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Das Rad der Zeit 1 (Das Rad der Zeit 1)

Robert Jordan
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Die Suche nach dem Auge der Welt

„Legendäre Fantasy-Saga“ - Brigitte

Alle Pressestimmen (23)

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Das Rad der Zeit 1 (Das Rad der Zeit 1) — Inhalt

Eine phantastische Reise beginnt … 

Im abgeschiedenen Dorf Emondsfelde erzählt man sich noch immer die alten Geschichten um den Dunklen König und die Magierinnen der Aes Sedai, die das Rad der Zeit drehen. Niemand ahnt, wie viel Wahrheit in diesen Legenden steckt. Dann jedoch überfallen blutrünstige Trollocs, die Häscher des Dunklen Königs, das Dorf und hinterlassen eine Spur der Verwüstung. Die Magierin Moiraine verhilft den Freunden Egwene, Rand, Perrin und Mat in letzter Minute zur Flucht, da sie spürt, dass einer von ihnen das Schicksal der Welt verändern wird ...

„Seine groß angelegte Rad-der-Zeit-Serie hat das Genre neu definiert!“ George R. R. Martin

€ 22,00 [D], € 22,70 [A]
Erschienen am 30.11.2020
Übersetzt von: Uwe Luserke
896 Seiten, Klappenbroschur
EAN 978-3-492-70711-4
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€ 17,99 [D], € 17,99 [A]
Erschienen am 09.10.2012
Übersetzt von: Uwe Luserke
896 Seiten, WMePub
EAN 978-3-492-95932-2
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„Robert Jordans Werk war prägender Einfluss und Inspiration für eine ganze Generation von Fantasy-Autoren.“
Brent Weeks
„Robert Jordans Das Rad der Zeit war ein Wendepunkt in meinem Leben. Ich las es, ich liebte es. Und es hat mich dazu bewogen, epische High Fantasy zu schreiben.“
Robin Hobb
„Jeder, der epische High Fantasy schreibt, weiß, dass Robert Jordan nicht nur Teil dieser Landschaft ist. Er ist ein Monolith.“
Patrick Rothfuss
„Robert Jordans Einfluss auf den Stellenwert der Fantasy in der Kultur ist kolossal ... Er brachte unzählige Leser zur Phantastik. Er wurde zum Gesicht der Fantasy auf der Bestsellerliste der New York Times.“
Guy Gavril Kay
„Robert Jordan war ein Gigant in der Belletristik. Seine Worte haben einer ganzen Generation von Fantasy-Autoren, darunter auch mir, geholfen, unseren eigenen Stil zu finden. Ich bin ihm unendlich dankbar.“
Peter V. Brett
„Eine Saga von Weltrang!“
„Chicago Sun Times“
„Jordan beherrscht eine Welt, die Tolkien zu enthüllen begann.“
„The New York Times“
„Die ehrgeizigste amerikanische Fantasy-Saga und vielleicht auch die schönste. Reich an Details und abwechslungsreicher Handlung. Ein beeindruckendes Werk und absolut empfehlenswert.“
„Booklist“
„Eine Reminiszenz an das Werk Tolkiens.“
„Publishers Weekly“
„Seine groß angelegte Rad-der-Zeit-Serie hat das Genre neu definiert!“
George R.R. Martin

Leseprobe zu „Das Rad der Zeit 1 (Das Rad der Zeit 1)“

DIE VORGESCHICHTE
Raben

Ein gutes Stück von Emondsfelde entfernt, auf halbem Weg zum Wasserwald, lag das von Bäumen gesäumte Ufer der Weinquelle. Es waren hauptsächlich Weiden, deren dicht mit Blättern bewachse-ne  Äste  in  Ufernähe  Schatten  spendeten.  Der  Sommer  war  nichtmehr  fern,  die  Sonne  stieg  dem  Zenit  entgegen,  doch  hier  in  denSchatten  kühlte  eine  leichte  Brise  den  Schweiß  auf  Egwenes  Haut.Sie verknotete den braunen Wollrock oberhalb der Knie und wateteein  Stück  in  den  Fluss  hinein,  um  ihren  Holzeimer  zu  füllen. [...]

