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Ein Käfig aus Rache und Blut (Tale of a Huntress 1) Ein Käfig aus Rache und Blut (Tale of a Huntress 1) - eBook-Ausgabe

Laura Labas
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Roman

— New-Adult-Fantasy mit Dämonen
Taschenbuch (17,00 €) E-Book (5,99 €)
€ 17,00 inkl. MwSt. Erscheint am: 04.07.2025 In den Warenkorb
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Ein Käfig aus Rache und Blut (Tale of a Huntress 1) — Inhalt

New Adult Fantasy mit tragischer Romantik von Spiegel-Bestsellerautorin Laura Labas 

„›Alles nur für dich‹, antwortete er beinahe zuckersüß. ›Genieß die Nacht. Es wird die letzte sein, in der du schlafen wirst.‹ Dann verschwand er und ließ mich mit den Ketten allein zurück.“

In einer postapokalyptischen Welt, die von Dämonen beherrscht wird, dürstet es die neunzehnjährige Alison nach Rache für den grausamen Mord an ihrer Familie. Jahrelang streift sie durch das Land, auf der Suche nach den Verantwortlichen, bis sie von einem Dämonenkönig Dorian Ascia entführt wird. Er bietet ihr ein einzigartiges Training an, doch im Tausch muss sie für ihn arbeiten. Und sie muss den unerträglichen Dämon Gareth an ihrer Seite akzeptieren, der sie an allem zweifeln lässt …


€ 17,00 [D], € 17,50 [A]
Erscheint am 04.07.2025
352 Seiten, Broschur
EAN 978-3-492-50807-0
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€ 5,99 [D], € 5,99 [A]
Erscheint am 04.07.2025
320 Seiten
EAN 978-3-377-90173-6
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Leseprobe zu „Ein Käfig aus Rache und Blut (Tale of a Huntress 1)“

1. Kapitel

Februar 2003 – Ein Dorf ohne Namen in den Rayons

Ich wusste, dass ich zu spät kommen würde, sogar schon, als ich es noch hätte verhindern können. Schuld allein war das Buch, das mich gefesselt hatte. Zwischendurch war ich aus den Seiten aufgetaucht, nur um zu sehen, dass die Zeiger meiner rosafarbenen Armbanduhr entgegen all meiner Hoffnungen nicht stehen geblieben waren.

Schließlich blätterte ich die letzte, leicht vergilbte Seite um, ließ meine Augen über die Buchstaben rasen, die Millisekunden später Wörter und Sätze bildeten und in meinen [...]

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1. Kapitel

Februar 2003 – Ein Dorf ohne Namen in den Rayons

Ich wusste, dass ich zu spät kommen würde, sogar schon, als ich es noch hätte verhindern können. Schuld allein war das Buch, das mich gefesselt hatte. Zwischendurch war ich aus den Seiten aufgetaucht, nur um zu sehen, dass die Zeiger meiner rosafarbenen Armbanduhr entgegen all meiner Hoffnungen nicht stehen geblieben waren.

Schließlich blätterte ich die letzte, leicht vergilbte Seite um, ließ meine Augen über die Buchstaben rasen, die Millisekunden später Wörter und Sätze bildeten und in meinen Verstand sanken. Dann war die Geschichte vorbei und ich musste von den lieb gewonnenen Figuren Abschied nehmen. Wie sollte ich jetzt mit dem normalen Leben weitermachen? Wie sollte ich jetzt nach Hause gehen und einschlafen, wenn ich die Abenteuer der Figuren nicht mehr verfolgen konnte?

„Unvorstellbar“, murmelte ich, bevor ich das Buch zuklappte und mich in der halbdunklen Bibliothek umschaute. Sie war eines der wenigen Gebäude in unserer Stadt in den Rayons, die während des Dämonenkrieges nicht zerstört worden waren. Sie war mein Lieblingsort, denn hier konnte ich mich vor der Realität verstecken. Hier musste ich mich nicht einer unsicheren Zukunft stellen.

Ich erhob mich von dem hölzernen Stuhl, um das Buch zurück ins Regal zu räumen, als ich mich plötzlich dem Bibliothekar gegenüber sah. Er war ein sehr lustiger alter Mann, der seltsam roch. Aber er erlaubte mir, so lange wie ich wollte hierzubleiben. Deshalb mochte ich ihn.

„Hallo, Alison!“ Er legte sich eine Hand aufs Herz, als hätte er sich erschrocken.

„Hallo, Mr. Bishop“, lächelte ich breit, um wenigstens so zu tun, als würde ich über sein gespieltes Erschrecken lachen.

„Du weißt, dass es spät ist, nicht wahr? Draußen ist es schon dunkel.“ Er deutete vage in die Richtung, in der einst Fenster gewesen waren. Nun waren sie von außen mit Holzbrettern vernagelt.

„Das Buch war so spannend“, erklärte ich aufgeregt und gestikulierte wild mit den Händen. „Ich verstehe zwar nicht ganz, wieso Mr. Ripley mit sich selbst so unzufrieden war und die anderen getötet hat, aber na ja … vielleicht erfahre ich mehr in den Fortsetzungen.“

Mr. Bishop sah mich tadelnd an.

