Zum Teufel mit den Millionen (Molly-Becker-Reihe 2) - eBook-Ausgabe
Roman
„Ein liebevoll-kritischer Blick auf Lelords Wahlheimat.“ - Von Frau zu Frau
Zum Teufel mit den Millionen (Molly-Becker-Reihe 2) — Inhalt
Was hat man, wenn man im Lotto gewinnt, Unternehmerin wird und sich den Traummann angelt? Nur Ärger, muss Molly Becker feststellen! Sie wird von mysteriösen Kundenklagen überhäuft, ihr Erspartes schwindet – und ihr Liebster gleich mit. Was bleibt, sind Mollys Freundinnen Lissy und Tessa, mit denen sie die merkwürdigen Zufälle untersucht und einem hinterhältigen Plan auf die Spur kommt … Die zweite Roman um Molly Becker von Kim Schneyer!
Leseprobe zu „Zum Teufel mit den Millionen (Molly-Becker-Reihe 2)“
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Across Germany and soon all over the world …
Es liegt am Sex, stimmt’s?
„Gut, Frau Becker, wenn ich Sie also richtig verstanden habe, dann liegt der Winners-only-Philosophie die Behauptung zugrunde, dass in jedem von uns ein Gewinner steckt. Habe ich das richtig interpretiert?“ Elise Ansbach betrachtet mich mit einer Mischung aus Faszination und professioneller Neugierde.
Ich will gerade einen Schluck von meinem Fruchtcocktail nehmen, aber da ihre Frage kürzer ausgefallen ist als erwartet, setze ich das Glas ein bisschen zu hastig ab und verschütte bei der Gelegenheit ein paar Tropfen über meine fliederfarbene Bluse. Mist. Ehrlich gesagt hätte ich nicht gedacht, dass es derartigen Stress bedeuten könnte, ein Interview zu geben.
Wobei es natürlich toll ist. Ganz toll sogar. Ich, Molly Becker, Geschäftsführerin von Winners only, einer der innovativsten und modernsten Firmenketten in ganz Deutschland – was sage ich, Europas! –, gebe dem Life&Style-Magazin ein Interview zum Thema »Karrierefrauen – Mit voller Power durch die Machomauer«.
„Ups, das gibt Flecken. Ich hoffe, die Bluse war nicht allzu teuer.“ Elise Ansbach zieht besorgt die Stirn in Falten.
„Oh … äh, sie war nicht billig, falls Sie das meinen, aus einer unserer Kollektionen, wissen Sie, mit einem optimalen Preis-Leistungs-Verhältnis, um genau zu sein …“, erwidere ich und stelle mein Glas ab. »… und wie alles bei Winners only von allerbester Qualität, mit dem Vorteil, dass potenzielle Fleckenverursacher wie diese davon abperlen wie Morgentau von einer Lotusblüte«, bringe ich den Satz mit einer entsprechenden Werbeaussage schwungvoll zu Ende.
„Was für ein schöner Vergleich“, nickt Elise Ansbach.
Dann beobachten wir gemeinsam, wie die dunkelroten Tropfen in das Gewebe der verdammten Bluse einsickern und dabei immer größer werden. Okay, wie’s aussieht, muss ich darüber mal ein paar Takte mit Tessa reden. Seit sie unsere Chefeinkäuferin ist, sind unsere Kollektionen zwar schweineteuer geworden, aber der versprochene „Quantensprung in der Qualität“ erschließt sich mir im Augenblick nicht.
„Äh … ja“, nehme ich den Faden wieder auf. „Wo waren wir stehen geblieben?“
„Die neue Philosophie von Winners only …“, hilft sie mir weiter.
„Unsere Philosophie, genau“, nicke ich eifrig, um mich schon im nächsten Moment wieder zurückzupfeifen. Immer mit der Ruhe, Molly. Du bist eine Karrierefrau, und Karrierefrauen nicken nicht eifrig. Wenn schon nicken, dann bedächtig. Oder überlegen … oder … vielleicht besser überhaupt nicht nicken.
