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Alles Geruchssache

Bettina M. Pause
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Wie unsere Nase steuert, was wir wollen und wen wir lieben

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Alles Geruchssache — Inhalt

Unsere Nase kann viel mehr, als wir denken – denn unser Geruchssinn erkennt nicht nur Erdbeeren und Abgase, sondern auch Liebe, Angst und Aggressionen. Jeder Mensch sendet ununterbrochen Düfte aus, auf die andere reagieren – und umgekehrt. Bis vor Kurzem glaubte man, wir Menschen wären „Augentiere“. Dabei gehören wir viel eher zu den Nasentieren: Unser Riechorgan kann eine Billion Gerüche unterscheiden, unser Sehsinn hingegen „nur“ fünf Millionen Farben. Die Art und Weise, wie wir riechen, beeinflusst sogar, ob wir gesund sind und ob wir harmonische Beziehungen und Freundschaften pflegen. Und wie intelligent und glücklich wir sind.
Die renommierte Geruchspsychologin Bettina M. Pause nimmt uns mit in die faszinierende Welt unseres Geruchssinns und zeigt, warum wir gut beraten sind, wenn wir uns viel öfter auf unsere Nase verlassen.

€ 12,00 [D], € 12,40 [A]
Erschienen am 31.03.2022
272 Seiten, Broschur
EAN 978-3-492-31850-1
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€ 11,99 [D], € 11,99 [A]
Erschienen am 02.03.2020
272 Seiten, WMePub
EAN 978-3-492-99657-0
Download Cover

Leseprobe zu „Alles Geruchssache“

Der Geruchscode

Ohne Ihre Nase könnten Sie dieses Buch nicht lesen. Ohne Gerüche könnten wir Menschen nicht fühlen, erinnern oder sprechen. Wir wären maximal auf einem Entwicklungsstand wie Schwämme, Würmer, Insekten und Quallen.

Unser Alltag ist von Gerüchen geprägt, jedoch nehmen wir nur den geringsten Teil davon bewusst wahr. Deshalb merken wir nicht, dass wir sozusagen an der Nase herumgeführt werden. Wir halten uns für vernünftig, weitsichtig, logisch, und wenn wir Entscheidungen fällen, glauben wir, wir hätten sie gewissenhaft durchdacht. In [...]

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Der Geruchscode

Ohne Ihre Nase könnten Sie dieses Buch nicht lesen. Ohne Gerüche könnten wir Menschen nicht fühlen, erinnern oder sprechen. Wir wären maximal auf einem Entwicklungsstand wie Schwämme, Würmer, Insekten und Quallen.

Unser Alltag ist von Gerüchen geprägt, jedoch nehmen wir nur den geringsten Teil davon bewusst wahr. Deshalb merken wir nicht, dass wir sozusagen an der Nase herumgeführt werden. Wir halten uns für vernünftig, weitsichtig, logisch, und wenn wir Entscheidungen fällen, glauben wir, wir hätten sie gewissenhaft durchdacht. In Wahrheit haben wir Menschen geheiratet, eingestellt, vertraut, die wir gut riechen können, und Argumente „erfunden“, die unserer Nase schmecken. Unser Geruchssinn erkennt nämlich nicht nur Erdbeeren und Gülle, sondern auch Liebe und Angst. Jeder Mensch sendet ununterbrochen Duft aus, der von anderen aufgenommen wird, die darauf reagieren – so wie wir selbst auf die chemischen Botschaften unserer Mitmenschen reagieren. Wir sind, was wir riechen! In diese faszinierende neue Welt möchte ich Sie auf den folgenden Seiten einladen. Bis vor Kurzem glaubte man, Menschen wären „Augentiere“. Doch wir gehören eher zu den Nasentieren; der Geruchssinn steht über dem Sehsinn, das haben viele Studien zweifelsfrei gezeigt. Die Art und Weise, wie wir riechen, hat sogar maßgeblich Einfluss darauf, ob wir glücklich leben, gesund sind, harmonische Beziehungen und Freundschaften pflegen. Und wie intelligent wir sind.

