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Vom Nichts suchen und Alles finden

Marie Luise Ritter
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Notizen über die Liebe

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Vom Nichts suchen und Alles finden — Inhalt

Nach dem Erfolg von „Tinder Stories: Ein Jahr voller Dates“ das neue, überraschende Buch von Influencerin luiseliebt: schonungslos offen und maximal lebensbejahend

Sie hatte sich fest vorgenommen, Single zu bleiben und ihre Freiheit zu genießen. Doch dann traf sie Nick. Und auf einmal war alles anders. 

Eine reale Geschichte 

Marie Luise Ritter erzählt in Notizen über die Liebe: Von der Liebe zu einer Person, der in Freundschaften, der Liebe zur eigenen Heimat und der Liebe zu sich selbst. 

Das Buch umfasst in Episoden und Begegnungen die Hürden und Abenteuern einer jungen Liebe, erzählt über Freundschaft, Vertrauen, Trauer und Versagen vor dem bunten Gesicht der unbeständigen Großstadt Berlin. Marie Luise Ritter bespricht, wie man sich in einer Partnerschaft öffnet, wenn man vorher allzu gerne Single war, und wie man findet, wo man wirklich hingehört. Das ist mal melancholisch, mal euphorisch, aber immer voller Lebensfreude: Eine Geschichte zum Wohlfühlen, zum Eintauchen und Sichverlieren, zum Nachdenken und Schwelgen. 

„Vom Nichts suchen und Alles finden“. Weil das Leben eine Reise ist, auf der man sich genauso gut verlieren wie wiederfinden kann. Weil die besten Dinge sich abseits des Weges ergeben, wenn man nicht mit ihnen rechnet. Süße Spontanbegegnungen, ein Sommer-Roadtrip mit dem Bulli durch Frankreich, unerwartete Gespräche, die Bar voller Einheimischer auf Reisen, wenn man den Stadtplan wegpackt, und sich einfach treiben lässt. Um von den verschiedensten Menschen über das Leben zu lernen: Von der Rentner-Freundin, vom Wandergesellen im Zug, durch die älteren Damen beim Italiener, beim Vorlesen im Altenheim. 

„Vom Nichts suchen und Alles finden“ erzählt hoffnungsvoll vom Loslassen alter Ideen und festgesetzter Muster, vom Zulaufen auf neue Abenteuer. Und von der Liebe. Vor allem von der Liebe. 

€ 14,00 [D], € 14,40 [A]
Erschienen am 03.08.2020
256 Seiten, Klappenbroschur
EAN 978-3-492-50336-5
Download Cover
€ 11,99 [D], € 11,99 [A]
Erschienen am 03.08.2020
300 Seiten, WMePub
EAN 978-3-492-98667-0
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Leseprobe zu „Vom Nichts suchen und Alles finden“

Playlist

Crow von Bear’s Den

Forever Young von Alphaville

Denmark von Jules Ahoi

Untold von Ry X

Summer of ’69 von Bryan Adams

Wonderwall von Oasis

Heaven von Bryan Adams

Still von AVEC

Cold as Ice von Foreigner

3 Millionen von Bosse

I Was Made for Lovin’ You von KISS

Listen to Your Heart von Roxette

Away from Me von Moglii

Depth over Distance von Ben Howard

Cry to Me von Solomon Burke

Lifetimes von Oh Wonder

Best Fake Smile von James Bay

All My Friends von Dermot Kennedy

This Is Letting Go von Rise Against

I Wanna Dance with Somebody von Whitney Houston

Friday I’m in Love [...]

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Playlist

Crow von Bear’s Den

Forever Young von Alphaville

Denmark von Jules Ahoi

Untold von Ry X

Summer of ’69 von Bryan Adams

Wonderwall von Oasis

Heaven von Bryan Adams

Still von AVEC

Cold as Ice von Foreigner

3 Millionen von Bosse

I Was Made for Lovin’ You von KISS

Listen to Your Heart von Roxette

Away from Me von Moglii

Depth over Distance von Ben Howard

Cry to Me von Solomon Burke

Lifetimes von Oh Wonder

Best Fake Smile von James Bay

All My Friends von Dermot Kennedy

This Is Letting Go von Rise Against

I Wanna Dance with Somebody von Whitney Houston

Friday I’m in Love von The Cure

All Your Love von Dustin Tebbutt

Never Let Me Go von Florence + The Machine

Go Your Own Way von Fleetwood Mac

Grip von Bastille, Seeb

Heuboden

Mai

Ich genieße das Gewicht von seinem Arm auf meiner Hüfte, als ich in der gleißenden Morgensonne aufwache. Die Vorhänge sind nur halb zugezogen, das Fenster über uns ist gekippt. Der Himmel drängt sich strahlend blau in die nackten, weißen Wände rund um unser Pensionsbett. Er riecht gut, hat seine Beine mit meinen verknotet und sein Kinn auf meiner Schulter abgelegt. Ich liege auf dem Rücken, den Blick zwischen Fenster und Decke, irgendwo auf einem Punkt an der Raufasertapete verloren. Durch die Sonne in meinem Gesicht sehe ich alles nur in Umrissen. Der Abend davor ist dagegen glasklar. Ich schließe die Augen.