„Also, im Gegensatz zu früher unter der Leitung meiner ehemaligen Chefin Clarissa Hohenthal …“ Ha, den Seitenhieb konnte ich mir nicht verkneifen. »… als es unser oberstes Ziel war, pro Kunde den größtmöglichen Umsatz zu erzielen, egal, wie vorteilhaft die jeweiligen Produkte für ihn waren oder auch nicht, stehen jetzt einzig und allein die Bedürfnisse unserer Kunden im Vordergrund. Wir loten ihre Stärken und Schwächen aus, und sobald wir etwas finden, das sie daran hindern könnte, ein Gewinner zu sein, bessern wir dieses … nennen wir es Manko … umgehend aus. So einfach ist das«, schließe ich mit einer ausladenden Geste, bevor ich mich im Sessel zurücklehne und Elise Ansbach ein offenes Lächeln schenke, wie ich es von Umberto, unserem Kommunikationstrainer, gelernt habe.
Elise Ansbach nickt wieder beeindruckt, dann jedoch runzelt sie kritisch die Stirn. „Das klingt alles wirklich sehr überzeugend, Frau Becker …“
„Nennen Sie mich bitte Molly“, falle ich ihr gönnerhaft ins Wort. „Und ich darf doch Elise sagen, oder? Von Powerfrau zu Powerfrau gewissermaßen?“
„Oh, ja, natürlich, freut mich … Molly“, nickt sie irritiert, bevor sie erneut einen Blick auf ihren Zettel wirft. „Also, dieses neue Konzept klingt in der Tat sehr überzeugend, aber gibt es da nicht ein Problem, was die Rentabilität Ihres Unternehmens betrifft?“
Ich wusste es. Ich wusste es. Diese Frage musste kommen, und obwohl ich es kaum erwarten kann, sie zu beantworten, stelle ich mich ein bisschen doof, um die Wirkung noch zusätzlich zu erhöhen.
„Rentabilität?“ Ich lege den Kopf leicht schräg und ziehe eine Augenbraue hoch. „Was genau meinen Sie damit?“
„Na, wenn man bei den Kunden nicht auf die Umsätze abzielt, muss sich das doch negativ auf die Erträge auswirken“, meint sie verwundert.
„Ach, das meinen Sie“, lächle ich überlegen. Dann hole ich Luft und lege los wie ein Wirtschaftsdozent: „Sie haben nicht ganz unrecht, Frau Ansbach, bei oberflächlicher Betrachtung sollte man das meinen, aber in Wirklichkeit verhält es sich genau umgekehrt. Die herausragende Fairness und Transparenz unseres Angebots stoßen mittlerweile auf derart gute Resonanz, dass wir innerhalb eines Jahres – seit ich die Leitung von Winners only innehabe, um genau zu sein – unseren Kundenstock mehr als verdoppeln konnten, und selbst wenn wir damit pro Mitglied weniger Umsatz erzielen, ist das Ergebnis unterm Strich immer noch ein deutlicher Zugewinn. Ich habe übrigens auch einen Namen für diese Methode entwickelt: Ich nenne es die ›Minimax-Methode‹“, verkünde ich voller Stolz und möglichst deutlich, damit sie es gleich wörtlich für ihren Artikel übernehmen kann. »Mehr Umsatz erzielen, indem man weniger Umsatz macht. Was auf den ersten Blick keinen Sinn ergibt, ist in Wirklichkeit eine bahnbrechende Idee, die möglicherweise Einfluss auf die gesamte Marktwirtschaft des 21. Jahrhunderts haben wird.« Ich gerate regelrecht ins Schwärmen bei dem Gedanken, dass ich möglicherweise schon bald in sämtlichen Wirtschaftslehrbüchern als Schöpferin dieser revolutionären Idee genannt werde. Die werden dann doch sicher Fotos von mir brauchen, fällt mir ein. Ich sollte mir dafür eine Brille zulegen. Brillen verleihen einem einen intellektuellen Touch, und erst neulich habe ich eine Kollektion von Gucci gesehen …
„Aber gibt es das nicht bereits?“, unterbricht Elise Ansbach meine wundervollen Phantasien. „Das Minimax-Prinzip lernt man schließlich auf jeder zweiten Schule, und soweit ich mich noch erinnern kann, geht es dabei darum, aus minimalem Aufwand maximalen Nutzen zu ziehen oder so ähnlich.“
Wie bitte, das gibt es schon? Blöde Schulen!