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DIE VORGESCHICHTE
Raben

Ein gutes Stück von Emondsfelde entfernt, auf halbem Weg zum Wasserwald, lag das von Bäumen gesäumte Ufer der Weinquelle. Es waren hauptsächlich Weiden, deren dicht mit Blättern bewachse-ne  Äste  in  Ufernähe  Schatten  spendeten.  Der  Sommer  war  nichtmehr  fern,  die  Sonne  stieg  dem  Zenit  entgegen,  doch  hier  in  denSchatten  kühlte  eine  leichte  Brise  den  Schweiß  auf  Egwenes  Haut.Sie verknotete den braunen Wollrock oberhalb der Knie und wateteein  Stück  in  den  Fluss  hinein,  um  ihren  Holzeimer  zu  füllen.  DieJungen gingen einfach so ins Wasser, ihnen war egal, ob ihre eng sitzenden Hosen nass wurden. Einige der Mädchen und Jungen, die Eimer  füllten,  lachten  und  spritzten  einander  mit  den  Schöpfkellenvoll,  aber  Egwene  hatte  beschlossen,  das  Gefühl  der  Strömung  anihren  nackten  Beinen  zu  genießen,  und  ihre  Zehen  gruben  sich  inden sandigen Grund, als sie wieder herausstieg. Sie war nicht zumSpielen hier. Mit neun Jahren trug sie das erste Mal Wasser, aber sie würde die beste Wasserträgerin aller Zeiten sein. Sie blieb am Ufer stehen und stellte den Eimer ab, um den Rock zulösen und bis zu den Knöcheln fallen zu lassen. Und um das dunkel-grüne Halstuch neu zu binden, das ihr Haar im Nacken zusammenhielt. Sie wünschte sich, sie hätte es an den Schultern abschneidendürfen, oder sogar noch kürzer, so wie die Jungen. Schließlich würde  sie  noch  viele  Jahre  kein  langes  Haar  brauchen.  Warum  nurmusste man etwas tun, nur weil es immer schon so gemacht wurde? Aber sie kannte ihre Mutter, und sie wusste, dass ihr Haar lang bleiben würde. Etwa  hundert  Schritte  flussabwärts  standen  Männer  knietief  im Wasser und wuschen die schwarzgesichtigen Schafe, die man späterscheren würde. Sie gaben sich große Mühe, die blökenden Tiere si-cher in den Fluss und auch wieder hinaus zu bekommen. Das Wasser  der  Weinquelle  floss  hier  nicht  so  schnell  wie  in  Emondsfelde, aber es war auch nicht gerade langsam. Ein Schaf, das den Halt verlor,  konnte  unter  Umständen  ertrinken,  bevor  es  sich  am  Ufer  inSicherheit bringen konnte.Ein großer Rabe flog über den Fluss und ließ sich nahe der Stelle, an  der  die  Männer  die  Schafe  wuschen,  hoch  oben  im  Geäst  einer Pappel nieder. Schon im nächsten Augenblick schoss ein Rotbauchauf  den  Raben  herab,  ein  blutroter  Blitz,  der  laut  schnatterte.  DerRotbauch musste in der Nähe ein Nest haben. Der Rabe flog jedoch nicht  davon  und  griff  den  kleineren  Vogel  auch  nicht  an;  er  schob sich auf dem Ast nach vorn zu einer Stelle, an der ihm ein paar kleinere  Äste  ein  wenig  Schutz  boten.  Er  schaute  auf  die  arbeitenden Männer herunter. Raben schreckten die Schafe manchmal auf, aber es war mehr als ungewöhnlich, dass er die Versuche des Rotbauchs, ihn zu verjagen, einfach  ignorierte.  Darüber  hinaus  hatte  Egwene  das  seltsame  Ge-fühl, dass der schwarze Vogel die Männer beobachtete und nicht die Schafe. Was natürlich albern war, es sei denn ... Manche Leute be-haupteten, Raben und Krähen seien die Augen des Dunklen Königs. Dieser Gedanke verursachte ihr auf den Armen und sogar auf dem Rücken eine Gänsehaut. Es wareine alberne Idee. Was sollte es fürden  Dunklen  König  bei  den  Zwei  Flüssen  schon  Interessantes  zusehen geben? Bei den Zwei Flüssen geschah nie etwas. „Was ist los, Egwene?“, wollte Kenley Ahan wissen und blieb neben ihr stehen. „Du kannst heute nicht mit den Kindern spielen.“ Er war zwei Jahre älter als sie und hielt sich sehr aufrecht, um größerzu erscheinen, als er tatsächlich war. Für ihn war es das letzte Jahr,in dem er bei der Schafschur Wasser tragen musste, und er benahmsich, als würde ihm das irgendeine Art von Autorität verleihen. Sie  warf  ihm  einen  energischen  Blick  zu,  aber  er  hatte  nicht  die erhoffte Wirkung. Er runzelte die Stirn. „Wenn dir schlecht wird, geh zur Dorfheilerin. Wenn nicht ... nun, dann kümmere dich um deine Arbeit.“ Als hätte er ein Problem gelöst, eilte er nach einem schnellen Nicken los und gab sich große Mühe, dass auch alle sehen konnten, wie er den Eimer  mit  einer  Hand  ein  Stück  weit  von  seinem  Körper  hielt.  Das wird er nicht lange durchhalten, wenn er erst einmal außerhalb meiner  Sicht  ist, dachte  Egwene  mürrisch.  Was  diesen  Blick  betraf,  da würde sie noch dran arbeiten müssen. Sie hatte gesehen, wie er bei älteren Mädchen funktionierte. Der  Schöpflöffel  verrutschte  auf  dem  Eimerrand,  als  sie  ihn  mit beiden Händen anhob. Der Eimer war schwer, und sie war nicht besonders groß für ihr Alter, aber sie folgte Kenley so schnell, wie sie konnte.  Nicht  wegen  seinen  Worten,  das  bestimmt  nicht.  Sie  hatte ihre  Arbeit  zu  erledigen,  und  sie  würde die  beste  Wasserträgerin aller  Zeiten  sein.  Auf  ihrer  Miene  zeigte  sich  Entschlossenheit.  Die vermoderten Reste der Blätter des Vorjahres raschelten unter ihrenFüßen,  als  sie  durch  den  Schatten  der  Uferbäume  hinaus  ins  Sonnenlicht trat. Die Hitze war nicht besonders schlimm, aber ein paar kleine weiße Wolken hoch am Himmel schienen die Helle des Morgens zu unterstreichen. Witwe  Aynals  Wiese  –  sie  hieß  seit  Menschengedenken  so,  obwohl niemand zu sagen vermochte, nach welcher Witwe der Aynals sie  benannt  worden  war  –,  eine  von  Bäumen  umringte  Wiese,  warden größten Teil des Jahres ein beschauliches Plätzchen, aber jetzt drängten sich hier Menschen und Schafe, und zwar viel mehr Schafe als  Menschen.  