

Dynasty Game – Sinnlicher Rausch (Scottish Affairs 1) - eBook-Ausgabe Dynasty Game – Sinnlicher Rausch (Scottish Affairs 1)
Roman
— Heiße Boss Romance in SchottlandDynasty Game – Sinnlicher Rausch (Scottish Affairs 1) — Inhalt
Royal Romance voller Leidenschaft, Geheimnissen und Gefahr. Finde heraus, welcher der beiden sexy MacKinnon-Brüder Claires Herz erobern wird.
„Wem machte ich etwas vor? Ich fand sie absolut hinreißend. Von dem Moment an, an dem wir zusammengestoßen waren und ich ihr aufgeholfen hatte. Und wenn ich sie nun ansah, verspürte ich den Wunsch, ihr unbedingt näher zu kommen.“
Die junge Künstlerin Claire ist völlig durcheinander, als sie einen Drohbrief in ihrer Wohnung findet. Ein Unbekannter fühlt sich von ihr verschmäht und möchte sie für diese Zurückweisung bestrafen. Allerdings hat Claire keine Ahnung, wer der Fremde ist. So schnell wie möglich verlässt sie London und findet Zuflucht in einem abgelegenen schottischen Burghotel, das der adligen Familie MacKinnon gehört. Dort bringt der attraktive Burgherr Shane ihre Welt mit seinem unwiderstehlichen Charme gehörig durcheinander. Als dann auch noch der geheimnisvolle Ramsey auftaucht und sich als Shanes Bruder vorstellt, gerät Claire in einen Strudel aus Verwirrung und Leidenschaft, denn beide Männer verdrehen ihr gehörig den Kopf. Doch welcher Bruder wird es schaffen, Claires Herz zu erobern?
Leseprobe zu „Dynasty Game – Sinnlicher Rausch (Scottish Affairs 1)“
1. Kapitel
Claire
„Wow, ich kann es kaum glauben, aber wir haben es geschafft!“ Loraine deutete zu dem Strom aus Besucherinnen und Besuchern, die durch unsere Ausstellungsräume liefen und andächtig mal vor einer Skulptur aus Neonröhren stehen blieben, mal vor einem wandhohen Gemälde in verschiedenen Rottönen. Lachend warf sie den Kopf in den Nacken. Es war ein Lachen der Erleichterung, weil dieser Abend so viel erfolgreicher verlief, als wir es uns in unseren kühnsten Träumen ausgemalt hätten. Die erste Ausstellung zweier junger Künstlerinnen, eine [...]
1. Kapitel
Claire
„Wow, ich kann es kaum glauben, aber wir haben es geschafft!“ Loraine deutete zu dem Strom aus Besucherinnen und Besuchern, die durch unsere Ausstellungsräume liefen und andächtig mal vor einer Skulptur aus Neonröhren stehen blieben, mal vor einem wandhohen Gemälde in verschiedenen Rottönen. Lachend warf sie den Kopf in den Nacken. Es war ein Lachen der Erleichterung, weil dieser Abend so viel erfolgreicher verlief, als wir es uns in unseren kühnsten Träumen ausgemalt hätten. Die erste Ausstellung zweier junger Künstlerinnen, eine Mischung aus neo-expressionistischer Malerei und abstrakter Metallkunst. Ziemlich gewagt, weil wir uns noch keinen Namen gemacht hatten.
Doch die Leute waren gekommen.
Und sie waren begeistert.
All die Sorge, dass wir am Ende allein hier herumstanden, war umsonst gewesen.
„Da bildet sich eine Traube vor deinem Bild der Roten Sonne!“
Ich folgte Loraines Blick und mein Herz hüpfte vor Freude.
Die Ansammlung war so groß, dass die Besuchenden kaum vorankamen, sogar auf der Stelle treten mussten. Kurzum, die Resonanz auf unsere Premiere hatte alle Erwartungen übertroffen.
Unweit entfernt entdeckte ich unsere Agentin Felicity, die gerade einen „Verkauft“-Sticker an eines meiner Bilder anbrachte. Auch Loraine bekam es mit und stupste mich in die Seite. „Da hat jemand dein Werk gekauft!“
Ich nickte aufgeregt. Unser erster Verkauf an diesem Abend. Und dann auch noch eins von meinen Werken.
Strahlend hob Felicity die Hand und schob sich an einer Gruppe Besuchender vorbei zu unserem Stehtisch. Aber bevor sie uns erreichte, schnappte sie sich noch drei Gläser vom Sektstand, der auf dem Weg lag.
