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Finsteres Grab in Port Miou  (Capitaine Mathieu Dubois ermittelt 3) - eBook-Ausgabe Finsteres Grab in Port Miou  (Capitaine Mathieu Dubois ermittelt 3)

Anna-Maria Aurel
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Provence-Krimi

— Mordnacht in Südfrankreich
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Finsteres Grab in Port Miou  (Capitaine Mathieu Dubois ermittelt 3) — Inhalt

Manche Geheimnisse können uns das Leben kosten ...  Für alle Frankreich-Fans und Krimi-Liebhaber à la Walker und Bannalec

In der paradiesischen Küstenlandschaft der Calanques zwischen Marseille und Cassis wird unweit eines Küstenwanderweges von einem Labrador das vergrabene Skelett des siebzehnjährigen Schülers Fabrizio Ricci entdeckt, der eineinhalb Jahre zuvor am helllichten Tag vor seiner Schule in Marseille spurlos verschwand. Capitaine Mathieu Dubois, der den Jungen damals mehrere Monate lang gesucht hat, nimmt seine Ermittlung wieder auf. Mathieu und sein Team vermuten eine Drogengeschichte und ermitteln in den gefährlichen Vorstädten Marseilles, wo die Drogenbosse den Ton angeben. Doch bald entdecken die Polizisten, dass Fabrizio ein Geheimnis hatte, das die Ermittlung in eine ganz andere Richtung lenkt ...

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Erscheint am 04.07.2025
368 Seiten
EAN 978-3-377-90253-5
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Erscheint am 04.07.2025
372 Seiten, Broschur
EAN 978-3-492-50888-9
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Leseprobe zu »Finsteres Grab in Port Miou  (Capitaine Mathieu Dubois ermittelt 3)«

Der makabre Fund

Es war einer dieser wunderbaren Frühlingstage im März, an denen die Garrigue vor Düften überströmt. Der betörend riechende Rosmarin zeigte überall seine zartvioletten Blüten, und die Sonne schien warm auf die weiß leuchtenden Kalkfelsen, hinter denen sich das Meer dunkelblau abhob.

Sylvie fühlte sich ausgewogen und zufrieden. Sie war heilfroh, Paris hinter sich gelassen zu haben und jetzt im Süden zu wohnen. Seit acht Monaten lebte sie mit ihrer Familie nun schon in der Ortschaft Auriol im Département Bouches-du-Rhône, eine halbe Stunde [...]

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Der makabre Fund

Es war einer dieser wunderbaren Frühlingstage im März, an denen die Garrigue vor Düften überströmt. Der betörend riechende Rosmarin zeigte überall seine zartvioletten Blüten, und die Sonne schien warm auf die weiß leuchtenden Kalkfelsen, hinter denen sich das Meer dunkelblau abhob.

Sylvie fühlte sich ausgewogen und zufrieden. Sie war heilfroh, Paris hinter sich gelassen zu haben und jetzt im Süden zu wohnen. Seit acht Monaten lebte sie mit ihrer Familie nun schon in der Ortschaft Auriol im Département Bouches-du-Rhône, eine halbe Stunde von Marseille und nur zwanzig Minuten von Aix-en-Provence, dem Calanques-Nationalpark und dem hübschen Strandort Cassis entfernt.

Sylvie stammte aus dem Norden Frankreichs, ihr Leben in der Provence erschien ihr wie ein Traum. Das fing schon mit dem alltäglichen Rhythmus an, der ganz anders war als in Paris. Zur Arbeit nach Aix-en-Provence konnte sie gemütlich mit dem Auto fahren und musste sich nicht eine Stunde lang in irgendwelche überfüllten Vorstadtzüge quetschen. Natürlich war Aix-en-Provence keine Großstadt, aber im Süden lief überhaupt alles gemütlicher und beschaulicher ab.

Vor allem genoss sie das wunderbare Klima, das helle Licht des Südens, die unterschiedlichen Landschaften und das Meer. Die Calanques, ein Nationalpark vor den Toren der Großstadt Marseille, waren eines der berühmtesten Küstengebiete Frankreichs. Es handelte sich um zerklüftete Felsbuchten, Meeresarme, die sich auf einer Länge von zwanzig Kilometern wie Fjorde ins Landesinnere erstreckten. Ein tiefblaues Meer, Kiefern, die direkt in Felsspalten wuchsen, Felsplatten und kleine Sandstrände am Ende der Buchten charakterisierten dieses Naturschutzgebiet.