„Alison. Du weißt, dass deine Eltern mir einen Strick drehen, wenn sie erfahren, was du hier liest, oder?“ Natürlich hatte er recht damit, dass meine Eltern über die Wahl meiner Lektüre nicht gerade begeistert wären, aber sie würden ihre Enttäuschung nie an Mr. Bishop auslassen. Ich würde eher unter Hausarrest zu leiden haben.

„Ich verstehe das nicht. Als ob hier alles besser wäre …“, entgegnete ich leise mit einem verklärten Blick auf die Gaslampe, die an einem Haken an der Wand hing. Seit Jahren gab es keine Elektrizität mehr, da die Dämonen die Atomkraftwerke heruntergefahren und für die Nutzung von elektronischen Geräten die Todesstrafe verhängt hatten. Das hatte mir Mom erklärt. Einen richtigen Grund für die Androhung dieser Strafe hatte sie mir aber nicht nennen können.

„In den Büchern sind wenigstens nur Menschen die Bösen und keine Dämonen.“

„Ist das wirklich so beruhigend?“ Der Bibliothekar schmunzelte, bevor er ein tiefes Seufzen verlauten ließ. Er geleitete mich noch bis vor die Tür. „Soll ich dich nach Hause begleiten?“

Ich schüttelte den Kopf so heftig, dass meine geflochtenen Zöpfe hin und her wackelten.

„Ne, ist ja direkt um die Ecke.“

„Sei vorsichtig“, warnte er mit einem düsteren Blick die leere Straße entlang.

„Immer.“ Ich versuchte zu zwinkern, aber statt eines Auges drückte ich beide zu. Als ich sie wieder öffnete, war Mr. Bishop verschwunden und die Tür hinter mir geschlossen.

Draußen war es kühl, aber nicht kalt. Was die Temperaturen anging, war der Norden Kaliforniens im Winter ziemlich beständig – einer der Vorteile, wenn man hier lebte.

Ich konnte mich kaum noch an die Zeit erinnern, als wir in Los Angeles gewohnt hatten. Als der Krieg begonnen hatte, war ich gerade einmal fünf Jahre alt gewesen. Kurz darauf waren wir aus der Stadt geflohen und durch Kalifornien gezogen, immer auf der Suche nach einem Ort, der für kurze Zeit Sicherheit bot. Bis der Krieg letztlich vor einem Jahr beendet und sowohl Nordamerika als auch Europa von Dämonen okkupiert worden waren. Oder so.

Mom hatte mir erzählt, dass ein paar Dämonen seitdem Städte gründeten, in denen Menschen gemeinsam mit ihnen leben sollten, aber dann musste man sich auch den … den Gesetzen beugen. Genau. So hatte sie es ausgedrückt. Ich wusste nicht genau, was das bedeutete, nur dass wir außerhalb der Städte wohnten und aus diesem Grund so leben durften, wie wir es taten. Einer der Nachteile aber war, dass wir hier in den sogenannten Rayons von Dämonen angegriffen werden konnten. Niemand außer den Erwachsenen verteidigte uns.

Ich versenkte die Hände in den Taschen meiner ausgebeulten Jeans, die am Bund viel zu eng war. Mein Bauch wölbte sich leicht darüber. Ich versuchte, ihn einzuziehen, doch das war mir nach ein paar Sekunden zu anstrengend. Laut entließ ich den angehaltenen Atem.

Wenn mir langweilig war, stahl ich mich in die Küche und aß etwas. Meistens Brot, da alle anderen Lebensmittel knapp waren. Mittlerweile konnte ich allerdings nicht einmal mehr das tun, da wir schon seit einer Weile nichts Neues mehr bekommen hatten. Dad und ein paar andere Erwachsene taten sich alle paar Wochen zusammen, verließen das Dorf und suchten nach Nahrungsmitteln für uns. Er würde übermorgen wieder aufbrechen und ich vermisste ihn schon jetzt.

Mit Mom kam ich eigentlich gut zurecht, aber meine große Schwester Sarah war eine komplette Nervensäge. Nur weil sie jetzt achtzehn Jahre alt war, dachte sie, sie wäre total erwachsen und mir überlegen. Jedes Mal, wenn ich bei einem Gespräch mitreden wollte, schaute sie mich nur mit diesem mitleidigen Blick von oben herab an und sagte: „Aly, warum gehst du nicht mit deinen Puppen spielen?“

Ich hatte schon seit einem halben Jahr nicht mehr mit ihnen gespielt. Aber nein, das interessierte sie nicht. Sie und alle anderen, außer vielleicht Mr. Bishop, sahen bloß ein übergewichtiges und einfältiges zwölfjähriges Mädchen. Niemand bemerkte, dass ich so viel mehr verstand. So viel mehr sah. So viel mehr war.

Seufzend kickte ich einen Kieselstein vom Bordstein und blickte in den vom Mond erhellten Himmel. Es war noch nicht ganz Vollmond. Oder nahm er bereits wieder ab? Ich vergaß ständig, welche fehlende Seite was bedeutete.

Eine kühle Brise fuhr mir in den Kragen und ließ mich kurzzeitig erzittern. Dann hatte ich meine Straße erreicht. Hier standen fünf Häuser jeweils links und rechts, aber nur drei von ihnen waren bewohnt. Wir lebten in dem großen, mit dem hellblauen Anstrich.