An  einigen  Stellen  ragten  große  Steine  aus  dem  Boden,  ein  paar  erreichten  fast  Mannshöhe,  aber  sie  behinderten  die Aktivitäten auf der Wiese keineswegs. Bauern aus der ganzen Umgebung  von  Emondsfelde  kamen  aus  diesem  Anlass  zusammen,  und Leute aus dem Dorf waren da, um ihren Verwandten zu helfen. Im Dorf  hatte  jeder  Verwandte  auf  den  Bauernhöfen.  Überall  bei  den Zwei Flüssen würde jetzt die Schafschur stattfinden, von Devenritt bis hinauf nach Wachhügel. Nicht in Taren-Fähre, da natürlich nicht. Viele der Frauen trugen lose über die Arme drapierte Schultertücher und Blumen im Haar; einige der älteren Mädchen folgten ihrem Bei-spiel, auch wenn sie das Haar im Gegensatz zu den Frauen nicht zueinem langen Zopf geflochten trugen. Ein paar von ihnen trugen sogar Kleider mit Stickereien am Hals, als würde es sich tatsächlich umeinen  Festtag  handeln.  Die  meisten  Männer  und  Jungen  hingegen gingen ohne Mantel, einige trugen die Hemden sogar unverschnürt. Egwene konnte nicht verstehen, warum man ihnen das erlaubte. Die Arbeit  der  Frauen  war  keinesfalls  weniger  schweißtreibend  als  dieder Männer. Die geschorenen Schafe waren in großen Holzpferchen am anderen  Ende  der  Wiese  untergebracht,  in  anderen  warteten  jene,  dienoch gewaschen werden mussten. Sie wurden von Jungen bewacht, die zwölf Jahre und älter waren. Die Schafhunde, die um die Pfercheherum am Boden lagen, waren für diese Arbeit nicht zu gebrauchen. Die älteren Jungen trieben die Schafe mit Holzstäben zum Fluss, danach hielten sie die Tiere davon ab, sich auf den Boden zu legen undwieder schmutzig zu machen, bis sie trocken genug waren, zu den Männern  an  diesem  Ende  der  Wiese  gebracht  zu  werden,  die  das Scheren besorgten. Danach trieben die Jungen die Schafe zurück zuden Pferchen, während die Männer das Vlies zu den langen Tischentrugen, an denen die Frauen die Wolle sortierten und zu Ballen zusammenpackten.  Sie  führten  Buch  und  mussten  sorgfältig  daraufachten,  die  Wolle  verschiedener  Besitzer  nicht  durcheinander  zubringen.  Vor  den  Bäumen  zu  Egwenes  Linken  bereiteten  andere Frauen  auf  langen  aufgebockten  Tischplatten  das  Mittagessen  vor. Wenn  sie  beim  Wasserreichen  gut  genug  war,  würden  sie  ihr  vielleicht  schon  im  nächsten  Jahr  erlauben,  beim  Essen  oder  bei  der Wolle zu helfen, statt erst in zwei Jahren. Wenn sie die beste Leistung erbrachte, würde sie niemand je wieder als Kind bezeichnen. Sie  suchte  sich  einen  Weg  durch  die  Menge,  trug  den  Eimermanchmal mit beiden Händen, wechselte ihn auch von der einen in die andere und blieb stehen, wenn jemand nach einer Kelle Wasserverlangte. Bald fing sie wieder an zu schwitzen, und dunkle Fleckenzeichneten sich auf ihrem Wollkleid ab. Vielleicht waren die Jungen mit  ihren  offenen  Hemden  doch  nicht  so  dumm.  Sie  ignorierte  die kleineren  Kinder,  die  umherliefen  und  Reifen  drehten  oder  Bällewarfen oder Fangen spielten. Jedes Jahr gab es nur fünf Anlässe, an denen so viele zusammen-kamen:  zu  Bel  Tine,  das  bereits  hinter  ihnen  lag;  zur  Schafschur; wenn  die  Kaufleute  kamen,  um  Wolle  einzukaufen,  was  erst  in  einem  Monat  bevorstand;  nach  dem  Sonnentag,  wenn  die  Kaufleutefür den getrockneten Tabak kamen; und im Herbst beim Narrenfest. Natürlich  gab  es  noch  andere  Festtage,  aber  keinen,  an  denen  allezusammenkamen. Ihre Blicke schweiften umher und musterten dieMenge. Bei all diesen Menschen war es schnell passiert, dass sie einer ihrer vier Schwestern über den Weg lief. Nach Möglichkeit gingsie ihnen aus dem Weg. Berowyn, die Älteste, war die Schlimmste. Knochenbruchfieber  hatte  sie  vergangenen  Herbst  zur  Witwe  gemacht  und  im  Frühling  nach  Hause  zurückkehren  lassen.  Es  fiel schwer, für Berowyn kein Mitleid zu empfinden, aber sie machte um alles  so  viel  Aufhebens  und  wollte  Egwene  anziehen  und  ihr  das Haar  kämen.  Manchmal  weinte  sie  und  erklärte  ihr,  wie  froh  siedoch war, dass das Fieber nicht auch ihre kleine Schwester dahingerafft hatte. Es wäre Egwene viel leichter gefallen, Verständnis für Berowyn  aufzubringen,  hätte  sie  den  Gedanken  verdrängen  können, dass ihre Schwester sie manchmal als das Baby betrachtete, das sie zusammen mit ihrem Mann verloren hatte. Vielleicht sogar immer. Und  so  hielt  sie  Ausschau  nach  Berowyn.  Oder  einer  der  anderen drei. Das war alles. In  der  Nähe  der  Schafpferche  blieb  sie  stehen,  um  sich  den Schweiß von der Stirn zu wischen. Der Eimer war jetzt leichter, undes  bereitete  keine  Mühe  mehr,  ihn  mit  einer  Hand  zu  halten.  Verstohlen betrachtete sie einen Hund, der auf sie zutrottete, ein großes Tier mit kurzhaarigem, lockigem, grauem Fell und intelligenten Augen, die zu wissen schienen, dass sie keine Bedrohung für die Schafe darstellte.  Aber  er  war  sehr  groß  und  reichte  einem  erwachsenen Mann  fast  bis  zur  Hüfte.  In  der  Hauptsache  halfen  die  Hunde,  die weidenden  Herden  zu  bewachen;  sie  beschützten  sie  vor  Wölfen und  Bären  und  den  großen  Bergkatzen.  Egwene  wich  langsam  vor dem Hund zurück. Drei Jungen gingen an ihr vorbei und trieben ein paar  Dutzend  Schafe  dem  Fluss  entgegen.  Sie  waren  alle  fünf  oder sechs Jahre älter und hatten kaum einen Blick für sie übrig; ihre Auf-merksamkeit  war  ganz  auf  die  Schafe  gerichtet.  