Aber Moment mal, hat sie nicht gerade gesagt …?
„Ich spreche auch nicht vom Minimax-Prinzip …“ Ich ringe mir ein gekünsteltes Lachen ab und lasse gleichzeitig meine grauen Zellen rotieren, um schleunigst einen Ausweg aus dieser Sackgasse zu finden.
„Ich sprach von der Minimax-Methode, oder noch genauer von der Molly-Becker-Mini-Maxi-Methode“, fällt mir dann ein. „Ich habe sie vorhin nur ohne meinen Namen genannt, weil ich nicht … ähm … damit angeben wollte, wissen Sie?“
„Tatsächlich?“ Elise mustert mich einige Sekunden lang schweigend, und ich bin heilfroh, dass sie keinerlei Anstalten macht, sich etwas von dem Mist, den ich soeben verzapft habe, zu notieren. Schließlich beendet sie die peinliche Pause mit einem Räuspern. „Dann habe ich noch eine ziemlich direkte Frage an Sie, Molly, die schon mehrmals an uns herangetragen wurde, und ich bitte Sie, das nicht als Provokation aufzufassen: War Philip Vandenbergs Entscheidung, Sie mit der Führung von Winners only zu betrauen, eine rein wirtschaftliche, oder stand sie auch in Zusammenhang mit Ihrer Liaison?“
Also doch. Ich hatte bereits befürchtet, dass sie dieses Thema anschneiden würde, und jetzt nützt sie die Überleitung für diese reichlich unangenehme Frage.
»Selbstverständlich fand diese Entscheidung auf rein professioneller Ebene statt«, stelle ich sofort klar. »Nur zur Verdeutlichung, Elise: Philip und ich waren noch gar kein Paar, als ich ihm meine persönlichen Vorstellungen von einer Neuausrichtung des Unternehmens darlegte, und es waren exakt diese Ausführungen, die ihn veranlasst haben, mir diese Aufgabe zu übertragen.« Das stimmt, wenngleich ich die Geschichte ein klein wenig abgeändert habe. In Wirklichkeit habe ich mich damals bei Philip ordentlich über meine fiese Chefin Clarissa beschwert, und irgendwann war ich dann ziemlich betrunken und bin am nächsten Morgen in einem fremden Hotelzimmer aufgewacht … Aber die Einzelheiten tun ja nichts zur Sache, nicht wahr? „Außerdem wusste ich zu dem Zeitpunkt noch gar nicht, dass er Philip Vandenberg ist“, fällt mir ein weiteres Argument ein. „… auch ein klarer Beweis dafür, dass die Ideen, die ich ihm damals präsentierte, meiner ureigenen Überzeugung entsprangen und nicht etwa taktischen Erwägungen, wie ich meinen zukünftigen Boss beeindrucken könnte oder so was in der Art.“
„Interessant, das wusste ich gar nicht.“ Elise schaltet mit dem Instinkt einer erfahrenen Reporterin auf einen vertraulichen Tonfall um. „Dann war Ihr erstes Zusammentreffen also eine Art Blind Date?“
„Ja, so könnte man es nennen.“ Ich versinke für einen kurzen Moment in der Erinnerung daran, wie Philip als ganz normaler Kunde in mein Büro kam und noch kein Mensch ahnte, dass er in Wirklichkeit der Oberboss von Eragon war. Ich war damals natürlich sofort fasziniert von ihm … also, nach ziemlich kurzer Zeit jedenfalls … auf alle Fälle gleich, nachdem ich ihn näher kennengelernt hatte!