Sylvie und ihre Familie durchwanderten an diesem Sonntagnachmittag die mit eineinhalb Kilometer längste Calanque: Port-Miou. An ihrem Ende befand sich ein Jachthafen, in dem an die fünfhundert Schiffe ankerten. Der Name Port-Miou stammte aus dem Provenzalischen und bedeutete der beste Hafen.

In der Tat war Port-Miou ein sehr beliebter Ankerplatz für kleine Schiffe. Sylvie und ihre Familie hatten ihr Auto am Ende der Calanque auf einem kleinen Parkplatz abgestellt und waren dem GR 98, dem Wanderweg, der den ganzen Nationalpark durchquerte, ein Stück nach oben gefolgt. Von der Presqu’île aus, der Halbinsel im Westen des Ortes Cassis, führte dieser Weg durch die Felsbucht Port-Miou und stieg dann ein wenig an, ehe er weiter westlich steil zur nächsten Calanque, Port Pin, abfiel.

Im Moment war der Weg noch angenehm breit, etwas weiter vorne jedoch würde er schmaler und ausgesetzter werden, doch mit ihrer vierjährigen Tochter Emma und ihrem Hundewelpen, der ständig vom Weg fortrannte, kamen sie ohnehin nicht richtig voran und würden bald kehrtmachen, um wieder zurück zum Auto zu wandern.

„Bisou, Bisou, wo bist du nur!“

Sylvie wurde von Emmas Stimme aus ihren Gedanken gerissen.

„Papa, Bisou geht immer weg und gräbt irgendwo herum!“, beschwerte sich Emma bei ihrem Vater.

„Das ist normal, Emma, Bisou ist ein Hund. Alle Hunde machen das“, erklärte Sylvies Mann Martin seiner Tochter. „Hunde riechen viel besser als wir; sie finden Dinge, von denen wir keine Ahnung haben. Deshalb brauchen sie Auslauf. Keine Sorge, Bisou kommt gleich wieder zurück.“

Bisou, der weiße Labradorwelpe, war mittlerweile fünf Monate alt und tollte ziemlich ausgelassen herum. Sie hatten ihn drei Monate vorher gekauft, weil Marc und Sylvie Hunde liebten und in Auriol nun auch einen Garten besaßen. Sylvie war schwanger. Sie wollte in zwei Monaten aufhören zu arbeiten und drei Jahre Mutterschaftsurlaub nehmen. So würde der Hund nicht allein sein und genügend Auslauf haben, weil sie mit den Kindern ohnehin sehr viel spazieren ging. Das Einzige, was Sylvie nicht gefiel, war der Name ihres Haustiers.

Bisou, Küsschen, fand sie einen reichlich doofen Namen für einen Labrador, doch Emma hatte darauf bestanden, und Martin fand es originell, damit war Sylvie überstimmt gewesen.

Plötzlich schrie Emma auf.

„Bisou! Bisou ist da oben! Komm herunter, Bisou! Böser Bisou!“

Tatsächlich tauchte der Labrador einige hundert Meter weiter oben auf dem Hügel auf, wo sich anscheinend ein Plateau befand, auf dem das Kalkgestein in die Erde überging. Dort scharrte er emsig. Er schien etwas höchst Interessantes entdeckt zu haben, denn er hörte nicht auf Martins Rufe. Seit einiger Zeit ließ Martin ihn abrichten, und der Welpe hatte begonnen, ihm und Sylvie aufs Wort zu folgen. Deshalb konnten sie ihn auch auf ihren Spaziergängen hin und wieder frei laufen lassen. An diesem Nachmittag ignorierte er sie jedoch vollkommen.

„Was macht er denn dort oben bloß?“, fragte Martin genervt.

„Gehen wir rauf!“, piepste Emma. „Es ist ja gar nicht steil. Bisou hat sicher was ganz Tolles gefunden.“

Verzweifelt sah Sylvie nach oben. Der Hang war in der Tat nicht besonders steil, der Buschwuchs der Heide sehr niedrig, doch es ging relativ weit hinauf, und sie fühlte das Gewicht ihres Bauches, das sie nach unten zog. Viel lieber wäre sie auf dem Weg geblieben, der nur sanft anstieg.