Das  Treiben  war nicht schwer – das hätte sie auch gekonnt, davon war sie überzeugt –, aber sie mussten darauf achten, dass keines der Schafe Gelegenheitzum  Grasen  erhielt.  Ein  Schaf,  das  vor  dem  Scheren  fraß,  konnte Luftnot  bekommen  und  sterben.  Ein  schneller  Blick  in  die  Rundeverriet  ihr,  dass  sie  mit  keinem  der  Jungen  in  der  Nähe  sprechen wollte. Nicht, dass sie nach einem bestimmten Jungen Ausschau gehalten hätte. Sie sah sich lediglich um. Davon abgesehen würde sie den Eimer bald wieder auffüllen müssen. Es war Zeit, den Rückweg zur Weinquelle anzutreten. Diesmal entschied sie sich, an den aufgebockten Tischen vorbeizugehen.  Die  Gerüche  waren  verführerisch,  so  gut  wie  an  jedem Feiertag, von gebratener Gans bis zu Honigkuchen war alles vorhanden. Das würzige Aroma der Honigkuchen stieg ihr noch verlockender in die Nase als alles andere. Jede Frau, die gekocht hatte, würde ihr  Bestes  für  die  Schafschur  gegeben  haben.  Während  Egwene  anden Tischen vorbeiging, bot sie jeder der Frauen, die das Essen vorbereiteten, Wasser an, aber die lächelten sie nur an und schüttelten den  Kopf.  Sie  machte  jedoch  weiter,  und  das  nicht  nur  wegen  der Gerüche.  Zwar  brodelte  hinter  den  Tischen  Teewasser  über  Kochfeuern, trotzdem hatten einige der Frauen ja vielleicht Lust auf einen Schluck  kühles  Flusswasser.  Nun  ja,  mittlerweile  war  es  vielleicht nicht mehr ganz so kühl, aber ... Ein  Stück  voraus  schlich  Kenley  an  den  Tischen  vorbei  und  versuchte  dabei  nicht  länger,  sich  größer  zu  machen,  als  er  war.  Er schien  sich  höchstens  noch  kleiner  zu  machen.  Er  trug  den  Eimer noch immer mit einer Hand, aber der Art und Weise nach zu urteilen, wie er herumbaumelte, musste er leer sein, also konnte Kenley unmöglich  noch  Trinkwasser  anbieten.  Egwene  runzelte  die  Stirn. Es  gab  nur  ein  Wort,  das  auf  ihn  passte:  Verstohlen.  Was  hatte  erbloß  ...?  Plötzlich  schoss  seine  Hand  vor  und  schnappte  sich  vom Tisch  einen  Honigkuchen.  Egwene  blieb  der  Mund  offen  stehen. Und er hatte den Nerv, sie als Kind zu bezeichnen? Er war genauso schlimm wie Ewin Finngar! Bevor Kenley einen Schritt machen konnte, war Frau Ayellin überihm wie ein zuschlagen der Jagdfalke; mit der einen Hand ergriff sie sein Ohr und mit der anderen den Honigkuchen. Es waren ihre Honigkuchen. Corin Ayellin, eine schlanke Frau mit einem dicken grauen Zopf, buk die besten Kuchen von ganz Emondsfelde. Mit Ausnahme  von  Mutter, fügte  Egwene  in  Gedanken  hinzu.  Aber  sogar  ihre Mutter behauptete, dass Frau Ayellin besser war. Jedenfalls, was Kuchen anging. Frau Ayellin verteilte knusprige Plätzchen und Kuchenstücke  mit  freigebiger  Hand,  vorausgesetzt,  es  war  nicht  gleich  Essenszeit oder eine Mutter hatte sie gebeten, es nicht zu tun, aber sie konnte  fuchsteufelswild  werden,  wenn  Jungen  versuchten,  hinter ihrem Rücken etwas zu stibitzen. Sie nannte es Stehlen, und Stehlen konnte Frau Ayellin nicht ertragen. Sie hielt Kenley noch immer am Ohr  gepackt,  fuchtelte  mit  dem  Finger  vor  seiner  Nase  herum  und sprach leise und eindringlich auf ihn ein. Kenleys Gesicht war ganz verzerrt, so als würde er gleich losheulen, und er schrumpfte in sich zusammen,  bis  er  noch  kleiner  als  Egwene  erschien.  Sie  nickte  zufrieden. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass er so bald wieder versuchen würde, jemandem Befehle erteilen zu wollen. Sie  rückte  ein  Stück  von  den  Tischen  ab,  während  sie  an  Frau Ayellin und Kenley vorbeiging, damit niemand auf die Idee kam, sie würde  versuchen,  Kuchen  zu  stehlen.  Der  Gedanke  war  ihr  nie  gekommen. Jedenfalls nicht so richtig, also zählte das nicht. Plötzlich beugte sie sich vor und blickte an den Leuten vorbei, die sie  passierten.  Ja.  Da  war  Perrin  Aybara,  ein  stämmiger  Junge,  derfür  sein  Alter  sehr  groß  war.  Und  er  war  ein  Freund  von  Rand.  Sie schoss durch die Menge, ohne darauf zu achten, ob jemand Wasser haben wollte oder nicht, und blieb nicht eher stehen, bis sie ein paar Schritte von Perrin entfernt war. Er  stand  bei  seinen  Eltern,  und  seine  Mutter  hielt  Paetram  auf dem Arm, das Baby, und die kleine Deselle klammerte sich mit einer Hand  an  ihren  Rockschößen  fest.  Allerdings  schaute  sich  Perrins kleine  Schwester  dabei  interessiert  die  vielen  Leute  und  sogar  die Schafe an. Adora, seine andere Schwester, stand mit über der Brust verschränkten Armen und einem mürrischen Gesichtsausdruck da, den  sie  allerdings  vor  ihrer  Mutter  zu  verbergen  versuchte.  Adora würde  erst  nächstes  Jahr  Wasser  tragen  müssen,  und  vermutlich hatte sie es eilig, mit ihren Freundinnen zu spielen. Die letzte Person in  der  Gruppe  war  Meister  Luhhan.  Als  der  größte  Mann  von Emondsfelde  hatte  er  Arme  wie  Baumstämme  und  eine  Brust,  die das weiße Hemd spannte, und er ließ Meister Aybara hager statt nur schlank aussehen. Er unterhielt sich mit Meister Aybara und seiner Frau.  Das  überraschte  Egwene.  Meister  Luhhan  war  der  Schmied von Emondsfelde, aber weder Meister Aybara noch seine Frau würden  die  ganze  Familie  mitbringen,  um  sich  nach  einer  Schmiedearbeit zu erkundigen. Er war auch Mitglied des Dorfrats, aber da galt das Gleiche. Davon abgesehen würde Frau Aybara genauso wenig etwas  zu  Dorfratsangelegenheiten  sagen  wie  Meister  Aybara  zu  Dingen des Frauenkreises. Egwene mochte erst neun Jahre alt sein, aberso viel wusste sie schon. Worüber auch immer sie sprachen, sie waren damit fast fertig, und das war gut. Es interessierte Egwene nicht, worüber sie sich unterhalten hatten. „Er ist ein guter Junge, Joslyn“, sagte Meister Luhhan. „Ein guterJunge, Con. Er wird das gut machen.