„Möchten Sie uns vielleicht mehr darüber erzählen, Molly?“, fragt Elise sanft.
Es dauert eine Sekunde, bis ihre Worte in meinem Bewusstsein angekommen sind.
Oh, oh. Vorsicht, Molly, die Frau ist ein Profi. Sie will dich doch bloß aushorchen und dir so ganz nebenbei ein paar intime Details aus dem Kreuz leiern, um sie dann am nächsten Tag in den Klatschspalten zu präsentieren.
Aber nicht mit mir.
„Ach, wissen Sie, ich denke, das würde den Rahmen unseres Gespräches sprengen“, antworte ich ausweichend.
Für einen winzigen Augenblick macht sich Enttäuschung auf ihrem Gesicht breit, die sie aber schnell wieder beiseiteschiebt.
„Wie Sie meinen, Molly, ich kann Sie natürlich nicht zwingen“, lenkt sie mit einem schmalen Lächeln ein. „Aber eine winzige Frage zu dem Thema müssen Sie mir doch gestatten: Wie läuft es in Ihrer Beziehung? Gibt es bereits Hochzeitspläne? Ist Nachwuchs für Sie beide ein Thema?“, kommt es plötzlich wie aus einem Maschinengewehr.
Von wegen winzige Frage, die Lady drückt ganz schön auf die Tube. Ich denke sorgfältig über meine Antworten nach, weil Philip und ich vereinbart haben, unser Privatleben von der Öffentlichkeit fernzuhalten.
„Also, ohne zu viel zu verraten, Elise: Es läuft ausgezeichnet zwischen Philip und mir, und ja, er hat mir schon mehrere Heiratsanträge gemacht, und über Nachwuchs haben wir zwar noch nicht dezidiert gesprochen, aber ich kann mir durchaus vorstellen, dass das ein Thema wird, sobald die Zeit reif dafür ist.“
Elise hat ungläubig die Augen aufgerissen, während ich antwortete. „Habe ich richtig gehört? Philip Vandenberg hat Ihnen bereits mehrere Heiratsanträge gemacht?“
„Allerdings“, nicke ich.
„Ja, und?!“, stößt sie hervor.
„Was, und?“
„Wieso sind Sie dann noch nicht verheiratet?“, setzt sie völlig perplex nach.
„Weil ich sie abgelehnt habe, natürlich“, sage ich achselzuckend.
„Das gibt’s doch nicht“, stöhnt sie auf. „Wieso denn abgelehnt? Philip Vandenberg ist einer der begehrtesten Junggesellen Deutschlands, er ist Multimillionär, er ist attraktiv, er ist einfach …“ Sie sucht nach dem richtigen Wort. „… ein Traummann!“
Wie bitte? Ein Traummann? Ist er das? Also, es stimmt schon, Philip ist reich, und er sieht ziemlich gut aus, vor allem, seit ich ihn unter meine Fittiche genommen und ihm ein modernes Outfit verpasst habe, vor allem aber ist er eine beeindruckende Persönlichkeit, und er kann auch witzig sein, wenn er will …
Elise hat recht. Philip ist ein Traummann.
Wieso ich ihn dann noch nicht geheiratet habe?
Also, es ist nicht so, dass ich nicht seine Frau werden will, aber das hat sich irgendwie im Laufe der Zeit so … ergeben.
In den ersten Monaten unserer Beziehung hat er mir beinahe täglich einen Antrag gemacht, das gehörte fast schon dazu wie das tägliche Zähneputzen, und ich habe ihn stets vertröstet, weil ich nichts überstürzen wollte, und irgendwann wurden seine Anträge dann seltener, und der letzte ist jetzt überhaupt schon mehrere Monate her …
Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr beschleicht mich ein ungutes Gefühl. Sollte ich mir deswegen etwa Gedanken machen?
