein Brüllen hallte zwischen den Hochhäusern wider und ich sah auf zu dem grünen Drachen, der über die Wolkenkratzer hinwegglitt. Er war zu groß, um hier zu landen, aber das war nicht nötig. Er zerriss einen der Gargoyles in der Luft, als wäre er aus Papier.
Hastig machte ich ein paar Schritte zur Seite und lief in die nächste Gasse, damit ich nicht von den Leichenteilen des Monsters getroffen wurde. Doch als ich wieder hervortrat, war die Gefahr nicht gebannt. Im Gegenteil. Nicht nur ein einzelner, sondern ein Schwarm Gargoyles flog über der [...]
Kapitel 1
Ein Brüllen hallte zwischen den Hochhäusern wider und ich sah auf zu dem grünen Drachen, der über die Wolkenkratzer hinwegglitt. Er war zu groß, um hier zu landen, aber das war nicht nötig. Er zerriss einen der Gargoyles in der Luft, als wäre er aus Papier.
Hastig machte ich ein paar Schritte zur Seite und lief in die nächste Gasse, damit ich nicht von den Leichenteilen des Monsters getroffen wurde. Doch als ich wieder hervortrat, war die Gefahr nicht gebannt. Im Gegenteil. Nicht nur ein einzelner, sondern ein Schwarm Gargoyles flog über der Stadt. Immer wieder tauchten sie in den Himmelstücken auf, bevor sie zwischen den glänzenden Fassaden verschwanden. Dass ein oder zwei den Drachenreitern entwischten, sodass sie es bis über die Innenstadt schafften, war nicht ungewöhnlich. Aber ein Schwarm?
Es war mir unmöglich, den Blick von den fledermausartigen Flügeln der Gargoyles loszureißen, die den Himmel verdunkelten. Erst als einige von ihnen sich in die Häuserschlucht, in der ich mich befand, stürzten, löste ich mich aus meiner Starre.
Mit zitternden Händen zog ich mein Handy aus der Tasche und öffnete die Sanctuary-App, um den nächsten Bunker zu orten. Er war nicht weit entfernt. Zum Glück.
Ich hatte jedoch keine zehn Schritte in die richtige Richtung getan, als eins der Monster direkt vor mir landete. Es riss das Maul voller Fangzähne auf und gab ein Kreischen von sich, das meine Ohren klingeln ließ. Sein Gesicht war zu einer Fratze verzerrt. Die geschwungenen Hörner auf seinem Kopf konnten mich problemlos aufspießen. Seine Arme und Beine endeten in messerscharfen Krallen.
Meine Hand flog zu der Kette mit dem blauen Drachenanhänger an meinem Hals. Die ledernen Flügel angelegt sprang der Gargoyle auf mich zu, doch bevor er seine Krallen in mir versenken konnte, traf ihn eine Kugel zwischen die Augen und er brach zusammen. Ein Mann in einer schwarzen Reiteruniform landete zwischen mir und der Monsterleiche. Er wirbelte herum, die Pistole erhoben. „Runter!“
Ohne zu zögern, ließ ich mich auf den Boden fallen. Er feuerte. Hinter mir hörte ich ein ersticktes Kreischen und einen dumpfen Schlag, als ein weiterer Gargoyle zusammenbrach. Ich hatte nicht einmal bemerkt, dass er sich angeschlichen hatte.
Der Reiter nahm eine Hand von seiner Pistole und trat ein paar Schritte auf mich zu. „Alles in Ordnung?“
„Ja.“ Ich ignorierte die Hand, die er mir hinhielt, und rappelte mich auf.
Er legte den Kopf schief und musterte mich aus seinen sturmgrauen Augen, bevor er sich das dunkelbraune Haar aus der Stirn strich. Die Bewegung machte mir erst deutlich, wie breit er gebaut war. Alle Reiter waren muskulös durch ihr intensives Training, aber er war zudem so groß, dass ich den Kopf leicht in den Nacken legen musste, um ihm in die Augen zu sehen. In Augen, die mich für meinen Geschmack viel zu genau musterten.
