„Billig und Bio geht nicht“
Lebensmittelskandale, EU-Subventionen, Massentierhaltung: Die Landwirtschaft steht in der Kritik.
Bauern werden als engstirnige Hinterwäldler abgestempelt oder geraten als rücksichtslose Naturräuber in Verruf.
Doch was steckt wirklich hinter der Legende vom gierigen Bauern? Wer melkt unsere Kühe, erntet unser Getreide und pflückt unsere Äpfel? Wie kann es sein, dass 500 Gramm Katzenfutter mehr kosten als ein ganzes Huhn? Und hat eigentlich jemals einer von uns „mündigen Verbrauchern“ mit einem Bauern darüber gesprochen?
Dr. Willi Kremer-Schillings, Landwirt und bekannt als Wutbauer Bauer Willi, über faire Preise, gesundes Essen und die Macht der Konsumenten:
Warum haben Sie dieses Buch geschrieben?
Ganz ehrlich? Weil mich die Lektorin vom Piper Verlag so nett darum gebeten hat. Ich wäre von mir aus nicht auf die Idee gekommen, ein Buch zu schreiben. Als sie mich nach der online Veröffentlichung meines Wutbriefs anrief, habe ich ihr auch erklärt, dass ich ja kein Schriftsteller sei, sondern nur ein Bauer, der mal seinen Zorn loswerden wollte. Nach einer Woche Bedenkzeit habe ich aber gemerkt, dass da ganz viel im Kopf und – vor allem – in der Seele ist, was ich den Verbrauchern da draußen gerne erklären würde. Sonst wäre es auch nicht in drei Monaten fertig gewesen.
Für wen haben Sie dieses Buch geschrieben?
In Gesprächen mit meinen Mitbürgern stelle ich immer wieder fest, dass diese zwar eine Meinung, aber wenig Wissen über die heutige Landwirtschaft haben. Und an die richtet sich das Buch. Es ist aber kein Lehrbuch, sondern eine persönliche Schilderung meiner Lebenssituation als Bauer. Ich möchte meinen Lesern Dinge aus meinem Arbeitsalltag als Landwirt erklären, die gesellschaftlich viel diskutiert werden, wie zum Beispiel Massentierhaltung, Gentechnik und Pestizide. Meine Haltung dazu weicht oft vom Mainstream ab, und für manch einen ist sie auch provokant. Es ist aber meine Meinung und da möchte ich mit dem Leser, der ja meist kein Experte ist, einen Dialog beginnen.
Würden Sie heute noch mal Bauer werden?
Was für eine Frage! Klar! Wenn Sie, wie ich, seit 60 Jahren auf dem eigenen Bauernhof leben, ihn weiterentwickelt haben – und der Sohn dann ebenfalls Agrarwissenschaften studiert hat und den Hof übernehmen möchte, dann hat man ja wohl nicht so viel verkehrt gemacht.
Was ist das Schönste an ihrem Beruf und was ist gleichzeitig das Schlimmste?
Eine gute Frage, die man sich selber ja kaum stellen würde. Das Schönste ist wohl die große Unabhängigkeit, die man im Alltag hat. Keinen Chef, keine Anfahrt zur Arbeitsstelle, keine Stechuhr, kein Urlaubsantrag. Die wichtigsten Gesetze, die ich zu beachten habe, sind die Gesetze der Natur, und die werden nicht von Menschen gemacht.
Das Schlimmste: Gesetze, die von Menschen gemacht werden, die glauben, damit die Gesetze der Natur außer Kraft setzen zu können. Ein Beispiel: Wir düngen in unserem Betrieb oft mit organischem Dünger, also mit Gülle oder Gärsubstrat aus Biogasanlagen. Ob, wann und in welcher Menge der wachstumsfördernde Stickstoff von den Bodenlebewesen freigesetzt wird, entscheidet die Witterung, nicht wir Menschen. So etwas in eine „Düngeverordnung“ zwängen zu wollen, ist zwar verständlich, aber auch unglaublich überheblich. Was mich auch ärgert, ist die Tatsache, dass bei landwirtschaftlichen Themen jeder glaubt, ohne Fachwissen ein Urteil fällen zu dürfen. Da soll das Buch mit ein paar „Nachhilfestunden“ helfen, die Zusammenhänge klarer zu machen.
Regional, fair, Bio sind ja Begriffe, die derzeit in aller Munde sind. Wie lautet Ihr Rat an den Verbraucher?
Ich bin kein Missionar und habe auch keine „message“, die ich unters Volk bringen möchte. Ich möchte dem Leser aber vermitteln, dass er als Bürger zahlreiche Forderungen aufstellt, wie unsere Lebensmittel erzeugt werden sollen. Das ist erst mal nicht verkehrt. Wenn wir Bauern aber unter diesen Vorzeichen produzieren sollen, müssen die Verbraucher auch im großen Stil bereit sein, die höheren Preise zu bezahlen. In Umfragen kauft die Mehrheit der Bevölkerung bio, regional und fair – an der Kasse des Supermarktes liegen dann aber ganz andere Produkte auf dem Band. Portemonnaie schlägt Hirn.
Ich würde mir wünschen, dass mein Mit-Bürger sich so verhält, wie er es in Umfragen angibt. Wir Bauern können alles! Nur eines können wir nicht: Bio zum Schnäppchenpreis.
Dr. Willi Kremer-Schillings ist Bauer aus Leidenschaft und Wutbürger aus Vernunft. Als Bauer Willi traf er mit seinem Internetbrief „Lieber Verbraucher“ einen Nerv.
Seitdem gibt er den Landwirten eine Stimme und klärt Verbraucher darüber auf, welche Macht sie mit ihren Konsumentscheidungen wirklich ausüben könnten. Willi Kremer-Schillings führt einen traditionellen Hof am Niederrhein und bereitet mit der Unterstützung seiner Kinder gerade die Übergabe an die nächste Generation vor.
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