„Gratuliere, Claire. Das ist ein guter Start.“ Sie reichte jedem ein Glas und wir stießen klirrend an.
„Auf euer grandioses Debüt!“, sagte Lorraine. „Und auf Claire und ihren ersten Verkauf.“
„Darf ich ein Foto machen?“, bat ein junger Mann mit übergroßer Brille, um dessen Hals ein Presseausweis an einem dicken blauen Band baumelte.
„Aber gerne!“, sagten Loraine und ich gleichzeitig, lachten und legten die Arme umeinander, während unsere Agentin sich aus dem Bild schlich, dabei jedoch beide Daumen hob, um uns anzufeuern.
Wenn das Bild morgen in den Zeitungen zu sehen sein würde, wäre es die perfekte Werbung. Es hieß nicht umsonst, dass der zweite Tag nach einer Premiere die wahre Bewährungsprobe darstellte. Dann, wenn man absehen konnte, ob sich die Räume noch einmal füllten.
„Danke!“, verabschiedete sich der Fotograf, ehe ihn die Menge verschluckte.
Ich trank meinen Sekt in einem Zug aus. Hatte immer noch Herzklopfen vor lauter Aufregung – oder schon wieder, war ich es doch nicht gewohnt, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Das sollte meine Kunst für mich übernehmen.
„Ladys, ihr könnt stolz auf euch sein“, sagte Felicity, die mir ein zweites Glas organisiert hatte, das ich dankend ablehnte. Ich vertrug Alkohol nur in Maßen und war ohnehin völlig aufgeputscht.
„Nicht nur auf uns, auch auf dich. Du warst es, die den Stein ins Rollen und eine Zusammenarbeit vorgeschlagen hat“, erinnerte ich sie. Auch einen Großteil der Organisation hatte sie übernommen. Sie war schlicht die Beste.
Ich sah Felicity nie ohne ihren Signature-Hosenanzug in Cremefarben, der sich perfekt mit ihren hellblonden Haaren ergänzte. Obwohl sie mit ihrem auffälligen Äußeren stets Aufmerksamkeit auf sich zog, war sie stets die Ruhe in Person. Eine kleine Ausstellung wie diese war für sie weit weniger aufregend als für uns Neulinge. Mit ihren achtunddreißig Jahren hatte sie so viel auf die Beine gestellt, dass man hätte denken können, sie wäre bereits zehn Jahre länger im Business.
Sie hob ihr Glas, prostete einem Reporter zu – ganz selbstverständlich. Man kannte sie, und das war ihr wichtig.
Loraine und ich hingegen waren weit weniger aufgebrezelt. Ich trug eine einfache Bluse und hellblaue Jeans, die an den Knien verwaschen aussahen, und Loraine steckte in einem bodenlangen Rock mit Fransen und einem Strickpulli. Ihre Finger glitten unentwegt über dessen Rollkragen, gruben sich in den Wollstoff, als brauchte sie etwas zum Festhalten. Ich fühlte mich genauso nervös.
„Hast du das gesehen, Felicity? Das sind sicher an die hundert Besucherinnen und Besucher, die bisher eingetroffen sind“, sagte Loraine, während sie eine kleine Masche an ihrem Rollkragen herauszog.
„Sogar ein paar mehr“, verkündete unsere Agentin stolz.
„Entschuldigen Sie, sind Sie die Künstlerin des Blechsoldaten?“, hakte ein Besucher nach und deutete zu der fast zwei Meter großen Skulptur, die die Mitte des Raumes dominierte. Ein Werk aus alten Metallblechen, Röhren und Leitungen, die Loraine in einer Weise kombiniert und zusammengeschweißt hatte, dass das Resultat an einen fantastischen Krieger erinnerte.
„Zufällig ja.“ Loraine strahlte ihn an.
„Ich hätte da ein paar Fragen …“
„Aber gerne.“
Sie gingen zusammen zu dem Ausstellungsstück, während sich Felicity vertrauensvoll bei mir unterhakte. Verschwörerisch reckte sie den Kopf vor, als wollte sie sicherstellen, dass nur ich hörte, was sie zu sagen hatte.
„Hör mal, ich wollte es nicht vor Loraine erwähnen, aber ich konnte eines deiner Werke bei einer Charity Auktion bei Sotheby’s unterbringen.“
„Was?“, entwich es mir.