Mom würde mich umbringen, wenn ich reinkam. So spät wie heute war ich schon lange nicht mehr heimgekommen. Andererseits … normalerweise schickte sie Sarah vor, um mich abzuholen, wenn ich bei Anbruch der Dunkelheit nicht zu Hause war. Seltsam.

Oder sie waren froh darüber, dass ich sie mal nicht mit meinen Fragen löcherte.

„Pff … Mir doch egal“, grummelte ich, als die Straße in Dunkelheit getaucht wurde. Mit einem mulmigen Gefühl sah ich hinauf und erkannte, dass sich einige dunkle Wolken vor den Mond geschoben hatten. Gut, dass ich nur noch ein paar Meter vor mir hatte.

Ich sprang die Stufen zur Veranda hoch, bevor ich die Tür erreichte, die lediglich angelehnt war. Das war komisch. Eigentlich waren Mom und Dad ziemlich penibel, was das Schließen der Türen und Fenster anging. Ich schürzte verunsichert die Lippen.

Unentschlossen blickte ich nach links und rechts, aber in der Dunkelheit konnte ich kaum noch etwas erkennen. Also stieß ich die Tür mit der flachen Hand auf und blinzelte in den Flur hinein, der durch das schwache Licht einer Kerze beleuchtet wurde.

„Mom?“, rief ich mit gedämpfter Stimme. „Dad? Sarah?“

Niemand antwortete mir, als ich endlich eintrat und die Tür hinter mir zuzog.

„Ich bin da!“

Die Küche und das Wohnzimmer waren dunkel, was mich noch mehr bestürzte als die angelehnte Tür.

Ich war kurz davor, wieder rauszulaufen, als ich das Wimmern hörte. Es klang nach meiner Schwester und ich hatte es seit langer Zeit nicht mehr gehört. Obwohl mein Herz vor Angst fast aus meiner Brust sprang, kämpfte ich mich die Treppen hoch, bis ich etwas Nasses auf dem Geländer fühlte.

Ich hatte beinahe die letzte Stufe erreicht, da hielt ich inne und rieb die Flüssigkeit zwischen Daumen und Zeigefinger. Dunkel und samtig.

Blut.

Das Wimmern verstummte und die plötzliche Stille riss mich aus meiner Starre.

Vorsichtig ging ich die letzten drei Stufen hoch und sah in Sarahs Zimmer, das leer war. Dann vernahm ich ein grausames Lachen, das mir einen eiskalten Schauer den Rücken hinabrinnen ließ. Jäh erkannte ich, wo sie sich befanden.

In meinem Zimmer.

Meine Knie fühlten sich an wie der Wackelpudding, den ich zu meinem fünften Geburtstag bekommen hatte. Ich konnte mich nur deshalb noch daran erinnern, weil der Berg dieses grünen Zeugs einfach riesig und wackelig gewesen war.

„Mom?“, wisperte ich und trat in den Raum, der mich von nun an in meinen Albträumen verfolgen sollte.

In der ersten Sekunde nahm ich meinen Vater und Sarah wahr. Beide lagen auf dem Boden. In der nächsten bemerkte ich Mom, die sich über Sarah beugte und eines unserer scharfen Küchenmesser in der Hand hielt. Die Messer, die ich nicht anfassen durfte, weil sie gefährlich waren. Hinter Mom standen zwei in Schatten gehüllte Personen, unberührt von dem Licht der einsamen Kerze auf meinem Nachtschrank.

„Wen haben wir denn da?“, sprach einer der Fremden mit einem leichten Akzent, den ich nicht einordnen konnte. Ich wusste jedoch sofort, was er und sein Freund waren.

Dämonen.

„Dad?“ Ich stürzte an seine Seite, rutschte über den blutbesudelten Boden und kam dann zum Halten. Zitternd berührte ich sein Gesicht. Seine Augen waren starr ins Nichts gerichtet, was nur eines bedeuten konnte.

„Dad!“

Tränen sammelten sich in meinen Augen, doch ich konnte sie nicht weinen. Die Angst saß mir zu tief in den Knochen und mit jeder Bewegung, die ich tat, befürchtete ich, ebenfalls von den Dämonen niedergestochen zu werden.

Doch dann fiel mir auf, dass sie überhaupt nicht bewaffnet waren. Mom hielt das Messer in der Hand; halbhoch, als würde sie auf Anweisungen warten. Sarahs Brust hob und senkte sich unregelmäßig. Ihre Augen waren geschlossen, während das Blut ihre hellblaue Bluse dunkel färbte.

„Was hast du getan?“, hauchte ich und sah von Mom zu den beiden Fremden und wieder zu Mom.

„Die Schlauste ist sie nicht gerade“, sagte der andere Mann lachend und stieß den größeren mit dem Ellbogen in die Seite. „Vielleicht hätten wir sie zuerst töten sollen.“

„Na los, Marianne“, sagte der Dämon mit der melodiösen Stimme, seinen Gefährten ignorierend, und fixierte meine Mutter mit seinem schneidenden Blick. Ihr Körper zuckte zusammen, als sie ihren Namen aus seinem Mund hörte. „Du wolltest deiner Tochter doch eine Lektion erteilen.“ Er bewegte kurz seine klauenartige Hand, als würde er Mom dazu auffordern, sich zu bewegen. Und sie tat es.