 

Wir waren auf der Hochzeit einer meiner liebsten und ältesten Freundinnen im ländlichen Umland von Hamburg. Sie umarmen, die Freude und Liebe in ihrem Leben mit ihr teilen. Schnell hinunter gekippte Wodka-Shots. Eine rustikale Villa, Lampions und Lichterketten, unter uns knarzende Dielen. Nick hatte mich hier am Stadtrand von Hamburg-Blankenese gegen vier Uhr huckepack in unsere Pension rübergetragen, weil ich auf meinen hohen Absätzen nicht mehr laufen konnte. Wenn ich hohe Schuhe trage, sind wir genau auf Augenhöhe. Inzwischen war ich barfuß. Draußen waren es nur noch neun Grad. Als ich aufwache, ist in mir so viel Liebe und Zuversicht. Ich setze mich auf, betrachte die dunklen Locken neben mir im Bett, fahre mit meinen Augen sein schlafendes Gesicht ab, stupse ihn an, mit dem Zeigefinger in die Wangen. Langsam wacht er auf. Er hat ein markantes Gesicht, volle Lippen und lächelt immer mit allen Zähnen, auch wenn er gerade eben noch geschlafen hat. Ich habe ja keine Ahnung, wie das mit uns weitergehen wird.

 

Kaffee schwarz, keine Hafermilch und zwei Croissants vom Bäcker, nur eine Straße weiter. Sein fröhlicher Blick, inzwischen hellwach. Ich atme die Ruhe hier draußen ein. Die saubere Luft auf dem Land riecht nach einem frischen, knisternden Sommertag, zugleich warm und verbrannt. In mir breitet sich ein heimeliges Gefühl aus. Berlin ist anders als das alles hier. Ich klettere neben Nick ins Auto auf den Beifahrersitz.

„Können wir?“, fragt er.

„Ja.“

Wir fahren in einem Schlenker durch Hamburg, an meinem alten Zuhause in Rotherbaum, an weißen Villen vorbei, durch diese prachtvolle Gegend und runter zum Alsterufer. Der Mai zeigt sich an diesem Samstag von seiner schönsten Seite. Meine Augen kleben an den Häusern, am Blau des Wassers, an den Menschen, die hier zum Samstagmorgen spazieren sind. Die Bäume rascheln in einem leichten Wind, der hier immer weht. Das hier ist Heimat – ist, war? Ich weiß es nicht. Ich komme nur noch zurück zu meinen Freundinnen, zu Treffen, zu Hochzeiten. Inzwischen wohne ich woanders. Ich liebe Berlin, ich liebe den offenen, toleranten Menschen, den die Stadt aus mir gemacht hatte, mein neues, noch höheres Level an Abenteuer-Bereitschaft und Spontanität. Aber ich liebe auch die Ruhe. Vogelzwitschern ohne Tramgeräusche. Ich vermisse die Natur, die Luft, das Wasser hier. Wehmütig werfe ich einen Blick zurück, buchstäblich.

Nick biegt auf die Autobahn ab, ich versuche die vorbeirasende Landschaft scharf zu stellen.

›Berlin fühlt sich wie ein langer Urlaub an‹, hatte ich im Frühling zu Maja gesagt, die ich hier zwischen Kaffeedates und Clubnächten in mein Herz geschlossen hatte, und verdammt, ja, das ist immer noch so. Aber in Urlauben auf Zeit ist man nicht zu Hause. Wo gehöre ich hin?

„Man muss auch erst mal reinwachsen in so eine große Stadt“, bemerkt Nick. „Ein Kennenlernen, so wie bei dir und mir.“ Er parkt in Berlin, wir verabschieden uns. Vielleicht ist meine Heimat überall, aber überall ein wenig anders. Ich habe ja Zeit, das herauszufinden. Diesen Sommer, dieses Jahr oder ein ganzes Leben lang.

 

An diesem Nachmittag bin ich zurück in meinem Kiez, zwischen den Graffitiwänden und dem ›Überall-ist-immer-was-Los‹, der stickigen Luft, den Weinbars und veganen Cafés, dem guten Wetter, dem Hauptstadt-Gefühl, den langen Tram-Wegen und den Zugezogenen.

 

„Gehört ihr nach Berlin?“, frage ich am gleichen Abend in die Runde, die sich kurzfristig auf den Außenplätzen einer Bar am Helmholtzkiez versammelt hatte. Die Frage lässt mich noch nicht los. Eine flüchtige Runde, ungeschminkte Gesichter, als hätten alle schon mit dem Tag abgeschlossen.

„Du kannst dir aus der Stadt eben alles machen, was du brauchst. Es gibt für jeden einen richtigen Platz. Wir gehören nach Berlin, du gehörst nach Berlin, Berlin gehört dir“, sinniert Lola frei heraus.

„Lu gehört gerade vor allem nur die Liebe“, wirft Maja ein und lacht.

„Berlin und die Liebe“, füge ich ihre Worte zusammen, „das klingt irgendwie schön. Wie eine Umarmung. So nach Alltag. Irgendwie so herrlich ehrlich normal.“

Ja, man musste erst einmal reinwachsen in so eine große Stadt. Vielleicht war das mit Städten genauso wie mit der Liebe.

 

Ich brauche am nächsten Morgen drei Anläufe, meine Augen aufzuschlagen und das schrille Geräusch in meiner Wohnung mit der Realität in Verbindung zu bringen. Beim vierten Mal habe ich es. Es klingelt. Widerwillig schlurfe ich zur Tür und werfe einen Blick durch den Spion, der von schweren Jacken des Mitbewohners versperrt wird, mit denen er eine Expedition in die Arktis überstehen würde. (Wir haben Mai. In Berlin sind es durchgehend über fünfundzwanzig Grad.) Nick steht mit zwei bunten Mehrwegbechern dort draußen vor meiner Wohnungstür. Ich mache auf, erst nur einen kleinen Spalt, und schließlich in Zeitlupe ganz. Er drückt mir einen Kaffee in die Hand, einen Kuss wüst auf den Mund und begrüßt meine Hündin zu seinen Füßen.