“ Frau  Aybara  lächelte  zufrieden.  Joslyn  Aybara  war  eine  hübsche Frau, und wenn sie lächelte, wollte man glauben, die Sonne würde besiegt den Kopf hängen lassen. Perrins Vater lachte leise und strich ihm  über  die  lockigen  Haare.  Perrins  Wangen  färbten  sich  blutrot, und er sagte nichts. Aber er war auch schüchtern und sagte sowieso nur selten etwas. „Lass  mich  fliegen,  Perrin“,  sagte  Deselle  und  streckte  ihm  die Arme entgegen. „Lass mich fliegen.“ Perrin  brachte  so  gerade  eben  eine  höfliche  Verbeugung  für  die Erwachsenen zustande, bevor er die Hände seiner Schwester ergriff. Sie gingen ein paar Schritte von den anderen fort, und Perrin fing an sich  zu  drehen,  und  zwar  immer  schneller,  bis  Deselles  Füße  sichschließlich  vom  Boden  hoben.  Er  wirbelte  sie  im  Kreis  umher,  immer höher, während sie vor Freude kreischte. Nach  ein  paar  Minuten  sagte  Frau  Aybara:  „Das  reicht,  Perrin. Lass sie runter, bevor ihr schlecht wird.“ Aber sie sagte es auf eine nette Weise und mit einem Lächeln. Sobald Deselles Füße wieder auf festem Boden standen, klammerte sie sich mit beiden Händen an Perrins Hand fest und schwankte etwas, vielleicht war ihr tatsächlich schon etwas übel. Aber sie lachte noch immer und verlangte von ihm, sie noch länger fliegen zu lassen.  Er  schüttelte  den  Kopf  und  ging  in  die  Hocke,  um  mit  ihr  zusprechen. Er war immer so ernst. Er lachte nicht oft. Plötzlich wurde sich Egwene bewusst, dass da noch jemand war,der  Perrin  beobachtete.  Cilia  Cole,  ein  Mädchen  mit  rosigen  Wangen,  das  ein  paar  Jahre  älter  als  sie  war.  Sie  stand  mit  einem  däm-lichen  Grinsen  im  Gesicht  nur  ein  paar  Schritte  weit  entfernt  undhimmelte ihn an. Und er musste bloß den Kopf wenden, um siezusehen! Egwene verzog angeekelt das Gesicht. Sie würde niemals sodumm  sein  und  wie  ein  Wollkopf  mit  großen  Augen  einen  Jungenanstarren. Davon abgesehen war Perrin nicht mal ein Jahr älter als Cilia. Drei oder vier Jahre älter, das war am besten. Egwenes Schwestern mochten keine Zeit haben, sich mit ihr zu unterhalten, aber sie hörte  anderen  Mädchen  zu,  die  alt  genug  waren,  um  Bescheid  zuwissen. Perrin warf Egwene und Cilia einen Blick zu und fuhr dannfort, leise mit Deselle zu sprechen. Egwene schüttelte den Kopf. Cilia mochte vielleicht blöd sein, aber sie hätte er zumindest zur Kenntnis nehmen können. Eine Bewegung auf den Ästen der großen Wassereiche hinter Cilia erregte ihre Aufmerksamkeit, und sie zuckte zusammen. Dort oben saß der Rabe, und er schien noch immer alles zu beobachten. Undauf der hohen Kiefer saß noch ein Rabe, und auf dem Nebenbaum auch, und auf dem Walnussbaum und ... Sie konnte neun oder zehn Raben sehen, und sie alle schienen etwas zu beobachten. Aber das konnte nur ihre Einbildung sein. Nur ihre ...„Warum starrst du ihn an?“Erschrocken   zuckte   Egwene   zusammen   und   drehte   sich   soschnell um, dass sie sich den Eimer gegen das Knie schlug. Gut, dasser fast leer war, sonst hätte sie sich eine Beule geholt. Sie suchte sich einen festen Stand und wünschte, sie hätte sich das Knie reiben können.  Adora  stand  vor  ihr  und  schaute  mit  verblüffter  Miene  zu  ihr hoch, aber sie konnte unmöglich überraschter sein als Egwene. „Wen meinst du, Adora?“ „Perrin, natürlich. Warum hast du ihn angestarrt? Alle sagen, dass du Rand al’Thor heiraten wirst. Wenn du älter bist, meine ich, unddein Haar als Zopf trägst.“ „Was soll das heißen, allesagen das?“ Egwene bemühte sich um einen drohenden Tonfall, aber Adora kicherte bloß. Es war zum Verzweifeln. Heute klappte nichts, wie es sollte. „Perrin  sieht  natürlich  gut  aus.  Das  sagen  viele  Mädchen,  dashabe  ich  gehört.  Und  viele  Mädchen  sehen  ihn  an,  so  wie  du  und Cilia gerade.“ Egwene blinzelte und schaffte es, die letzten Worte in Gedanken von sich zu weisen. Sie hatte ihn nichtso wie Cilia angesehen! Aber Perrin,  ein  gut  aussehender  Junge?  Perrin?  Sie  blickte  über  die Schulter, um zu sehen, ob sie an ihm etwas Gutaussehendes entdecken konnte. Er war weg! Sein Vater stand noch da, seine Mutter und Paetram und Deselle auch, aber Perrin war nirgendwo in Sicht. Verflixt! Sie hatte ihm folgen wollen. „Fühlst du dich ohne deine Puppen nicht einsam, Adora?“, sagte sie zuckersüß. „Ich glaube nicht, dass du das Haus jemals ohne mindestens zwei Stück im Arm verlässt.“ Adoras wütender Blick war ziemlich befriedigend. „Entschuldigung“, sagte Egwene und schob sich an ihr vorbei. „Einige von uns sind alt genug, um Pflichten zu haben.“ Sie schaffte es, auf dem Weg zum Fluss nicht zu humpeln. Diesmal  blieb  sie  nicht  stehen,  um  den  Männern  bei  der  Schafwäsche zuzusehen, und sie bemühte sich, nicht nach einem Raben Ausschau zu halten. Sie untersuchte ihr Knie, aber es war nicht malein  blauer  Fleck  da.  Als  sie  den  gefüllten  Eimer  zurück  zur  Wieseschleppte, weigerte sie sich zu humpeln. Es war nur ein kleiner Zusammenstoß gewesen. Sie  hielt  vorsichtshalber  nach  ihren  Schwestern  Ausschau  undblieb nur dann mit ihrem Eimer stehen, wenn jemand eine Kelle volltrinken wollte. Und sie sah sich nach Perrin um. Mat wäre genauso gut  wie  Perrin  gewesen,  aber  ihn  konnte  sie  ebenfalls  nicht  entdecken.  