Aber nutzen wir diese Möglichkeiten? Was wissen wir über unser Riechvermögen? Oder glauben wir, die Beschäftigung damit zieme sich nicht für uns – als Gipfel der Evolution? Wir sind ja schließlich keine Tiere, die in einer Geruchswelt leben; wir sind, auch wenn wir biologisch zu den Säugetieren zählen, höher entwickelte Menschen, die nicht auf niedere Instinkte angewiesen sind. Halt! Das ist nicht nur ein gefährlicher, sondern auch ein Lebensqualität schmälernder Irrtum. Außerdem basiert er auf falschen Fakten:

Weltweit werden seit einigen Jahren Studien veröffentlicht, die uns verblüffen, weil sie alles über den Haufen werfen, woran wir seit Jahrtausenden glaubten, zum Beispiel auch, dass Tiere uns beim Geruchssinn überlegen wären. Nein, das sind sie nicht. Menschen können besser riechen als fast alle Tiere, höchstwahrscheinlich sogar besser als Hunde.

Womöglich wüssten wir heute mehr über das Riechen, wenn wir nicht so zwanghaft versucht hätten, uns als „Krone der Schöpfung“ von den Tieren abzugrenzen. Viele Gerüche haben wir in den Pfui-Bereich der unfeinen, nicht deodorierten Körperlichkeit verbannt. Sie soll in unserer zivilisierten Gesellschaft lieber nicht ruchbar werden. Doch die neuesten Forschungen, von denen ich Ihnen in diesem Buch einiges erzählen möchte, beweisen, dass wir Menschen uns in jeder Sekunde unseres Lebens durch unsere geruchliche Wahrnehmung leiten lassen, auch wenn es unbewusst geschieht. Bewusst ist uns genau genommen nur die Nasenspitze des Eisbergs. Unser Riechorgan steuert unsere soziale Kommunikation.

 

Auf der Fährte zu den Wundern der Geruchswelt werden Sie viel Neues erfahren und häufig staunen. Bestimmt werden Sie hin und wieder innerlich nicken, weil Sie es irgendwie schon immer gewusst haben: Die Chemie muss stimmen. Auch wenn wir sie nicht sehen und nicht bewusst riechen können. Der Mensch besteht nicht aus Natur, wie man landläufig denkt, sondern aus Chemie – der Natur in Urform.

Leider hat die Entdeckung, wie wichtig der Geruch für uns ist, zu einigen Fake News geführt, die sich in der Presse hartnäckig halten. Vorneweg: Es ist nicht richtig, dass wir uns in naher Zukunft mit Sexuallockstoffen einsprühen werden, die bereits ins Deodorant eingefügt sind, um attraktive Partner zu finden. Aber wir können trotzdem etwas tun, um auf andere Menschen anziehend zu wirken. Ja, wir brauchen nicht mal ein Spray dafür, wir können selbst Gerüche aussenden, die andere Menschen anziehen. Wie das funktioniert, erfahren Sie in diesem Buch auch.

 

Seit dreißig Jahren bin ich Geruchsforscherin. Seinerzeit bin ich mit der Hypothese angetreten, dass die Nase der bessere Verstand sei, wofür ich anfangs nicht nur Unverständnis, sondern auch Spott erntete. Oft wurden meine Forschungen nicht ernst genommen. Doch als sich Ergebnisse häuften, die meine Hypothesen stützten, schlug mancher Hohn in Skepsis um und schließlich in Staunen. Da scheint ja wirklich etwas dran zu sein! Mittlerweile gelte ich weltweit als das führende Nasentier in der Biologischen und Sozialpsychologie. Seit 2005 leite ich das Institut für Biologische und Sozialpsychologie an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf. Die Biologische Psychologie erforscht, inwiefern biologische Prozesse mit Erleben und Verhalten einhergehen. Das messen wir über die Gehirnströme, die Herzfrequenz, Muskelaktivität und Hautleitfähigkeit. Die Sozialpsychologie untersucht, wie das Erleben und Verhalten durch die Gegenwart anderer Menschen beeinflusst wird, unabhängig davon, ob diese anderen Menschen real anwesend sind oder nur in der Vorstellung existieren.

Meine Professur ist einzigartig in dieser Kombination in Deutschland, was nicht verwundert, da sich die Biologische Psychologie und die Sozialpsychologie häufig nicht besonders gut riechen können. Mit meinem Team erforsche ich biosoziale Prozesse, die über den Geruchssinn ablaufen.

