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Der Trailer (Donkerbloem 1) Der Trailer (Donkerbloem 1) - eBook-Ausgabe

Linus Geschke
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Thriller

— Mit limitiertem Farbschnitt | Auf einem Campingplatz lauert das Böse – ein düsterer Psychothriller
Paperback (17,00 €) E-Book (14,99 €)
€ 17,00 inkl. MwSt. Erscheint am: 04.07.2025 In den Warenkorb Im Buchshop Ihrer Wahl bestellen
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Der Trailer (Donkerbloem 1) — Inhalt

Dunkel, spannend und meisterhaft konstruiert – der packende Auftakt der neuen Thriller-Trilogie von SPIEGEL-Bestsellerautor Linus Geschke!

Ein abgelegener Campingplatz in den Ardennen. Eine Studentin, die dort unter mysteriösen Umständen verschwindet. Als der Fall auch 15 Jahre später noch ungelöst ist, nimmt die Hamburger Kommissarin Frieda Stahnke an einem True-Crime-Podcast teil, um den Fokus der Öffentlichkeit erneut auf die Geschehnisse zu richten. Sie ahnt nicht, dass sie damit nur weitere Morde auslösen wird.

Wout Meertens, ein schmieriger Barbesitzer aus Köln, hört diesen Podcast. Er war zur selben Zeit wie die verschwundene Lisa Martin in Camp Donkerbloem, aber er redet nicht mit der Polizei. Verurteilte Stalker tun das nie. Nicht, wenn sie sich nicht selber verdächtig machen wollen.

Als sich die Wege von Frieda und Wout kreuzen, wird klar, dass sie nur gemeinsam herausfinden können, was mit Lisa Martin geschah. Dafür müssten sie sich jedoch vertrauen – ohne es später zu bereuen …

„Linus Geschke ist die deutsche Antwort auf amerikanische Autoren wie Don Winslow.“ Redaktion österreichisches Pressebüro

€ 17,00 [D], € 17,50 [A]
Erscheint am 04.07.2025
416 Seiten, Klappenbroschur
EAN 978-3-492-06861-1
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€ 14,99 [D], € 14,99 [A]
Erscheint am 04.07.2025
416 Seiten
EAN 978-3-492-61010-0
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Leseprobe zu „Der Trailer (Donkerbloem 1)“

Die Ardennen

Es ist eine wilde, zerklüftete, ja fast schon archaische Landschaft, die sich hinter der deutsch-belgischen Grenze bis nach Luxemburg erstreckt: die Ardennen. Ein Schiefergebirge, geprägt durch dunkle Waldgebiete, Hochmoore und steile Plateaus, die von schluchtenartigen Einschnitten durchbrochen sind. Senken ziehen sich durch schmale Flusstäler, deren Enge eine menschliche Besiedlung lange kaum möglich machte.

Obwohl die Gegend nur dünn besiedelt ist, ist sie zu allen Zeiten Schauplatz zahlreicher Auseinandersetzungen gewesen. Cäsars Legionen [...]

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Die Ardennen

Es ist eine wilde, zerklüftete, ja fast schon archaische Landschaft, die sich hinter der deutsch-belgischen Grenze bis nach Luxemburg erstreckt: die Ardennen. Ein Schiefergebirge, geprägt durch dunkle Waldgebiete, Hochmoore und steile Plateaus, die von schluchtenartigen Einschnitten durchbrochen sind. Senken ziehen sich durch schmale Flusstäler, deren Enge eine menschliche Besiedlung lange kaum möglich machte.

Obwohl die Gegend nur dünn besiedelt ist, ist sie zu allen Zeiten Schauplatz zahlreicher Auseinandersetzungen gewesen. Cäsars Legionen zogen hier durch, marodierende Wikinger und mehrere Armeen. Am schlimmsten jedoch war die Zeit, als zwei Weltkriege die Region in ein einziges Schlachtfeld verwandelten. Der torfige Boden wurde mit Blut getränkt, und noch heute behaupten manche Einheimische, dass sie in stillen Nächten die Schreie der Verwundeten hören können.