Die Haut unter seinem Drei-Tage-Bart war sonnengebräunt, zweifelsohne von den vielen Stunden, die er auf seinem Drachen verbrachte. Der Drachenschuppenpanzer, den er unter seiner Jacke trug, war dunkelgrün. Die Farbe seines Drachens.
„Komm, ich bringe dich zum nächsten Bunker.“
Ich öffnete den Mund. Mein erster Instinkt war, zu protestieren, aber ich wurde den Reiter schneller los, wenn ich gehorchte.
Ich fühlte mich in der Gegenwart von Reitern immer unwohl, doch es war besser, wenn er das nicht bemerkte. Oder fehlinterpretierte. Reiter waren arrogant. Vor allem solche, die aussahen wie er. Auf seiner Jacke konnte ich einige Insignien erkennen, die bedeuteten, dass er eine höhere Position in der Gilde innehatte, auch wenn ich keine Ahnung hatte, welche. Ich verfolgte die Berichterstattung über die Reiter nicht so gewissenhaft, um genau zu sein gar nicht. Dave und Lindy hätten sicher gewusst, wer er war.
Wortlos setzte ich mich in Bewegung, ging in Richtung des Bunkers. Er blieb dicht neben mir, die Pistole schussbereit erhoben, während sein Blick die Hauswände um uns herum absuchte.
„Sekunde“, knurrte er.
Ich musste nicht nachfragen, um zu wissen, dass er nicht mit mir redete, sondern auf die telepathische Kommunikation seines Drachens reagierte. Über den Hochhäusern sah ich einen grünen Drachen vorbeifliegen. Ich beschleunigte meine Schritte.
„Keine Sorge. Ich bleib bei dir.“ Er interpretierte meine Eile falsch.
„Es sind nur noch ein paar Meter. Ich schaffe das auch allein.“
Er sah zu mir herab, die Stirn in tiefe Falten gelegt. Das hätte ich nicht sagen sollen. Wer lehnte schon den Schutz eines Drachenreiters ab? Dazu noch während einer Gargoyleattacke.
„Also, falls jemand anders deine Hilfe braucht, dann …“, murmelte ich.
Er musterte mich immer noch mit diesen grauen Augen, die aussahen, als würde ein Sturm in ihnen toben. Starr ihn nicht an, Alyssa.
„Du hast Mumm, das kann ich nur respektieren.“ Er hielt seine Hand gegen den Scanner an der Tür des Bunkers, den wir endlich erreicht hatten. „Aber es ist auch dumm.“ Er öffnete und deutete ins Innere. „Bleib da drin, bis die Entwarnung kommt.“
„Ich weiß, wie das System funktioniert. Jedes Kind tut das.“ Wieder ein Kommentar, den ich mir hätte verkneifen sollen. Die meisten Leute behandelten Reiter mit übertrieben viel Respekt. Sie krochen ihnen geradezu in den Hintern.
Als ich an ihm vorbei in den Bunker trat, hörte ich ihn leise lachen. „Natürlich tust du das. Ich mache mir eher Gedanken, dass du noch mal rausgehst, um irgendwem zu helfen.“
Ich warf einen letzten Blick über die Schulter. Auf seinem Gesicht lag ein leichtes Lächeln, als er die Tür schloss, dann umgab mich Dunkelheit. Ich tastete nach meinem Handy, um mir Licht zu machen, doch es war nicht in meinen Taschen. Mir entwischte ein Fluch. Ich hatte es in der Hand gehabt, als der Gargoyle vor mir gelandet war. Wahrscheinlich hatte ich es fallen gelassen. Klasse. Kurz zog ich in Erwägung wieder rauszugehen, aber der Reiter hatte recht. Das wäre eine dumme Idee.
„Licht an“, befahl ich. Normalerweise hatten die Bunker eine Sprachsteuerung.
Ein Panel neben der Tür leuchtete auf. Eine Computerstimme hallte durch den dunklen Gang. „Bitte verifizieren Sie sich.“ Ich hastete auf das Panel zu, auf dem die Anweisung ebenfalls stand, und drückte meine Hand dagegen. Licht flackerte auf, sobald es meine Fingerabdrücke gescannt hatte.