Mit der Entdeckung, dass Angst ansteckend ist, wurde ich auch einem breiteren Publikum als führende Forscherin im Bereich Psychologie des Geruchs bekannt. Leider sitzt die Nase noch immer in einer Nische, doch die meisten Menschen, denen ich erzähle, was ich erforsche, haben sofort eine Vorstellung davon. Weil wir es doch alle irgendwie spüren – und unsere guten alten Sprichwörter, die immer recht haben, sagen es auch: „Den kann ich nicht riechen.“ Ja, irgendwo im Bauch wissen wir, dass die Nase ein gewichtiges Wörtchen mitzureden hat.

Auf den folgenden Seiten werde ich davon berichten, wie sie unser Leben gestaltet und prägt – mehr als jeder andere unserer Sinne.[1] Der Geruchssinn führt sogar zum Lebenssinn. Liegt es da nicht nahe, ihn zu manipulieren? Gerade bei Düften scheinen wir Menschen leicht verführbar zu sein. Es wäre doch verlockend, Duftmoleküle so zu verändern, dass man lediglich die gewünschten Gerüche aussendet und keine unkontrollierten Informationen über sich selbst preisgibt. Man schminkt nicht nur das Gesicht, sondern auch den Eigengeruch? Lifting gegen Traurigkeitsmoleküle? Versagensängste werden abgesaugt wie Fett? Für mich ist das eine gruselige Vorstellung, auch wenn sich derjenige, der den Code des Geruchs knackte, eine goldene Nase verdienen würde. Beim Stand der Forschung kann ich mir einen solchen „Durchbruch“ in naher Zukunft allerdings nicht vorstellen.

Ich selbst interessiere mich übrigens nicht für die Vermehrung von Geld, weil ich schon lange fühle und mittlerweile aus vielen Studien weiß, dass Geld nicht glücklich macht. Mein Interesse gilt vielmehr dem Versuch, menschliches Leid zu reduzieren und Glück zu erkennen und zugänglich zu machen. Wenn wir uns bewusst wären, über welche geruchlichen Kapazitäten wir verfügen, würden wir zu einem neuen Verständnis von Intelligenz und Glück gelangen. Die Wissenschaft hat eindeutig nachgewiesen, dass die Währung für das Glück sich in Molekülen statt Moneten bemisst. Doch in unserer bewussten Wahrnehmung ist Riechen ein „weißer Fleck“, wenngleich wir unsere Umwelt und alle unsere menschlichen Begegnungen maßgeblich auf unser Geruchsempfinden abstimmen. Aber wir haben keinen bewussten Zugang dazu. Wir sagen nicht: Mit diesem Menschen möchte ich nichts zu tun haben, weil er nach Angst riecht. Sondern: Der war mir unsympathisch, weil er überheblich ist/schlecht über andere gesprochen hat/eine bestimmte Partei wählt/pausenlos kichert.

Wir missbrauchen den Verstand, um Erklärungen für etwas zu finden, wofür wir keine Worte haben. Oder vielleicht hätten wir Worte, aber die sagt man nicht. Man kann ja wohl schlecht gefühlsmäßig argumentieren.

Kann man nicht? Warum eigentlich nicht? Zumal unsere vernünftigen Gründe häufig nur vorgeschoben sind, um zu verschleiern, dass wir eigentlich keine Ahnung haben, schon gar nicht davon, wie wir zu unseren Einschätzungen und Überzeugungen und auch Entscheidungen gelangen. Menschen handeln nicht rational und unabhängig von ihrer Subjektivität. Menschsein und rational sein ist ein Widerspruch in sich – ebenso wie die absurde Vorstellung, man könne ausschließlich vernünftig argumentieren. Wo entspränge eine solche Vernunft, wenn wir die Informationen zur Entscheidungsfindung nicht mit unseren Sinnen sammeln würden? Schon Epikur im alten Griechenland ahnte, dass ohne Sinneserfahrung keine Erkenntnis möglich ist, und viele mittelalterliche Vorstellungen von der Welt konnten durch die Wiederentdeckung der Sinne als Erkenntnisquelle im Humanismus des 16. Jahrhunderts verworfen werden. Wie vernünftig kann eine Vernunft sein, wenn sie den Körper übersieht, überriecht, überhört … der ihr doch alle Eindrücke vermittelt, über die sich der Mensch Gedanken machen kann, die zu einer ausgewogenen und klugen Entscheidung nötig sind. Es ist nicht die Vernunft oder die Intelligenz, die den Menschen zum Menschen macht, sondern das Bauchgefühl, und das beginnt in der Nase. Wir täten gut daran, ihm zu folgen. Die Nase meint es immer ehrlich mit uns. Wenn wir alle mehr riechen als denken würden, wären wir ziemlich sicher glücklicher. Auch die Welt insgesamt wäre vermutlich in einem besseren Zustand. Also: immer der Nase nach!