Verflixte  Adora!  Sie  hatte  kein  Recht,  solche  Dinge  zu  behaupten! Als Egwene zwischen den Tischen vorbeiging, auf denen die Frauen  die  Wolle  sortierten,  blieb  sie  wie  angewurzelt  stehen.  Da  war ihre jüngste Schwester. Sie hoffte, dass Loise in die andere Richtung sah, nur einen Augenblick lang. Das hatte sie nun davon, dass sie außer  nach  ihren  Schwestern  auch  nach  Perrin  und  Mat  Ausschau hielt. Loise war erst fünfzehn, aber sie hatte die Hände in die Hüften gestemmt und trug eine wütende Miene zur Schau, während sie sich mit Dag Coplin stritt. Egwene konnte sich nie dazu überwinden, ihn auch im Geiste Meister Coplin zu nennen; das tat sie nur, wenn sie ihn erwähnte, um höflich zu sein; ihre Mutter hatte gesagt, dass man selbst zu jemandem wie Dag Coplin höflich sein musste. Dag war ein faltiger alter Mann mit grauem Haar, das er nicht oft wusch. Vielleicht auch gar nicht. Der Anhänger, der an einem Faden vom Tisch hing, trug ein Zeichen, das mit den Ohrmarkierungen seiner Schafe übereinstimmte. „Das ist gute Wolle, die du da zur Seitelegst“, knurrte er Loise an. „Ich lasse mich nicht betrügen, Mädchen. Tritt zur Seite, und ich zeige dir, was wohin gehört.“Loise rührte sich keinen Finger breit. „Wolle vom Bauch, den Hinterbeinen  und  den  Schwänzen  muss  noch  einmal  gewaschen  werden, Meister Coplin.“ Sie betonte das ›Meister‹. Sie war in schnippischer  Stimmung.  „Ihr  wisst  so  gut  wie  ich,  sollten  die  Händler zweimal  gewaschene  Wolle  in  einem  Ballen  finden,  jeder  weniger für  seine  Schur  bekommt.  Vielleicht  kann  Euch  das  mein  Vater  ja besser erklären, als ich es kann.“ Dag zog das Kinn ein und murmelte etwas Unhörbares. Er wusste es besser, als es bei Egwenes Vater versuchen zu wollen. „Ich  bin  sicher,  meine  Mutter  könnte  es  so  erklären,  dass  Ihr  es versteht“, fuhr Loise gnadenlos fort. Dags  Wangen  zuckten,  und  er  setzte  ein  kriecherisches  Grinsen auf. Er murmelte etwas in der Art, dass er Loise vertraute, wich zurück  und  eilte  dann  los,  fing  beinahe  schon  an  zu  laufen.  Er  war nicht so dumm, die Aufmerksamkeit des Frauenkreises zu erregen, wenn er es vermeiden konnte. Loise sah ihm mit einem zufriedenen Blick hinterher. Egwene nutzte die Gelegenheit, um zu verschwinden, und atmete erleichtert auf, als Loise nicht hinter ihr herrief. Loise sortierte lieber Wolle, statt beim Kochen zu helfen, aber viel lieber wäre sie auf Bäume  geklettert  oder  im  Wasserwald  geschwommen,  und  es  war  ihr egal, dass die meisten Mädchen ihres Alters derartige Aktivitäten bereits aufgegeben hatten. Und sie hätte ihre Arbeit an Egwene abgewälzt, falls sich dazu eine Gelegenheit geboten hätte. Egwene wäregern mit ihr schwimmen gegangen, aber Loise betrachtete ihre Gesellschaft als Ärgernis, und sie war zu stolz zum Betteln. Sie runzelte  die  Stirn.  Alle  ihre  Schwestern  behandelten  sie  wie  ein  kleines Kind.  Selbst  Alene,  wenn  sie  sie  überhaupt  zur  Kenntnis  nahm. Alene hatte die meiste Zeit ihre Nase in einem Buch stecken und lass ich durch die Bibliothek ihres Vaters, um dann wieder von vorn anzufangen. Er besaß fast vierzig Bücher! Egwenes Lieblingsbuch war Die Reisen von Jain Weitläufer. Sie träumte davon, all die seltsamen Länder zu sehen, von denen er geschrieben hatte. Aber wenn sie ein Buch las und Alene es haben wollte, behauptete sie immer, es sei zu ›kompliziert‹  für  Egwene,  und  nahm  es  ihr  einfach  weg!  Alle  vier waren einfach furchtbar! Einige der Wasserträger machten Pause im Schatten oder erzählten sich Witze, aber sie ging weiter, obwohl ihre Arme schmerzten. Egwene al’Vere würde nicht schlapp machen. Und sie hielt weiterhin Ausschau  nach  ihren  Schwestern.  Und  nach  Perrin.  Und  Mat.  Verflixte Adora! Ach was, sie alle waren furchtbar! Sie ging langsamer, als sie sich der Dorfheilerin näherte. Doral Barranwar die älteste Frau von Emondsfelde, vielleicht sogar von den Zwei Flüssen, mit weißem Haar und gebrechlich, aber ihr Blick war noch immer scharf, und sie ging kein bisschen gebückt. Die Schülerin der Dorfheilerin, Nynaeve, kehrte Egwene auf den Knien den Rücken zu und kümmerte sich um Bili Congar; sie legte an seinem Bein einen Verband an. Seine Hosenbeine waren abgeschnitten. Bili, der auf einem Baumstumpf  saß,  war  noch  ein  Erwachsener,  bei  dem  es  Egwene schwer  fiel,  ihm  den  nötigen  Respekt  zu  erweisen.  Er  tat  ständig dumme  Sachen  und  verletzte  sich  dabei.  Er  war  im  gleichen  Alter wie Meister Luhhan, sah aber mindestens zehn Jahre älter aus; seine Wangen waren eingefallen, die Augen lagen tief in ihren Höhlen. „Ihr habt in der Vergangenheit oft genug den Narren gespielt, BiliCongar“,  sagte  Frau  Barran  streng,  „aber  bei  der  Arbeit  mit  einer Wollschere  zu  trinken  ist  schlimmer,  als  den  Narren  zu  spielen.“ Merkwürdigerweise  blickte  sie  nicht  auf  ihn  herunter,  sondern  auf Nynaeve. „Ich hatte doch bloß einen Schluck Ale, Dorfheilerin“, winselte er. „Wegen der Hitze. Nur einen Schluck.