Zu meinem Entsetzen holte sie weiter aus und stieß noch einmal zu. Sarah stöhnte. Ich erstarrte. Die Welt drehte sich weiter.

„Mom! Stopp! Hör auf!“, kreischte ich außer mir und streckte meine Hand aus, um die ihre aufzuhalten, doch ich verfehlte sie. Das Messer streifte mein Handgelenk, bevor es mit einem unbeschreiblichen Geräusch in Sarahs Bauch gestoßen wurde. „Bitte“, wimmerte ich hilflos.

„Es reicht“, sagte der Größere, als sich Sarah nicht mehr rührte. Mom hielt sofort inne, dann blickte sie mich mit ihren großen braunen Augen an. Sie waren leer. Ich konnte nichts mehr in ihnen erkennen. Vielleicht war es auch bloß zu dunkel.

„Beende es, Marianne. Du weißt, dass du es möchtest.“ Wieder zuckte seine Hand. Im nächsten Moment stach Mom das Messer gnadenlos und ohne zu zögern in ihre eigene Brust. Ein leiser Laut, als wäre sie überrascht, entfloh ihren Lippen, dann fiel sie vornüber. Auf die leblosen Körper ihrer Tochter und ihres Mannes.

Ich konnte nichts anderes tun, als hinzusehen und es zu ertragen. Es würde nicht mehr lange dauern. Sie würden mich auch manipulieren, wie sie es bei Mom getan hatten.

Nun erinnerte ich mich an die unzähligen Gespräche, die ich nur in Fetzen mitbekommen hatte, weil ich noch zu klein, zu jung und zu naiv gewesen war, um an ihnen teilzunehmen. Das hier waren Königsdämonen. Sie konnten Menschen manipulieren und sie alles tun lassen, was sie wollten.

„Was machen wir jetzt mit ihr?“, fragte der Unscheinbarere und Kleinere. Ich sah ihn und doch schien ich ihn nicht wahrzunehmen.

Ich schlang die Arme um meinen Oberkörper und versuchte verzweifelt, mich selbst zusammenzuhalten. Bloß noch ein paar Minuten. Ein paar Momente, dann würde ich wieder bei meiner Familie sein. Es würde bestimmt nicht so sehr wehtun. Nein. Vielleicht nur ein kleines bisschen. Das würde ich schon irgendwie ertragen. Du bist tapfer, Alison. Sarah war auch tapfer. Und Mom. Und Dad.

Der größere Dämon bewegte sich plötzlich auf mich zu. Seine Schritte waren langsam, wirkten gesetzt und raubtierhaft. Ich blickte nur bis zu seinen Händen, die an den Seiten herabhingen. Sie waren klauenartig und machten mir Angst. Würde er mir damit die Kehle aufschlitzen?

Er legte die schwarze Kralle seines Fingers unter mein Kinn und übte leichten Druck aus, sodass ich verstand, dass ich ihn ansehen sollte. In dem schwachen Schein der Kerze konnte ich nun die pupillenlosen Augen, die nur aus der Farbe der Iriden zu bestehen schienen, und die verlängerten Zähne sehen.

„Wir lassen sie hier. Lebend“, antwortete er mit seiner akzentträchtigen, sanften Stimme. „Denn das wird ihre größte Strafe und unser größter Spaß sein. Sie wird unter den Erinnerungen zu leiden haben. Für den Rest ihres erbärmlichen Menschenlebens.“ Er legte den Kopf schief, beugte sich weiter hinab und versiegelte sein Versprechen mit einem Kuss, der keiner war. „Nicht wahr, … Alison?“



2. Kapitel

September 2010 – Die Rayons

Sieben Jahre. Sieben fucking lange Jahre waren vergangen, seit ich meine Familie auf so grausame Art und Weise verloren hatte. Es verging kein Tag, an dem ich mich nicht an diesen Abend zurückerinnerte, was dem Königsdämon recht gab. Das war meine Strafe.

Ich hob meine schwarze Lederjacke vom Boden auf und schüttelte sie gründlich aus. Hier war es alles andere als sauber, aber das Haus war sowieso nur für den Übergang gedacht. Eigentlich hatte ich nicht mehr als die eine Nacht hierbleiben wollen, doch dann hatte ich eine Gruppe Schattendämonen ausfindig gemacht. Die vergangene Nacht hatte ich also damit zugebracht, die Bar, die sie offensichtlich frequentierten, zu beobachten.

Es war nicht schwer gewesen, mir einen Plan zurechtzulegen. Ein Plan, wie ich vorzugehen hatte, um möglichst viele von diesen Monstern zu erledigen.

Den Tag hatte ich dazu genutzt, etwas Schlaf nachzuholen. Es war nicht einfach, wenn man ständig von Albträumen heimgesucht wurde. Damit meine ich nicht die Art, die dich heftig atmend in der Realität zurücklässt, obwohl das auch schon mal vorkam; nein, ich meine die Art, die bis in dein Innerstes vordringt, sich dort parasitenhaft ausbreitet und dich an deiner gesamten Existenz zweifeln lässt. Wenn ich dann endlich erwachte, fühlte ich mich schwach und ausgelaugt.