Türsteher zum Glück

Nach einem herrlichen Wandertag an der Mosel hatte Sandra ihren Liebeskummer wieder ein Stück mehr abgelaufen. So gut wie heute war es ihr lange nicht gegangen. Hungrig betrat sie das Restaurant, das ihr empfohlen worden war. Sie fühlte sich sofort wohl, und wenn sie gefragt worden wäre, hätte sie wahrscheinlich geantwortet, dass ihr die Einrichtung gefalle. Doch das war nur die Oberfläche. Weiter unten, dort, wo es ans Eingemachte geht, hatte sie wahrgenommen, dass die Gerüche zur Umgebung passten. Es roch nach Essen und Wärme. Hätte es nach Schusterleim gerochen, wäre sie irritiert gewesen und hätte sich nicht so wohlgefühlt. Wir reagieren sofort, wenn wir einen Störgeruch in die Nase bekommen, wenn ein Geruch nicht zur Umgebung passt – ein Alarmsignal. Sandras gute Laune bekam einen kleinen Dämpfer, als sie von einem Kellner erfuhr, dass alle Tische reserviert oder eben besetzt waren. Aber vielleicht wollte sie bei dem Herrn dort drüben Platz nehmen?

Sandras Tischnachbar war etwas jünger als sie. Seine Gesellschaft war ihr recht. Nicht, weil sie ihn sympathisch fand, das war bereits das Resultat dessen, dass sie unbewusst gerochen hatte, dass er gesund und in einem ausgeglichenen emotionalen Zustand war. Jürgen vermittelte ihr auf chemischem Wege gute Gefühle, weil er selbst sich in diesem Augenblick wohlfühlte. Was wir fühlen, findet seine Entsprechung in der chemischen Zusammensetzung des Dufts, den wir verströmen. Wir riechen ihn nicht bewusst, andere Menschen riechen ihn nicht bewusst, und dennoch bestimmt er maßgeblich unser Verhalten und die Reaktionen der Umwelt, die wiederum unser Verhalten beeinflussen und so weiter. Sandra war zwar zuerst ein klein wenig unsicher, doch die gute Stimmung des Mannes übertrug sich über die Nase auf sie. Es bestand eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass sie sich mit ihrem Tischherrn gut unterhalten würde. Und genau so war es. Beide begegneten sich freundlich und neugierig, sie fanden Gemeinsamkeiten – nicht, weil sie auf Anhieb vorhanden waren, sondern weil sie danach suchten. Was im Übrigen auch die hohe Zahl statistisch möglicher Partner erklärt. Es kommt darauf an, ob wir uns für einen anderen Menschen öffnen – und als Türsteher fungiert hier die Nase.

 

Drei Jahre später bei ihrer Hochzeit beschworen Sandra und Jürgen, dass ihre Begegnung Schicksal gewesen wäre. Sie fanden auch viele Gründe dafür. Wo Jürgen doch normalerweise später aß. Wo Sandra doch beinahe schon am Vortag abgereist wäre. Und so weiter. Jedes Paar erzählt seine romantische Geschichte. Doch diese Geschichten, diese Schicksale beginnen wie die meisten in der Nase. In dem Augenblick, als die beiden sich trafen, waren sie in einer bestimmten chemischen Verfassung, die eine spätere Heirat ermöglichte.

