Lieferung innerhalb 1-3 Werktage
Bezahlmöglichkeiten
Vorbestellung möglich
Kostenloser Versand*

Gewinnspiel

Mitmachen & gewinnen!

Machen Sie mit bei unserem Gewinnspiel und gewinnen Sie mit etwas Glück Good Habits, Bad Habits - Gewohnheiten für immer ändern von Wendy Wood.


 
Blick ins Buch
Good Habits, Bad Habits - Gewohnheiten für immer ändernGood Habits, Bad Habits – Gewohnheiten für immer ändernGood Habits, Bad Habits - Gewohnheiten für immer ändern

Mythos Willensstärke: warum wir nicht an mangelnder Disziplin scheitern

Nutzen Sie die Kraft des Unbewussten, um Ihre Ziele zu erreichen!

Sie fragen sich, warum es mit dem Abnehmen nicht klappt? Und eigentlich wollen Sie schon lange regelmäßig Sport treiben, landen aber immer wieder auf der Couch? Fakt ist: Wir verbringen sagenhafte 43 Prozent unseres Tages damit, Dinge zu tun, ohne darüber nachzudenken. Wie wir auf Menschen reagieren; wie wir uns bei der Arbeit verhalten; wann und wie wir uns bewegen, essen und trinken: All das wird von Gewohnheiten bestimmt. Selbst komplexe Handlungen laufen oft auto­matisch ab. Dieses Buch erklärt, warum wir schlechte Gewohnheiten nicht allein mit Selbstdisziplin und Willensstärke loswerden und wie wir wirklich positive Veränderungen erreichen.

„Viele Autoren haben über Gewohnheiten geschrieben, aber Wood ist die führende Forscherin. Sie erklärt, was funktioniert und was nicht.“ Washington Post

„Selbst disziplinierte Menschen verdanken ihre scheinbare Tugend möglicherweise eher dem Zufall als schierer Willensstärke.“ New Yorker

„Faszinierend und unterhaltsam, dieses Buch wird viele Leben verändern. Es ist ein Wegweiser.“ Cass R. Sunstein

„Woods Arbeit hat die Wissenschaft geprägt. Ich kann mir keine bessere Person vorstellen, um dieses Buch zu schreiben.“ Dan Ariely

„Niemand hat besser gezeigt, wie man schlechte in gute Gewohnheiten umwandeln kann.“ Robert B. Cialdini

Teil 1 Wie wir wirklich sind

1 Beharrlichkeit und Wandel


Gewohnheit wird zur zweiten Natur.

Cicero

 

Von Zeit zu Zeit geht meine Cousine auf Facebook und verkündet, dass sie ihr Leben ändern will. Bei ihr bedeutet das, dass sie abnehmen möchte. Es beginnt immer auf die gleiche Weise: Sie ist unzufrieden, sie wiegt mehr, als sie möchte, sie hat Rückenschmerzen, und die zusätzlichen Pfunde machen es schlimmer. Dann wählt sie eine Formulierung, die uns allen aus der Seele spricht: Sie sagt, sie fühle sich festgefahren. Sie habe das Gefühl, sich einfach nicht verändern zu können. Zu guter Letzt bittet sie ihre Social-Media-Freunde um Hilfe.

Die Welt der sozialen Medien (zumindest ihr kleiner Ausschnitt davon) reagiert mit breiter Ermutigung:

„Du packst das! Wenn es jemand hinbekommt, dann du.“

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass du etwas nicht schaffst.“