Wenn eine Gegend über Jahrhunderte hinweg so viele Grausamkeiten erlebt, vergisst sie einige auch wieder.

Nur diese Nacht nicht.

Diese eine Nacht vergaßen die Ardennen nie.

Wenn die Wälder reden könnten, würden sie von einer jungen Frau erzählen, die zwischen ihren Stämmen umherhetzte. Von dem maskierten Mann, der ihr folgte, und vom Blut, das im Mondlicht fast schwarz aussah. Sie würden flüstern, wenn es darum geht, was mit dieser Frau geschehen ist, und nur die mutigsten unter ihnen würden sich trauen, den Namen des Ortes auszusprechen, an dem das Grauen begonnen hatte.

Camp Donkerbloem.

Die Bäume wussten, dass die Frau ihrem Schicksal nicht entfliehen konnte. Nicht in jener Nacht, in der es weder Mond noch Sterne gab, nur Wolken, die ein unbarmherziger Wind vor sich hertrieb. So wie die Frau von dem Mann vor sich hergetrieben wurde, das Schicksal von der Schuld, die Gegenwart von der Vergangenheit.

Vierzehn Jahre sind seit dieser Nacht vergangen, aber die Folgen sind bis heute nicht verklungen. Sie schlummern nur. In den zerklüfteten Tälern, den schroffen Felswänden, dem torfigen Boden.

Am liebsten würden die Bäume die Geschichte selbst niederschreiben, um sie der Nachwelt als mahnendes Beispiel zu erhalten, aber das können sie nicht. Irgendjemand muss es jedoch tun, das ist gewiss.

Dieser Jemand bin dann wohl ich.


In der Nähe von Malmedy

Juni 2011

Lisa kauerte unter dem Fenster ihres Wohnwagens und wagte kaum zu atmen. Eine gespenstische Stille, die nur gelegentlich durch menschliche Schreie unterbrochen wurde, hatte sich über den Campingplatz gelegt. Sie konnte die Stimmen von Männern und Frauen unterscheiden, wobei Letztere in der Unterzahl waren, natürlich waren sie das. Nur nicht, was die Schreie anging.

Camp Donkerbloem war kein guter Ort. Es war ein böser Ort; ein Ort für Männer, die Grausames im Schilde führten. So viel hatte Lisa schon begriffen, auch wenn sie immer noch nicht verstand, was genau vor ihrem Fenster passierte.

In den anderen Wohnwagen.

Die Schreie verklangen wieder, und Lisa erhob sich, um die Gardine einen Spaltbreit zur Seite zu schieben. Vor ihrem Trailer verlief ein kiesbedeckter Weg, der so schwach beleuchtet war, dass der Lichtschein kaum die umliegenden Wohnwagen erreichte. Sie spähte nach links, dann nach rechts, anschließend in die Ferne. Kein Mensch war auf dem Gelände zu sehen, was einerseits gut war, ihre Angst andererseits aber noch verstärkte.

Sie musste weg hier. Nur wie? Handyempfang gab es nicht, und bis zum Ausgang des umzäunten Geländes waren es gut dreihundert Meter. Zu weit, um die Strecke unbemerkt zurücklegen zu können. Wenn die Männer, die dort draußen in der Dunkelheit lauerten, sie entdeckten, würden sie sich auf sie stürzen. Vielleicht, weil sie sie für einen reizvollen Teil des Spiels hielten, eine besondere Attraktion, aber das war sie nicht.