„Bereit? Wir machen einen Ausflug!“ Nick grinst. Er steht in Chinos und einem hellen T-Shirt vor mir, die lederne Schultasche umgehängt. Er riecht frisch geduscht, aber auch nach einer Sommernacht und wilden Küssen auf dem Balkon. Für acht Uhr morgens macht er einen ziemlich verwegenen Eindruck. Verwirrt lege ich den Kopf schief. Seine Worte dringen noch nicht wirklich zu mir durch, was ich mit einem Schluck aus dem Kaffeebecher versuche zu ändern.

„Lässt du mich rein?“, fragt er.

„Natürlich.“ Ich trete aus der geöffneten Tür und mache den Weg in die Wohnung frei.

„Du bist ja früh wach“, bringe ich dann hervor, und: „Wohin denn?“ Mit einem Fuß kratze ich die Socke von der Hacke des anderen ab. Nick hatte mich gestern Nachmittag hier abgesetzt und war weiter zu sich gefahren. Den Abend hatten wir getrennt mit Freunden verbracht, ich in Prenzlauer Berg, nahe meiner Wohnung, sodass ich alleine in mein Bett gefallen war, er in seines in Friedrichshain. Irgendwann gegen ein Uhr hatten wir noch kurz telefoniert.

„Wieso bist du so zeitig auf? Ich habe noch geschlafen.“ Ein bisschen muss ich grinsen über seine frühe Euphorie. Erinnert mich an mich selbst, im letzten Sommer. Ich war noch nie ein Morgenmuffel. Er ist auch keiner. Jeden neuen Tag beginnt er voller Vorfreude.

„Ich will dir was zeigen. Eine knappe Stunde Fahrt. Vielleicht auch weniger, die Straßen sind leer. Wie lange brauchst du zum Duschen?“ Er zieht mich aufgeregt in meine Wohnung. Seine krausen Locken stehen wild in alle Richtungen ab.

„Zehn Minuten, okay?“ Ich schlurfe mit der einen verlorenen Socke im Schlepptau in mein Bad und brause mich ab. Eine kalte Dusche später bin ich schon wacher und schlüpfe in die Sachen, die hier eh von gestern rumliegen, meine Shorts, ein schwarzes Bustier und ein weißes T-Shirt. Es ist morgens schon unerträglich stickig zwischen den Betonbauten der Großstadt, die die Hitze durch die offenen Balkontüren reindrücken.

 

Wir fahren von meinem Zuhause los, die Prenzlauer Allee runter und am Fernsehturm vorbei, am Spittelmarkt links und in Kreuzberg wieder rechts, und unter Tempelhof auf die Autobahn. Ich weiß nicht, wo es hingeht, und genieße für den Moment das Unbekannte. Geistesabwesend streiche ich über Nicks Unterarme, die sich reflexartig anspannen, wenn man sie nur sachte berührt. Während wir die Stadt hinter uns lassen, trinke ich meinen kalten Kaffee leer. Bäume fliegen an mir vorbei, die Autobahn wird immer leerer. Als wir auf verzweigte Landstraßen abbiegen, die Natur sich verlangsamt, entspanne ich mich endlich und kurbele das Fenster runter. Hier ist es wirklich schön. Die Straßen werden schmaler, grüne Felder wechseln sich mit Waldabschnitten ab, und ich hoffe auf einen See und Freibadpommes. Crow von Bear’s Den läuft über die Lautsprecher. But there you are. Die Temperaturanzeige im Auto zeigt sechsundzwanzig Grad. Meiner Orientierung nach sind wir schon längst in Brandenburg. Wieder ein paar Dörfer weiter parkt Nick rechts am Straßenrand und zeigt nach links.

„Das da. Das will ich dir zeigen.“ Ich sehe mich um. Ein verwittertes, schmiedeeisernes Tor überragt mein Auto und lässt keinen Blick auf das zu, was sich dahinter verbirgt. Ich trete ein paar Schritte zurück. Kaum zu erkennen, ragen weit hinter dem Tor zwei Ziegeldächer über Backsteinfassaden in die Höhe. Nick öffnet das Tor und verschwindet im Nichts dahinter. Als ich folge, lässt er gerade den Hund im hohen Gras von der Leine frei. Sträucher kratzen an meinen nackten Beinen, ich schirme meine Augen gegen die Sonne ab und betrachte die beiden fensterlosen Scheunen. Ein alter Traktor steht da, eingefangen von Spinnenweben, auf dem Boden festgetretener Matsch und alte Späne. Die Türen und Fenster hängen schief in ihren Angeln. Aus den oberen Luken dringt Heu. Mit meiner freien Hand ergreife ich seine.

„Sieht verlassen aus. Irgendwie verkommen. Nick, was machen wir hier? Wem gehört das?“, frage ich in die Ruhe um uns herum. Bis auf das Zwitschern der Vögel und ein weit entferntes knatterndes Motorengeräusch hört man nichts. Ohne zu antworten, umrundet er die vordere Scheune. Ich folge. Hinter ihr liegen Apfelbäume und ein brüchiges Gatter vor einer weitläufigen, schönen Wiese. Die große Eiche wirft kühlenden Schatten auf den hinteren Teil des Grundstücks.