„Du gehörst zu den stärksten Frauen, die ich kenne.“

„Diese blöde Gewichtssache kann dich doch nicht unterkriegen.“

Ihre Freunde machen ihr Mut. In dem komplexen sozialen Prozess, den meine Cousine initiiert hat, spielen sie beflissen ihre Rolle: Indem meine Cousine ihre Vorsätze anderen Menschen gegenüber ausspricht, werden sie für sie selbst greifbarer und verbindlicher. Etwas weniger offensichtlich ist eine andere Folge ihrer öffentlichen Ankündigung: Der Preis des Scheiterns geht in die Höhe. Sie allein ist verantwortlich für den Erfolg. Wenn man etwas öffentlich ankündigt, ist ein Misserfolg sehr viel peinlicher, als wenn man im stillen Kämmerlein beschließt, ein paar Kilo abzunehmen. Das gibt solchen Beiträgen den dramatischen Touch. Meine Cousine sagt nicht bloß, dass sie ein bisschen Diät halten will, sondern sie gelobt, es diesmal wirklich durchzuziehen. Ihre Freundinnen und Freunde reagieren, als stünde sie am Anfang einer Abenteuerreise: „Glaube niemandem, der dir sagt, du schaffst es nicht.“ Sie nimmt nicht einfach nur sieben Kilo ab, sie fängt ein neues Leben an. Sie hat einen klaren, festen Entschluss gefasst, und sie hat ihn öffentlich gemacht.

Nun … wir alle wissen, wie es weitergeht.

Klassische Ökonomen haben einen besonderen Blick auf die Klemme, in der meine Cousine steckt. Der Ausdruck Homo oeconomicus, „Wirtschaftsmensch“, referiert auf unser angeblich unwandelbares und rationales Eigeninteresse, das jede Art des ökonomischen Verhaltens so vorhersehbar mache wie eine Rechenaufgabe. Gute Exemplare des Homo oeconomicus werden als Nutzenmaximierer gedacht – im Grunde erwartet man von uns, dass wir uns bei der Verfolgung der für uns vorteilhaften Ziele stets rational verhalten. Die Idee dieses hervorragenden rationalen Menschen formte sich vor etwa zweihundert Jahren, in den Arbeiten des politischen Theoretikers John Stuart Mill. Doch sogar schon damals löste sein Konzept Spott und Kritik aus. Tatsächlich waren es die frühen Kritiker von Mills Überschätzung unserer kollektiven Rationalität, die den Begriff Homo oeconomicus überhaupt erst prägten – nämlich, um sich über seine Theorie lustig zu machen. Seitdem hat das Fachgebiet der Ökonomie nach und nach ein realistischeres und komplexeres Verständnis der menschlichen Natur entwickelt. Am Ende mussten im Licht unserer hartnäckigen Irrationalität auch noch die grundlegendsten ökonomischen Annahmen korrigiert werden. Nicht einmal der Gott der modernen Wirtschaftswissenschaften wurde verschont. Adam Smith mag recht gehabt haben, als er sagte, dass wir alle „im Blick auf unsere [eigenen] Interessen“ handeln, doch diese Interessen lassen sich mit spektakulärer – weil menschlicher – Unterschiedlichkeit definieren.

Als ich den Eintrag meiner Cousine las, musste ich jedenfalls sofort an den Homo oeconomicus denken. Wäre sie ein durch und durch rationales Wesen, das sich durch eindeutige Zwecke leiten ließe, dann könnte sie einfach still und leise ihren Lebensstil ändern. Öffentliche Bekanntmachungen wären nicht nötig.

Wie schwierig ist es, sich wirklich zu verändern?

Die meisten von uns, einschließlich meiner Cousine, kennen die Antwort instinktiv: Es ist verdammt schwierig.

Das war ja gerade der Grund, warum sie sich in weiser Voraussicht einen Weg überlegt hatte, ihre Vorsätze verbindlich zu machen. Sie verpflichtete sich selbst auf ihre eigenen Pläne und trieb damit die Kosten des Scheiterns in die Höhe. Sie gestaltete ihre eigene soziale Umgebung so um, dass es für sie schwieriger wurde, nicht abzunehmen. Dies sollte eigentlich funktionieren.

Und das tat es auch. Zwei Wochen nach ihrem ersten Post brachte sie uns auf den neuesten Stand: ein knappes Kilo weniger. „Das ist doch ein toller Anfang!“

Doch dann: Stille.

Einen Monat später schrieb sie, dass sie weiterhin dran sei, aber bisher ohne großen Erfolg. „Noch kann ich euch nicht von verlorenen Kilos berichten.“ Und das war für eine ganze Weile ihr letzter Eintrag zu dem Thema.

