Geschenke zum Abitur
... auch für Eltern
Erwachsenwerden oder Erwachsensein?
Die große Orientierungslosigkeit nach der Schule ist ein Massenphänomen: Junge Erwachsene sind nach der Schule blockiert. Sie tauchen nicht ein ins Leben, sondern fühlen sich unfähig zur Entscheidung für den richtigen Beruf, die richtige Ausbildung, das richtige Studium. Es wird gelitten, gestritten und viel gechillt. Die Eltern verzweifeln; die Jugendlichen auch – sie fühlen sich schuldig. Natürlich wünschen sich die Eltern, dass ihre Kinder nach dem Schulabschluss und spätestens mit der Volljährigkeit selbstständig sind und sie einen Großteil der Verantwortung abgeben können.
Doch bei vielen Jugendlichen stellt sich diese Autonomie, die Ziel jeder Erziehung ist, nicht ein, da sind sich Universitätsdozenten, Berufsschullehrer und Eltern einig. Ganz im Gegenteil: Ohne die äußere Struktur durch die Schule fallen sehr viele junge Erwachsene erst einmal in ein Loch.
Viele Abgänger wissen nicht, welchen Beruf sie ergreifen sollen, welche Begabungen sie auszeichnen, und letztlich wissen sie nicht, wer sie sind. Ein Symptom dieser Orientierungslosigkeit ist die hohe Studienabbrecherquote, die das Deutsche Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) in Hannover verzeichnet. Demnach bricht jeder dritte Student sein Studium ab. Besonders dramatisch sieht es bei den Ingenieurwissenschaften aus: Hier schmeißt jeder Zweite hin.
Bei den Ausbildungen zeigt sich ebenfalls ein Trend zum Abbrechen. Ein Viertel aller Lehren wird vorzeitig beendet. Die Quote bei besonders schlecht bezahlten Ausbildungen wie Friseuren oder Sicherheitspersonal liegt sogar bei 50 Prozent. Einige Auszubildende wechseln allerdings nicht aufgrund ihres unklaren Berufswunsches, sondern weil ihnen bessere Alternativen und viele offene Stellen gegenüberstehen. Warum sich ausbeuten lassen, wenn eine gute und besser bezahlte andere Ausbildungsstelle lockt?
„Reife braucht Zeit; wer nicht sofort durchstarten möchte, sollte sich eine Auszeit nehmen. Nur monatelanges Chillen ist Gift fürs Gehirn.“

Der Abiball
Georg Koeniger hat schon einige Abibälle besucht in seinem Leben. Hier erzählt er von den Eindrücken, die er bei seinem letzten Abiball gesammelt hat.
„Ich komme soeben vom vierten Abiball meines Lebens zurück. Über die ersten drei habe ich berichtet in meinem neuesten Buch „Abiball – Meine Familie am Rande der Reifeprüfung“. Diesmal war es entspannter. Ich habe ja auch schon Routine mit Abibällen. Außerdem war ich nicht der leibliche Vater der Abiturientin. Und die Veranstalter hatten bei der Planung klug von einer steifen Sitzordnung abgesehen und uns stattdessen mit einem „flying buffet“ an Stehtischen bedient, sodass man hochnotpeinliche Begegnungen mit dem Vater der Absolventin weitgehend vermeiden konnte. Aber einige Dinge haben sich nicht geändert: Ich habe wieder massenhaft junge Frauen gesehen, die sich dressen wie zur Hochzeit, und viele schlaksige junge Männer, die etwas ungelenk noch etwas zu große Designeranzüge spazieren führen, außerdem Väter, die sich nur wiederwillig in etwas zu eng gewordene Anzüge zwängen. Ich sah eine Mutter, die auf der Tanzfläche mit ihrem neuen Partner allen die Show stehlen wollte, während ihr Ex-Ehemann sich an der Bar besoff und der Sohn vor der geballten Peinlichkeit seiner Eltern im Boden versinken wollte. Ich belauschte ein Elternpaar, dem nach 20 Jahren Ehe auf einmal klar wurde, dass der Grund, zusammenzubleiben, gerade seinen Abschluss feierte, während andere Eltern – offensichtlich endlich von der Erziehungsverantwortung befreit – wie Oberschüler in einer Ecke wild knutschten – sorry, „rummachten“, wie man heute sagt. Patchworkfamilien, die sich zusammenraufen, Bilderbuchehen, die zerbrechen, und 100 Lebensabschnittsgefährten, die sich adieu sagen – all das ist Abiball. Der nächste Abiball ist wahrscheinlich der meines Enkels. Und wenn ich irgendwie kann, bin ich wieder dabei.“
Was waren die größten Unterschiede zwischen Ihrem Abiball und dem Ihres Sohnes?