Lisa wollte sich gerade vom Fenster zurückziehen, als der Schatten einer menschlichen Kontur auf den Weg fiel. Scharf zog sie die Luft ein und konnte nur mit Mühe einen Schrei unterdrücken. Sie ging auf die Knie und hoffte, dass der Unbekannte – warum nur war sie so sicher, dass es ein Mann war? – die Bewegung der Gardine nicht wahrgenommen hatte. Wenn doch, würde er sicherlich die anderen rufen und mit ihnen gegen die Tür ihres Wohnwagens hämmern, sich womöglich sogar gewaltsam Zutritt verschaffen.

Alles, nur das nicht.

Nicht an diesem Ort, der tagsüber einem Ferienparadies glich und nachts zum Vorhof der Hölle mutierte. Noch immer verstand sie nicht, wie sie so dumm hatte sein können. Hatte sie die Anzeichen nicht gesehen oder einfach nur falsch gedeutet? Anfangs war ihr alles eher amüsant als bedrohlich vorgekommen, bis sie die ersten Schreie gehört hatte und die Frau sah, die von zwei Männern in einen der Trailer gezogen wurde.

Das hier war kein Spiel. Das war lebensbedrohlich, obwohl ihr der Tod momentan nicht mal als das Schlimmste erschien.

In den folgenden Minuten blieb vor dem Fenster alles ruhig. Lisa lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand und zwang sich, durch die Nase einzuatmen und die Luft dann durch den Mund wieder entweichen zu lassen. So, wie sie es in einem Video gesehen hatte, das einem zeigte, wie man sich in kritischen Situationen beruhigen konnte. Das Dumme war nur, dass keine dieser Situationen mit jener vergleichbar war, in der sie sich jetzt befand.

Nicht mal ansatzweise.

Sie war auf wenigen Quadratmetern gefangen und nur durch eine millimeterdünne Wand von den Monstern getrennt. Sie durfte gar nicht daran denken, was passieren würde, wenn die Monster diese Wand durchbrachen. Wie ihre letzten Minuten dann aussehen würden.

Schmerzhaft, dachte sie.

Voller Qualen und ohne Würde.

Leise kroch sie in die Küche des Wohnwagens, wo sie die Besteckschublade öffnete und das größte Messer herausnahm, das sie finden konnte. Ein Fleischermesser mit geschliffener Klinge und hölzernem Griff. Sie wusste nicht, ob sie es tatsächlich schaffen würde, damit auf einen Menschen einzustechen, aber zumindest verlieh ihr die Waffe ein dubioses Gefühl von Sicherheit. Diese Sicherheit brauchte sie auch, wenn sie ihren Plan umsetzen wollte, wobei Plan für das, was sie vorhatte, ein ziemlich hochtrabender Begriff war.

Sie kroch zur Tür zurück, stand auf und legte das Ohr dagegen. Lauschte. Eine Minute verging, eine zweite, doch das einzige Geräusch, das sie vernnahm, war der eigene Herzschlag, der dumpf in ihren Ohren pochte.

Ruhig jetzt, ermahnte sie sich. Konzentriere dich. Wenn du überhaupt eine Chance haben willst, musst du die Tür aufreißen und sofort losrennen. Sollte sich dir dann jemand in den Weg stellen, hebst du das Messer und hoffst darauf, dass die lange Klinge ihn einschüchtert. Anschließend rennst du weiter, bis zum Ausgang und dem dahinterliegenden Parkplatz, wo dein Auto steht. Du schließt es auf und betest, dass der Motor beim ersten Schlüsseldreh sofort anspringt.

Vor jedem dieser Schritte hatte sie Angst, aber sie musste sie hinter sich bringen, wenn sie in der Enge des silbernen Wohnwagens nicht durchdrehen wollte. Es war sowieso nur eine Frage der Zeit, bis die Männer sie entdecken würden; bis sich jemand an sie erinnerte. An die junge Frau, die in einem der hintersten Trailer untergebracht war und die gesagt hatte, dass sie sich auf den Abend und die Party freuen würde. Allerdings hatte sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen können, um welche Art von Party es ging.

Um eine des Grauens.

Der schmerzvollen Leiden.