Als ich mich sechs Monate später mit ihr traf, hatte sie weiterhin kein einziges zusätzliches Gramm abgenommen. Das Einzige, was sich verändert hatte, war, dass es nun in ihrem Leben einen weiteren Misserfolg gab, über den sie sich grämen konnte. Unangenehmerweise auch noch einen Misserfolg in aller Öffentlichkeit. Wie bei so vielen Menschen, die versuchen, ihr Verhalten zu verändern, endete die Sache auch bei meiner Cousine damit, dass die Veränderung einfach nicht stattfand. Und das, obwohl sie es sich so sehr wünschte, obwohl sie wild entschlossen war und von ihren Freunden unterstützt wurde. Man denkt, das müsste reichen, aber es reicht nicht.

Der erste Schritt zur Lösung des Problems ist das Eingeständnis, dass wir keine vollständig rationalen Wesen sind. Die Gründe, die unser Handeln antreiben, können undurchsichtig sein. Es ist überraschend, was uns am Leben erhält. Erst vor einiger Zeit haben Wissenschaftler begonnen, die facettenreiche Natur des menschlichen Bewusstseins zu entwirren und die daraus entstehenden Tendenzen und Prioritäten zu identifizieren. Dadurch, dass wir sie verstehen, können wir diese Einflüsse zwar nicht vollständig zum Schweigen bringen, aber wir können uns, während wir handeln, Rechenschaft über sie ablegen. Unser eigenes Verhalten entspringt aus einer geheimnisvollen, tief verborgenen und verleugneten Quelle der Irrationalität.

Was bringt die Veränderungsversuche meiner Cousine zum Scheitern? Woran liegt es, dass auch wir anderen auf diesem Gebiet immer wieder Niederlagen einstecken müssen? Die Antwort ist, dass wir nicht wirklich verstehen, was unser Verhalten antreibt. Und das Problem geht sogar noch weiter. Wir müssen aufhören, unser rationales Ich zu überschätzen. Wir müssen verstehen lernen, dass wir auch aus Anteilen bestehen, die tiefer liegen. Wir können uns diese Anteile als voll ausgebildete, alternative Ichs vorstellen, die nur darauf warten, anerkannt zu werden – und für uns zu arbeiten.

Die Wissenschaft enthüllt nun langsam, warum wir bisher nicht in der Lage waren, unser Verhalten zu verändern. Was aber noch besser ist: Sie zeigt uns, wie wir dieses neue Wissen nutzen können, um in unserem Leben planvoll eine dauerhafte Veränderung herbeizuführen.

Vielleicht haben Sie schon einmal versucht, mithilfe eines Haushaltsplans Geld beiseitezulegen. Oder Sie haben sich vorgenommen, über einen Onlinekurs eine neue Sprache zu lernen. Möglicherweise bestand Ihr Ziel auch darin, öfter auszugehen und neue Leute kennenzulernen. Anfangs waren Sie fest entschlossen, voller Energie und Kampfgeist. Doch auf Dauer konnten Sie Ihr Engagement nicht aufrechterhalten, und das gewünschte Ergebnis trat niemals ein.

Es ist eine nur allzu allgemeine menschliche Erfahrung: Wir wollen etwas verändern und fassen feste Vorsätze. Angeblich ist das alles, was es braucht, jedenfalls wenn man der gängigen Meinung glaubt, die bei diesem Thema ziemlich unzweideutig ist – von „Sie wollte es eben einfach nicht genug“ bis „Gibst du wirklich dein Bestes?“. Mit dieser Ideologie werden schon kleine Kinder bedrängt („Greif nach den Sternen!“), und sie lässt uns bis zum bitteren Ende nicht los – bis zu der Lebensphase, in der viele von uns (schrecklicherweise) mit Krankheiten wie Krebs konfrontiert sind, gegen die wir dann „ankämpfen“ sollen. Willenskraft ist alles, so lautet die Moral. Sich selbst zu verändern wird damit zu einer Art Test für unser gesamtes Menschsein – jedenfalls seines bewussten Bereichs. Der berühmte Werbeslogan der Firma Nike mag ursprünglich ein bisschen ironisch gemeint gewesen sein, aber der entschiedene Ton der Botschaft – und unsere Empfänglichkeit dafür – hat ihn zu dem säkularen Gebot gemacht, das er heute ist: Just Do It. Der Subtext ist folgender: Wenn wir etwas nicht „einfach tun“, dann war das offenbar unsere eigene Entscheidung.