Das war ein ganz anderes Kaliber, das würde mir richtig viel Publicity bringen. Daher wohl auch Felicitys Zurückhaltung Loraine gegenüber.
Sie nickte nun bedeutsam, knetete meinen Arm, als wäre sie entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit auch aufgeregt.
„Wie hast du denn das geschafft?“
„Ich habe den Organisatoren ein paar Aufnahmen deiner Kunst gezeigt, dann haben sie ein Bild ausgewählt“, erklärte sie und schnappte sich mit der freien Hand das zweite Glas, das sie eigentlich für mich organisiert hatte, um es zu ihren Lippen zu führen.
„Welches denn?“
Sie nahm einen kräftigen Schluck, stellte das Glas wieder ab. „Die Trauben.“
„Ah.“
›Die Trauben‹ war ein frühes Werk von mir, ich hatte versucht, eine Menschenmenge darzustellen, jeder abgebildeten Person eine eigene Geschichte zu geben. Betrachtete man das bunte Bild, hatte man das Gefühl, selbst Teil dieser Menge zu sein. Man spürte unwillkürlich die Enge, den Druck von Schulter an Schulter. Und nun sollte dieses Bild bei Sotheby’s versteigert werden?
„Danke, Felicity. Das ist … super.“ Ich fand kaum die richtigen Worte, um meine Gefühle auszudrücken.
„Es ist ein Sprungbrett“, fuhr sie in einem gemäßigten Ton fort, wohl, damit ich mir dies nicht zu Kopf stiegen ließ. Schließlich war es eine Sache, bei Sotheby’s versteigert zu werden, allerdings eine andere, wie viele Gebote es letztlich geben würde.
Ich nickte. Ganz gleich, wie die Auktion endete, mit dieser hatte ich einen Fuß in der Tür. Hatte eine Chance, von der Kunstszene entdeckt zu werden.
„Wann ist die Auktion?“
„In anderthalb Monaten.“
„So schnell schon.“
Sie nickte.
„Wir werden natürlich alles daransetzen, dass du von diesem Sprungbrett in die Höhe katapultiert wirst“, meinte Felicity mit ihrer leicht rauchigen Stimme und lachte zuversichtlich. „So und jetzt genieße deinen Erfolg. Ich bin kurz draußen.“ Sie zog eine Schachtel Zigaretten aus ihrer Jackentasche und zwinkerte.
Die letzten Besuchenden hatten sich erst weit nach Mitternacht verabschiedet und wir mit einem guten Gefühl die Ausstellung geschlossen. Mit dem Taxi war ich heimgefahren, in der Hoffnung, trotz aller Aufregung noch etwas Schlaf zu bekommen, denn für den zweiten Ausstellungstag wollte ich fit sein.
Schließlich stieg ich in meinem Viertel Elephant and Castle im London Borough of Southwark aus, bezahlte den Fahrer und schlenderte zu meinem Hauseingang, bemerkte nebenbei wie die Bäume am Straßenrand allmählich anfingen zu blühen. Im Hausflur schaltete ich das Licht ein und schleppte mich in den zweiten Stock. Aus der Nachbarwohnung hörte ich das junge Paar, das erst vor wenigen Monaten eingezogen war, lautstark streiten. So ging es beinahe jeden Abend bis tief in die Nacht hinein. Außer wenn sie Sex hatten. Dann hörte man andere Geräusche durch die dünnen Wände dringen …
Mit der Hand wühlte ich in meiner Handtasche, fand meinen Schlüssel schließlich und fischte ihn heraus. Irritiert bemerkte ich, dass ich heute Morgen auf dem Weg zum Atelier vergessen hatte abzuschließen.
Merkwürdig. Ich war mir sicher gewesen, es getan zu haben. Nicht, dass die Gegend gefährlich wäre. Aber seit ich vor fünf Jahren aus Norwich in die Großstadt gezogen war, hatte ich es mir zur Angewohnheit gemacht, immer die Tür zu verriegeln.
Ich trat in meine Diele, machte auch hier das Licht an und ließ die Handtasche auf die Kommode sinken, während die Tür hinter mir ins Schloss fiel.
Ein seltsamer Geruch drang in meine Nase. Als hätte jemand geraucht. Das konnte nur Einbildung sein. Ich war Nicht-Raucherin und kannte, von Felicity abgesehen, niemanden, der auf einen Glimmstängel zurückgriff.