Während ich noch darüber grüble, fällt mir auf, dass Elises Blick nach wie vor abwartend an meinen Lippen hängt, und ich bemühe mich schnell wieder um einen unverfänglichen Gesichtsausdruck.
„Sie haben natürlich recht, Elise“, bestätige ich. „Philip ist definitiv ein wunderbarer Mann, aber …“
„Es liegt am Sex, stimmt’s?“, fällt sie mir mit leuchtenden Augen ins Wort. „Für eine emanzipierte Powerfrau wie Sie ist er zu alt, und nach einem harten Arbeitstag wünschen Sie sich einen jungen, starken …“
„Quatsch, Elise, Philip ist überhaupt nicht alt, er ist in Wirklichkeit viel fitter als ich, und was den Sex betrifft …“ Das alles ist nur so aus mir herausgesprudelt, und ich kann mich im letzten Moment gerade noch bremsen. Dieses Biest! Beinahe hätte sie mich aus der Reserve gelockt. „… das geht natürlich niemanden etwas an, aber er ist …“ Ich zögere. Jetzt heißt es aufpassen. Wie drücke ich das am besten aus, ohne ihr gleich einen reißerischen Aufhänger für die nächste Titelseite zu liefern? „… überaus erfüllend“, würge ich dann reichlich gekünstelt hervor.
„Überaus erfüllend?“, äfft Elise mich sofort auf nervtötende Weise nach. „Das klingt aber nicht gerade berauschend, Molly.“
„Na gut, er ist phantastisch, der Beste, den ich jemals hatte!“, platze ich heraus – um mir im nächsten Moment erschrocken die Hand vor den Mund zu schlagen. „Das schreiben Sie aber nicht in Ihren Artikel!“, rufe ich bestürzt aus. „Philip hasst Indiskretionen, und ich übrigens auch.“
Elise zögert verdächtig lange, bevor sie sagt: „Natürlich nicht, Molly … obwohl Philip bestimmt nichts dagegen hätte. Die meisten Männer würden sich darum prügeln, in aller Öffentlichkeit als guter Liebhaber dazustehen.“
„Philip ist aber nicht wie die meisten“, stelle ich klar. „Und ich weiß, dass er fuchsteufelswild wird, wenn jemand Indiskretionen über ihn verbreitet.“
„Ach, dann ist er also jähzornig? Ist das der Grund, weshalb Sie seine Anträge bisher abgelehnt haben?“, wechselt sie auf einmal die Schiene.
Mann, die hat vielleicht eine schräge Phantasie!
„Aber nein, Philip ist doch nicht jähzornig. Im Gegenteil, er ist der sanfteste und ausgeglichenste Mensch, den ich kenne“, bremse ich sie schnell wieder ein. „Und bevor Sie noch weitere Vermutungen anstellen, Elise: Ich habe Philip bislang nur vertröstet, weil ich vorher meine eigene Karriere weiter vorantreiben möchte. Ich will auf einer Ebene mit ihm stehen, wenn wir heiraten, verstehen Sie?“
„Verstehe. Sie wollen also beweisen, dass es Ihnen nicht bloß um seine Millionen geht“, nickt Elise nachdenklich. „Wie viele hat er denn davon, Millionen, meine ich?“, schiebt sie dann in verdächtig beiläufigem Tonfall nach.
„Um ehrlich zu sein, keine Ahnung“, gestehe ich.