“ Die Dorfheilerin schnaubte ungläubig, schaute Nynaeve aber weiterhin wie ein Falke zu. Das war überraschend. Frau Barran lobte Nynaeveoft öffentlich dafür, dass sie so gelehrig war. Sie hatte Nynaeve drei Jahre zuvor in die Lehre genommen, nachdem ihre damalige Schülerin an einer Krankheit gestorben war, die nicht einmal sie hatte heilen können. Nynaeve war kurz zuvor zur Waise geworden, und viele Leute waren der Meinung, die Dorfheilerin hätte sie nach dem Tod ihrer  Mutter  zu  ihren  Verwandten  im  Landesinneren  schicken  und eine Ältere zur Schülerin machen sollen. Egwenes Mutter sagte das nicht, aber Egwene wusste, dass sie genauso dachte. Als Nynaeve mit dem Verband fertig war, richtete sie sich auf und nickte zufrieden. Und zu Egwenes Überraschung kniete Frau Barran nieder und wickelte ihn wieder ab, hob sogar den Brotumschlag, um sich den Riss in Bilis Oberschenkel anzusehen, bevor sie den Lappen erneut  um  sein  Bein  band.  Sie  sah  tatsächlich  ...  enttäuscht  aus. Aber warum? Nynaeve fing an, mit ihrem Zopf herumzuspielen, an ihm zu ziehen, wie sie es immer tat, wenn sie nervös war oder Aufmerksamkeit  auf  die  Tatsache  lenken  wollte,  dass  sie  jetzt  eine  erwachsene Frau war. Wann wird sie damit wohl endlich aufhören?, dachte Egwene. Der Frauenkreis hatte Nynaeve vor fast einem Jahr erlaubt, ihr Haar zuflechten. Eine  flatternde  Bewegung  in  der  Luft  erregte  Egwenes  Aufmerksamkeit, und sie starrte hin. In den Bäumen um die Wiese hockten jetzt noch mehr Raben. Dutzende von ihnen, und sie alle beobachteten. Sie wusste, dass sie das taten. Nicht einer von ihnen unternahm den Versuch, etwas von den Tischen mit den Speisen zu stehlen. Das war einfach unnatürlich. Wenn man es genau betrachtete, würdigten die Vögel die Tische mit keinem Blick. Auch nicht die Tische, an denen die Frauen mit der Wolle arbeiteten. Sie beobachteten die Jungen, die die Schafe trieben. Und die Männer, die die Schafe schoren und  die  Wolle  wegbrachten.  Und  auch  die  Jungen,  die  Wasser  trugen. Keines der Mädchen und auch keine der Frauen, nur die Männer und Jungen. Darauf wäre Egwene jede Wette eingegangen, auch wenn ihre Mutter sagte, dass sie nicht wetten sollte. Sie öffnete den Mund, um die Dorfheilerin zu fragen, was das zu bedeuten hatte. „Hast du nichts zu tun, Egwene?“, sagte Nynaeve, ohne sich umzudrehen. Ohne  es  zu  wollen,  zuckte  Egwene  zusammen.  Das  tat  Nynaeve schon  seit  dem  vergangenen  Herbst;  sie  wusste,  dass  Egwene  da war, ohne hinsehen zu müssen. Egwene wünschte, sie würde damit aufhören. Nynaeve wandte jetzt den Kopf und warf ihr einen Blick über die Schulter zu. Es war ein energischer Blick von der Art, die Egwene bei Kenley  ausprobiert  hatte.  Sie  musste  für  Nynaeve  nicht  springen, nicht, wie sie es für die Dorfheilerin getan hätte. Nynaeve wollte sich bloß dafür schadlos halten, dass Frau Barran ihre Arbeit angezweifelt  hatte.  Egwene  zog  kurz  in  Erwägung,  ihr  zu  sagen,  dass  Frau Ayellin sie wegen eines Kuchens sprechen wollte. Aber ein Blick in Nynaeves  Gesicht  ließ  sie  zu  dem  Schluss  kommen,  dass  das  vermutlich keine gute Idee war. Davon abgesehen hatte sie sowieso genau das getan, was sie unbedingt hatte vermeiden wollen, sie hatte faul herumgestanden und Nynaeve und der Dorfheilerin zugesehen. Sie machte einen Knicks, so gut das mit dem Eimer in der Hand ging –in die Richtung der Dorfheilerin, nicht Nynaeves – und wandte sich ab. Dabei humpelte sie nicht, und das nicht, weil Nynaeve sie ansah. Mit  Sicherheit  nicht.  Und  sie  beeilte  sich  auch  nicht.  Sie  ging  bloß wieder an die Arbeit. Aber sie ging immerhin so schnell, dass sie, bevor es ihr bewusst wurde, wieder zu den Tischen kam, an denen die Frauen die Wolle bearbeiteten. Und zwar Angesicht zu Angesicht mit ihrer Schwester Elisa. Sie faltete das Vlies für die Ballen zusammen, und sie machte es schlecht. Elisa schien abgelenkt, nahm ihre Schwester nicht mal richtig  wahr,  und  Egwene  kannte  den  Grund  dafür.  Elisa  war  achtzehn, aber ihr taillenlanges Haar war noch immer mit einem blauen Tuch zusammengebunden. Nicht, dass sie ans Heiraten gedacht hätte – die meisten Mädchen warteten mindestens ein paar Jahre –, aber sie war ein Jahr älter als Nynaeve. Elisa sorgte sich oft laut, warum der Frauenkreis sie noch immer für zu jung hielt. Es fiel schwer, kein Mitleid für sie zu haben. Vor allem, weil Egwene jetzt schon seit Wochen über Elisas schwierige Situation nachdachte. Nun, nicht genau über ihr Problem, aber die Sache hatte sie nachdenklich gemacht. Neben  der  Tischreihe  unterhielt  sich  Calle  Coplin  mit  ein  paar jungen  Männern  von  den  Bauernhöfen,  kicherte  und  fummelte  an ihren Röcken herum. Sie war immer damit beschäftigt, mit irgendeinem  Mann  zu  sprechen,  dabei  sollte sie  eigentlich  Vlies  falten. Aber das war nicht der Grund, weswegen sie Egwenes Aufmerksamkeit erregte. „Elisa, du solltest dir nicht so viele Sorgen machen“, sagte sie leise.  „Gut,  dann  haben  Berowyn  und  Alene  eben  mit  sechzehn  den Zopf  geflochten  bekommen  ...“  So  wie  die  meisten  Mädchen, fügte sie in Gedanken hinzu. Sie verspürte nicht nur Mitgefühl. Elisa hatte die Angewohnheit, mit Sprichwörtern um sich zu werfen. „Eine verschwendete  Stunde  kommt  nicht  wieder“  oder  „Ein  Lächeln  macht die  Arbeit  leichter“.  Und  zwar  so  lange,  bis  einem  die  Zähne schmerzten.  Egwene  wusste  genau,  dass  ein  Lächeln  ihren  Eimer nicht mal eine Schöpfkelle leichter machen würde. „... aber Calle ist zwanzig,  und  ihr  Namenstag  ist  in  wenigen  Monaten.  Ihre  Haare sind nicht geflochten, und sieht sie etwa mürrisch aus?“ Elisa  arbeitete  noch  immer  an  dem  Vlies,  das  auf  dem  Tisch  vor ihr lag. Aus irgendeinem Grund hielten sich die anderen Frauen die Hände vor den Mund und versuchten, ihre Heiterkeit zu verbergen.