Es hätte auch anders kommen können: Jürgen war gestresst. Das Meeting bei seinem Kunden in Traben-Trarbach war katastrophal verlaufen. Kein Wunder, er war zu spät gekommen, zwei Stunden im Stau gestanden. Sein Chef würde ausflippen, hatte die Firma in diesem Monat doch schon zwei Kunden verloren. Jürgen grauste vor Montagmorgen. Allein wenn er daran dachte, wurde ihm flau. Er hatte sogar ein bisschen Angst vor dem Gespräch, von dem seine berufliche Zukunft in der Firma abhing, und diese Angst verströmte er chemisch. Sie übertrug sich auf Sandra, die sich vom ersten Moment unwohl an seinem Tisch fühlte. Außer „Guten Appetit“ wechselten die beiden kaum ein Wort, sie kamen gar nicht so weit, zu entdecken, dass sie viele Gemeinsamkeiten hatten: dass ihre Eltern nur vier Kilometer voneinander entfernt lebten, sie beide eine Katze hatten und in der Pubertät auf denselben Michael-Jackson-Konzerten waren. Auf dem Weg in ihre Unterkunft telefonierte Sandra mit ihrer besten Freundin und berichtete von dem „Stoffel“, mit dem sie am Tisch sitzen musste und der ihr den Abend verdorben hatte – eine weitere Gemeinsamkeit mit Jürgen, der einem Kollegen von der Zicke im Restaurant berichtete.

Gleiche Frau, gleicher Mann, gleicher Ort, gleiche Speisekarte, andere chemische Signale – und die Hochzeit fällt aus.

 

Wenn wir einen Menschen mögen, suchen wir nach Gründen dafür. Abgesehen von Kleinigkeiten, an denen wir dies festmachen, zählen unter anderem auch Werte, politische Überzeugungen, Charaktereigenschaften, emotionale Verfassung, Erfahrungen und: die großen Zusammenhänge, Astrologie, Karma. Ich möchte mich hier keineswegs in Konkurrenz zu Grenzwissenschaften und Glaubensfragen begeben, doch aufgrund meiner Forschungen wage ich die Hypothese, dass das Sternbild der Nase unseren Horizont gravierend verändern würde, wenn wir es zu deuten wüssten.

Wer riecht, hat mehr vom Leben


Die Fährte des Geruchs führt zu einem vernünftigen Ziel: einem erfüllten Leben und Glück. Betrachtet man die Titel von Ratgebern, scheinen wir ein Volk von Glückssuchern zu sein – in einem Land, in dem Milch und Honig fließen. Doch immer mehr Menschen verlieren die Spur. Weil sie Geld nicht riechen können? Nein, weil sie vereinsamen, eine traurige Alltäglichkeit in unserer modernen Welt. Erst ein Land hat darauf adäquat reagiert: Seit 2018 gibt es in England ein Ministerium für Einsamkeit. Was vielen zuerst wie ein Scherz vorkommen mochte, ist leider bittere Realität. Auch zwischen zehn und fünfzehn Prozent der Deutschen leiden zeitweise unter Einsamkeit. Bei den über Fünfundachtzigjährigen sind es zwanzig Prozent. Dreißig Prozent der Deutschen verspüren zumindest manchmal Einsamkeit. In einer Stellungnahme der Bundesregierung aus dem Jahr 2019 zu „Einsamkeit und deren Auswirkung auf die öffentliche Gesundheit“ zeigt sich außerdem, dass Einsamkeit in Deutschland zunimmt. Es sieht so aus, als entwickelten sich die geburtenstarken Jahrgänge im Alter zu einer sehr einsamen Generation – der Preis für ihre individualistische Lebensgestaltung? Der aktuelle Koalitionsvertrag verspricht, der „Einsamkeit in allen Altersgruppen vorzubeugen“ und „die Vereinsamung zu bekämpfen“ – mutmaßlich nicht aus Nächstenliebe, sondern um die hohen Kosten zu minimieren, die Einsamkeitsschäden hervorrufen. Wer einsam ist, ist auch unglücklich.