Ihr Blick wird auf einmal lauernd. „Wie bitte? Heißt das, er hält seine Vermögensverhältnisse vor Ihnen geheim?“
„Nein, tut er nicht“, sage ich schnell. „Er würde es mir sicher sagen, wenn ich ihn fragen würde, aber irgendwie … ist Geld eigentlich gar kein Thema zwischen uns, verstehen Sie?“
Ich habe wirklich keine Ahnung, wie viel Geld Philip hat. Aber es muss viel sein, sehr viel sogar. Immerhin hat er sich letztes Jahr von seinem Megakonzern getrennt, das heißt, er hat sich sicher Unsummen dafür auszahlen lassen, solche Geschichten kennt man ja. Aber ich habe ihn nie nach konkreten Beträgen gefragt, was natürlich auch damit zu tun haben könnte, dass ich nicht will, dass er mich nach meinen Vermögensverhältnissen fragt und ich dann bei der Antwort möglicherweise ein klitzekleines bisschen improvisieren müsste …
„Nein, ehrlich gesagt kann ich das nicht verstehen.“ Elise schüttelt ungläubig den Kopf. „Für einen Normalo wie mich ist es unvorstellbar, so viel Geld zu besitzen, dass man gar nicht mehr darüber reden muss. Aber Sie können es mir sagen, Molly. Wie ist das? Es muss traumhaft sein, nicht wahr?“ In ihre Augen ist auf einmal ein sehnsüchtiges Leuchten getreten.
„Doch, ja, auf alle Fälle, es ist toll“, bestätige ich, und diesmal muss ich bei der Antwort kein bisschen überlegen.
Ich weiß nämlich nur zu gut, was es bedeutet, kein Geld zu haben. Vor nicht allzu langer Zeit war ich dermaßen blank, dass nicht einmal mehr die Pleitegeier über mir gekreist sind, wohl aus Angst, sie müssten noch etwas dazuzahlen bei näherem Kontakt, und als sich das dann auf einen Schlag ins genaue Gegenteil verkehrt hat, war es für mich wie der Beginn eines völlig neuen Lebens.
„Wobei bei aller Annehmlichkeit Geld nicht alles ist“, füge ich schnell hinzu, damit die Leser keinen falschen Eindruck von mir bekommen. „Mindestens ebenso wichtig sind eine intakte Familie und ein zuverlässiger Freundeskreis, beruflicher Erfolg und Anerkennung, eine erfüllende Beziehung natürlich …“ Ich überlege rasch, was noch fehlen könnte in meiner Aufzählung. »… ach ja, und Gesundheit, und nicht zu vergessen soziales Engagement, das ist besonders wichtig. Nichts ist befriedigender als die Gewissheit, bedauernswerten Wesen, die weniger Glück hatten als man selber, zu einer erträglichen Existenz zu verhelfen.« Oh Mann, der Satz ist gut. Den muss ich mir merken, vielleicht können wir den in die nächste Winners-only-Imagekampagne einbauen.
„Sehr schön“, springt auch Elise sofort darauf an. „Dann betätigen Sie und Philip sich also als soziale Wohltäter? Welche Projekte unterstützen Sie denn?“
„Ach, da gibt es so viele“, hole ich aus. „Den WWF, die Kinderkrebshilfe, Nachbar in Not, CARE, die SOS-Kinderdörfer, die Vereinigung barfüßiger Ärzte …“
Elise prustet den Schluck Wasser, den sie gerade nehmen wollte, zurück in ihr Glas und sieht mich verunsichert an. „Sie wollen mich auf den Arm nehmen, oder?“
„Nein, wieso?“, frage ich irritiert zurück.
„Die Vereinigung barfüßiger Ärzte, was soll das denn sein?“
„Keine Ahnung, Ärzte eben, die keine Schuhe haben … wahrscheinlich haben sie so wenig Geld, dass sie sich keine leisten können.“ Ich zucke die Achseln. So genau habe ich mich damit auch wieder nicht befasst. „Jedenfalls, ohne mich weiter in Einzelheiten verlieren zu wollen, so kann ich doch behaupten, dass es ohne unsere Unterstützung einiges Elend mehr auf dieser Welt gäbe, und von den Gorillas und Seeelefanten will ich gar nicht erst anfangen.“ Bei diesem Thema geht mir immer wieder das Herz auf, es ist ungelogen eine der schönsten Erfahrungen, wenn man sich für andere Individuen engagiert.