Lisa öffnete die Tür einen Spalt und spähte hinaus. Vor ihr lag der schummrig beleuchtete Weg, den sie nehmen musste und von dem aus später ein weiterer Weg zum einzigen Zugang des Geländes führte. Der Moment schien günstig. Links war niemand zu sehen, und rechts war niemand zu sehen.

Sie atmete ein letztes Mal durch, dann rannte sie los.

Mitten in die Nacht hinein.


Hamburg

Gegenwart

Als Frieda Stahnke das Polizeipräsidium verließ, hatte sie drei Dinge verloren: ihre Waffe, ihren Dienstausweis und ihre Würde.

Man hatte sie suspendiert. Einfach so. Als Kriminalrat Lüpke ihr die Entscheidung der obersten Dienstbehörde mitteilte, hatte er seine Freude darüber nur schwer verbergen können. Aus Gründen, die Frieda nicht verstand, hatte er sie noch nie leiden können. Vielleicht, weil er in ihr auch eine Bedrohung der eigenen Position sah.

Frieda Stahnke war Hauptkommissarin, eine verdammt gute sogar. Sie war siebenunddreißig Jahre alt und hatte eine beeindruckende Aufklärungsquote vorzuweisen. Im Kollegenkreis galt sie als kühl und effizient, und nicht wenige sahen in ihr schon die zukünftige Leiterin der Hamburger Mordkommission. Bis Gernot Weber in ihr Leben trat und ihrer Karriere ein vorläufiges Ende bereitete.

Weber war einer von Hamburgs führenden Immobilienmoguln. Ein skrupelloser Mann, der bei der Gentrifizierung ganzer Stadtteile über Leichen ging, und das war durchaus wörtlich gemeint. Um seine Ziele zu erreichen, bediente er sich manchmal auch der Hilfe krimineller Clans, und mindestens einmal waren diese Leute schon zu weit gegangen.

Vor drei Wochen hatten sie unweit des Schanzenviertels den siebenundsechzigjährigen Georg Miesbach zu Tode geprügelt. Miesbach war Mieter in einem Wohnhaus gewesen, dessen Einheiten Gernot Weber kaufen, modernisieren und zu teuren Eigentumswohnungen umgestalten wollte. Außerdem war Miesbach ein erbitterter Gegner der Gentrifizierung, der bei Protestkundgebungen häufig in der vordersten Reihe stand und lokalen Medien gerne als meinungsstarker Interviewpartner diente.

Zeugen hatten die Tat beobachtet und dabei zwei Männer gesehen, die schnell dem Clanmilieu zuzuordnen waren. Kurz darauf hatte man beide Täter identifiziert und verhaftet. Obwohl die Schläger bei den Vernehmungen die Aussage verweigerten, ahnte Frieda, dass sie auf Webers Befehl gehandelt hatten. Gemeinsam mit ihrem Team war es ihr in der Folge sogar gelungen, bei einer Hausdurchsuchung Beweise zu sichern, die der Staatsanwaltschaft helfen konnten, eine Verurteilung zu ermöglichen.

Weber wurde daraufhin aufs Polizeipräsidium geladen, wo dann alles aus dem Ruder lief. Gemeinsam mit einem Kollegen hatte Frieda gerade erst im Vernehmungsraum Platz genommen, als Webers Anwalt schon behauptete, dass Frieda die Beweise seinem Mandanten nur untergeschoben habe. Außerdem brachte er fingierte Gegenbeweise vor, die Webers Unschuld belegen sollten. Ein solcher Schachzug war zu erwarten gewesen, nicht aber, dass Kriminalrat Lüpke diesen Behauptungen Glauben schenken würde. Am Tag darauf hatte er ein internes Ermittlungsverfahren eingeleitet, das letztlich zu Friedas Suspendierung führte.

Das war der Stand der Dinge, und er sah nicht gut aus.