„Willkommen, Alyssa Rivera“, begrüßte die Computerstimme mich. Der Gang, in dem ich stand, endete zwei Meter weiter in einer Treppe. An deren Ende würde es eine Tür geben, die sich ebenfalls nur durch meine Fingerabdrücke öffnen ließ. Dahinter befand sich ein Raum, der von der Einrichtung her zwischen Wohn- und Wartezimmer lag. Es gab eine große Couch, Sessel und einen Fernseher. Eine Küchenzeile und einen Esstisch, doch keinerlei Dekorationen, was alles kalt und steril wirken ließ. Fenster gab es keine.
Ich stellte meinen Rucksack auf dem Esstisch ab. Die Schränke der Küchenzeile waren voller Konserven und Fertigessen. Alles, was lange haltbar war. Da ich gerade erst gefrühstückt hatte, war ich mir nicht sicher, warum ich überhaupt hineingesehen hatte. Vielleicht hatte ich auf Nervennahrung gehofft, statt eingelegter Bohnen.
Ich schnappte mir eine Flasche Wasser aus einem der Schränke, schaltete den Fernseher an und ließ mich auf die Couch fallen. Auf dem Bildschirm sah ich die Liveaufnahmen des Angriffs. Mein Magen krampfte sich zusammen, als ich sah, wie viele Gargoyles über Lindhaven flogen. Es mussten Hunderte sein. Zwischen ihnen jagten Drachen umher, die jeden Gargoyle, den sie zu fassen bekamen, zerfetzten.
Die Nachrichtensprecherin erzählte etwas davon, dass es der größte Gargoyleangriff seit Jahrhunderten war, aber wir uns keine Sorgen machen mussten. Die Drachenreiter hatten die Situation unter Kontrolle. Natürlich. Das hatten sie immer. Das war nicht der Grund, warum ich ein Problem mit Drachen und ihren Reitern hatte. Sondern, weil sie der Meinung waren, dass sie über den Rest von uns bestimmen mussten.
Außerdem lag es an den Drachen, dass die Gargoyles uns so entschlossen attackierten. Wir lebten in den Jagdgründen der Gargoyles und verteidigten sie vehement. Auch wenn es in den Nachrichten nie so gesagt wurde, war ich mir sicher, dass hinter den meisten Gargoyleangriffen ein verzweifelter Kampf gegen das Verhungern steckte.
Kurz herrschte Chaos auf dem Bildschirm, als die Drohne, die den Kampf filmte, einem Gargoyle in die Krallen fiel. Dann wechselte die Übertragung zu einer anderen. Ein riesiger grüner Drache schoss durchs Bild. Auf die Entfernung war es schwer zu sehen, aber ich meinte, dass sein Reiter derjenige war, der mir geholfen hatte. Während sein Drache Gargoyles zerfetzte, feuerte er seine Pistole wieder und wieder. Der einzige Grund, aus dem er in dem Chaos keinen seiner Kameraden traf, war, dass die Kugeln mit Hilfe von Magie ihr Ziel fanden.
Plötzlich musste ich an sein Lächeln denken, als er mir gesagt hatte, ich solle nicht dumm sein. Das Funkeln in seinen grauen Augen.
Ich wandte den Blick von der blutigen Schlacht ab, die gerade über meinem Kopf stattfand, holte mir meinen Laptop und schaltete ihn an. Mit halbem Ohr folgte ich der Berichterstattung, während ich mir die Analytik der Proben ansah, die ich gestern Abend gemessen hatte. Der Bunker hatte ein hervorragendes WLAN-Signal, sodass ich die Daten problemlos vom Server meiner Uni ziehen konnte.
Ich öffnete Blabber, um bei meinen Freunden nachzufragen, ob es ihnen gut ging. Dann gab ich meinem Chef Bescheid, dass ich in einem Bunker festhing, und wühlte mich durch ein paar Paper, die ich seit Tagen hatte lesen wollen. So kam ich endlich dazu.
Auf einmal hallte die Computerstimme erneut durch den Raum: „Entwarnung. Sie können den Bunker wieder verlassen. Entwarnung. Sie können den Bunker wieder verlassen.“
Hastig klappte ich meinen Laptop zu und stopfte ihn in meinen Rucksack. Dann machte ich den Fernseher aus, auf dem die gleiche Botschaft blinkte. Ich presste die Hand gegen das Panel neben der Tür, woraufhin die Stimme verstummte und ich aufgefordert wurde einzugeben, was ich benutzt hatte. So wurde sichergestellt, dass die Bunker stets voll ausgestattet waren.