„Ich gehe mit Emma“, entschied Martin. „Setz du dich kurz hin. Wir müssen sehen, was Bisou dort oben treibt, und holen ihn herunter. Und dann kommt er an die Leine!“

„In Ordnung. Aber seid vorsichtig, vor allem beim Abstieg!“

Folgsam setzte sich Sylvie an den Wegrand, während Emma voller Energie nach oben stürmte, sodass Martin Mühe hatte, ihr zu folgen.

„Langsam, Emma“, mahnte er.

Sylvie ließ sich die Sonne ins Gesicht scheinen. Was für ein wunderschöner Märztag!, dachte sie. Sie saß in kurzen Ärmeln am Meer, die Temperatur betrug angenehme 24 Grad. Sie schloss die Augen und entspannte sich. Von Weitem hörte sie Emmas aufgeregte Stimme.

„Papa, was ist das? Was hat Bisou da gefunden? Das ist aber hässlich!“

Kurz darauf hörte sie, wie ihr Mann ihren Namen rief. „Sylvie, wir brauchen dich!“

Seine Stimme klang seltsam zittrig. „Lass dir Zeit, komm langsam herauf.“

Sylvie erhob sich, wandte sich seufzend dem Hang zu und begann den Aufstieg.

Sie sah Martin telefonieren. Nun war ihre Neugier angestachelt. Immer schneller stieg sie nach oben, bis sie vollkommen außer Atem war.

„Papa, was ist das? Warum ist das da?“, hörte sie Emma nun schon zum zehnten Mal fragen.

Endlich hatte sie Martin und Emma erreicht. Als sie sich umblickte, bemerkte sie, dass sie sich auf einem weiten Plateau befanden. Es erstreckte sich oberhalb des Wanderweges und des Pinienwaldes. Etwa hundert Meter von dort, wo sie standen, führte ein ziemlich ramponierter Schotterweg, der anscheinend vom Jachthafen kam, über das Plateau Richtung Route de la Gineste.

Martin starrte zitternd auf den Boden, Emma hatte die Lippe vorgeschoben und ging langsam hin und her. Sie schien begriffen zu haben, dass ihr Vater sehr bestürzt war und ihr im Moment keine Erklärungen geben würde.

Der Einzige, der zufrieden wirkte, war Bisou. Er wedelte mit dem Schwanz und schien sehr stolz auf seinen Fund.

Sylvie senkte den Blick und erstarrte.

Auf dem Boden vor ihr lag ein menschlicher Schädel.


Urlaubsende

Die Flughöhe verringerte sich. Mathieu frohlockte. Er saß auf der richtigen Seite und würde auf die Stadt Marseille und die Küste blicken können. Es herrschte wundervolles Wetter, der Flug war ruhig gewesen, und er hatte bereits die Aussicht auf die Alpen genossen. In der Ferne konnte er noch einige schneebedeckte Bergspitzen wahrnehmen, während unter ihm bereits die Küste bei Toulon auftauchte.

Er sah auf Mélanie, die, den Kopf an seine Schulter gelehnt, tief und fest schlief. Sanft strich er über ihre Wange. Ihre Reise war fantastisch gewesen. Mélanie und Mathieu kannten einander seit acht Monaten und lebten seit fünf Monaten zusammen. Doch nun hatten sie zum ersten Mal drei Wochen Tag und Nacht miteinander verbracht. Es war eine herrliche Zeit gewesen, und wenn Mathieu an den folgenden Tag dachte, an dem er schon wieder arbeiten musste, zog sich sein Herz schmerzhaft zusammen. Mélanie würde ihm fehlen.

Natürlich war ihr Ziel – Thailand – ein Ort für Traumurlaube, noch dazu für frisch Verliebte. Zwar hätte es trotzdem Streit und Unstimmigkeiten zwischen ihnen geben können, doch sie waren sich immer einig gewesen. Sie hatten dieselben Interessen und dieselben Vorstellungen von einer gelungenen Reise.