„Uns.“ Sein Blick ruht amüsiert auf meinem, wie er beobachtet, wie ich die Wörter verarbeite und zwischen ihnen und den Scheunen hin- und hersehe. „Naja mir bisher, aber falls du dir das vorstellen kannst …?“ Er lässt seine Frage vage im Raum schweben.

„Dir?“ wiederhole ich nach einer gefühlten Ewigkeit verblüfft. Der Hund ist im hohen Gras kaum noch zu erkennen. Das Wort hallt immer wieder in mir nach. Er hat eine Scheune in Brandenburg? Zwei sogar? Uns?

„Was soll ich mir vorstellen können?“, frage ich langsam.

„Ein Zuhause auf dem Land.“

Noch immer perplex schweige ich. Wir leben in der Großstadt, mitten im Trubel. Natur findet sich höchstens in kleinen Flecken in den über die Stadt verteilten Parkanlagen. Einen größeren Kontrast zu unserem selbst gewählten Alltag könnte es nicht geben.

„Komm, hier lang.“ An meiner Hand zieht er mich ins Innere der ersten Scheune.

Wir klettern, er voran, über eine wacklige Leiter auf den Heuboden der Scheune hoch, laufen hintereinander über die Balken und sagen eine Weile beide gar nichts. Bis auf mein fragendes „Meinst du, dass das uns hält?“ und sein wissendes Nicken. Von den Decken hängen Spinnweben.

„Und, kannst du dir das hier vorstellen?“

„Ich sehe vor allem viel Arbeit“, antworte ich ihm zögernd.

„Aber könnte schön werden, oder? Eine offene Wohnung in einer alten Scheune. Ein Rückzugsort von der Großstadt.“ Er klingt träumerisch.

Mit dem Blick ins morsche Gebälk und auf alte Wagenräder gerichtet bleiben wir dort im Heu liegen. Eine ganze Weile sagen wir beide nichts. Dieser Morgen hat eine Wendung genommen, die ich so nicht vorhergesehen habe.

„Also, was denkst du?“, fragt er noch einmal.

„Wenn du hier draus wirklich etwas machen willst …“ Ich überlege und sehe mich um. „Lass mich mal nachdenken. Man könnte hier an der Wand so ein Buchregal bis unters Dach bauen.“ Ich zeige in die Etage unter uns und klettere vorsichtig wieder vom Heuboden runter. „Und dorthin eine Schaukel, die von der Decke bis zum Boden hängt. Überall Pflanzen, die auf der Steintreppe nach oben stehen. Überhaupt, ja, viele Pflanzen, viel Grün. Und eine schwarze offene Küche. Auf jeden Fall matt. Vielleicht auch weiß gebeizte Dielen. Und die Backsteinwände dahinter könnte man so lassen. So ein bisschen rustikal und industriell. Aber vielleicht eine Wand weiß streichen, für die Helligkeit. Und dorthin eine große Glasfront. Darf man das? Wegen Denkmalschutz? Es ist echt dunkel hier drin.“ Ein ganzer Schwall an Wörtern und Ideen war aus mir herausgebrochen. Das überrascht mich selbst. Inzwischen stehe ich unten neben dem alten Traktor, der den Weg in den Rest der Scheune versperrt.

„Oder?“, frage ich. Nick hat seit einer Weile schon nichts mehr gesagt und mich nur belustigt von oben angestarrt. Peinlich berührt halte ich inne. „Wieso hast du mir bisher nichts hiervon erzählt? Oder ist die Idee neu?“

„Ja, irgendwie schon. Und ich wollte es dir nicht einfach so erzählen, ich wollte es dir zeigen. Ich habe auf den richtigen Moment dafür gewartet. Das hier ist irgendwie so mein Projekt. Mein Baby. Ein Zuhause erschaffen aus dieser morschen Scheune.“

„Wow“, gestehe ich ehrlich. „Tolles Projekt. Das ist viel Arbeit. Aber das klingt toll.“

„Du hast wirklich viele Ideen, was man hieraus machen könnte, ich sollte dich behalten, so für die Planung“, schmunzelt er.

„Hey!“, rufe ich und werfe mit Heu nach ihm.

„Auf jeden Fall müssen wir die Apfelbäume hinten umpflanzen, die stehen zu eng zusammen und nehmen sich gegenseitig das Licht.“ Wir bewegen uns durch eine nur halbhohe Tür wieder nach draußen auf den hinteren Teil des Grundstücks. „Hier könnte man echt viel draus machen, selbst anbauen und ernten. Total fruchtbarer Boden.“

„Ich hab nicht viel Ahnung von Gartenarbeit“, räume ich ein, „eher gesagt gar keine, aber man könnte da sicher ein Hochbeet anlegen für Salat und Tomaten und dahinten vielleicht Erdbeeren.“ Ich stapfe um die Scheune herum, „und hier eine Terrasse und da könnte man Efeu hochranken lassen. Und eine Gartendusche, ich würde im Sommer immer draußen im Sonnenaufgang duschen. Ideen hätte ich viele“, quietsche ich vergnügt. Das klingt nach einem wahr gewordenen Traum in der Natur. Bis auf …

„Gibts hier in der Nähe einen See?“, frage ich, mit wenig Hoffnung in meiner Stimme.