Grelles Sonnenlicht blendete mich, als ich auf die Straße trat. Die Drachen waren verschwunden, genau wie ihre Reiter. Von den Gargoyles waren nur Leichen übrig. Angewidert verzog ich das Gesicht angesichts der blutigen Überreste der Monster. In ein paar Stunden würde alles davon beseitigt worden sein.
Ich rannte zurück zu der Stelle, an der ich angegriffen worden war, den Blick auf den Boden gerichtet. Mein Handy war nirgendwo zu sehen. Verdammt.
Schlecht gelaunt machte ich mich auf den Weg. Weitere Menschen hetzten zur Arbeit, doch viele schienen sich noch nicht aus ihren Häusern zu trauen. Ich kam an ein paar dunklen Cafés vorbei, die um diese Zeit normalerweise geöffnet hatten. Schließlich ragte das Jennifer-Charpentier-Institut der Lindhaven University mit seinen Glasfassaden vor mir auf.
„Ms Rivera, da sind Sie ja endlich“, lautete die Begrüßung meines Chefs, Professor Sullivan. Er warf einen Blick auf seine teure Armbanduhr, die allen signalisierte, dass er sich inzwischen zu weit oben in der Hierarchie befand, um sich Sorgen darüber zu machen, Sachen bei der Laborarbeit zu ruinieren.
„Entschuldigung.“ Ich legte eine Pause ein und holte geräuschvoll Luft, als wäre ich außer Atem. Unsere Labore befanden sich im vierten Stock und Sullivan sollte ruhig denken, ich wäre den ganzen Weg gerannt. „Ich hing in einem Bunker fest.“
Sullivan nickte. „Ich habe Ihre E-Mail gelesen. Sie können froh sein, dass Sie nicht die Einzige waren. Ich erwarte, dass Sie dafür länger bleiben.“ Sein Ton klang vorwurfsvoll, als wäre es meine Pflicht gewesen, mich durch die Gargoyles zu kämpfen, um pünktlich zur Arbeit zu kommen.
Hätte ich mir meinen Promotionsbetreuer aussuchen können, wäre meine Wahl niemals auf Sullivan gefallen, der mich stets kritisch aus seinen dunklen Augen musterte. Zum einen war er bekannt dafür, dass er seine Doktoranden quälte. Zum anderen hatte ich nie an Materialien aus Drachenschuppen forschen wollen. Mein Ziel war die Gargoyleforschung gewesen, um den Menschen mehr Möglichkeiten zu geben, sich gegen sie zu wehren. Aber Promotionsplätze wurden nach Leistung zugeteilt. Ich war Jahrgangsbeste gewesen, also hatte ich einen der begehrten Plätze in Professor Sullivans Gruppe bekommen.
Vielleicht hätte ich mich während des Studiums weniger anstrengen sollen. Doch noch bis vor etwa anderthalb Jahren war es egal gewesen, dass die Sullivan-Gruppe die führende für Drachenmaterialien war, weil sich niemand für diese Forschung interessiert hatte. Sie hatte als aussichtslos gegolten. Jeder war davon ausgegangen, dass nur Drachenfeuer Schuppen schmelzen konnte und wir damit bereits alles auf diesem Gebiet erreicht hatten. Aber dann, nach Jahrzehnten gescheiterter Experimente, hatten sie den Durchbruch erzielt. Auf einmal war es möglich, Drachenschuppen durch etwas anderes als Drachenfeuer zu bearbeiten.
Das Ziel, neue Materialien aus ihnen herzustellen, wurde von einem Wunschtraum zu einer realistischen Möglichkeit und Sullivan war über Nacht zum gefeierten Wissenschaftler geworden. Für mich dagegen hatte sich damit mein Traum, in die Gargoyle-Forschung zu gehen, erledigt.
Anstatt ihm die Meinung zu geigen – immerhin hatte ich im Bunker gearbeitet – stopfte ich meine dünne Jacke in meinen Spind, kramte meinen Laptop aus meinem Rucksack und verzog mich in mein Labor.