Zunächst hatten sie sich die Hauptstadt Bangkok mit ihren Tempeln und dem Königspalast angesehen, dann waren sie in den bergigen Norden Thailands in die angenehme Stadt Chiang Mai aufgebrochen und hatten in dieser Gegend auch einen Urwaldtreck mit einer kleinen Gruppe unternommen. Anschließend waren sie wieder Richtung Süden geflogen, wo sie noch zehn Tage am Strand von Krabi verbracht hatten, nicht ohne dort alle möglichen Inseln und Buchten besucht zu haben. Es war einfach die ideale Kombination aus Erholung, Kultur und Abenteuer gewesen. Mathieu hatte die Atmosphäre des Landes genossen und die Mentalität und Gastfreundschaft der Thailänder geschätzt. Er hatte sich in Asien viel entspannter und sicherer gefühlt als zu Hause. Allerdings gehörte nicht viel dazu, sich anderswo mehr in Sicherheit zu wähnen als in seiner eigenen Stadt, denn in Marseille arbeitete Mathieu als Capitaine de Police und es gehörte zu seinen Hauptaufgaben, zumeist grausame Verbrechen aufzuklären. Diese gab es zwar überall, auch in Thailand, doch in Mathieus Vorstellung war Marseille weltweit die Hauptstadt des Verbrechens, und er war froh, wenn er seinen Urlaub weit weg von seiner Arbeitsstätte verbringen konnte.

Mathieu hatte bemerkt, dass die Vertrautheit zwischen Mélanie und ihm während dieser drei gemeinsam verbrachten Wochen noch einmal gewachsen war. Nun wusste er, dass er sie heiraten und den Rest seines Lebens mit ihr verbringen wollte. Im Sommer würde er es ihr vorschlagen.

Um ihre Hand anhalten musste er nicht. Ihm schien, das hatte er schon getan, als er ihr im September angeboten hatte, Anfang November zu ihm zu ziehen. Mélanie hatte sofort zugestimmt, und er war sich sicher, dass sie einer baldigen Heirat nicht abgeneigt sein würde.

Ich habe ein schönes Leben, dachte Mathieu, und ich wohne in einer wundervollen Gegend. Das Flugzeug befand sich mittlerweile über dem Ort Cassis und dem Calanques-Nationalpark. Mathieu erkannte die weißen Kalkfelsen, die sich klar vom Grün der Kiefern und vom Blau des Meeres abzeichneten. Bevor es zu heiß wurde, wollte er zusammen mit Mélanie die Calanques von Cassis bis nach Marseille zu Fuß durchqueren.

Im nächsten Moment tauchte schon das östliche Ende der Stadt auf, die Viertel von Mazargues und le Prado, und bald konnte er auch sein eigenes Stadtviertel erkennen. Sogar seinen Wohnblock sah er vom Flugzeug aus. Mathieu lebte fünf Minuten vom Meer entfernt in einem Stadtteil, der Roucas-Blanc, der weiße Felsen, genannt wurde. In knapp zehn Minuten konnte er von seiner Wohnung zu Fuß zum Wahrzeichen der Stadt gelangen, der Basilika Notre Dame de la Garde, die der Muttergottes geweiht war und La Bonne Mère, die gute Mutter, genannt wurde. Sie bildete den höchsten Punkt der Stadt und stand auf einem Kalkfelsen, auf den Resten einer Befestigungsanlage aus dem 16. Jahrhundert. Die vergoldete Marienstatue mit Kind, die sich auf dem Turm der Basilika erhob und ganz Marseille überragte, glänzte in der Sonne. Bald konnte Mathieu unter sich den Alten Hafen von Marseille ausmachen, den Vieux Port, in dem Tausende Schiffe ihre Segel stolz gen Himmel reckten. Wenige Sekunden später blickte er auf die für ihre Bandenkriege und Drogengeschichten bekannten nördlichen Vorstädte. Mathieu seufzte. Ganz gewiss war dort während seiner Abwesenheit schon wieder ein Mord geschehen; vermutlich würde er gleich am nächsten Tag trotz Jetlag und Schlafmangel in einem dieser Stadtviertel ermitteln müssen.

Das Flugzeug setzte zur Landung an, und Mélanie hob ihren Kopf. Sie war wach.

Sie lächelte ihm zu. „Ich habe den ganzen Flug verschlafen“, meinte sie entschuldigend, „aber jetzt fühle ich mich erholter.“

Der Nachtflug und die vierstündige Wartezeit am Flughafen Frankfurt waren in der Tat sehr ermüdend gewesen, keiner von ihnen hatte in den vergangenen dreißig Stunden viel geschlafen. Mathieu freute sich wie jedes Mal, wenn er einige Nächte woanders verbracht hatte, auf seine helle, geräumige Wohnung.