Frieda hatte bei der Bekanntgabe vor Wut gekocht, sich aber nichts anmerken lassen. Als Frau, die in einer von Männern dominierten Welt arbeitete, war es besser, anderen gegenüber keine Schwäche zu zeigen. Das war eine der wichtigsten Verhaltensweisen, die sie in ihrem bisherigen Berufsleben hatte lernen müssen.

Nachdem Frieda das Präsidium verlassen hatte, ging sie zu ihrem silberfarbenen Passat, der auf dem Parkplatz für Dienstwagen abgestellt war. Sie öffnete die Tür, zog den Rock des dunkelgrauen Businesskostüms höher und ließ sich in den Sitz fallen. Dabei spielte sie unbewusst mit dem kleinen Nasenpiercing, das sie sich vor wenigen Wochen zugelegt hatte – die einzige Extravaganz in einer ansonsten durch und durch dezenten Optik.

Die Suspendierung hatte sie hart getroffen, obwohl sie schon seit Tagen abzusehen gewesen war. Aber Frieda hatte vorgesorgt, um jetzt nicht in ein noch tieferes Loch zu fallen. Zuerst wollte sie nach Südheide fahren – dem Ort, aus dem sie stammte und wo ihre Mutter immer noch lebte – und dann weiter nach Braunschweig, um an einem Podcast teilzunehmen. Das hatte sie sich vor ihrer Suspendierung von der Pressestelle der Hamburger Polizei noch genehmigen lassen.

In dem Podcast sollte es um Lisa Martin gehen, die aus demselben Ort wie sie stammte und seit 2011 spurlos verschwunden war. Die damals Dreiundzwanzigjährige hatte in Belgien Urlaub gemacht und war nie aus dem Beneluxland zurückgekehrt. Sämtliche Suchen waren erfolglos verlaufen, und auch ein Beitrag bei Aktenzeichen XY hatte keine neuen Hinweise gebracht. Lisa war weg, einfach so, als hätte sie sich damals in Luft aufgelöst.

Als Lisa verschwand, war Frieda noch eine junge Polizeischülerin gewesen, die kurz vor dem Abschluss ihrer Ausbildung stand. Sie hatte in dem Fall nie aktiv ermittelt, war nicht einmal auf der dafür zuständigen Dienststelle beschäftigt gewesen. Frieda hatte Lisa lediglich gekannt, wie man sich eben kannte, wenn man im selben Ort groß wurde und im gleichen Alter war, aber einen unterschiedlichen Freundeskreis besaß. Besser als nur vom Sehen, aber nicht so gut, dass sie Lisa zu irgendeinem Zeitpunkt als Freundin bezeichnet hätte.

Dennoch hatte das Verschwinden der jungen Frau ihr fortan keine Ruhe gelassen. Sie hatte die Ermittlungen aus der Ferne verfolgt, die zunehmende Ratlosigkeit der Kolleginnen und Kollegen nachempfinden können und die stärker werdende Verzweiflung von Lisas alleinerziehender Mutter gespürt. Dafür hatte schon Friedas eigene Mutter gesorgt, die mit Lisas Familie seit Jahren in Kontakt stand. Ständig wollte ihre Mutter wissen, ob sie denn nichts tun könne, wenigstens die Kollegen fragen, ob es Fortschritte gebe, irgendetwas, das Hoffnung mache.

Dann war die Anfrage für den Podcast gekommen und mit ihr die Gelegenheit, wenigstens auf diese Art aktiv zu werden. Im Vorfeld hatte Frieda dem Podcaster klargemacht, dass sie zu den laufenden Ermittlungen weder etwas sagen konnte noch durfte und dass es ihr ausschließlich darum ging, den in Vergessenheit geratenen Fall wieder ans Licht der Öffentlichkeit zu bringen.