Ich schätze, meine Cousine und ihre Freunde sehen das letztlich genauso. Aus ihrer Sicht hat meine Cousine ganz klar eine Entscheidung getroffen und ganz klar versucht, sie in die Tat umzusetzen. Aber es ist ihr eben nicht gelungen. Unglücklicherweise ist ein Misserfolg unter diesen Vorzeichen besonders entmutigend. Der Vergleich mit erfolgreicheren Menschen tut weh. Es ist schwer, uns bei Misserfolgen in Sachen Selbstveränderung nicht mit Menschen zu messen, denen es gut gelingt, ihre Vorsätze in die Tat umzusetzen: Profisportlerinnen, die jeden Tag stundenlang trainieren; Musikern, die Monate damit verbringen, für eine Aufführung zu proben; erfolgreichen Schriftstellerinnen, die in schöner Regelmäßigkeit Seite um Seite hervorbringen, bis ihr Buch fertig ist. Wir sehen diese Überflieger und können ihren geheimnisvollen und beneidenswerten Erfolg nur als Resultat von Willenskraft interpretieren: Diese Leute scheinen zu denen zu gehören, die eine Sache „einfach tun“. Aber warum können wir das nicht? Warum wirkt unsere Lebensleistung im Vergleich zu ihrer so kümmerlich?

Irgendwann fühlen wir uns nur noch mickrig.

Für jede Einzelne von uns ist der Schluss naheliegend, dass wir es eben einfach nicht gebracht haben und dass wir, hätten wir es uns nur fest genug vorgenommen, ebenso erfolgreich hätten sein können. Aber wir hatten nun einmal nicht die Willenskraft. Es ist uns eben nicht gelungen, es „einfach zu tun“.

Das Phänomen ist inzwischen landesweit zu beobachten. Wenn man US-Amerikaner fragt, was ihrer Meinung nach für Übergewichtige die größte Hürde beim Abnehmen darstelle, dann wird Mangel an Willenskraft am häufigsten genannt. Drei Viertel von uns glauben, dass Übergewicht aus mangelnder Kontrolle über das eigene Essverhalten resultiert.

Sogar übergewichtige Menschen selbst geben an, dass ihr Mangel an Willenskraft das größte Hindernis für das Abnehmen darstelle. 81 Prozent von ihnen sagten, dass fehlende Selbstkontrolle ihr Verderben sei. Beinahe alle Teilnehmer hatten – wenig überraschend – schon einmal versucht, etwas zu verändern. Sie hatten Diäten und Sport gemacht, doch vergeblich. Einige von ihnen hatten schon zwanzig Abnehmversuche hinter sich! Trotzdem glaubten sie noch immer, einfach nicht genügend Willenskraft zu haben.

Drei Viertel ist die große Mehrheit. Etwa drei Viertel der Amerikaner hat verstanden, dass sich die Erde um die Sonne dreht. Anders gesagt, wir haben es hier mit einer allgemein anerkannten Tatsache zu tun: Der Mangel an Willenskraft ist das Problem.

Und dennoch wird man kaum behaupten können, dass die Geschichte meiner Cousine ein Sonderfall ist. Ich wette, wir alle können von ähnlichen Erlebnissen berichten. Jeder Einzelne von uns ist schon einmal daran gescheitert, Willenskraft zu demonstrieren. Trotzdem hören wir nicht auf, daran zu glauben. Wir geben der Willenskraft astronomische Autorität, während sie eher astrologische Ergebnisse liefert. Aber was fehlt, damit echte, dauerhafte Veränderung möglich wird?