Allerdings freute er sich etwas weniger darauf, am nächsten Morgen bereits wieder arbeiten zu müssen. Mélanie hatte noch einen Tag frei.

Mathieu erblickte nun schon das Wasser des Étang de Berre, einer Meeresbucht nordwestlich von Marseille. An seinem östlichen Ufer lag die Landebahn des Flughafens Marseille Provence, der von den Einheimischen nur Marignane genannt wurde, und im nächsten Moment setzte das Flugzeug auf. Einige Leute klatschten.

Die obligatorischen Durchsagen kamen auf Deutsch und auf Französisch, während das Flugzeug seine Parkposition einnahm.

„Danke, chéri“, sagte Mélanie leise, bevor sie das Flugzeug verließen. „Das war der schönste Urlaub meines Lebens.“

Er küsste sie sanft. „Für mich auch“, erwiderte er. „Ich danke dir!“

Als sie vom Flugzeug zur Halle gingen, in der das Gepäck ausgegeben wurde, spürte Mathieu die angenehm trockene Luft und die Wärme des Frühlingstages. Es war doch wirklich schön, von den Tropen in den Frühling zu kommen und nicht vom eisigen Nordwind, dem Mistral, empfangen zu werden, der auch im März und im April an gewissen Tagen noch durch das Rhônetal Richtung Süden fegte! So erlitten sie wenigstens keinen Klimaschock.

Bald schon standen sie vor dem Gepäckfließband und warteten auf ihre Koffer. Mathieu rief seinen Freund und Arbeitskollegen Luc an, der sie vom Flughafen nach Hause bringen wollte. Doch Lucs Telefonnummer war ständig besetzt. Mathieu runzelte die Stirn. Hoffentlich stand Luc wie zwei Stunden zuvor abgemacht in der Empfangshalle! Nachdem sie ihre Koffer bekommen hatten und durch die Schiebetür in die Halle getreten waren, sah Mathieu seinen hageren, groß gewachsenen Kollegen, Luc winkte ihnen zu.

Er hielt sein Handy ans Ohr, beendete jedoch das Gespräch und eilte auf sie zu, um Mélanie ihren Koffer abzunehmen.

„Salut!“, rief er überschwänglich. „Wie war’s?“

Er begrüßte sie beide mit einem Küsschen auf jede Wange, wie es in Marseille üblich war.

„Super. Wirklich ein tolles Land. Unbedingt zu empfehlen.“

Auf dem Weg zum Auto erzählte Mathieu von ihrem Urlaub, doch kaum waren sie eingestiegen, fragte er Luc:

„Und du? Die Arbeit?“

Luc seufzte. „Arbeit haben wir genug. Und heute ist die Hölle los. Ich habe trotz meines freien Tages fast den ganzen Nachmittag am Telefon verbracht. Spaziergänger haben vor zwei Stunden ein Skelett entdeckt. Oberhalb der Calanque Port-Miou. Man weiß bereits, dass es sich um einen jungen Mann handelt. Ermordet. Und rate mal, wer den Fall bekommt? Wir! Der Chef ist schon vor Ort. Er glaubt, dass es sich um einen unserer Vermissten handelt. Morgen früh wird entschieden, wer ermittelt: Philippe, du oder ich.“

Mathieu schluckte. So hatte er sich seine Ankunft zu Hause nicht vorgestellt. Er war gerade erst aus dem Flughafengebäude getreten, und schon wurde er mit der harten Realität seines Berufes konfrontiert. In diesem Moment wünschte er sich, Lucs Angebot, sie vom Flughafen abzuholen, angenommen zu haben und nichts ahnend in einem Taxi zu sitzen.

Eine bereits verweste Leiche in den Calanques, das war ja eine makabre Geschichte!

„Warum einer von uns dreien?“, fragte er Luc.