Es kam nicht selten vor, dass ich mich kotzend über einer Kloschüssel – oder irgendeiner Schüssel – wiederfand.

Ich entschied mich für eine dehnbare, dunkle und eng anliegende Jeans, in der ich schon oft genug gekämpft hatte. Ein paar Risse befanden sich bereits darin und Blutflecken, die sich nicht mehr rauswaschen ließen, verrieten meine Profession.

Bevor ich in die Stadt zurückkehrte, würde ich sie entsorgen müssen, um mich nicht zu verraten. Mühsam zog ich die Hose über meine muskulösen Beine, die ich dem jahrelangen Training zu verdanken hatte. Vom übergewichtigen, kleinen Mädchen war nicht viel zurückgeblieben.

Nachdem ich meine abgetragene Lederjacke über mein einfaches Polyestershirt aus alten Tagen gezogen hatte, begab ich mich zum Bett, auf dem meine schwarze Sporttasche lag, in der ich ein paar Wechselklamotten und noch mehr Waffen aufbewahrte. Ich steckte mehrere Dolche an diverse Stellen an meinem Körper, die ich im Kampf leicht erreichten konnte. Zwei Federmesser, deren kurze, skalpellartige Klingen einmal aus Silber und einmal aus Gold bestanden, hakte ich in die üblichen Positionen an meinem Gürtel ein, da ich diese auf keinen Fall verlieren durfte.

Es war schwer, diese Art von Waffen aufzutreiben, was insbesondere auch für Schusswaffen galt, da diese sogar gesetzlich verboten waren. Natürlich besaß ich trotzdem eine Halbautomatische, die ich jedoch nur für den Notfall aufbewahrte, da ich nicht in vermeidbare Schwierigkeiten geraten wollte.

Nicht dass das Töten von Dämonen mich nicht in Schwierigkeiten bringen würde, sollte ich nicht aufpassen.

Ich packte noch diverse Wurfmesser mit ein und befestigte mein Waidblatt – ein großes, relativ schweres Jagdmesser, das genau fünfundzwanzig Zentimeter maß und eine leicht abgeschrägte Klinge besaß – an meinem Gürtel. Das Waidblatt hatte mir meine Tante Lucy geschenkt.

Damals, als ich ganz allein gewesen war, hatte mich Mr. Bishop eigenhändig nach Billings gebracht, wo meine Tante lebte. Er fand sie und übergab mich ihr, was das Beste war, was er hätte tun können.

Lucy hatte mir einen Grund zum Weiterleben gegeben. Sie hatte mich wieder zum Reden gebracht, indem sie mir das Kämpfen zeigte. Ich hatte meine Aufgabe gefunden und später auch meine Bestimmung.

Ich überprüfte noch einmal alle Halterungen, besonders die Gurte um meinen linken Oberschenkel, an dem die meisten Messer hingen, bevor ich meine dunkelbraunen Haare zu einem neuen Pferdeschwanz zusammenband und dann meine Armbrust zur Hand nahm. Zwei Pfeile würden genügen. Im Nahkampf wäre die Waffe ohnehin nur hinderlich, weshalb ich vorhatte, sie bloß am Anfang einzusetzen. Einen von den Schattendämonen würde ich ausschalten können. Sicherheitshalber steckte ich noch zwei weitere Pfeile ein. Es konnte nie schaden, mehr Waffen bei sich zu haben.

Mit zusammengekniffenen Lippen verließ ich das heruntergekommene Haus in irgendeiner Stadt, deren Namen niemand mehr kannte. Es wohnten zwar noch ein paar Menschen hier, aber so wie es aussah, hatten – wie fast überall in den Rayons – Schattendämonen das Sagen.

Draußen lag die Dunkelheit wie ein Leichentuch über Straßen und Gebäuden, was nicht weiter verwunderlich war. Dort, wo sich viele Dämonen aufhielten, sammelte sich zwangsläufig der Schatten. Königsdämonen konnten diese jedoch weniger stark beeinflussen als Schattendämonen, die ihnen ansonsten kräftemäßig weit unterlegen waren.

Ich hielt die Armbrust im Anschlag, während ich den Weg einschlug, den ich mir am Tag zuvor überlegt hatte. Er würde mich zur Hintertür des Etablissements bringen, in dem sich hoffentlich eine ganze Meute von Monstern aufhielt.

Es war nicht komisch oder gar ein Grund für Angst, dass ich niemandem begegnete. Selbst in den einundzwanzig Städten in Nordamerika waren in der Nacht meist nur Dämonen unterwegs, da sie das Sonnenlicht mieden. Menschen lebten hingegen größtenteils nach dem normalen Zeitplan.

Ich selbst befand mich irgendwo dazwischen und passte mich meist dem an, was gerade notwendig war.

Mittlerweile hatte ich die Gasse erreicht, in die die Hintertür führte, und wo ich mein erstes Opfer erledigen sollte. Die Armbrust hob ich noch ein Stück weiter an, bevor ich mit gleichmäßigen Schritten in die Finsternis eintauchte. Gut, dass ich im Dunkeln nicht so schlecht sah wie die meisten Menschen.