Nach ein paar Atemzügen verschwand der Geruch bereits wieder, was mich darin bestärkte, dass mir die Fantasie einen Streich gespielt haben musste.
Ich brauchte dringend einen Tee. Also führte mich mein Weg in die Küche, wo ich als Erstes den Wasserkocher anstellte, ehe ich mich umzog und ins Bad verschwand. Mit einem Klick ging die Deckenlampe an und ich schaute in den Spiegel. Nach der Hitze und den vielen Stunden in den Ausstellungsräumen war mein Make-up zerlaufen.
Es war jedoch nicht mein eigener Anblick, der mich in der nächsten Sekunde erstarren ließ. Mein Blick wanderte zu der Karte, die offen gegen den Spiegelschrank lehnte und mir eine fein zusammengeklebte Nachricht präsentierte.
Wieso, Claire, reißt du mir das Herz aus der Brust mit deiner Missachtung? Trittst meine Liebe mit Füßen! Dafür werde ich dich bestrafen.
Sofort schoss mein Puls in die Höhe. Was um alles in der Welt! Gerade noch konnte ich einen Aufschrei unterdrücken.
Wer hatte diese Zeilen verfasst? Schlimmer, die Karte hier hingestellt? So, dass sie mir auf keinen Fall entgehen konnte? Und dann dieser gruselige Text. Fein säuberlich zurechtgeschnittene und aufgeklebte Buchstaben in ihren unterschiedlichen Typografien. „Ein ehemaliger Bewunderer“ stand dort als Absender.
Was wohl unterstreichen sollte, dass er mir nun feindlich gesinnt war, dieser Bewunderer, den ich verschmäht hatte, obwohl ich ihm nie begegnet war. In den letzten Monaten hatte ich keine Kontakte zu Männern gehabt, weil ich nur für meine Kunst gelebt hatte. Was also sollte das?
Der Geruch nach Rauch stieg mir abermals in die Nase. Jetzt noch penetranter.
Mir wurde unweigerlich heiß, mein Körper ging in Alarmbereitschaft über. Niemand außer mir hatte einen Schlüssel für diese Wohnung. Er musste eingebrochen sein. War deswegen die Tür nicht abgeschlossen gewesen?
Adrenalin rauschte wie Gift durch meinen Körper, in dem sich jeder Muskel zum Zerreißen anspannte. Ein Gedanke jagte den nächsten. Wer auch immer mir diese Nachricht geschrieben hatte, er war eingedrungen und womöglich noch hier.
Allein die Vorstellung versetzte mich in solche Panik, dass ich kaum zu Atem kam. Mein Blick wanderte zum Duschvorhang. Hatte er sich dort versteckt?
Ich musste hier raus!
Schon rannte ich los, stolperte und gelangte trotzdem in Windeseile zur Wohnungstür, riss diese auf und stürzte in den Hausflur, klopfte und klingelte im Wechsel bei dem Pärchen gegenüber. Aber die beiden stritten so laut, dass sie es entweder nicht hörten oder nicht gestört werden wollten.
Felicity, fiel es mir ein. Seit ich nach London gezogen war, hatte ich mich voll und ganz auf mein Kunststudium und anschließend darauf konzentriert, in der Künstlerszene Fuß zu fassen. Es war kaum Zeit gewesen, einen sozialen Zirkel aufzubauen. Allerdings war ich auch ein Mensch, der keinen großen Freundeskreis benötigte. Ich hatte mich mit einigen Kommilitonen und Kommilitoninnen gut verstanden, die meisten waren allerdings weggezogen, ein paar sogar nach New York.
Felicity konnte ich jedoch immer anrufen und ich wusste zudem, dass ich sie nicht aus dem Bett klingeln würde. Während ich mehrere Stufen gleichzeitig nahm und aus dem Haus auf die Straße eilte, lauschte ich dem Freizeichen.
„Claire? Haben uns ja lange nicht gehört …“, scherzte sie. Aber zum Lachen war mir nicht zumute.
„Es ist etwas passiert …“, rief ich aufgeregt und versuchte zu erklären, worum es überhaupt ging. Es war ein Wunder, dass Felicity mich verstand, denn mein Atem ging so schnell, dass ich mich selbst kaum hörte.