„Ganz einfach. Wir haben vier junge Männer, die vor mehr als einem Jahr verschwunden sind: Fabrizio Ricci, Khalil Moammar, Mohammed Rached und Louis Dumont. Du hast dich um die Suche nach Fabrizio Ricci und Mohammed Rached gekümmert, ich mich um Louis Dumont und Philippe war für Khalil Moammar zuständig. Unserem Chef nach ist der Tote einer von den vieren. Du hast also fünfzig Prozent Chancen, den Fall zu kriegen. Gratuliere!“

Mathieu seufzte. „Eigentlich nur 33,33 Prozent. Wenn es überhaupt einer von ihnen ist. Denn Mohammed Rached ist mit ziemlicher Sicherheit in Syrien …“

Dabei dachte er an seinen Fabrizio Ricci. Der Junge hatte mit dem Drogenmilieu anscheinend nichts zu tun gehabt, geschweige denn mit Terrorismus. Er hatte gute Noten geschrieben und sich im Jahr seines Verschwindens auf einem privaten Gymnasium in einem ruhigen Stadtviertel auf das Abitur vorbereitet. Mathieu kannte aufgrund seiner damaligen Ermittlung Fabrizios Eltern und sein Umfeld ziemlich gut. Sie hatten die Hoffnung, ihren Sohn lebend wiederzufinden, nicht aufgegeben, obwohl er mittlerweile seit eineinhalb Jahren als vermisst galt. Noch immer hofften sie, dass ihr sensibler und hochbegabter Sohn von zu Hause weggelaufen und im Ausland untergetaucht sei. Mathieu hoffte es ebenfalls. Er betete inständig dafür, dass es sich bei dem in Port-Miou entdeckten Skelett nicht um Fabrizio handeln möge.

„Wirklich morbid, einen so jungen Menschen umzubringen und ihn dort in dieser schönen Gegend zu vergraben“, ließ sich Mélanie vernehmen.

Nun seufzte Luc. „Ja, allerdings. Und die Leute, die das Skelett gefunden haben, waren Spaziergänger, ein Ehepaar mit einem vierjährigen Kind und einem Labradorwelpen. Ein Sonntagsspaziergang der etwas anderen Art!“


Die Abendnachrichten

Paola bügelte, während ihr Mann und ihr Sohn auf dem Sofa lümmelten. Im Fernsehen liefen die regionalen Nachrichten. Paola kämpfte mit dem riesigen Überzug der Steppdecke. Sie hatte aufgehört, auf den Fernseher zu schauen; die Nachrichten interessierten sie nicht besonders.

Plötzlich bemerkte sie jedoch, dass der Ton lauter geschaltet worden war. Ihre Aufmerksamkeit war geweckt. Sie hob den Blick und sah auf dem Bildschirm eine Landschaft, die sie nur zu gut kannte. Cassis, zwanzig Minuten von ihrem Wohnort entfernt. Die Calanque Port-Miou. Der Hafen, in dem das kleine Segelschiff ihres Mannes ankerte. Polizeiautos. Männer in Weiß, die oberhalb der Calanque herumgruben.

„… wurde um 16.00 Uhr von einem Hund entdeckt. Die Besitzer verständigten sofort die Polizei, und man geht davon aus, dass es sich bei dem Fund um die sterblichen Überreste eines jungen Mannes handelt. Als Todesursache wird ein Schlag auf den Kopf mit einem schweren Gegenstand vermutet. Die Leiche liegt seit mehr als einem Jahr unter der Erde …“

Paola erstarrte. Sie spürte, wie eine fürchterliche Beklemmung von ihr Besitz ergriff. Beinahe hätte sie das Bügeleisen fallen gelassen.

Zum Glück schaffte sie es, sich wieder in den Griff zu bekommen. Das ist nichts, sagte sie sich. Nur eine Drogengeschichte – wie immer, wenn in der Gegend von Marseille ein toter junger Mann gefunden wird. Er ist es nicht. Er kann es nicht sein, denn er hat nichts getan.

Sie senkte den Kopf über ihren Bettbezug und schluckte die Tränen herunter.

Ihr Mann und ihr Sohn sahen konzentriert auf den Fernseher, ohne auf Paola zu achten. Sie stellte das Bügeleisen ab, riss den Stecker aus der Dose und begab sich in die Küche. Ihre Hände zitterten. Sie stand kurz davor, in Tränen auszubrechen, doch sie musste sich noch zusammenreißen, bis sie sich gehen lassen konnte. Warten, bis die beiden anderen nicht mehr in der Nähe waren. Paola begann, Salat zu waschen; dabei beschwor sie sich, ruhig zu bleiben.

Sie richtete ein paar Toasts und rief dann ihren Mann und ihren Sohn zum Essen. Die beiden sprachen im Obergeschoss miteinander, doch Paola konnte nicht hören, worum es ging. Keiner antwortete ihr. Paola rief noch einmal, und schließlich kam ihr Mann Alexandre die Treppe herunter.