Er hatte sich damit einverstanden erklärt, natürlich hatte er das. Wenn sie richtiglag, ging es dem jungen Mann eh nur um die Quote, und die Teilnahme einer Hauptkommissarin würde seiner banalen, aber trotzdem beliebten True-Crime-Reihe wenigstens einen Hauch von Seriosität verleihen.

Auf der Fahrt nach Südheide mied Frieda die Autobahn und wählte den Weg über Landstraßen, die sie einmal quer durch die Lüneburger Heide führten. Vorbei an Wiesen und Feldern und durch traumhafte Landschaften. In diesem Umfeld war sie als Kind zweier Angestellten aufgewachsen, die keine großen Träume hatten und mit dem Leben zufrieden waren, das sie führten.

Ein einfaches Leben, das sich in einem geografisch klar umrissenen Rahmen abspielte, war jedoch nicht das Leben gewesen, das Frieda vorschwebte. Sie wollte aus dieser Enge ausbrechen, Karriere machen und in einer weltoffenen Großstadt leben, wo eine unverheiratete Frau nicht permanent gefragt wurde, ob denn der Richtige noch nicht gekommen sei. Ob man kein Kind wolle.

Frieda hatte nie nach der einen großen Liebe gesucht, warum auch? Auch mit mehreren kleinen konnte man seinen Spaß haben.

Für sie war der ideale Mann nicht jemand, der ihr einen Ring an den Finger stecken wollte, sondern einer, der amüsant war und im Bett wusste, was er zu tun hatte. Jemand, der keine Forderungen stellte. Frieda hatte nichts gegen Beziehungen, wohl aber gegen Verpflichtungen. Vor allem, wenn sie bedeuteten, dass man seinem Partner über jeden Schritt Rechenschaft ablegen musste.

Als sie an einer roten Ampel hielt, verband sie ihr Handy via Bluetooth mit dem Autoradio und startete eine Playlist, auf der sich vor allem Songs von David Bowie, Vanessa Paradis und Nick Cave befanden. Schöne und melancholische Lieder, die perfekt zu ihrer momentanen Stimmung passten.

Frieda ließ sich von der Musik berieseln, während die saftig grüne Landschaft weiter an den Fenstern vorbeizog und sie ihrem Heimatort immer näher kam. Dabei schweiften ihre Gedanken ab, hin zu Lisa, dem Mädchen, das sie gekannt hatte, bevor es zu einer Frau geworden war. Sie war nie wirklich schlau aus ihr geworden. Stets hatte Lisa den Eindruck vermittelt, als würde sie die Welt aus einer gewissen Distanz betrachten, amüsiert, aber auch irritiert. Als wäre sie sich nicht im Klaren darüber, welche Rolle sie in dieser Welt spielen wollte.

Als Teenagerin hatte Lisa oft verträumt mit einem Buch auf einer Parkbank gesessen, ohne ihre Umgebung richtig wahrzunehmen. Wenn Frieda sie grüßte, hob sie nur kurz den Blick, winkte oder lächelte, um anschließend wieder in ihrer Gedankenwelt zu versinken. Ein Verhalten, das Frieda anfangs als Arroganz interpretiert hatte; vielleicht auch, weil Lisa ausgesprochen gut aussah. Sie hatte ein ebenmäßiges Gesicht mit ausdrucksstarken Augen und eine fantastische Figur. Bei den Jungs im Ort stand sie hoch im Kurs, auch wenn Frieda nie gesehen hatte, dass Lisa diesen Umstand ausgenutzt hätte. Sie ließ sich in der örtlichen Disco nur selten ein Getränk ausgeben und nie von den älteren Jungs nach Hause fahren.

Für Frieda war Lisa schon damals ein Mysterium gewesen, und das war sie bis heute geblieben. Inklusive ihres Verschwindens, über das es jede Menge Theorien, aber kaum Fakten gab.

Wenn Menschen verschwanden, neigte man dazu, im Nachgang auch den nebensächlichsten Dingen eine Bedeutung beizumessen, die ihnen nicht zustand. Jedem noch so belanglosen Verhalten, jeder noch so lapidaren Aussage.