„Wir sind im Spreewald.“ Er lacht dieses herzliche Lachen voller Lachfalten um die Augen. „Komm, ich zeig’s dir.“ Nick zieht zwei alte Fahrräder hinter dem Traktor hervor. Beide sind in die Jahre gekommen, aber funktionieren. Ich setze den Hund vorne in den Korb des kleineren Fahrrads und radele Nick fünf Minuten bis ans Ende der Dorfstraße hinterher. Vor uns liegt in vielen Windungen und geschützt von Bäumen die schattige Spree. Verirrte Äste biegen sich nach unten und berühren das Wasser, das in kleinen Kräuseln seine Bahnen zieht. Hier und da liegen flache, lange Boote im Wasser, die an ihren Enden mit kleinen Nummernschildern versehen sind. Seicht wackeln sie hin und her und lassen sich treiben. Das Wasser zieht mich magisch an. Von der Hitze angetrieben schäle ich mich bis auf meine schwarze Unterwäsche aus meinen Sachen und habe, ehe er sich versieht, von einem Steg zu einer Arschbombe ins Wasser angesetzt. Er springt mir hinterher, meine Hündin legt sich ins Gras in die Sonne und beobachtet uns. Nick und ich treiben eine Weile nebeneinander im Wasser. Mit ihm kann ich einfach nur sein.

Es war, als würde ich in der Stadt und in meinem Alltag permanent unter Strom stehen, und als hätte er die Fähigkeit, dem den Stecker zu ziehen. Als würde ich am Ende einer intensiven Yogapraxis jeden Muskel, jede Anspannung, jede Verteidigungshaltung loslassen. Auch wenn ich noch nicht wusste, wovor ich mich verteidigt hatte. So fühlt es sich an, neben ihm im Wasser zu schweben. Nach einigen Schwimmzügen wird mir kalt, also ziehe ich mich zurück auf den Steg hoch. Er tut es mir in einer einzigen fließenden Bewegung gleich.

„Also“, nehme ich dann noch einmal die vielen Fragen, die in meinem Kopf schwirren, auf. „Du hast das Grundstück mit den Scheunen wirklich gekauft? Und willst daraus ein Zuhause machen? Haben wir nur rumgesponnen und sind eingebrochen, oder war das echt?“ Nach der Abkühlung ist mein Kopf ganz klar. Auf einmal kommt mir alles so unwirklich vor. Wir sitzen nass nebeneinander auf dem Steg, er streckt die Füße aus und taucht sie in die Spree, meine berühren gerade so das Wasser. Wir müssen unsere Unterwäsche an uns von der Sonne trocknen lassen. Die Baumwipfel biegen sich über uns, kleine Stücke von Schatten huschen über unsere nackten Beine. Die stille Hitze erreicht uns, zuerst den Steg, dann unsere nassen Körper, die klammen Haare, unsere stumm lächelnden Gesichter.

 

„Ja, doch. Das war ernst. Das Grundstück war in meiner Familie weitervererbt worden und liegt jetzt seit einer Weile brach. Als es verkauft werden sollte, habe ich es kurzerhand auf mich überschreiben lassen. Meine Großeltern haben hier daneben lange gewohnt, ich war zu sentimental, als dass ich einem Verkauf hätte zustimmen können. Ich hatte an ein Wochenenddomizil in der einen und Ferienwohnungen in der anderen Scheune gedacht. Oder ein richtiges Zuhause für immer und Mietwohnungen daneben. Dann müssten das aber Freunde sein, wenn man so eng zusammenwohnt. Und ich weiß auch noch nicht, ob ich ganz aus Berlin weggehen wollen würde. Am schönsten wäre es, in der Stadt und auf dem Land ein Zuhause zu haben. Das da hinten ist übrigens unser Kahn.“ Er zeigt auf eines der vielen Boote mit den Nummernschildern, die hier angebunden sind, ein größeres Kanu, auf das problemlos fünf oder zehn Leute passen. „Damit fahren wir öfter raus, einfach vollpacken und sich dann an einem Sonntag hier auf dem Wasser treiben lassen, bis zum Wehr da hinten.“ Nick zeigt in die Ferne.

Mir bleibt der Atem weg, weil das alles zu schön klingt, um wahr zu sein. Es gibt noch so zu viel erklären, aber für den Moment will ich die kleine Blase aus Träumen nicht stören, in der wir uns vortasten. Eine Scheune. Wir sind fast wieder trocken, und ich bekomme Hunger auf mehr als nur Kaffee.

„Haben wir etwas zu essen in deinem Auto oder finden wir hier etwas? Mein Magen knurrt“, richte ich an Nick.

„Achso, ja“, druckst er herum, „meine Eltern wohnen übrigens nebenan. Ein paar Häuser weiter das Dorf runter. Ich habe noch nicht angekündigt, dass wir hier sind, aber wenn du Lust hast, kurz Hallo zu sagen, würden sie sich sicher über die Überraschung freuen. Keine Angst, das sind wirklich coole und entspannte Menschen. Ich schätze, sie sitzen gerade auf der Terrasse und frühstücken. Ich habe ihnen schon viel von dir erzählt. Wollen wir meinen Eltern drüben etwas Gesellschaft leisten?“

Erstaunt hole ich Luft. Ja, wir sind über all diese Punkte schon hinweg – den, als er mich das erste Mal vor seinen Freunden im Club küsste (gut, da kannten wir uns nur eine Woche), den, an dem er mich in der Runde seiner Freunde als seine neue Freundin vorstellte, und ich kurz verlegen die Augen aufriss. Über den ersten Urlaub in Riga, die erste gemeinsam besuchte Hochzeit von Freunden vor zwei Tagen. Dabei kennen wir uns gerade einmal drei Monate. Die waren in einer Geschwindigkeit vorbeigegangen, die mich gleichermaßen erschreckt und beeindruckt. Trotzdem kommt es mir wie eine normale Ablauffolge der Dinge vor, völlig selbstverständlich, dass ich nicke, Ja sage und ihm zurück auf dem Fahrrad zum Haus seiner Eltern folge.