Aber wer ist maßgeblich beteiligt an der Einsamkeit? Es ist wieder mal die Nase! Fasst man die aktuelle Forschungslage zusammen, so deutet alles darauf hin, dass sozial eingebundene Menschen soziale chemische Informationen effektiver nutzen als einsame Menschen. Und chemische Informationen tauschen wir nicht über Gespräche oder Gesten aus – wir nehmen sie über die Nase wahr. Deshalb ist die Nase das Kontaktorgan Nummer eins. Der Mensch ist ein soziales Tier, das am besten in einem Rudel, seiner Gruppe, überlebensfähig ist. Was den Menschen wirklich beutelt, so wie Liebeskummer, Trauer, Heimweh, trägt die dunkle Farbe der Einsamkeit. Früher dachte man, sie sei eine Folge von Armut und Krankheit. Heute weiß man, dass sie Armut und Krankheit auslösen kann. Es gibt viele Ansätze, die Einsamkeit zu lindern. Einen tragen wir im Gesicht. Mithilfe unserer Nase können wir Einsamkeit überwinden – und tatsächlich glücklich werden.

 

Weltweit interessieren sich Wissenschaftler für die faszinierenden Zusammenhänge zwischen Riechen, Denken und Fühlen, und so hat sich ein spannender Austausch entwickelt. Durch die bildgebenden Verfahren können wir heute sehr genau sehen, wie und wo verschiedene Gerüche im Gehirn verarbeitet werden. Wir haben festgestellt, dass bei psychischen Störungen auch die chemische Übertragung von Emotionen beeinträchtigt ist und dass Frauen- und Männergehirne unterschiedlich auf Gerüche reagieren. Denken wir diese Studien zu Ende, dann können wir eines Tages hoffentlich verstehen, wie Menschen fühlen und wie es zu Störungen von Gefühlen und Emotionen kommt, wie wir miteinander kommunizieren und welche Grundlagen für Störungen in der Kommunikation verantwortlich sind. Wenn wir das wissen, können wir diese Störungen therapieren und den Patienten wieder mehr Lebensqualität verschaffen. Dieser neue Ansatz würde die Behandlung von jenen psychischen Störungen revolutionieren, die mit einer veränderten Geruchswahrnehmung und einem veränderten Sozialverhalten einhergehen.

 

Es ist der traditionelle Weg in der Psychologie, beim Leid beginnend das Glück zu suchen. Leid ist wissenschaftlich auch besser fassbar als Glück, weshalb in der Psychologie meist Angst und Trauer, selten Glück und Freude untersucht werden. Aber wer weiß, vielleicht stellt die Geruchsforschung diese Reihenfolge eines Tages auf den Kopf, und wir können Empfehlungen aussprechen, die großes Leid erst gar nicht entstehen lassen. Das könnte gelingen, wenn wir die chemische Kommunikation von Menschen, deren Lebenszufriedenheit hoch ist, verstanden haben. Was fühlen sie – im Unterschied zu anderen – und vor allem: Was riechen sie?

Das Glück hat mich schon als Kind interessiert. Woran lag es, dass ich an einem Tag so überglücklich war und am anderen bloß normal gestimmt oder traurig? Oder dass innerhalb einer Stunde meine Stimmung wechselte, obwohl sich doch außenrum wenig verändert hatte? Die Erwachsenen waren mir diesbezüglich keine große Hilfe. „Das ist eben so“, hörte ich. Oder Binsenweisheiten und gute Ratschläge wie: „Das Glück liegt in einem selbst.“ Da ich neugierig bin und schon als Kind gern beobachtete und nachdachte, fiel mir auf, dass alle glücklich sein wollten, es aber oft nicht klappte. Und dass die Sprichwörter vielleicht doch nicht stimmten, denn häufig hörte ich Dinge wie: „Wenn ich im Lotto gewinnen würde, wäre ich glücklich.“ Es hieß aber doch auch, Geld mache eben nicht glücklich!

Dass das so ist, wurde mittlerweile in vielen Studien nachgewiesen. Menschen, die überraschend zu sehr viel Geld gekommen sind, werden nicht automatisch glücklich. Tatsächlich passiert eher das Gegenteil. Bei dem Versuch, Besitz zu schützen und zu vermehren, entstehen Ängste und Sorgen, den Besitz zu verlieren. Aus glücklichen Menschen werden Materialisten, die mit der Zeit den Wert von Freundschaft vergessen und sorgenvoll in die Zukunft blicken. Nach kurzer Zeit befinden sich überraschend reich gewordene Menschen auf dem gleichen Glücksniveau wie zuvor. Auch ein im Großen und Ganzen glücklicher Mensch, der nach einem Unfall auf den Rollstuhl angewiesen ist, kann nach einer Weile wieder im Großen und Ganzen glücklich sein.