„Aly!“ Darla kam auf mich zu, sobald ich die Tür öffnete. „Alles okay bei dir? Der Angriff war wirklich beängstigend! Ich bin heilfroh, dass ich noch zu Hause war, als es losging. Du hoffentlich auch? Du hast nur geschrieben, dass du okay bist.“ Sie neigte dazu, viel zu reden, wenn sie gestresst war. Was in diesem Labor Dauerzustand war. Ich war mir sicher, dass sie aschfahl gewesen wäre, wenn ihre dunkelbraune Haut das nicht unmöglich gemacht hätte.
„Alles gut.“ Ich schenkte ihr ein Lächeln, bevor ich mich an ihr vorbeidrängte, um Schutzkittel und Brille anzuziehen. „Ich war schon unterwegs, habe es aber problemlos in einen Bunker geschafft.“
„Gut!“ Sie nickte und atmete einmal tief durch, während sie mit der Hand über ihre Braids fuhr, die an ihrem Kopf entlangliefen und in ihrem Nacken endeten. „Man sollte meinen, wir sind diese Angriffe gewohnt. In letzter Zeit werden es jedoch immer mehr.“
„Die Gilde bekommt das in den Griff“, murmelte ich und trat an meinen Abzug. „Hast du dir deine Proben schon angeschaut?“ Ich ging in die Knie, um mir die Versuche anzusehen, die ich gestern angesetzt hatte.
Gemeinsam mit Darla forschte ich an einem Weg, die Menge an Drachenschuppen zu reduzieren, die zur Herstellung der Pistolenkugeln der Reiter benötigt wurde. Prof. Sullivans Gruppe hatte einen Zusatz entwickelt, der den Drachenschuppen beigemischt werden konnte, um sie bei niedrigeren Temperaturen zu schmelzen, sodass andere Materialien damit beschichtet werden konnten.
Sowohl Darla als auch ich hatten erst vor knapp einem Jahr in Sullivans Gruppe angefangen, als die beiden einzigen neuen Mitglieder. Sullivan war gerade in einen größeren Labortrakt gezogen und auf der Suche nach mehr Doktoranden gewesen. Nachdem er jahrelang hatte nehmen müssen, was er kriegen konnte, war er mittlerweile übertrieben wählerisch. Wir konnten ihn nicht ablehnen, er uns dagegen schon.
Die anderen beiden Doktoranden in unserem Labor, Marc und Alan, waren seit fast drei Jahren dabei und dadurch der Meinung, sie stünden über uns. Sie arbeiteten an Prof. Sullivans spannendsten Projekt – an der Möglichkeit, Textilfasern mit Drachenschuppen zu beschichten, um sie zu leichter, flexibler Schutzkleidung für die Reiter zu weben. Seit ich jedoch im letzten Gruppenseminar einen Vorschlag gemacht hatte, der das Projekt vorangebracht hatte, waren sie noch schlechter auf mich zu sprechen als ohnehin schon.
Wir verglichen gerade die beschichteten Projektile, die die Nacht in einer Lösung aus Gargoylespeichel verbracht hatten. Das Zeug war stark ätzend und hatte bei den Projektilen mit der dünnsten Beschichtung die grüne Schutzschicht fast vollständig abgelöst.
Beim Anblick der grünen Projektile musste ich wieder an den Reiter und seinen grünen Drachen denken, wofür ich mich sofort schalt. Den Reitern zu nahezukommen, würde nicht gut für mich enden.
„Das Isoprop ist alle.“ Alan war hinter uns aufgetaucht, den leeren Kanister vorwurfsvoll erhoben. Er war ungefähr so klein wie ich, während Marc groß und schlaksig war.
Ich wandte mich wieder den Projektilen zu. „Dann hol Neues.“
Er knallte den Kanister auf die Arbeitsfläche hinter sich und verengte die braunen Augen. „Ich habe es nicht leer gemacht.“
Wir auch nicht. Vermutlich war es Marc gewesen. „Um deine Worte von letzter Woche zu zitieren, als das Aceton leer war: Ich brauche gerade keins, also hole ich auch keins.“ Alan und Marc behandelten uns, als wären wir ihre Dienstmädchen. Ich hatte längst die Geduld mit ihnen verloren. Darla dagegen tat viel zu viel dafür, den Laborfrieden aufrechtzuhalten.