Robert Jordan

Über Robert Jordan

Biografie

Robert Jordan, geboren 1948 in South Carolina, begeisterte sich schon in seiner Jugend für fantastische Literatur von Jules Verne und H. G. Wells. Als ihm der Lesestoff ausging, begann er selbst zu schreiben. 1990 erschien der Auftakt zu seinem Zyklus „Das Rad der Zeit“, einem einzigartigen epischen...

Medien zu „Das Rad der Zeit 1 (Das Rad der Zeit 1)“
Pressestimmen
Brent Weeks

„Robert Jordans Werk war prägender Einfluss und Inspiration für eine ganze Generation von Fantasy-Autoren.“

Robin Hobb

„Robert Jordans Das Rad der Zeit war ein Wendepunkt in meinem Leben. Ich las es, ich liebte es. Und es hat mich dazu bewogen, epische High Fantasy zu schreiben.“

Patrick Rothfuss

„Jeder, der epische High Fantasy schreibt, weiß, dass Robert Jordan nicht nur Teil dieser Landschaft ist. Er ist ein Monolith.“

Guy Gavril Kay

„Robert Jordans Einfluss auf den Stellenwert der Fantasy in der Kultur ist kolossal ... Er brachte unzählige Leser zur Phantastik. Er wurde zum Gesicht der Fantasy auf der Bestsellerliste der New York Times.“

Peter V. Brett

„Robert Jordan war ein Gigant in der Belletristik. Seine Worte haben einer ganzen Generation von Fantasy-Autoren, darunter auch mir, geholfen, unseren eigenen Stil zu finden. Ich bin ihm unendlich dankbar.“

„Chicago Sun Times“

„Eine Saga von Weltrang!“

„The New York Times“

„Jordan beherrscht eine Welt, die Tolkien zu enthüllen begann.“

„Booklist“

„Die ehrgeizigste amerikanische Fantasy-Saga und vielleicht auch die schönste. Reich an Details und abwechslungsreicher Handlung. Ein beeindruckendes Werk und absolut empfehlenswert.“

„Publishers Weekly“

„Eine Reminiszenz an das Werk Tolkiens.“

George R.R. Martin

„Seine groß angelegte Rad-der-Zeit-Serie hat das Genre neu definiert!“

Brigitte

„Legendäre Fantasy-Saga“

nautilus-fantasymagazin.net

„Wer diese Reihe noch nicht sein Eigen nennt, dem wird nun eine erstklassige Chance geboten, einen Fantasy-Klassiker neu zu entdecken. Zugreifen lohnt sich!“

zuckerkick.com

„Lass dich ein auf diese spektakuläre Fantasy-Saga, die einen von der ersten Seite an in ihren Bann zieht. Man kommt gar nicht mehr los von diesen Romanen und kann es kaum erwarten, sich in dieser fantastischen Geschichte zu verlieren. Wenn du dich also mal wieder an etwas Episches heranwagen, ist jetzt die perfekte Gelegenheit dazu. Bis zu unserer nächsten Leserunde.“

nadines-lesecouch

„Eine atemberaubende Geschichte, die ich natürlich weiter verfolgen werde.“

Tochi Onyebuchi

„Niemand hat mich als Schriftsteller so geprägt wie Robert Jordan, und dafür werde ich ewig dankbar sein.“

Marie Brennan

„Ich habe mich nie für ein bestimmtes Fandom interessiert. Die einzige Ausnahme ist und bleibt Das Rad der Zeit.“

Jenn Lyons

„Ich verdanke Robert Jordan so viel. Ohne ihn wäre die moderne Phantastik ihres expansiven Weltenaufbaus und der groß angelegten Figurenensembles beraubt, die ich so sehr liebe. Es kommt nicht oft vor, dass ich einen anderen Autor anschauen und sagen kann: Diese Person hat mir den Weg geebnet. Aber genau das ist bei Jordan der Fall.“

Jason Denzel

„Man kann nicht über epische Fantasy sprechen, ohne den gigantischen Einfluss anzuerkennen, den Robert Jordan auf das Genre ausgeübt hat.“

„Sunday Times“

„Ein wunderbares Epos.“

„Interzone“

„Jeder Roman dieses Zyklus ist wie der Satz einer Sinfonie!“

„San Francisco Book Review“

„Für viele eine der besten Fantasy-Serien aller Zeiten!“

Clint Elroy

„Robert Jordans Stil ist großartig, besonders sein Figurenensemble und die Liebe zum Detail!“

„Library Journal“

„Dieses detailreiche Fantasy-Werk ist ein voll ausgearbeitetes, komplexes Abenteuer. Empfehlenswert!“

Kommentare zum Buch
Ein Abenteuer
Larissa am 19.09.2020

Allein der Prolog machte mich mehr als neugierig und ich wusste es sollte großartig werden. Obwohl am Anfang nicht viel passiert, wir werden zunächst nach Emonds Field eingeladen, ein gemütliches und ruhiges Bauern-Dorf, so spüre ich doch diese Spannung im Hintergrund, das Abenteuer lauert um die Ecke, man kann es beinahe greifen.   Die Charaktere sind Zahlreich, doch das ist normal bei Fantasy-Büchern und so fühle ich mich von Anfang an sehr heimelig in Emonds Field. Es gibt sehr viele Parallelen zu Herr der Ringe, viele mag das stören, ich fand es eher amüsant die beiden Bücher zu vergleichen und parallelen zu ziehen. Der Herr der Ringe ist die Mutter aller Fantasy-Geschichten, wenn man genau sein will, so findet man fast überall Aspekte davon. Die Gemeinsamkeiten lassen jedoch, wie ich finde, sehr schnell nach und Robert Jordan entführt einen in seine eigene komplexe Welt mit fantastischen Völkern, Kulturen und Kreaturen. Und auch das Magie-System ist fantastisch, es warten ständig neue Entdeckungen und Erkenntnisse einer so komplexen Welt, die wahrlich 14 Bücher benötigen wird um alles auszuschöpfen.   Um nochmal auf die Charaktere zu sprechen, welche natürlich im ersten Teil über einen hereinbrechen wie eine Flutwelle. Persönlich ist es schwierig bei dieser Masse direkt einen Liebling herauszupicken, man muss sehen wie sie sich verändern und entwickeln. Glücklicherweise hat sich Rand al'Thor, der Haupt-Protagonist dann doch langsam in mein Herz geschlichen und ich bin gespannt auf seine Entwicklung. Auch Moraine mag ich sehr, da sie gefasst, ruhig und klug ist. Sie tut was nötig ist und das bestimmt, aber sie ist trotzdem nicht herzlos. Auch Lan, welcher wie ein Ruhepol wirkt. Stur und hart, ein Krieger, mit einem guten Herzen.   Ab der Mitte des Buches hatte ich einen kleinen persönlichen Lesesumpf. Ich kam kaum vorwärts und hatte das Gefühl es zieht sich etwas. Vor alle die Kapitel mit Perrin vielen mir schwer, ich verlor die Lust und war schon fast soweit zu sagen: Ich lese nach Buch 1 nicht mehr weiter. Doch dann kam das Ende und ich wusste, dass ich nicht aufhören kann, denn wenn ich das tat, würde ich eine der epischsten Geschichten verpassen, die je geschrieben wurden.   Fazit Ein wundervolle Einleitung in ein episches Abenteuer. Obwohl nicht viel passiert und der Start sehr langsam ist, so spürt man, das Großes auf unsere Helden wartet. Eine komplexe Welt voller Magie und Schatten will erkundet werden und ich freue mich dorthin zurückzukehren.

Gutes Buch
Moritz Theisen am 16.04.2020

Super Buch, ich habe auf Seite 99 Zeile 28 "[...] Ihr fehlt der nötige Respekt. Wie sind der Dorfrat [...]" einen Fehler entdeckt. Dort müsste es "Wir sind der Dorfrat" heißen.

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