Als junge Frau lernte ich den größten Glücksgaranten kennen … verliebt sein, natürlich „glücklich“ verliebt. Aber musste man mit Liebeskummer tatsächlich zu Tode betrübt sein? Was war das überhaupt genau, Glück? Und warum währte es meistens viel kürzer als das Leid? Gab es eine Möglichkeit, Leid in Nuancen zu minimieren und Glück zu maximieren? Das wollte ich gern erforschen, ohne das Leid zu leugnen. Dass ich dazu immer nur der Nase zu folgen brauchte, nein, das hätte ich selbst in meinen kühnsten Kindheitsträumen nicht für möglich gehalten.

 

Menschen, die in gutem Kontakt mit anderen Menschen stehen, die Freunde und Bekannte haben, mit denen sie gemeinsam lachen, auf die sie sich in Notzeiten verlassen können, die sie auch mal in den Arm nehmen, haben ideal in ihre Lebenszufriedenheit investiert. Wir wissen aus der Glücksforschung, dass erfüllende menschliche Beziehungen langfristig die wichtigste Bedingung für ein gelungenes Leben sind. Dies natürlich unter der Voraussetzung, dass man in gesicherten Verhältnissen lebt, also genug zu essen und ein Dach über dem Kopf, also keine existenziellen Sorgen hat. Diese Defizite schließen einsame Menschen in der Beschreibung ihres Zustandes oft selbst aus: Ich hab eigentlich alles. Es müsste mir gut gehen. Doch ich bin todunglücklich.

Ja, weil etwas fehlt, worauf Menschen essenziell angewiesen sind. Bei Tieren sind wir mittlerweile so weit, dass wir darauf achten, zum Beispiel Vögel und Meerschweinchen nicht allein zu halten. Wir sorgen dafür, dass unsere Einzelhunde Kontakt zu Artgenossen haben, weil wir wissen, dass sie Rudeltiere sind. Bei uns selbst vergessen wir das manchmal und setzen stattdessen auf falsche Pferde wie Besitz. Unzählige Untersuchungen haben aber gezeigt, dass zu viel Geld eher unglücklich macht. Wer genug finanzielle Mittel für ein schönes Leben hat, aber eben nicht so viel, dass er dauernd darüber nachdenken muss, wie er sie am besten verwaltet, dem winkt das Glück am ehesten.

[1] Im Sinne der besseren Lesbarkeit habe ich weiterführende Informationen und Quellenangaben in die Anmerkungen am Ende dieses Buches gepackt.

Bettina M. Pause

Über Bettina M. Pause

Biografie

Bettina M. Pause studierte Psychologie an der Universität Kiel und promovierte dort. Zehn Jahre später folgte die Habilitation über den „Zusammenhang von Geruch und Emotion“ – das Thema ist bis heute einer ihrer Forschungsschwerpunkte. 2005 wurde sie als Professorin für Biologische Psychologie und...

Über Shirley Michaela Seul

Biografie

Shirley Michaela Seul, geboren 1962, hat zahlreiche erfolgreiche Bücher in verschiedenen Genres veröffentlicht, darunter Sachbücher, Ratgeber und Krimis.

Kommentare zum Buch
Alles Geruchssache
Christine Lamontain Duftkommunikation und Aromakultur am 28.04.2020

Auf dieses Buch habe ich all die Jahre gewartet, ohne es zu wissen. Ein Buch, das weit über den Tellerrand der chemisch-physikalischen Wirkungsweise des Geruchssinns und der Duftstoffe schaut. Die Einbeziehung psycho-sozialer Aspekte stellt das Phänomen Riechen auf eine solide Basis. Das subjektive (Wahrnehmen) Empfinden wird in diesem Akt wesentlich. Meine Erfahrungen und Beobachtungen zur "Privatsache" Riechen finden in diesem Buch Bestätigung und Anregungen für neue Gesichtspunkte. Die Worte "Ich rieche, also bin ich" begleiten mich seit 2011 in der Praxis und bestätigen ihre Doppeldeutigkeit immer wieder. Dieses Buch unterscheidet sich außergewöhnlich von anderen Büchern zu diesem Thema. Es ist eine echte Bereicherung. Nach meinem Empfinden das, bis dato, beste "Riech"-Buch.

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