Letzte Nacht hatte ich die Bar beobachtet und die Gegend ausgekundschaftet, während ich mich von Dach zu Dach fortbewegt hatte, immer darauf bedacht, in Deckung zu bleiben. Heute konnte ich mich nicht mehr aus dem Geschehen heraushalten. Heute würde ich die Welt von ein paar weiteren Dämonen befreien, die von einer anderen Dimension aus unsere Welt überrannt hatten.

Ich klopfte ein paar Mal fest an die Tür, bevor ich drei Schritte zurückging und mit der Armbrust auf die Stelle zielte, an dem derjenige stehen würde, der die Tür öffnete.

Mein Zeigefinger schob sich über den empfindlichen Abzug.

Es dauerte nicht lange, da wurde die Tür nach außen geöffnet und ein großer, breitschultriger Mann trat heraus.

„Schönen Abend“, begrüßte ich ihn, den Kopf schief legend. „Ist die Happy Hour schon vorbei?“

Sobald er meine Armbrust erkannte, wandelte sich seine Form. Seine Zähne wurden länger und spitz, die Pupillen verfärbten sich weiß und seine Hände verformten sich zu Klauen. Er stieß ein tiefes Knurren aus, doch da hatte ich den Pfeil schon losgelassen. Zischend traf er sein Ziel.

Die Armbrust fiel klappernd zu Boden, als ich dem Schattendämon einen Roundhouse-Kick in die Magengrube versetzte und mit dem Ellbogen seine Schulter traf. Fassungslos blickte er von mir zu dem Pfeil, der aus seiner Brust herausragte, dann fiel er auf die Knie und kippte schließlich zur Seite weg. Seine Augen blieben aufgerissen.

Schnell schloss ich die Tür wieder hinter ihm, sodass ich in Ruhe mein silbernes Federmesser herausholen konnte. Ich zog den Pfeil aus seiner Brust und riss das Leinenhemd vorne auseinander, sodass ich die dunkel behaarte Haut sehen konnte.

Schattendämonen waren an sich lächerlich einfach zu töten. Das Problem war bloß, dass sie nicht immer tot blieben. Lucy und ich hatten ein paar Jahre gebraucht, ehe wir herausgefunden hatten, was die Heilung oder das Wiederauferstehen auf jeden Fall verhinderte.

Ich ritzte mit dem Federmesser das Saturnzeichen über seinem Herzen in die Haut. Das Symbol sah aus wie ein Hybrid aus einem Kreuz und einem kleingeschriebenen H. Es war wichtig, dass die Klinge aus Silber oder Gold bestand. Alles andere würde keine hundertprozentige Wirkung zeigen.

Das Blut wischte ich an seinem zerrissenen Hemd ab, bevor ich wieder nach der Armbrust griff und meinen zweiten Pfeil einlegte.

„Das ging ja schnell“, murmelte ich zufrieden, bevor ich nach dem Türknauf griff, der sich nicht drehen ließ. Abgeschlossen. „Verdammter Scheiß.“

Jeden anderen Menschen hätte das aufgehalten, doch ich war seit fast zwei Jahren mehr als nur ein gewöhnlicher Mensch. Lucy hatte mir vor ihrem Tod etwas Einzigartiges vermacht, das mich stärker, schneller und effektiver hatte werden lassen.

Ohne große Mühe riss ich den Türknauf samt Schloss aus der Tür heraus und warf ihn mit einem lauten Klacken auf den Asphalt hinter mir. Natürlich hätte ich besser leise sein sollen, um nicht sofort alle Dämonen auf mich aufmerksam zu machen, aber wenn mich das Adrenalin überkam, wurde ich ungeduldig.

Als ich das Hinterzimmer betrat, wurde ich sofort von zwei Männern begrüßt. Ich ließ den Pfeil los, der sich in die Schulter des Blonden bohrte, ihn aber nicht sonderlich beeinträchtigte, da er sich danach noch problemlos wandeln konnte.

Die einzigen zwei Dinge, auf die ich mich nun verlassen konnte, waren das Sicheltattoo hinter meinem Ohr, das verhinderte, dass Dämonen meinen Schatten fressen konnten, und natürlich meine Kampffähigkeiten.

Dämonen knabberten nicht wirklich Schatten an; es war eher so, dass sie menschliche Auren aufnahmen und uns dadurch kurzzeitig schwächten. Es fühlte sich für uns an, als würden wir ganz plötzlich müde werden. Auf kurz oder lang erholte man sich, wurde man nicht vorher von dem Dämon getötet.

„Dann zeigt mal, was ihr könnt“, forderte ich sie auf, nachdem ich mein Waidblatt gezogen hatte.

Die scharfen Zähne dieser Raubtiere schimmerten im schwachen Schein der Gaslaternen, die auf den Regalen standen. Das Knurren ging mir wie immer durch Mark und Bein, doch es hatte schon lange die Fähigkeit verloren, mich vor Angst zu lähmen.

Lucy hatte mir von Anfang an ausgetrieben, mich von meiner Furcht beherrschen zu lassen.