Es ist dieses Rätsel, das mich ursprünglich dazu gebracht hat, mich mit dem Thema Verhaltensänderung zu beschäftigen: Warum ist es so leicht, die anfängliche Entscheidung zur Veränderung zu treffen und zunächst sogar einiges richtig zu machen – und dann so schwierig, auf lange Sicht dranzubleiben? Als Doktorandin und später als junge Hochschullehrerin sah ich einige meiner motiviertesten und begabtesten Kolleginnen und Kollegen mit diesem Dilemma kämpfen. Sie wollten etwas erreichen und nahmen sich interessante Projekte vor, aber in dem sehr unstrukturierten universitären Leben schafften sie es nicht, kontinuierlich und produktiv zu arbeiten.

Am Anfang meiner Karriere wurde ein kluger Student Teil meiner Arbeitsgruppe. Er neigte dazu, Dinge aufzuschieben. In den Seminaren glänzte er; bei den selbst zu organisierenden Forschungsprojekten schien er sich dagegen immer wieder zu verzetteln. Ich versuchte, ihm zu helfen, indem ich regelmäßige Arbeitszeiten definierte und sein Projekt in einzelne Etappen unterteilte. Irgendwann war er mit einer strengen Deadline seitens der Universitätsleitung konfrontiert. Damit er bei uns weiterarbeiten konnte, musste er bis zu einem bestimmten Termin das Exposé für seine Abschlussarbeit einreichen. Ich kam am Tag der Deadline sehr früh ins Büro, weil ich hoffte, seine Arbeit lesen zu können, und wurde von dem Bild eines Grabsteins begrüßt, das er an meine Tür geklebt hatte. Ich verstand. Er hatte die Deadline verpasst und seine Träume von einer Unikarriere begraben.

Wenn Sie sich jemals in einer universitären Umgebung aufgehalten haben, dann wissen Sie längst, dass Intelligenz und Motivation sehr wenig Einfluss darauf haben, ob man es schafft, gewisse Aufgaben regelmäßig zu erledigen. Aber was hat Einfluss darauf?

Mir scheint, dass die Willenskraft-These von einem grundlegenden Missverständnis herrührt – einem Missverständnis, das in vielerlei Hinsicht rational ist. Denn wenn meine Cousine sich endlich entschlossen hat abzunehmen oder Sie sich schließlich zu dem festen Vorsatz durchringen, sich beruflich zu verändern, fühlt sich das so an, als wäre das Wichtigste schon geschafft. So laut und chaotisch, wie es in unserer Welt zugeht, werden wir oft genug davon abgehalten, schwierige Entscheidungen zu treffen. Die meisten von uns vermeiden es sogar, wenn es nicht unbedingt notwendig ist. Und wenn wir es doch einmal tun, fühlt es sich schon an wie ein Sieg. Ich mache jetzt endlich eine Diät, ich suche mir eine neue Arbeit … doch dann ist man plötzlich ausgebremst. Es geht dabei nicht um Willenskraft. Wenn man meine Cousine ein paar Wochen nach ihrem ersten Post gefragt hätte, ob sie noch immer den Willen habe, ihr Ziel zu erreichen, hätte sie mit Sicherheit Ja gesagt (wenn auch vielleicht etwas zögernder).

Nike-Werbung und die gängige Meinung hin oder her: Die Wissenschaft zeigt, dass wir alles andere als ein einheitliches Ganzes darstellen. Psychologisch gesprochen haben wir nicht nur ein Bewusstsein. Unser Bewusstsein setzt sich vielmehr aus vielen einzelnen, miteinander verbundenen Mechanismen zusammen, die unser Verhalten regulieren. Einige dieser Mechanismen sind dafür geeignet, Veränderungen anzustoßen – wie die Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen und die Willenskraft. Diese Funktionen sind uns bekannt und vertraut, weil wir sie bewusst erfahren. Vor einer Entscheidung setzen wir uns bewusst mit den relevanten Informationen auseinander und kommen zu einer Lösung. Wenn wir von unserer Willenskraft Gebrauch machen, setzen wir aktiv unseren Kopf und unsere Energie ein. Entscheidungsfähigkeit und Willenskraft speisen sich aus dem, was wir exekutive Funktionen beziehungsweise kognitive Kontrolle nennen: bewusste kognitive Prozesse, mit denen wir Handlungen auswählen und steuern. Dadurch, dass sie uns bewusst sind, bilden diese Prozesse unsere subjektive Realität, ein Gefühl von Handlungsfähigkeit, das wir als „Ich“ erkennen. Und ähnlich wie den Einsatz von Körperkraft können wir auch den Einsatz von Geisteskraft als ziemlich mühevoll empfinden.