„Marc mag nichts essen“, erklärte er. „Er fühlt sich nicht gut. Wahrscheinlich eine Darmgrippe. Kursiert derzeit in Marseille. Gib ihm irgendeine Medizin. Er muss morgen unbedingt nach Lyon! Aber mir ist auch etwas flau zumute … Ich habe keinen Hunger.“

„D’accord.“ Paola war es einerlei, dass keiner etwas wollte. Sie selbst fühlte sich unfähig, auch nur irgendetwas zu sich zu nehmen. Sie dachte wieder an ihn. Nie im Leben würde sie darüber hinwegkommen.

Sie musste fort aus Marseille. Obwohl es mit Alexandre seit eineinhalb Jahren besser lief als zuvor, wollte sie ihn verlassen und zurück nach Italien, zu ihrer Mutter und zu ihrem Bruder. Sobald das Schuljahr zu Ende war, würde sie kündigen und gehen. Marc brauchte sie jetzt nicht mehr. Er würde an irgendeiner Ingenieurschule irgendwo in Frankreich studieren und nur mehr zu Weihnachten, Ostern und im Sommer einige Tage nach Hause kommen. Da konnte sie genauso gut in Italien leben. Sie bemerkte, dass ihr Mann ziemlich blass aussah.

„Was ist los?“, fragte sie ihn.

Er zögerte. „Du weißt ja … dieser Fall vor einem Jahr. Louis Dumont, der junge Mann, der damals verschwunden ist. Ich bin der Rechtsanwalt seiner Eltern. Die Polizei hat ihn nicht gefunden. Und die Eltern vermuteten einen Streit mit seinem Geschäftspartner. Doch wir hatten keine Beweise, um ihn anzuklagen. Wenn es sich bei dem in Cassis gefundenen Skelett um Dumont handelt, dann beginnt das Ganze von vorne. Dann habe ich keine einzige ruhige Minute mehr …“

„Ach …“ Paola hatte ganz vergessen, dass Alexandre im Vorjahr ebenfalls mit dem Verschwinden eines jungen Mannes beschäftigt gewesen war.

„Ich habe eher an Fabrizio gedacht …“, sagte sie leise und bemühte sich, das Zittern in ihrer Stimme zu unterdrücken. „Er ist ja ebenfalls vor eineinhalb Jahren verschwunden. Und er war Marcs bester Freund. Gewiss ist Marc jetzt schlecht, weil er auch an ihn denken musste.“

„Genau … die Sache mit Fabrizio“, stimmte ihr Mann seufzend zu. „Sie haben uns alle befragt, euch damals in der Schule immer wieder von Neuem.“

Paola erinnerte sich mit allen Details an die Ermittlungen durch die PJ, an Capitaine Dubois und sein Team. Er war hartnäckig, hatte nicht lockergelassen. Immer wieder war er gekommen, um ihren Sohn, seine Freunde und sie selbst und ihre Kollegen zu befragen. Fabrizio war nicht weit von seiner Schule verschwunden. Sein Mobiltelefon hatte bereits zehn Minuten nachdem er die Schule verlassen und sich von seinen Freunden verabschiedet hatte, nicht mehr geortet werden können. Zum Glück hatte Paola Fabrizio nie von ihrem Telefon aus angerufen. Sonst hätte Dubois einiges herausgefunden.

Nach mehreren Monaten erfolgloser Suche hatte der Capitaine sein beharrliches Bohren im Umfeld der Schule aufgegeben. Er hatte wohl anderen Ermittlungen den Vorrang geben müssen, Paola hatte ihn auf jeden Fall nicht mehr gesehen. Fabrizios Eltern hatten daraufhin einen Verein gegründet, um ihren Sohn zu suchen, und sich einen Rechtsanwalt genommen, einen Konkurrenten von Paolas Mann, den Alexandre hasste. Der Mann war ein Ellbogentyp, wie Alexandre sich ausdrückte. Paola hatte es sich verkniffen, ihm zu sagen, dass er selbst sich kaum von ihm unterschied: Auch er war jemand, der für seine Karriere über Leichen ging. Doch viel hatte Castini nicht zustande gebracht, obwohl er als einer der besten Anwälte von Marseille galt. Auf jeden Fall hatte auch er Paolas Geheimnis nicht entdeckt, und dafür war sie dem Schicksal dankbar.