„Keine Panik, Claire“, sagte Felicity so ruhig und besonnen, dass mein Puls augenblicklich runterging. Wie machte sie das nur? Wie konnte sie stets die Ruhe in Person bleiben, egal, was passiert war? Gerade jetzt, angesichts dieser Situation, erschien es mir besonders beeindruckend. „Ich komme zu dir. Ruf du bitte inzwischen die Polizei. Wenn es ein Einbruch war, liegt eine Straftat vor.“
Ich war so durcheinander, dass ich nicht auf diesen einfachen Gedanken gekommen war. Aber Felicity wusste sofort, was zu tun war. Nichts, so schien es, konnte sie aus dem Konzept bringen.
„In Ordnung, ich warte draußen. Ich gehe auf keinen Fall noch mal allein in die Wohnung.“
„Das würde ich auch nicht machen. Bis gleich, Claire. Ich beeile mich.“
Schon hatte sie aufgelegt und ich klingelte beim Police Department durch, setzte mich dabei auf eine Bank am Straßenrand und versuchte, mich zu beruhigen, was mehr schlecht als recht gelang.
2. Kapitel
Claire
Alles war sehr schnell gegangen. Drei Beamte hatten sich von mir durch die Wohnung führen lassen und dabei jeden Raum durchsucht. Zum Glück war der Eindringling nicht mehr vor Ort.
„Wo haben Sie die Karte gefunden?“
„Was haben Sie danach gemacht?“
„War jemand im Apartment, als Sie nach Hause kamen?“
Mir schwirrte der Kopf, ich stand so unter Strom, dass ich kaum meine eigenen Antworten auf die Fragen mitbekam.
Eine ältere Polizistin untersuchte meine Wohnungstür akribisch. Mir fiel auf, wie sorgsam sie dabei umging, die Klinke mehrfach herunterdrückte, das Schloss unter die Lupe nahm, während der Kollege mit dem grimmigen Blick danebenstand und immer wieder auf seine Armbanduhr sah, als wollte er endlich Feierabend machen.
Schließlich kam die Beamtin auf mich zu, räusperte sich und stemmte die Hände in die Seiten.
„Sie brauchen ein einbruchssicheres Schloss. Das hier lässt sich leicht mit einem Dietrich öffnen. So wird der Täter hereingekommen sein.“ Ihre Worte beruhigten mich kein Stück. Vielleicht bekam sie das mit, denn sie holte einen Flyer aus ihrer Jackentasche hervor. „Hiermit können Sie sich informieren. Einbruchssichere Schlösser weisen Normen auf, die eingehalten werden müssen. Es sind auch Adressen von Shops vermerkt.“
Das sollte ich mir wirklich näher ansehen.
„Danke“, sagte ich leise und nahm ihr den Flyer ab.
Der dritte Kollege, ein junger Mann, der fast so nervös wirkte wie ich, kam mit einem durchsichtigen Tütchen aus dem Bad, in dem die Karte des Täters steckte.
Vermutlich wollten sie diese auf Fingerabdrücke untersuchen.
Einfach gruselig.
„Claire, ich bin da!“, drang es von der Tür, die nur angelehnt war. In der nächsten Sekunde kam Felicity herein. Ihre hochgewachsene Gestalt strahlte Selbstbewusstsein aus, ihre Präsenz füllte sofort den Flur aus.
„Wer sind Sie?“, wollte die engagierte Polizistin wissen, während Felicity sich an zwei der Beamten vorbei schob, um zu mir zu gelangen. Ich war ehrlich erleichtert, sie zu sehen. Und noch mehr, als sie den Arm um mich legte.
„Felicity Newman. Eine Freundin“, betonte sie. Nicht Agentin! Staunend schaute ich zu ihr hoch, während sie mich mit einem Blick bedachte, der sagte: Es wird alles gut werden.
„Ein paar Fragen haben wir noch“, erklärte die Polizistin. Ich seufzte innerlich auf. Der beleibte Kollege stimmte in mein Seufzen mit ein, schaute erneut auf seine Armbanduhr.
„Könnte ein Ex-Partner die Karte verfasst haben?“, fragte mich die Beamtin nun, aber ich schüttelte den Kopf. Ich hatte schon lange nicht mehr gedatet und war mit meinen Ex-Freunden ohne Streit auseinandergegangen. Seit ich in London lebte, war ich zudem Dauer-Single.
„Claire Winston ist eine Person der Öffentlichkeit“, erklärte Felicity der Beamtin, die mich darauf musterte, als wäre ich eine Prominente, die sie nicht erkannte.
„Ich bin bildende Künstlerin“, fügte ich hinzu, damit sie die Sachlage besser einordnen konnte. Niemand Berühmtes.