„Ich gehe schon. Ich brauche sowieso noch etwas.“ Sie schnappte sich den kleinen Wagen, der neben der Tür stand und verschwand.
„Du hältst dich wohl für zu gut, um Lösungsmittel zu holen, nur weil du einmal eine Idee hattest, die Sullivan gut fand“, zischte Alan mir zu.
Ich sah ihn nicht an, sondern fischte das nächste Projektil aus dem Gargoylespeichel, spülte es ab und legte es vorsichtig auf ein Papiertuch. Die Gefäße, in denen wir die Lösungen angesetzt hatten, waren ebenfalls aus Drachenschuppen, damit der verdünnte Speichel sie nicht angreifen konnte. Sie waren von den Drachen selbst mit ihrem Feuer geschmolzen und geformt worden und bereits Jahrhunderte alt. „Ich glaube, wir wissen beide, wer sich hier für zu gut hält, um Lösungsmittel zu holen.“
Alan murmelte etwas nicht gerade Nettes, bevor er sich auf seine Seite des Labors verzog.
„Du solltest dich nicht so von den beiden herumschubsen lassen“, empfahl ich Darla, als sie von der Chemikalienausgabe zurückkehrte.
Die zuckte mit den Achseln. „So lange sind sie hoffentlich nicht mehr hier.“
Da wäre ich mir nicht so sicher. Keiner von beiden hatte bisher mit dem Schreiben seiner Doktorarbeit begonnen und ihr Projekt war gerade in einer Phase, in der es wirklich interessant wurde.
Wir protokollierten unsere Ergebnisse, bevor wir uns an die nächste Testreihe machten. Die Kugeln mussten dem Speichel oder auch Gargoyleblut, welches dieselbe Wirkung hatte, wenn auch schwächer ausgeprägt, nicht lange ausgesetzt sein.
Als ich mich endlich traute, nach Hause zu gehen – nachdem Sullivan das Gebäude verlassen hatte – war es schon halb acht.
„Da bist du ja endlich!“ Meine Mitbewohnerin Lindy kam aus ihrem Zimmer, sobald ich die Wohnungstür öffnete, ein Lächeln auf ihrem runden Gesicht.
Dave streckte ebenfalls den Kopf aus seiner Tür, seine dunklen Locken sahen wie immer so aus, als hätte er sich den ganzen Tag die Haare gerauft. Dabei stand er jeden Morgen vor dem Spiegel, um diesen Look zu perfektionieren. „Wir haben nach deiner Nachricht, dass du sicher bist, nichts mehr von dir gehört. Warum hast du nicht geantwortet?“
„Sorry.“ Ich ließ meinen Rucksack auf den Boden sinken. „Ich habe mein Handy verloren und auf der Arbeit bin ich nicht dazu gekommen, mich über den Laptop bei Blabber einzuloggen.“
Dave trat in den Flur, verschränkte die schlaksigen hellbraunen Arme vor der Brust und lehnte sich gegen die Wand. „Du – Aly verantwortungsbewusst Rivera – hast dein Handy verloren? Wie ist das passiert?“
Ich zog meine Schuhe aus und ließ sie auf die Matte neben der Tür fallen. „Ich hatte es in der Hand, als ein Gargoyle vor mir gelandet ist. Da muss ich es irgendwie fallen gelassen haben. Ich habe es nach der Entwarnung nicht wiedergefunden.“
Die Augen der beiden wurden groß und sie kamen durch den engen Flur auf mich zu, die Hände nach mir ausgestreckt.
„Du wurdest von einem Gargoyle angegriffen?“
„Bist du in Ordnung?“
Ich nickte. „Er hat mich nicht mal berührt. Ein Reiter hat ihn schnell erledigt.“
„Ein Reiter?“ Ein Lächeln trat auf Daves Gesicht, als er sich bei mir unterhakte. „Welcher Reiter?“
Die beiden führten mich in Richtung Wohnzimmer. „Keine Ahnung, groß, dunkle Haare.“
„Geht’s ein bisschen ungenauer?“ Lindy verdrehte ihre mandelförmigen braunen Augen.