Unsere kognitive Kontrolle ist eine tolle Sache. Viele Herausforderungen des Lebens kann man nur mit ihrer Hilfe bewältigen. So beginnt der Entschluss, um ein höheres Gehalt zu verhandeln, damit, dass man einen Termin bei seinem Chef macht. Man fasst sein Anliegen vorsichtig in Worte und umreißt die Argumente, die dafürsprechen. Oder man beschließt, sein Leben etwas romantischer zu machen, indem man die attraktive Person vom Sport fragt, ob sie Lust auf einen Kaffee hat. Nach einigem Hin-und-her-Überlegen findet man einen passenden Weg dafür. Bei diesen einmaligen Ereignissen funktioniert Entschlusskraft gut. Wir treffen eine Entscheidung, festigen unsere Entschlossenheit, sammeln unsere Kräfte und ziehen es durch.

Andere Bereiche unseres Lebens sind dagegen vollkommen resistent gegen kognitive Kontrolle. Jedes Mal zu denken, bevor man handelt, würde das Leben auch ziemlich kompliziert machen. Ich werde später noch einmal darauf zurückkommen, aber können Sie sich vorstellen, vor jedem einzelnen Training den ganzen Entscheidungsprozess, ob Sie zum Sport gehen, zu durchlaufen? In diesem Fall würden Sie sich selbst dazu verdammen, Tag für Tag von Neuem den Feuereifer des ersten Mals aufzubringen. Sie würden Ihr Bewusstsein dazu zwingen, den anstrengenden Prozess täglich zu wiederholen, indem Sie sich selbst alle Gründe vergegenwärtigen, die dafürsprechen – und weil unser Bewusstsein auf diese wundervolle, irrationale Weise von Gegensätzen besessen ist, müssten Sie sich auch alle Gründe vergegenwärtigen, die dafürsprechen, nicht zum Sport zu gehen. Jedes Mal. Jeden Tag. So funktioniert Entscheidungsfindung nun einmal. Sie müssten sich mental sozusagen dauernd mit schweren Gewichten abquälen und könnten kaum noch an etwas anderes denken.

Die Entdeckung, die wir in diesem Buch machen werden, ist, dass es andere Bereiche unseres Bewusstseins gibt, Bereiche, die sich besonders dafür eignen, Wiederholungsmuster zu etablieren. Gemeint sind unsere Gewohnheiten. Automatisch zu funktionieren liegt ihnen sehr viel mehr, als sich auf die laute und kontroverse Debatte einzulassen, die typischerweise mit der Entscheidungsfindung einhergeht. Was wir außerdem feststellen werden, ist, dass diese automatisierten Anteile längst eine große Rolle in unserem Leben spielen – sie dominieren die schlichten, gewissenhaften Anteile unseres Ichs, die wir einer Aufgabe widmen können. Und was wäre besser geeignet, um wichtige und langfristige Ziele zu erreichen? Die Debatte links liegen lassen und sich an die Arbeit machen. Genau dazu sind Gewohn-
heiten da.