„Ich weiß, das alles ist sehr schwer für Sie. Und unsere Fragen mögen lästig erscheinen, allerdings ist es wichtig, sie zu beantworten. Meinen Sie, Sie schaffen das? Es sind nur noch ein paar.“
Die einfühlsame Art der Beamtin brachte mich dazu, mich wieder kooperativer zu zeigen. Tatsächlich hätte ich am liebsten den Kopf in den Sand gesteckt und von all dem nichts mehr mitbekommen wollen. Aber sie hatte natürlich recht. Wenn der Täter gefasst werden sollte, musste ich mitarbeiten. Trotz des Schocks und der aufkeimenden Erschöpfung.
„Hat der Verfasser der Karte schon vorher Kontakt zu Ihnen aufgenommen? Haben Sie eine Idee, wer es sein könnte? Immerhin scheint eine gewisse Vertraulichkeit zu bestehen.“
Ich schüttelte erneut den Kopf. Allein das Wort ›Vertraulichkeit‹ bereitete mir eine Gänsehaut. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, wer dieser Kerl war. „Die Vertraulichkeit ist einseitig, vermutlich nur in seinem Kopf.“
Konnte es ein Käufer eines meiner Bilder gewesen sein? Jemand, der online Kontakt zu mir gesucht hatte? Ein Gast auf der Ausstellung? Die Nachricht hörte sich an, als hätten wir engeren Kontakt gehabt. Aber in der Realität war das nicht der Fall gewesen. Ich hatte nur für meine Arbeit gelebt, war kaum ausgegangen, höchstens mit Loraine, und hatte ständig im Atelier gestanden, um meine Visionen auf Leinwand zu bringen.
„Du hast erzählt, dass du hin und wieder Kommentare auf Facebook bekommen hast“, meinte Felicity hilfreich.
Das stimmte, nur hatte ich da keinen Zusammenhang gesehen. Es waren harmlose Messages gewesen. Ich hätte die Verfassenden nicht mal als Fans bezeichnet.
Felicity war schneller als ich und rief mein Facebook-Profil mit ihrem Smartphone auf, auf dem ich regelmäßig Fotos aus dem Atelier postete. Die Beamtin nahm ihr das Handy ab, fuhr mit dem Finger scrollend über das Display und hob eine Braue.
„Sehr interessante Kunst“, sagte sie und nickte anerkennend. Jetzt beeindruckte mich die Polizistin zum zweiten Mal, denn offenbar erkannte sie, was meine Werke darstellten.
Meine neo-expressionistischen Bilder zeigten oft die Sinnlichkeit zwischen Mann und Frau auf eine geschmackvolle und abstrakte Weise. Das war ein Thema, das so universell war, dass fast jeder ein Gefühl damit verbinden konnte. Und Gefühle erwecken wollte ich. Wenn auch nicht auf die Weise wie beim ehemaligen Bewunderer.
Wahllos las die Polizistin ein paar Kommentare vor, die sich unter den Werken befanden.
„Ein erotisches Bild, man merkt die Leidenschaft.“
„Ist das Kunst, oder kann das weg?“
Nicht alle waren freundlich, aber eben auch nichts Ungewöhnliches für Social Media.
„Ich weiß, dass wir eine besondere Verbindung haben, schreibt hier jemand.“ Ich hielt überrascht inne. War mir da etwas entgangen? „Claire, du bist eine Göttin. Niemand hat diese Ausdruckskraft, nur du. Ich kann fühlen, was du gefühlt hast, als du dieses Szenario erschaffen hast.“
Wirklich? Das hatte jemand gepostet?
Ob das dieselbe Person war, die auch die Karte an meinen Spiegelschrank gelehnt hatte?
„Der Account führt ins Leere, keine Angaben zu der Person. Aber wir werden die IP-Adresse kontrollieren“, versicherte mir die Beamtin zuversichtlich.
Ich nickte, entsetzt über diese Kommentare. Wollte dieser Kerl mich bestrafen, weil ich nicht geantwortet hatte?
„Ich will ehrlich zu Ihnen sein. Zwar bin ich kein Profiler, habe aber schon einiges in diesem Job erlebt. Der Täter zeigt Auffälligkeiten, die auf eine Obsession hindeuten und dies sollte man ernstnehmen“, meinte die Polizistin und gab Felicity ihr Handy zurück.