Elise Ansbach wirkt jetzt sichtlich überzeugt. Sie macht sich wieder ein paar Notizen, was genau genommen seltsam ist, läuft doch ohnehin die ganze Zeit ihr Aufnahmegerät.
„Okay, das kann ich gut verwenden zum Thema Karrierefrauen, soziales Engagement macht sich immer gut.“ Sie zwinkert mir verschwörerisch zu. „Ansonsten sind erfolgreiche Frauen ja immer gleich als shoppingsüchtige Monster verschrien, nicht wahr?“
Ich nicke zustimmend. „Stimmt, das ist ein hartnäckiges Klischee – das auf mich allerdings in keiner Weise zutrifft.“
„Wissen Sie was, Molly, Sie sind wirklich ein glänzendes Vorbild für die Frauenbewegung“, lobt sie mich begeistert. „Vor allem, da Sie Wert darauf legen, finanziell nicht von Ihrem Partner abhängig zu sein.“
„Das trifft es auf den Punkt“, stimme ich ihr zu. Doch dann fällt mir noch etwas Besseres ein: „Ich kann es präziser ausdrücken, wenn Sie möchten, und das können Sie von mir aus wörtlich drucken: Ich würde Philip zum gegebenen Zeitpunkt auch heiraten, wenn er arm wie eine Kirchenmaus wäre. Ich denke, das ist deutlich genug, oder?“
„Allerdings.“ Elise nickt äußerst angetan und kritzelt wieder auf ihrem Block herum. „Gut, Molly, ich fasse kurz noch mal Ihren Werdegang zusammen: Sie haben also Ihren Angaben nach aus eigener Kraft den Aufstieg bis an die Spitze eines erfolgreichen Konzerns geschafft, nachdem Sie zuvor verschiedene berufliche Stationen durchlaufen haben, um die nötige Erfahrung dafür zu sammeln …“
Ich nicke souverän. Das klingt doch viel besser als einzugestehen, dass man bis dahin in jedem einzelnen Job kläglich versagt hat, oder?
„… und obwohl Sie zurzeit mit einem der begehrtesten Junggesellen des Landes liiert sind, ist es Ihnen ein besonderes Anliegen, sich selbst ausreichendes Vermögen zu schaffen, um sich im Falle einer Heirat mit Philip Vandenberg nicht den Vorwurf einer Aschenputtelehe gefallen lassen zu müssen“, führt sie weiter aus.
Donnerwetter, das war jetzt aber gekonnt formuliert. Das hätte ich selbst nicht besser hinbekommen.
Ehrlich, ich kann es kaum erwarten, dass dieses Porträt über mich im Life&Style erscheint. Allein, wenn ich mir die dummen Gesichter von meinen ehemaligen Klassenkameraden vorstelle, wenn sie das lesen. Die kleine Molly Becker mit der Riesenzahnspange und der Zukunftsprognose einer legasthenischen Seekuh (mein Sportlehrer in der Siebten hat mich tatsächlich vor versammelter Klasse so genannt, und diese Verräter haben es auch noch furchtbar witzig gefunden) hat es durch harte Arbeit, eiserne Disziplin und nicht zuletzt die nötige Portion Talent und Köpfchen bis ganz nach oben geschafft.
Aus eigener Kraft. Sonst gar nichts.
Wobei, der Lottogewinn von eineinhalb Millionen hat natürlich nicht geschadet, aber den kann ich wohl schlecht zur Sprache bringen, nachdem ich ihn über ein Jahr lang allen verschwiegen habe.
Niemand weiß davon. Nicht meine Familie, nicht meine Freunde, ja, nicht einmal Philip habe ich davon erzählt …
Ein ganzes Jahr.
Hm.
Wie sie wohl reagieren würden, wenn ich jetzt damit herausrücke?
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