Naja, der größte Unterschied besteht darin, dass mein Abiball gar nicht stattgefunden hat. So etwas gab es nämlich gar nicht in den Siebzigerjahren. Schon gar nicht in einer Jungenschule wie meiner. Bei uns gab es nur eine mehr oder weniger feierliche Zeugnisübergabe im Rathaussaal. Und die wollte ich damals zusammen mit einem Kumpel auch noch sabotieren, aus Solidarität mit den Ländern der Dritten Welt. Wir ahnten noch nichts von Abizeitung, Abistreich, Abifahrt – und vor allem ahnten wir nichts von dem superschicken Abiball, auf dem die Mädels sich dressen wie zur Hochzeit und die Jungs noch nicht ganz passende Designeranzüge tragen. Bei mir hat die zerschlissene Jeansjacke ausgereicht. Umso schlimmer für mich, dass mich mein Sohn dann zwang, im ganz feinen Zwirn auf seinem Abiball zu erscheinen.
Wieso hat der Abiball so eine große Bedeutung für die Abiturienten?
Gute Frage. „Das ist das letzte Mal, dass wir in dieser Zusammensetzung zusammenkommen“, hatte mein Sohn mir einmal erklärt. „Das muss man doch gebührend feiern“. Klar, aber bloß weil das Wort Gebühr drinsteckt, muss es auch viel Geld kosten? Vielleicht ist es ja das Bedürfnis, in einer immer schwerer zu überschauenden Welt Meilensteine zu setzen, das zu solch pompösen Feiern führt. Sicher hat das Ganze aber auch viel mit der Amerikanisierung unserer Gesellschaft zu tun. So wie der Weihnachtsmann von Coca-Cola eingeführt wurde und der Valentinstag auch bei uns nicht mehr wegzudenken ist, so wie Halloween immer mehr Freunde findet, so prägen auch die amerikanischen Highschool-Abschlussbälle, die sogenannten Proms, die Vorstellung hiesiger Schüler von einer würdigen Abschlussfeier. Kein Wunder also, dass sie diesen Bildern nacheifern, die sie in den Medien oder bei USA-Aufenthalten sehen. Aber vielleicht sollte man die ganze Sache auch nicht zu hoch aufhängen. Vielleicht ist das Fest für die Schüler ja auch nur eine Art Maskenball, auf dem sie der Lust frönen, sich herauszuputzen und eine richtig große Sause zu erleben.
Hat sich auch die Beziehung zwischen Eltern und Kindern seitdem verändert?
Zu meiner Zeit zeigte sich niemand gerne mit seinen Eltern, weil sie uns so unendlich kleinbürgerlich und spießig vorkamen. Mein Leben lang habe ich mich bemüht, nicht so zu werden. Heute werden Eltern den Kindern schnell peinlich, wenn sie sich eben nicht konventionell verhalten, sondern aus der Masse herausstechen und in der Öffentlichkeit auffallen. Ich glaube, mir hätte das damals bei meinen Eltern imponiert. Dafür entwickeln sich die Enkel unserer Eltern nun genauso, wie sie sich das für schon ihre Kinder gewünscht hatten.
Was ist die lustigste Erinnerung vom Abiball ihres Sohnes?
Dass ich mit dem zweiten Mann meiner Ex-Frau (wegen dem sie mich damals verlassen hatte) an einem Tisch saß, und sie mit ihrem dritten Ehemann an einem anderen. Sie wollte an diesem Abend mit keinem ihrer Ex-Männer den Tisch teilen. So verbrachte ich einen großen Teil des Festes mit Small Talk mit meinem Nachfolger. Das war so grotesk, dass ich wahrscheinlich laut aufgelacht hätte, wäre ich nicht selbst beteiligt gewesen und wäre nicht mein Sohn den ganzen Abend über unruhig und unglücklich zwischen den beiden Tischen hin- und hergependelt. Dieses Erlebnis war auch der Auslöser, warum ich das Buch „Abiball“ geschrieben habe: die verrückten Familienverhältnisse, die auf einem Abschlussball im wahrsten Sinne des Wortes zum Tanzen gebracht werden.
Was empfehlen Sie anderen Vätern in Vorbereitung auf den Abiball ihrer Kinder? Haben Sie Überlebenstipps?
Ziehen Sie etwas an, in dem Sie sich wohl fühlen. Egal wie es aussieht. Trinken Sie nicht zu viel. Essen Sie vor dem Ball ausreichend, damit Sie nicht hungrig in der Buffetschlange warten müssen. Wenn es irgendwie geht: lassen Sie sich vorher nicht scheiden. Wenn Sie also noch mit der Mutter des/der Abiturienten/in zusammen sind: Machen Sie ihr ein Kompliment und benehmen Sie sich, als wären Sie beide selbst Abiturienten. Das mögen Ihre Kinder peinlich finden, ist aber gut für die Beziehung. Wenn sich die Scheidung nicht vermeiden ließ: Seien Sie zumindest freundlich. Geben Sie dem Abend eine Chance. Am Ende haben Sie vielleicht sogar Spaß. Und das verpasste Fußballspiel kann man später immer noch in der Mediathek anschauen ...


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