Ich bekam erneut eine Gänsehaut, die die erste noch überlagerte. Was wollte sie mir damit sagen? Dass der Mann, der bei mir eingebrochen war, psychisch auffällig war? Das hätte ich auch ohne diesen Hinweis so eingeschätzt. Doch dass die Polizistin mich so sorgenvoll ansah, gefiel mir nicht. Felicity legte abermals den Arm um mich.
„Wie geht es denn jetzt weiter?“, wollte ich wissen.
„Wir werden das Profil des Kommentierenden durchleuchten und weitere Nachforschungen anstellen. Ein unberechtigtes Eindringen in private Wohnräume liegt vor. Vermissen Sie etwas?“ Das klang nach Schema F., dem Standardvorgehen. Doch der besorgte Blick der Beamtin ließ mich einfach nicht los.
Ich schüttelte den Kopf. „Nicht, dass ich wüsste.“ Ich war auch zu durcheinander, um es mit Sicherheit sagen oder ausschließen zu können.
„In jedem Fall empfehlen wir Ihnen, sich heute Nacht ein Hotelzimmer zu nehmen.“
Weil der Täter zurückkehren könnte? Bloß das nicht. Ich nickte zustimmend. Hier nächtigen wollte ich jedenfalls nicht. Erst recht nicht nach diesen gruseligen Ausführungen der Polizistin.
„Das ist nicht nötig, du kannst bei mir schlafen“, bot Felicity an. „Trevor ist auf Geschäftsreise, wir wären ungestört.“ Ihr aufmunterndes Lächeln erinnerte mich daran, dass sie mich vorhin eine Freundin genannt hatte. Und dieser Vorschlag … Oh ja, bitte. Das war mir um Längen lieber, ich wollte jetzt nicht allein sein.
Die Beamtin nickte. „Falls Sie es einrichten können, wäre auch ein längerer Aufenthalt außerhalb der Stadt eine Möglichkeit. Solche Täter verlieren oft das Interesse an ihren Opfern, wenn diese nicht verfügbar sind.“
„Ich denke darüber nach“, sagte ich. London verlassen … das wäre ungünstig, da unsere Ausstellung gestartet war und Sotheby’s in den Startlöchern stand.
„Wir melden uns bei Ihnen, sobald wir mit den Ermittlungen voranschreiten.“
„Endlich“, brummte der beleibte Beamte, während der Jüngste mit der Karte in der durchsichtigen Tüte schon die Klinke in der Hand hatte.
„Das ist alles?“, entfleuchte es meiner Agentin.
„Mehr können wir im Augenblick nicht tun. Hätten wir jemanden in der Wohnung aufgefunden, wäre es anders gewesen.“
Im Prinzip jagten sie einem Phantom nach. Ob sie es jemals finden würden?
„Alles Gute“, wünschte mir die Beamtin noch, ihre Kollegen traten bereits in den Hausflur.
Ich nickte. „Danke.“ Wenigstens hatte sich die Polizistin Mühe gegeben. Ihren Flyer steckte ich mir in die Hosentasche, denn über Sicherheitsschlösser wollte ich mich definitiv näher informieren.
Trotzdem waren Felicity und ich ziemlich ernüchtert.
„Wir sollten ein paar Sachen packen“, schlug sie vor.
Immerhin etwas, auf das wir Einfluss nehmen konnten.
Ich drückte die Tür zum Schlafzimmer auf, eine Schublade stand noch offen, weil einer der Beamten sie durchsucht hatte. Dann stellte ich mich auf die Zehenspitzen, zog meine Reisetasche vom Kleiderschrank und öffnete sie wie ferngesteuert. Pullover verschwanden darin, Hosen, Shirts, Unterwäsche … was brauchte ich noch?
„Zahnbürste“, sagte Felicity, als hätte sie meine Gedanken gelesen.
Sofort bildete sich Gänsehaut in meinem Nacken. Der Spiegelschrank … ich schluckte.
„Könntest du … sie holen?“ Wenn es einen Raum in dieser Wohnung gab, der mir Angst machte, war es das Badezimmer, in dem ich diese gruselige Karte gefunden hatte.
Felicity hob eine Braue, nickte mir dann aber zu. „Natürlich, Liebes.“
Schon eilte sie los, mit diesen gefestigten Schritten. Als sie kurz darauf zurückkam, hatte sie meinen Kulturbeutel dabei. „Das wirst du alles brauchen“, verkündete sie und hob ihn wie eine Trophäe in die Höhe.