„Hast du mich deswegen so früh aus dem Bett geklingelt?“

„Klar. Frühstück gibt es immer um Punkt zehn Uhr.“

Kurz bevor wir links hinter das Haus und auf die Terrasse biegen, komme ich nicht umhin, mein weißes T-Shirt noch einmal glatt zu streichen, das an meinem klammen schwarzen Bustier klebt. Seine unbekümmerte Spontanität, die ich so oft bewundere, verfluche ich gerade. Für so einen Anlass hätte ich mir zu gerne ein schönes Sommerkleid angezogen, statt der Klamotten von gestern. Nick fallen solche Dinge gar nicht auf. Irgendwie ist das erfrischend. Ich entspanne mich, lasse meine nassen Haare aus dem Dutt frei und mir in wilden Wellen um den Kopf fallen, damit sie trocknen. Ich kann nur über ihn und seine Unbedarftheit, seine Sorglosigkeit, diesen Sonntag hier lachen. Dann nehme ich seine Mama herzlich in den Arm. Es ist kurz vor zehn.


Zuvor

Mein Leben lang, eigentlich seit ich vierzehn war, hatte ich mich von einer Beziehung in die nächste gestürzt. Ich hatte große Träume, wollte Bücher schreiben, über die Liebe (der erste Versuch, mit dreizehn verfasst, hieß „Schuhe, Sterne & Zitroneneis“ und handelte, klar, von verliebten Teenagern), aber die Liebe in der Realität hielt ich – oder sie mich? – eher klein. Ich blieb drei Jahre und damit mindestens zweieinhalb Jahre zu lang bei einem Mann, der außer mir noch viele andere Frauen mit seiner Anwesenheit beglückte. Ich ahnte es, und doch billigte ich es stumm. Da war ich achtzehn.

 

Trennungen brauchten für mich einen handfesten Grund, und nicht einmal das war mir Grund genug zu gehen. Wir wohnten zusammen, meine erste Wohnung nachdem ich ausgezogen war. Unsere Väter hatten gleichermaßen dazu beigetragen, unsere Hausstände in den zweiten Stock am Rand von Hannover zu schleppen. Es war mein schlechtes Gewissen und auch der blasse Gedanke, nicht auf eigenen Beinen stehen zu können. Dann wurde ich einundzwanzig, und irgendwie ging ich doch. In eine erste eigene Wohnung ins Zentrum der Stadt, vierzig Quadratmeter, der Balkon raus zu den Mülltonnen, mein Reich. Mein größtes Glück.

Dort gab es zum Anfang meiner Zwanziger den Medizinstudenten, der mich an einer Bar fand, nachdem ich aufgrund einer undefinierbaren Beigabe in meinem Drink zusammengebrochen war, und mich nach einem Blick in meine Tasche und auf meinen Personalausweis über die Schulter warf, um mich raus, über die Straße und in meine Wohnung in den ersten Stock zu tragen und meine Haare zu halten, als ich mich im Bad übergab. Als ich am nächsten Nachmittag ohne jede Erinnerung aufwachte, hatte ich in meinem aufgeschlagenen Terminkalender eine Notiz von ihm, die sich über drei Seiten zog und vom Abend, von meinem Zusammenbruch, unseren Gesprächen, an die ich mich nicht mehr erinnerte, und meiner, seiner Meinung nach, wirklich schrecklichen lila Dinosaurier-Bettwäsche handelte. Während ich schlief und er bis morgens um acht blieb, um zu sehen, ob ich noch atmete, füllte er mehrere Seiten. Am Ende seines Monologes stand seine Nummer. Er hatte mich gerettet, und ich war mir selbstverständlich sicher, wir würden heiraten.

Das taten wir nicht. Er war ein Mysterium. Ich passte ein Jahr in den Rahmen, den er vorgab, hatte Zeit, wenn er sich treffen wollte. Ich blieb bis drei Uhr nachts wach, wenn er noch vorhatte, sich zu melden. Währenddessen blieb er für mich unerreichbar. Er hielt uns lose, ich hinterfragte nie laut, warum er immer bei mir war, ich nie bei ihm. Eine feste Freundin war die Lösung des Rätsels, das ich erst ein Jahr später knackte. Was uns blieb, war nur eine schöne Geschichte und das bittere Gefühl, Teil einer Affäre gewesen zu sein, von der ich nichts gewusst hatte.

Um ihn herum hatte ich eine Boyband aufgebaut, vier weitere Männer, und der heiße Sommer in meiner Studienstadt. Es war dennoch ein schöner, ein freier Sommer. Mit meinen Freundinnen aus dem Studium zog ich durch die Studentenbars in Linden, wir übernachteten bei mir, um am nächsten Morgen zusammen zum Campus auf dem Expo Plaza zu fahren. Die Geschichte mit dem Medizinstudenten und mein Studium waren zeitgleich zu Ende, ich zog weg, postete „Man braucht keinen Grund zu gehen, wenn man keinen zum Bleiben hat“ und hoffte, dass er es sah. Ich glaube nicht, dass er das tat.

 

Also ging ich. Neuen Chancen entgegen, in die nächstgrößere Stadt, nur ein kleines Stück in den Norden, nach Hamburg. Ich verliebte mich neu, in die personifizierten Daddy Issues, zog bei ihm ein, wurde von ihm verlassen, zog wieder aus, während mein Platz an seiner Seite fließend ersetzt wurde. Er konnte sich nicht festlegen, während ich es längst getan hatte. Ich erlebte die dritte Verletzung in fünf Jahren, und damit mindestens eine zu viel. Ich kam nicht umhin, mich das erste Mal mit mir selbst auseinanderzusetzen. Wie eine Schneekugel, in der, alles einmal aufgeschüttelt, die Welt langsam wieder zu Boden fällt, bis sie unbeweglich vor sich hinatmet.