„Jägerin“, sagte der Braunhaarige in diesem merkwürdigen Akzent, der beinahe jeden Dämon verriet. Englisch war eben nicht ihre Muttersprache. „Das wird deine letzte Nacht auf Erden sein.“

„So dramatisch! Ich glaube allerdings, du verwechselst mich mit euch.“ Und damit war das Geplänkel vorbei. Ich stieß einen Kampfschrei aus, der eine nervige Angewohnheit war, und sprang mit erhobenem Dolch auf den blonden Dämon zu, der mir am nächsten stand.

Er wich natürlich sofort aus, aber damit hatte ich gerechnet. In einer fließenden Bewegung drehte ich mich um, packte ihn an den Schultern und rammte ihm das Knie in die Seite, bevor ich das Messer in seinen unteren Rücken stieß.

Er jaulte auf und schlug so heftig um sich, dass er mich mit seinem Handrücken unwillkürlich am Kiefer traf.

Ich taumelte ein paar Schritte zurück, musste mich aber augenblicklich ducken und zur Seite über den Boden abrollen, da der Braunhaarige nach mir gegriffen hatte.

Ich sprang wieder auf, das Messer noch immer in der Hand, und wehrte die Schläge meines Kontrahenten ab. Zwischendurch gelangen mir Tritte gegen seine Beine und einmal auch in seinen Bauch, aber er war zu stark und überraschenderweise sehr beweglich für seine Größe.

Irgendwann traf er mein Handgelenk so ungünstig, dass ich den Halt um den Griff des Waidblatts verlor und dieses klirrend zu Boden fiel. Wütend drehte ich mich zwischen den Regalen um meine eigene Achse, hob mein Bein und traf mit dem Fuß das Kinn des Dämons. Er taumelte einen Moment, was ich für einen weiteren gezielten Tritt in seine Magengrube ausnutzte, sodass er vor Schmerzen gekrümmt nach Luft schnappte. Das Regal neben ihm schwankte, als er sich daran abstützen wollte. Eine der Gaslampen zerschellte auf dem Boden.

Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, wie sich mir der zweite Dämon näherte, und innerhalb eines Sekundenbruchteils hatte ich eines meiner Wurfmesser in der Hand. Ich wog das glatte, gut ausbalancierte Stahlmesser in der Hand, atmete tief ein und wieder aus.

Die Klinge fuhr direkt in den Hals des Blonden.

Ich wartete nicht darauf zu sehen, ob er tatsächlich ausgeknockt war, da ich zuerst den Braunhaarigen erledigen wollte. Ich ballte meine Hände zu Fäusten und malträtierte sein Gesicht, das vor der Wandlung eigentlich ganz hübsch gewesen war, bevor ich mir erlaubte, ein weiteres Messer zu ziehen und ihm die Kehle aufzuschlitzen.

Wie viele andere vor ihm auch, hob er seine Hände und presste sie auf die Wunde, als könnte er dadurch das Blut aufhalten, das in Wellen aus seinem Körper floss. Ein paar Tropfen landeten auf meinen Wangen und Lippen. Warm und berauschend. Als ich an ihm vorbeiging, stieß ich ihn in den Rücken, sodass er nach vorne auf den Holzboden fiel.

Ich hob mein Waidblatt auf und schritt dann zu dem Blonden, der sich nicht mehr regte. Eilig steckte ich die Klinge weg und holte das Federmesser hervor, um das Saturnzeichen in die Brust der beiden Dämonen zu ritzen.

Es hatte mich schon ein wenig gewundert, dass uns niemand während des Kampfes gestört hatte, doch dann sah ich, dass die Tür zur eigentlichen Bar geschlossen war. Musik drang nun an meine Ohren, die vorher im Rauschen meines Pulses untergegangen war. Bevor ich mich jedoch dem Rest der Monster widmen konnte, nahm ich den Geruch von Feuer wahr.

„Verflucht.“ Eine der zerschellten Gaslampen hatte anscheinend einen Papierstapel in Brand gesetzt. Ich musste mich entscheiden, ob ich das Feuer löschen oder den Moment nutzen wollte.

Ich presste die Lippen zusammen, wandte mich der Tür zu und stieß sie mit dem Fuß auf. Der Rahmen zerbarst und die Splitter stoben in alle Richtungen, aber ohne mich zu verletzen.

Es befanden sich rund ein Dutzend Männer und Frauen in der Bar und sie alle sahen mich erstaunt an, als könnten sie nicht begreifen, was sich vor ihren Augen abspielte. Die Musiker hörten abrupt auf zu spielen.

Der letzte Ton hing wie eine Warnung in der Luft.

„Was? Noch nie eine Jägerin gesehen?“, fragte ich seelenruhig, wog das Stahlmesser in der Hand. Einen Augenblick danach warf ich es gezielt in die Brust des Dämons, der dem Ausgang am nächsten gestanden hatte. Danach löste sich die Starre auf und Gebrüll mischte sich mit animalischem Knurren.

Rechts neben mir befand sich eine mittelgroße Frau mit langen blonden Locken. Sie hatte ihre Wandlung so schnell vollzogen, wie ich es noch nie erlebt hatte. Sie musste also schon recht erfahren sein; vor allem, da sie keine Sekunde verschwendete und versuchte, mir ihre Krallen tief in die Schulter zu bohren.

