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Die Sprache in erotischen Geschichten

Wie erotisch ist die deutsche Sprache?

Donnerstag, 31. Dezember 2015 von Piper Verlag


Heiße Liebesszenen in erotischen Geschichten bringen unser Blut in Wallungen. Aber wird in Englisch anders gestöhnt oder ist die Sprache der Liebe überall gleich?

Und hätten Sie gewusst, dass gerade bei heißen Szenen das Übersetzen kniffelig werden kann?


Die Übersetzerin von J.Lynns (alias Jennifer Armentrout) Young-Adult-Reihe „Wait for you“, gibt uns einen kleinen Einblick:

Wie übersetzt man ‚heiße Szenen‘?


Wie kann man dafür sorgen, dass etwas, was im Original heiß ist, auch im Deutschen denselben Effekt erzielt?

Als der Verlag diese Frage an mich herantrug, musste ich erstmal tief nachdenken. So vieles bei meiner Arbeit läuft unterbewusst … instinktiv. Man hat einfach dieses tiefe Gefühl: ‚Das geht nicht‘ oder ‚So klingt es!‘.

Gerade die Übersetzung von erotischen Szenen und sexuellen Begegnungen hat – wie die Arbeit des Übersetzers generell – viel mit dem Sprachgefühl zu tun … und mit der Sprachebene, die man zu erreichen sucht. Wie deutlich will ich werden? Wie anatomisch sollen die Beschreibungen sein?
 

Vom Stöhnen, Grunzen und Wimmern


Im Englischen wird oft ‚geknurrt’, manchmal auch ‚gegrunzt‘ – es wird beäugt oder an Oberlippen geknabbert, starke Männer ‚bellen‘ auch mal im Bett. Geht das? Will ich das? Das ist immer die Frage …

Der englische Sprachraum insgesamt beschreibt genauer als wir – nicht nur in Sexszenen, sondern auch bei Personen. Bei jeder auftretenden Person erfährt man Größe, Haarfarbe, Augenfarbe … und Gewicht – wo man sich schon hin und wieder mal fragt, woher der Erzähler (gerade, wenn es wie bei Young Adult häufig ein Ich-Erzähler ist), das nun so genau weiß. Und auch im Bett wird es oft … naja, sagen wir … plastisch.

Prickelndes Kopfkino
 

Das ist im Deutschen anders. Hier überlässt man mehr der Vorstellung des Lesers, bietet eine größere Projektionsfläche für eigene Fantasien. Manchmal steht im Englischen (wörtlich übersetzt): „Er schob seine Zunge in meinen Mundraum“. Das schreibt man im Deutschen nicht.
 

Auch die Intimteile werden eher umschrieben als wirklich etwas zu schreiben wie „Er teilte meine Schamlippen und schob seine Erektion tief in mich“. Klingt irgendwie klinisch, oder? Eher wie beim Frauenarzt als wie ein erotisches Erlebnis? Daher ist es hier die Aufgabe der Übersetzerin, das ganz ein wenig zurückzunehmen, bis es eher so klingt: „Er fand meine Mitte und versenkte sich tief in mir“. Irgendwie hübscher, oder?

Im Englischen wird auch viel geschrien – einfach geschrien: „Ich schrie.“ Das klingt im Deutschen eher nach Schmerz. Also wird es ein „Aufschrei“ oder ein „lustvoll schreien“, dem Protagonisten „entkommt ein lautes Stöhnen“ oder ein „leises Seufzen“. Hier kann man mit einem eingeschobenen Adjektiv (‚laut‘, ‚leise‘, ‚lustvoll‘, ‚kurz‘) viel erreichen.

Oder es wird gequietscht (‚to squeal‘). Ein Wort, dass ich in einer Kissenschlacht durchaus angemessen finde, wenn man gerade von einem Kissen am Kopf getroffen wird … aber wenn ich mir das im Bett so vorstelle, würde diese erotische Begegnung – zumindest in meiner Welt – wahrscheinlich mit einem hilflosen Lachanfall beider Seiten enden. Macht auch Spaß, ist aber nicht ganz das, was Sex bieten soll.

Und von diesen Worten gibt es eine Menge: ‚lutschen‘ klingt nach Kleinkind mit einem Lolli, aber ‚saugen‘ durchaus erotisch. Möse, Fotze und Titten klingen nach Hardcore-Porno der frauenverachtenden Variante, ‚mein Innerstes‘ und ‚meine Brüste‘ aber haben einen schönen Klang. Sexy und doch romantisch.

Aber warum ist das so? Warum kann die Heldin durchaus hin und wieder lustvoll wimmern (‚to whimper‘), aber auf keinen Fall winseln? Weil im Deutschen eigentlich nur Tiere ‚winseln‘. Hunde winseln hinter Türen, aber wenn im Bett gewinselt wird … nun, dann ist eigentlich irgendwas schiefgelaufen, und die Szene wahrscheinlich nicht mehr besonders erotisch.

Heiße Blicke und wilde Küsse
 

Das Deutsche ist eine präzise Sprache, im Englischen hat fast jedes Wort bis zu zehn verschiedene Bedeutungen, die sich aus dem Kontext erschließen. Fast jedes Wort im Deutschen ist einer Sprachebene zugeteilt, die im Englische nicht in dieser Klarheit gilt – weil die umstehenden Worte den verwendeten Begriff sozusagen aufwerten oder abwerten, kruder oder erotischer machen können.

Im Deutschen passt dann plötzlich der Kontext der verschiedenen Worte nicht zusammen: Zum Beispiel klingt ‚erection‘ in einer Liebesszene im Englischen bei weitem nicht so klinisch wie im Deutschen. ‚Erektion‘ ist bei uns ein Wort, das im Sexualkundeunterricht verwendet wird, oder auf der Anleitung für Kondome … nicht bei Bettgeflüster, und auch nicht, um leidenschaftlichen Sex zu beschreiben.

Im Englischen ist das möglich, weil der Rest des Satzes das Gefühl des Wortes verändert. Im Deutschen sollte man eher ‚seine Härte‘ oder ähnliches schreiben. Aber bitte: nicht die ‚einäugige Schlange‘ und auch keine ‚Fleischpeitsche‘ – egal, was im Original stehen sollte.

Also, wie lautet die kurze Antwort auf die Frage, wie man erotische Szenen auch erotisch übersetzt? Es geht darum, was man erreichen will. Und es geht um Sprachgefühl und darum, ein paar böse Fallen zu vermeiden – ich zum Beispiel habe eine Liste mit ‚Geht gar nicht‘-Worten an meinem Bildschirm kleben … damit ich nicht im Eifer des Gefechts doch mal ein Winseln oder Knurren einfüge. Denn damit würde ich zerstören, was ich zu schaffen versuche …'
 

Ich hoffe, bis jetzt gefallen Ihnen die ‚heißen Szenen‘ in unseren Büchern. Ich jedenfalls hatte immer Spaß bei der Übersetzung!

 

Von Vanessa L., der Übersetzerin von J. Lynn

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