Ehrlich gesagt: Das war das Beste, was mir hätte passieren können. Ich entwickelte berufliche Ambitionen, kündigte und machte mich selbstständig, schrieb Beratungskonzepte, arbeitete frei in Agenturen und baute meinen Blog auf. Zu der Zeit zog auch meine kleine Hündin Penny bei mir ein. Ich entdeckte, wie gut mir Laufen tat, die Alsterrunde gehörte zu meinen Morgenritualen. Ich lernte, in mich hineinzuhören, mich mehr auf mein Bauchgefühl zu verlassen, ich kam zur Ruhe. Ich entwickelte ein Urvertrauen, das mir zu jeder Zeit sagte, dass alles immer gut werden wird. Dass mir, solange ich mich hatte, nichts passieren konnte.

 

Seither vertraute ich am meisten und vor allem mir selbst. Mit mir war ich sicher. Ich igelte mich ein in selbst gewählter Einsamkeit, ging sogar wieder eine neue Beziehung ein, aber nur eine über eine Entfernung. Wir sahen uns ausschließlich an den Wochenenden, manchmal bloß jedes zweite. Rückblickend war das für mich der Kompromiss, um eben nicht ganz in diese Liebe zu springen. Ich musste meine nach Farben sortierten Klamotten und Bücher nicht von seinen Hoodies und Thrillern unterbrechen lassen, musste mich nicht mit einer gemeinsamen Zukunft oder unserer Intensität auseinandersetzen. Wir waren ein Haltestopp, immer nur ein kurzes Wochenende, bis wir feststellten, dass es uns ohne einander genauso gut ging wie mit. Unser Ende war das erste, was ohne eine Lüge, ohne betrogen zu werden vonstattenging. Wir waren zwei Erwachsene, die sich eingestanden, dass sie schöne eineinhalb Jahre miteinander verbracht hatten, aber dass sie keine gemeinsame Zukunft sahen. Es war eine letzte Phase der Befreiung. Ich wollte endlich die unabhängige Frau werden, die ich mir mit sechzehn, und noch einmal ehrlicher mit einundzwanzig, versprochen hatte zu werden.

Nach vielen Beziehungen hatte ich mich selbst gefunden, in mir selbst, ganz für mich allein. Ich kostete das Leben mit jeder Faser aus, ich fühlte mich leicht. Ich bewohnte mit meinem Hund die weltschönste Wohnung in Hamburg, ließ mich durchs Leben treiben, ging tanzen, besuchte Festivals und Konzerte, um immer wieder allein zu mir zurückzukommen. Dates waren schön, wenn sie nicht zu lange gingen, nicht zu lange blieben, sich nicht zu sehr in meinem Leben einnisteten. Es eher antippten, wie eine Bewegung auf einem stillen Wasser. Ein paar Kreise zogen und dann wieder von selbst verebbten. Ich fühlte mich glücklich, lebendig. Ich konnte Männer mitreißen, aber nicht zu fest, bis ich mich losriss. Ich suchte das Weite, bevor etwas tiefer gehen konnte. Ich war zufrieden in meiner Sicherheit, nicht mehr als nötig aufs Spiel zu setzen.

 

Meine Geschichten in meinem letzten Jahr voller Dates, die ich im ersten Band Tinder Stories festhielt, waren meistens schon vorbei, bevor sie angefangen hatten. Wir betranken uns in schäbigen Kiez-Kneipen mit billigem Fusel, und nicht nur einmal wachte ich morgens in meinem Bett auf, ohne zu wissen, wie ich nach Hause gekommen war. Man kollidierte in einer kurzen Sequenz der Gegenwart, für einen Abend oder drei, um dann doch nur eine vergessene Nummer im gegenseitigen Telefonspeicher zu werden. Es funkte nicht direkt, und für mehr war keine Zeit. Wir konnten nicht darauf warten, Einblicke in Menschen zu erlangen, die uns nur halb interessierten, war doch alles überschattet von der großen Sehnsucht danach, uns selbst endlich kennenzulernen. Uns selbst zu sehen in den bunten Geschichten anderer Menschen, die eigenen Gestiken in fremden Gesichtern. Es ging um Bestätigung, den eigenen Spaß, darum, etwas zu erleben.

 

Dass zwei sich bis eben völlig Fremde nach zehn ausgetauschten Sätzen bereits mit der gegenseitigen Anziehung spielten – das faszinierte mich. Ich mochte das Feuer, und ich mochte es, mit ihm zu spielen. Die Unberechenbarkeit daran. Ich wollte nicht ankommen. Ich wollte die Welt sehen, mich selbst kennenlernen. Da war sicher, was nicht sicher war. Also alles, was kein Danach hatte.

Bis da einer war, der nicht mehr ging. Nick. Und mit ihm eine neue, eine andere Dimension von Glück in mein Leben trat. Ich war neu in Berlin, bereit für ein Abenteuer, für flüchtige Bekanntschaften, neue Freundschaften, ausschweifende Abende und diese neue Stadt. Wofür ich mich nicht bereit fühlte? Die Liebe. Ich hatte das nicht kommen sehen, er verscheuchte Grautöne und Zweifel.