Die Wissenschaft und unsere eigene Erfahrung haben gezeigt, dass wir von Natur aus Gewohnheiten ausbilden, sowohl harmlose als auch schädliche. Ich wette zum Beispiel, dass bei Ihnen die erste Viertelstunde nach dem Aufwachen immer ungefähr auf die gleiche Weise abläuft. Das ist ganz natürlich. Aber es ist auch leicht, daraus den falschen Schluss zu ziehen, dass unser Bewusstsein diese Beharrlichkeit immer wieder aktiv selbst herstellt. Der Gedanke liegt nahe, dass eine solche Ausdauer das Resultat unserer wiederholten und bewussten Anstrengung ist, Handlungen zu gestalten und Ziele zu erreichen. Wenn unsere Verhaltensmuster tatsächlich darauf beruhen würden, dass wir es eben „einfach tun“ (wie viel zu viele Menschen glauben), dann hieße das ja wohl, dass wir jeden Morgen bewusst beschließen, uns genauso zu verhalten wie am Tag zuvor. Oder?

Das mag sein, wenn wir es darauf anlegen. In Wirklichkeit aber hat unser Bewusstsein zu vielen unserer Handlungen nur wenig Kontakt – und das gilt vor allem für gewohnheitsmäßige Handlungen. Am Werk ist dabei vielmehr ein riesiger, halb verborgener, unbewusster Apparat, den wir zwar mithilfe von Signalen und Kommandos aus unserem Bewusstsein steuern können, der aber letztlich ein Eigenleben führt – ohne die Einmischung der kognitiven Kontrolle. Diese Teile des Ichs unterscheiden sich gewaltig von dem bewussten Ich, das wir kennen, und sie können auf völlig andere Weise genutzt werden.

Das uns bekannte Ich ist auf Gehaltserhöhungen und Liebesaffären konzentriert. Unsere unbewussten Anteile dagegen bilden Gewohnheiten aus, die es uns ermöglichen, unsere Handlungen aus der Vergangenheit ganz einfach in der Gegenwart zu wiederholen. Mit der Ausbildung von Gewohnheiten oder damit, aus Gewohnheit zu handeln, haben wir aber wenig bewusste Erfahrung. Wir haben nicht die gleiche Kontrolle über unsere Gewohnheiten wie über unsere bewussten Entscheidungen. Gewohnheiten sind etwas Unterschwelliges, Verstecktes. Das erklärt, warum unser alltägliches Sprechen über sie von einer seltsamen Unterordnung geprägt ist: „Tja, so bin ich es nun einmal gewohnt“ – als ob unsere Gewohnheiten getrennt von uns existierten oder gewissermaßen parallel zu unserem erfahrbaren Ich operierten. Und es stimmt, Gewohnheiten sind bis heute ein Mysterium, und ihr Verständnis wird seit vielen Jahrzehnten von der falschen Vorstellung verhindert, dass das Aufgeben schlechter und die Aneignung neuer, zuträglicher Gewohnheiten einfach eine Sache von Vorsatz und Willenskraft sei.

Bevor wir fortfahren, ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass die gleichen Lernmechanismen, die für gute Gewohnheiten zuständig sind, also für solche, die mit unseren Zielen übereinstimmen, auch für schlechte Gewohnheiten verantwortlich sind, also für solche, die unseren Zielen widersprechen. Gut oder schlecht – Gewohnheiten haben den gleichen Ursprung. Natürlich, sie haben ganz unterschiedliche Folgen, aber davon sollte man sich nicht verwirren lassen. In dieser Hinsicht sind regelmäßig Sport treiben und täglich mehrere Zigaretten rauchen identisch. Es sind exakt die gleichen Mechanismen am Werk.

Für unsere gesundheitlichen Ziele dagegen sind Sport treiben und rauchen diametrale Gegensätze. Dieses Buch will zeigen, wie wir mithilfe unserer bewussten Ziele unserem Gewohnheits-Ich eine bestimmte Richtung geben können, sodass wir es sind, die bestimmen und die Richtung vorgeben. Wenn wir verstehen, wie Gewohnheiten funktionieren, können wir Verbindungspunkte zwischen ihnen und unseren Zielen herstellen, sodass beide sich auf erstaunlich vorteilhafte Weise aufeinander einstimmen. In manchen Fällen tun sie dies bereits, wie wir sehen werden.