Paola ging nach oben, um ihren Sohn zu fragen, ob er etwas brauchte. Marc lag mit bleichem Gesicht zusammengekrümmt auf seinem Bett und hielt sich den Bauch.

„Mensch, ist mir schlecht …“, stöhnte er.

„Ganz plötzlich? Wie angeflogen?“, erkundigte sich Paola besorgt.

„Nicht wirklich. Ich hatte schon am Nachmittag ein wenig Bauchschmerzen. Hast du nicht irgendein Medikament für mich?“

Paola nickte nur. „Einen Moment.“

Langsam ging sie ins Badezimmer. Eigentlich wollte sie Marc fragen, ob er vor dem Fernseher dieselben Gedanken gehabt hatte wie sie. Ob er an Fabrizio gedacht hatte. Doch es war nicht möglich. Sie konnte mit ihm nicht darüber sprechen. Fabrizios Verschwinden war für sie beide ein Trauma. Doch Marc wusste nicht, wer Fabrizio wirklich gewesen war. Es ging über Paolas Kräfte, Marcs besten Freund nun zu erwähnen.

Sie verabreichte ihrem Sohn ein Mittel gegen Bauchschmerzen und ein weiteres gegen Brechreiz, das auch schläfrig machte.

„Schlimmstenfalls fährst du morgen etwas später“, schlug sie vor.

Er nickte kläglich, und es schien Paola so, als sei er erst neun Jahre alt und nicht neunzehn.

Marc war in Lyon in eine Prépa eingeschrieben, eine Privatschule; hier wurden die Studenten auf die Aufnahmeprüfungen in die Ingenieurschulen vorbereitet, die in Frankreich als Eliteschulen galten. Einen Monat später sollte er die verschiedenen Concours, absolvieren. Marc hoffte natürlich, bei diesen Ausleseverfahren gute Ergebnisse zu erzielen, sodass er von einer Schule angenommen würde. Der Lehrstoff war enorm, es gab zahlreiche Bewerber, und es galt in den Wochen vor den Aufnahmeprüfungen als fatal, auch nur einen einzigen Schultag zu versäumen. Paola wusste das und hoffte, Marc würde am nächsten Morgen wieder auf den Beinen sein.

Alexandre machte Marc schulisch viel Druck. Er hatte ihn dazu motiviert, ein naturwissenschaftliches Abitur und danach die Vorbereitung auf eine Ingenieurschule zu machen. Paula hatte sich nicht um das Studium ihres Sohnes gekümmert.

Im Vorjahr war ihr vieles gleichgültig gewesen. Sie hatte ein sehr schweres Jahr hinter sich. Zuerst war Fabrizio spurlos verschwunden, dann hatte man bei ihrer Mutter Lungenkrebs diagnostiziert, und Paula hatte viel Zeit in Italien verbracht, um ihr in der schweren Zeit der Chemotherapie beizustehen.

Nun ging es ihrer Mutter etwas besser, doch Paola war bewusst, dass sie nicht mehr lang leben würde. Deshalb wollte sie die letzten paar Monate – oder vielleicht nur mehr Wochen – mit ihr verbringen. Sie würde in den Osterferien zu ihr fahren und dann zu Beginn der Sommerferien endgültig nach Italien ziehen.

Den Entschluss hatte sie schon vor Jahren gefasst; sie wollte nur noch warten, bis Marc das Haus verließ.

Sie konnte Alexandre seine zahlreichen Seitensprünge in den vergangenen fünfzehn Jahren nicht verzeihen. Obwohl er ihr nun seit Monaten treu geblieben war, waren ihre Gefühle für ihn gestorben. Und sie wusste, dass sie einen anderen liebte. Sie musste gehen, sobald sie konnte.

Anna-Maria Aurel

Über Anna-Maria Aurel

Biografie

Anna-Maria Aurel wurde 1974 in Innsbruck geboren. Sie lebt schon seit dreißig Jahren in Frankreich. Ihr Übersetzerstudium absolvierte sie in Lyon und Paris, ihr Tourismusstudium in Avignon und Arles. Mehrere Jahre arbeitete sie im Tourismusmanagement und im Immobilienbereich. Mit ihrem Mann, ihren...

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