 

Nick ist ein Lehramtsstudent Anfang dreißig, der sich gerne bei allem Zeit lässt. Wenn er mich ansieht und mir zuhört, legt er den Kopf meistens schief. Er guckt meine Serien mit mir, ohne sie ernst zu nehmen, und isst die Oliven auf, die aus Versehen in meinem Essen landen. Er geht für mein Empfinden ein bisschen zu oft zum Friseur, wobei ich seine Locken gerne ungebändigt und lang mag. Auf seinen schweren Holzmöbeln steht ein Plattenspieler, er hört Sinatra, Hendrix und Presley. Er läuft sehr aufrecht, weil er zu Schulzeiten der Kleinste seiner Klasse war, und hat ein breites Kreuz vom Rettungsschwimmen. Eine unserer ersten gefundenen Gemeinsamkeiten in der Unterhaltung bei unserem ersten Date war die, dass wir beide viele Jahre in Vereinen geschwommen sind. Wenn ich ihn umarme, meine Stirn an seinem Kinn, seine Arme schwer auf meinen Schultern, seine Hände, die meinen Rücken fest umfassen – dann fühle ich mich geborgen. Immerzu denke ich: Es gibt noch so viel mehr zu erzählen. Also mache ich mir Notizen über die Liebe. Ich beobachte den Alltag und schreibe ihn auf.

 

Ich war vierzehn, als ich mich das erste Mal verliebte, und es brauchte die doppelte Anzahl von Jahren, bis ich alles, was ich über die Liebe zu wissen glaubte, wieder auf den Kopf gestellt hatte.

Marie Luise Ritter

Über Marie Luise Ritter

Biografie

Marie Luise Ritter, geboren 1991, ist studierte Journalistin und hat sich erst Hamburg und jetzt Berlin zur Wahlheimat gemacht. Als Influencerin mit dem Fokus auf persönlichen, authentischen Geschichten nimmt sie ihre Leser:innen auf Instagram unter @luiseliebt mit – auf Reisen und Festivals, auf...

„Ja, man musste erst einmal reinwachsen in so eine große Stadt. Vielleicht war das mit Städten genauso, wie mit der Liebe.“

Marie Luise Ritter über ihr neues Buch

„Ich genieße das Gewicht von seinem Arm auf meiner Hüfte, als ich in der gleißenden Morgensonne aufwache. Die Vorhänge sind nur halb zugezogen, das Fenster über uns angekippt. Der Himmel drängt sich strahlend blau in die nackten, weißen Wände rund um unser Pensionsbett. Er riecht gut, hat seine Beine mit meinen verknotet und sein Kinn auf meiner Schulter abgelegt. Ich liege auf dem Rücken, den Blick zwischen Fenster und Decke irgendwo auf einem Punkt an der Raufasertapete verloren. Durch die Sonne in meinem Gesicht sehe ich alles nur in Umrissen. Der Abend davor ist dagegen glasklar. Ich schließe die Augen …“

Das Buch beginnt genau da, wo „Tinder Stories: Ein Jahr voller Dates“ aufhört. In kurzen Notizen habe ich das Jahr danach immer wieder festgehalten. Das ist mal rau, mal melancholisch, mal voller Lebensfreude. Es geht um meine Beziehung zur Liebe, um Liebe in Freundschaften, um die Liebe zu sich selbst — und wie sich genau diese Stück für Stück entwickelt.

Wovon handelt „Vom Nichts suchen und Alles finden?“
Ich schreibe über Liebe in der Großstadt, über meine Freundinnen und mich. Über Erlebnisse auf Reisen, süße Spontanbegegnungen in Hostels und Zügen, über meine Freundschaft mit einer älteren Dame. Ich schreibe über Verluste und übers Trauern, über das Scheitern vor großen Zielen und darüber, nach welcher Liebe wir eigentlich wirklich im Leben suchen.

Für wen ist das Buch etwas?
Für jeden, der eine schöne Reise vor sich oder gerade Liebeskummer hat, mal auf andere Gedanken kommen möchte oder einfach Lust auf ne Dosis Lebens Inspiration verpackt in schönen Sätzen hat. Für jeden, der sich in eine Geschichte voller Gedanken über die Liebe fallen lassen will, die zum Schwelgen und zum Nachdenken bringt. Und für jeden, der auf der Suche nach etwas ist — einer Beziehung, intensiven Freundschaften, einer neuen Heimat oder der großen Liebe.

Hinweis zur signierten Ausgabe

Liebe Leserinnen,

die limitierte Ausgabe von "Vom Nichts suchen..." mit Autogramm von Marie Luise Ritter ist leider bereits vergriffen. 

Medien zu „Vom Nichts suchen und Alles finden“
Kommentare zum Buch
Berührend, zum Nachdenken und Mitfühlen
Anna-Lena am 25.10.2020

Nachdem ich bereits begeistert von Tinder Stories war und auch sonst die Beiträge von Marie Luise auf ihrem Blog und Instagram wunderschön finde, habe ich auch direkt die “Fortsetzung“ vorbestellt und wurde nicht enttäuscht. Luise nutzt eine besondere, berührende Sprache die einen jeden Satz fühlen lässt! Danke für dieses Bücher-Highlight in 2020 ❤

Vom nichts suchen und alles finden
Jasmin am 19.08.2020

Einfach wunderschön! Liebe, Freundschaft und einfach das Leben! Mega sympathische Autorin, verändert den Blick auf’s Leben. Während des Lesens die Spannung wie es weiter geht und doch ein weinendes Auge, je näher man dem Ende kommt! Eine absolute Herzensempfehlung!

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