Frieda wusste aus Erfahrung, dass solche Gedankengänge meistens nichts brachten. Man verkomplizierte die Dinge nur und verlor die entscheidenden Aspekte aus den Augen. Die Wahrheit verschwamm in Nebelschwaden, die mit jeder neuen Theorie nur noch dichter wurden. Dabei war die Lösung in den meisten Fällen ganz einfach, weil das Böse meist banal war.

Auch Friedas Überzeugung war ebenso banal wie einfach: Lisa war nicht nur verschwunden, sie war tot. Und irgendwo da draußen lief immer noch ihr Mörder herum.

Linus Geschke

Über Linus Geschke

Biografie

Linus Geschke, 1970 geboren, lebt in Köln und hat für führende deutsche Magazine und Tageszeitungen, darunter Spiegel Online und die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, gearbeitet. Für seine Reisereportagen wurde er mit mehreren Journalistenpreisen ausgezeichnet. Mit seinem Thrillerdebüt...

Veranstaltung
Buchpremiere
Donnerstag, 17. Juli 2025 in Essen
Zeit:
20:15 Uhr
Ort:
Thalia Mayersche Essen,
Kettwiger Str. 35
45127 Essen
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Lesung
Freitag, 18. Juli 2025 in Moers
Zeit:
19:30 Uhr
Ort:
Moerser Schlosshof ,
Kastell 9
47441 Moers

Bei schlechtem Wetter gibt es eine Ausweichmöglichkeit in den Saal im Alten Landratsamt (Kastell 5,[...]

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Lesung
Dienstag, 22. Juli 2025 in Köln
Zeit:
20:00 Uhr
Ort:
Thalia - Neumarkt,
Neumarkt 2, 50667 Köln
50667 Köln
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Lesung
Freitag, 22. August 2025 in Seligenstadt
Zeit:
19:30 Uhr
Ort:
St. Josefs-Haus, Jakobsaal,
Jakobstr. 7
63500 Seligenstadt
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Lesung
Mittwoch, 03. September 2025 in Hamburg
Zeit:
19:30 Uhr
Ort:
Pierdrei Hotel - Hafenbühne,
Am Sandtorkai 46
20457 Hamburg
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Lesung
Donnerstag, 04. September 2025 in Heide
Zeit:
19:30 Uhr
Ort:
Scheller Boyens Buchhandlung,
Friedrichstr. 4
25746 Heide
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Lesung
Freitag, 05. September 2025 in Flensburg
Zeit:
Uhr
Ort:
Thalia Flensburg,
Holm 55
24937 Flensburg
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Lesung
Mittwoch, 10. September 2025 in Friesoythe
Zeit:
20:00 Uhr
Ort:
Kulturzentrum "Alte Wassermühle",
Alte Mühlenstraße 6
26169 Friesoythe
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Lesung
Donnerstag, 09. Oktober 2025 in Golßen
Zeit:
19:00 Uhr
Ort:
Marstall Schloss Golßen,
Friedensstr. 6
15938 Golßen
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Lesung
Freitag, 24. Oktober 2025 in Dillingen/Saar
Zeit:
19:00 Uhr
Ort:
Buchhandlung Drachenwinkel,
Beckinger Str. 1
66763 Dillingen/Saar
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Lesung
Donnerstag, 06. November 2025 in Verl
Zeit:
19:30 Uhr
Ort:
Multifunktionsraum des Gymnasiums Verl,
Sankt-Anna-Straße 22
33415 Verl
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Lesung
Freitag, 14. November 2025 in Leipzig
Zeit:
19:00 Uhr
Ort:
Buchhandlung Ludwig,
Willy-Brandt-Platz 5 (Hbf. Leipzig)
04109 Leipzig

Lesung im Rahmen der Kriminacht "Tatort Bahnhof - Ludwigs mörderische Seiten".

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