„Miststück“, knurrte ich, wand mich aus ihrem Griff und stieß ihr meinen Handballen gegen die Stirn. Bevor ich mich weiter um sie kümmern konnte, stürzte ein älterer Mann von rechts auf mich zu, den ich mir mit einem Kinnhaken vom Leib hielt. Danach verschwamm alles zu Kampf und Verteidigung. Ich dachte nicht mehr nach, ich funktionierte nur noch und es war ein gutes Gefühl. Schmerz existierte nicht mehr.

Mein Körper sehnte sich nach Tod und Verwüstung. Ich ließ ihn gewähren.

Ich drehte mich, schlug und trat zu, nahm eines meiner Messer zur Hand und bohrte es in Schultern, Bäuche und Hälse, bis nur noch ich im Raum stand, schwer atmend und blutüberströmt. Vollkommen im Rausch gefangen.

Nicht alle Dämonen waren geblieben, um sich mit mir zu messen. Rund die Hälfte lag nun teilweise bewegungslos, teilweise stöhnend auf dem Boden. Ich machte mich an die fast schon automatische Arbeit, Kehlen durchzuschneiden und die Saturnzeichen in die Haut zu ritzen.

Währenddessen wanderten meine Gedanken an einen anderen Ort, weit weg von hier.

Ich war gerade erst zwei Monate bei meiner Tante Lucy gewesen, als sie mich auf die erste Jagd mitgenommen hatte. Sie hatte außerhalb von Billings einen Schattendämon ausfindig gemacht, der ein Einsiedler gewesen war. Es war nicht schwer für die trainierte Kampfkünstlerin gewesen, ihn auszuschalten. Damals hatten wir noch nicht gewusst, dass sich Dämonen wieder von fast allen Verletzungen erholen konnten, und so hatte sie ihm lediglich ein Messer durchs Herz gebohrt und mich angewiesen, dasselbe zu tun, obwohl er bereits tot war.

Lucy hatte zu mir gesagt, dass es wichtig wäre, mich mit dem Gefühl bekannt zu machen, wenn sich Stahl durch Fleisch bohrte. Ich war erst zwölf gewesen. Zwölf. Naiv. Klein. Unsportlich. Und vor allem unschuldig. Lucy hatte mich von da an gezwungen, sie auf jede ihrer Missionen zu begleiten, bis ich mit vierzehn das erste Mal selbst töten sollte.

Der Qualm breitete sich immer weiter aus und verpestete die Luft, was mich schließlich aus meinen Gedanken riss. Ich beendete das letzte Symbol auf der Brust der verwandelten blonden Schönheit, bevor ich mich durch hungrige Flammen zurück in das Hinterzimmer kämpfte. Ich war nicht bereit, meine wertvolle Armbrust zurückzulassen. Die Messer hatte ich bereits alle eingesammelt.

Ich hustete, als der Rauch in meine Lunge biss. Nahezu blind wäre ich beinahe über eine der Leichen gefallen, doch ich konnte mich im letzten Moment noch ausbalancieren. Meine Armbrust fand ich auf dem Boden direkt neben dem Eingang. Ich hob sie auf, drückte die Tür auf und stolperte hustend in die Gasse hinaus.

Ein lautes Krachen ließ mich die Geschwindigkeit anziehen. Anscheinend waren ein paar der Regale zusammengebrochen. Schon bald würde von dem Etablissement kaum mehr als Asche übrig sein. Ich betrachtete für einen Moment die Leiche vor der Hintertür. Sollte ich sie noch in den Raum schleifen, damit sie samt der anderen verbrannte?

Schließlich entschied ich mich dagegen. Es war die Mühe nicht wert.

Ich klopfte meine Kleidung ab und entfernte mich dann zügig von dem Ort des Todes. Das Adrenalin verließ meinen Körper allmählich und auch wenn ich es nach wie vor mit jedem Schattendämon aufnehmen konnte, hatte ich für die Nacht doch genug. Außerdem sagte mir etwas, dass die Geflohenen nicht allein zurückkommen würden.

Mich durch Schatten hangelnd erreichte ich mein sicheres Versteck, in dem ich meine Kleidung zusammenpackte und im Badezimmer Arme und Gesicht von Asche und Blut befreite.

Zwar gab es nach wie vor keinen Strom, aber immerhin funktionierten noch die Wasserleitungen, da auch Dämonen überraschenderweise Wert auf Hygiene legten. Leider blieb das Wasser kalt.

Ich stellte mich ans Fenster, schob die Vorhänge ein Stück beiseite und betrachtete die verlassene Straße. Niemand war zu sehen.

Schon bald würde die Sonne aufgehen und ich müsste mich auf den Weg zurück nach Ascia machen.

Der Ort, der nach dem Tod meiner Tante zu meinem neuen Zuhause geworden war. Der Ort, in dem sich das Hauptquartier der Gilde der Jäger befand. Der Ort, der genauso schlimm war wie alle anderen in dieser neuen beschissenen Welt der Dämonen.

Laura Labas

Über Laura Labas

Biografie

Laura Labas wurde in der Kaiserstadt Aachen geboren. Schon früh verlor sie sich im geschriebenen Wort und entwickelte eigene fantastische Geschichten, die sie mit ihren Freunden teilte. Mit vierzehn Jahren beendete sie ihren ersten Roman. Spätestens da wusste sie genau, was sie für den Rest ihres...

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