Ich seufzte und ließ mich auf die graue Couch fallen. „Sein Drachenschuppenpanzer war grün.“ Und er hatte diese sturmgrauen Augen, die mich nicht losließen. Viel zu oft hatte ich heute an seinen skeptischen Blick zurückgedacht. Das Lächeln auf seinen vollen Lippen.
Dass er mich behandelt hatte, wie ein unfähiges Kleinkind, half allerdings dabei, mich nicht zu sehr in meinen Erinnerungen zu verlieren.
Dave setzte sich neben mich und klopfte mir auf die Schulter. „Welche Insignien hatte er auf seiner Uniform?“
Ich sah zwischen den beiden hin und her, die mich neugierig anstarrten. „Was genau ist so interessant an den Reitern?“
Lindy legte den Kopf schief. „Was genau ist so interessant an der Gruppe Elitesoldaten, die uns jeden Tag beschützen?“
„Die alle total durchtrainiert sind?“, fügte Dave hinzu.
Lindy deutete mit der Hand auf ihn. „In vielen Fällen gutaussehend.“
„Mutig.“
„Furchtlos.“
„Sie können Magie einsetzen.“
„Und Drachen beherrschen.“
„Niemand beherrscht Drachen“, unterbrach ich ihre Aufzählung. Die Drachen waren es, die über uns herrschten.
„Was hast du eigentlich für ein Problem mit den Reitern?“ Lindy sah mich an, als wäre ich diejenige, die verrückt war.
Ich hatte Angst vor den Reitern, wenn ich ehrlich war. Aber war das ein Problem oder nur gesunder Menschenverstand? Halt dich von den Reitern und ihren Drachen fern, Lyssie. Vergiss niemals, dass sie es waren, die deinen Vater das Leben gekostet haben. Wie oft hatte meine Mutter mir das gesagt? Jeden Tag, bis sie gestorben war. Niemand sollte absolut herrschen, so wie die Drachen es taten, mit ihren Reitern als Exekutive.
„Ich habe kein Problem mit den Reitern. Ich interessiere mich nur nicht für die Berichte über sie. Sie machen ihren Job gut, das ist alles, was ich wissen muss. Ihr seid die einzigen Leute, die ich kenne, die so von ihnen besessen sind.“
„Das stimmt nicht!“
„Wir sind nicht besessen!“
„Sag mir, dass du nicht in Ohnmacht fällst, wenn du in diese Augen blicken würdest.“ Lindy hielt mir ihr Handy hin, auf dem ein Foto des Reiters zu sehen war, der mir heute geholfen hatte. Besagte graue Augen starrten mich eindringlich vom Bildschirm aus an. Auf dem Bild sahen sie fast silbern aus. Darum war er mir also bekannt vorgekommen. Lindy war in ihn verschossen.
Ich verzog das Gesicht. „Es hilft, wenn er eine Pistole auf dich richtet und dir Befehle erteilt.“
Daves Augen wurden groß. „Du willst mir nicht ernsthaft erzählen, dass das der Reiter war, der dich gerettet hat? Rowan Callahan?“
„Nein!“, kreischte Lindy. „Ernsthaft?“
„Ernsthaft?“ Meine Antwort klang eher wie eine Frage.
Dave grinste. „Du Glückliche.“
Langsam begann ich, an seinem Verstand zu zweifeln. „Seit wann ist es Glück, von Gargoyles angegriffen zu werden?“
„Das …“ Demonstrativ hielt er mir Lindys Handy hin. „… ist Rowan fucking Callahan, der jüngste Truppenführer der Gilde. Und der heißeste. Von ihm gerettet zu werden, ist Glück!“
„Wie ist er so? War er nett?“
„Wie hat er dich gerettet?“
„Ja, erzähl uns jedes Detail!“
Den Rest des Abends war ich damit beschäftigt, ihnen die Begegnung mit Rowan bis ins kleinste Detail zu erzählen. Obwohl das nicht gerade viele waren. Ihre Reiter-Obsession würde mich eines Tages in den Wahnsinn treiben. In ihren Augen konnten sie nichts falsch machen.
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