Sie war wirklich ein Schatz.
Ich kam erst so richtig runter, als ich mit einem Cognac auf der Couch meiner Agentin in deren modern eingerichteten Wohnzimmer saß. Wobei, Wohnzimmer eine Untertreibung war. Saal hätte es besser beschrieben. Felicity saß mir gegenüber, aber aufgrund der Größe des Raums und des auffällig langen Mahagonitisches trennten uns fast sechs Fuß. Sie hatte zudem eine Räucherkerze angezündet. Zur Beruhigung.
Alles war sehr hell, sehr minimalistisch eingerichtet und zugleich fühlte ich mich verloren, weil das Loft ein ehemaliger Industrieraum gewesen war. Aber hey, ich wollte mich nicht beklagen. Ich war froh, hier sein zu dürfen. Zum ersten Mal, weil Felicity sonst Privates und Business streng trennte.
Noch immer konnte ich nicht glauben, was passiert war. Ein bisschen fühlte ich mich wie im Film, wenn auch im falschen.
„Fällt dir wirklich niemand ein, der dir schaden wollen könnte, Claire?“
Sie öffnete ihren Haarknoten, woraufhin ihre hellblonden Strähnen wie ein goldener Wasserfall über ihre Schultern flossen.
Ich schüttelte den Kopf, den ich mir über diese Frage auch zerbrochen hatte. Das alles war wie aus dem Nichts gekommen. Wortwörtlich. Wäre ich nicht zuerst im Bad verschwunden, hätte ich seelenruhig meinen Tee in meiner Stube getrunken, ohne zu ahnen, welche böse Überraschung am Spiegelschrank auf mich lauerte.
„Eigentlich habe ich mich mit allen gut verstanden, mit Loraine, mit den Käuferinnen und Käufern meiner Bilder, selbst mit dem lauten Pärchen von nebenan. Es gab keine Konflikte. Mit niemandem.“ Ich nippte an meinem Glas. Oh Mann, wie viel Alkohol hatte ich heute getrunken? Definitiv zu viel. Ich musterte das teure Glas, sicher Kristall. Eigentlich wäre ein Tee schöner gewesen. Egal …
„Also hat er dich komplett willkürlich ausgewählt.“
Ich zuckte mit den Schultern. Für mich sah es danach aus. Aber wer wusste schon, was im Kopf dieser Person vor sich ging.
„Du kannst jedenfalls so lange bleiben, wie du willst.“
„Ich danke dir wirklich sehr, Felicity. Es ist lieb, dass du mich aufgenommen hast. Ich hoffe dennoch, dass ich dich nicht lange belästigen muss und sie den Täter bald schnappen.“
Felicity lächelte mich aufmunternd an.
„Das hoffe ich auch, aber seien wir realistisch. Ob Fingerabdrücke auf der Karte sind, die zu einem Täter führen, ist fraglich. Die Person war sicher clever genug, beim Kleben dieser Buchstabenschnipsel Handschuhe zu tragen.“
Ich nickte langsam, starrte in mein Glas und spürte, wie die Anspannung zurückkehrte. Immerhin hatten sie die IP-Adresse, respektive wollten diese ermitteln. Das war besser als nichts, oder?
„Natürlich könnte man das Schloss austauschen, wie die Beamtin empfohlen hat … aber du wirst morgen wohl kaum in deine Wohnung zurückkehren wollen, oder?“
„Nein“, gab ich zu.
„Bleib gern hier, Süße. Wir sind doch Freundinnen.“
Ich war berührt von Felicitys Worten. Immer schon hatte sie an mich und meine Kunst geglaubt, mir tolle Aufträge verschafft und nun stand sie hinter mir, bot mir eine Couch zum Schlafen an. Sie hatte sich sogar entschuldigt, dass sie kein Bett zur Verfügung hatte, weil das Gästezimmer gerade neu möbliert werden sollte. Als wenn das ein Problem für mich wäre, dass ich nur auf dem Sofa untergebracht wurde. Himmel! Konnte es eine bessere Agentin geben?
Da saß sie vor mir, diese schicke Frau, in diesem teuren Loft in Londons angesagtesten Bezirk und kümmerte sich um mich. Eine junge Künstlerin, die vielleicht ein gewisses Talent hatte, aber ihren Weg erst gehen musste. Und plötzlich waren wir Freundinnen.
Felicity gähnte. „Komm, wir machen dein Bettzeug fertig.“
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