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The Mother – Sie hat den Mord nicht begangen. Doch wie soll sie es beweisen? The Mother – Sie hat den Mord nicht begangen. Doch wie soll sie es beweisen? - eBook-Ausgabe

T.M. Logan
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Thriller

— Der Sunday-Times-Bestseller
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€ 13,00 inkl. MwSt. Erscheint am: 04.07.2025 In den Warenkorb Im Buchshop Ihrer Wahl bestellen
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The Mother – Sie hat den Mord nicht begangen. Doch wie soll sie es beweisen? — Inhalt

Die ganze Welt denkt, du bist eine Mörderin. Wie überzeugst du sie vom Gegenteil?

Eine einzige Nacht verändert Heathers Leben schlagartig. Nach einem Streit findet sie ihren Mann Liam erstochen auf der Couch vor. Heather selbst ist die einzige Verdächtige. Obwohl sie sich nicht an den Abend seines Todes erinnern kann, wird sie verurteilt. Den Kontakt zu ihren kleinen Söhnen unterbinden die Schwiegereltern. Zehn Jahre später kommt Heather aus dem Gefängnis frei und hat nur ein Ziel: ihre Unschuld zu beweisen, um ihre Söhne zurückzubekommen. Doch es gibt jemanden, der großes Interesse daran hat, die Wahrheit für immer zu vertuschen. Und dieser jemand kennt keine Grenzen ...

Ein atemberaubender Thriller über eine Frau, die alles riskiert, um ihre Söhne zurückzubekommen

„Ein scharfsinniger und emotionsgeladener Thriller, der mich bis spät in die Nacht hinein gefesselt hat. Das ist T.M. Logan in Höchstform!“ LUCY CLARKE

„Der Meister des packenden Thrillers!“ MY WEEKLY

„Ein unwiderstehlicher neuer Thriller! Logan hat einen raffinierten Plot mit wechselnden Loyalitäten und sich überschneidenden Zeitachsen entwickelt, aber der eigentliche Star in ›The Mother‹ ist die kämpferische, fehlerbehaftete Titelfigur. Sie ist eine Mutter wie keine andere.“ A. J. FINN


€ 13,00 [D], € 13,40 [A]
Erscheint am 04.07.2025
Übersetzt von: Sonja Rebernik-Heidegger
512 Seiten, Klappenbroschur
EAN 978-3-492-32161-7
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€ 10,99 [D], € 10,99 [A]
Erscheint am 04.07.2025
Übersetzt von: Sonja Rebernik-Heidegger
512 Seiten
EAN 978-3-492-61138-1
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Leseprobe zu „The Mother – Sie hat den Mord nicht begangen. Doch wie soll sie es beweisen?“

Freitag, 22. September 2023

Ich beobachte alles von der im Dunkeln liegenden Empore im hinteren Teil der Kirche aus, wo ich den anderen Anwesenden verborgen bleibe.

Die Haare unter der Wollmütze sind kurz geschnitten, an den Seiten rasiert und schwarz gefärbt. Die schwere Jacke lässt meine Schultern breiter wirken. Den Kragen habe ich hochgeschlagen, denn aus den dicken Steinmauern dringt eine für die Jahreszeit ungewöhnliche Kälte. In dem schwarzen Brillengestell sind keine Gläser eingefasst, bloß durchsichtiges Plastik. Ich verhalte mich leise und ruhig [...]

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Freitag, 22. September 2023

Ich beobachte alles von der im Dunkeln liegenden Empore im hinteren Teil der Kirche aus, wo ich den anderen Anwesenden verborgen bleibe.

Die Haare unter der Wollmütze sind kurz geschnitten, an den Seiten rasiert und schwarz gefärbt. Die schwere Jacke lässt meine Schultern breiter wirken. Den Kragen habe ich hochgeschlagen, denn aus den dicken Steinmauern dringt eine für die Jahreszeit ungewöhnliche Kälte. In dem schwarzen Brillengestell sind keine Gläser eingefasst, bloß durchsichtiges Plastik. Ich verhalte mich leise und ruhig und verschmelze mit den Schatten, die mir seit gestern Abend Schutz bieten.

Mein Blick ruht auf den beiden Jungen in der ersten Reihe. Sie sehen gut aus in ihren dunklen Anzügen, den weißen Hemden und mit adrett gekämmten Haaren.

Ich verwandle mein Herz zu Stein.

Es gelingt mir mittlerweile mühelos. Ich stelle mir vor, dass es nicht aus Fleisch und Blut besteht, sondern aus Granit oder Marmor. Ein harter, faustgroßer Klumpen in meiner Brust, dem nichts etwas anhaben kann. Nur so konnte ich überleben.

Ich reiße den Anblick von den Jungen los und sehe mich stattdessen in der Kirche um. Dunkel lasierte, von der Zeit glatt geschliffene Eichenholzbänke, so hart und unnachgiebig wie eine Gefängnispritsche. In Schwarz gebundene Liederbücher und staubige Kniekissen.

Ein schmuckloser Sarg im Mittelschiff, keine Blumen.

Natürlich ist auch die Presse da. Nicht so viele wie bei der Beerdigung meines Mannes, als es – dem Vernehmen nach – nur noch Stehplätze gab, aber trotzdem eine Handvoll Leute, die etwas abseits von der kleinen, verstreuten Gruppe aus Familienmitgliedern und Bekannten Platz genommen haben. Sie tippen auf ihren Handys herum und machen verstohlen Notizen, Tonaufnahmen und Fotos. Ich kenne kaum eines der Gesichter, und ich bin mir sicher, dass sie mich nicht wiedererkennen würden. Nicht jetzt. Und vor allem nicht hier.

Der Pfarrer beginnt mit seiner kurzen, wenig geistreichen Trauerrede. Seine gewaltige Stimme hallt von der gewölbten Steindecke der Kirche wider, seine Worte zerreißen die Stille.

„Wir haben uns heute hier versammelt, um Heather Elizabeth Vernon zu gedenken.“ Er wirft einen Blick auf seine Notizen. „Wir versuchen, Heather nicht aufgrund einer einzigen Tat in Erinnerung zu behalten, sondern aufgrund dessen, was für ein Mensch sie war. Wir bitten den Herrn, ihr jedwede Sünden zu vergeben, die sie aus menschlicher Schwäche heraus begangen hat, und sich an Heather als Mutter, Tochter, Freundin und Kollegin zu erinnern. Wir sprechen ihren Söhnen, Theo und Finn, unser tief empfundenes Beileid aus und bitten den Herrn, ihnen die Kraft zu geben, die guten Erinnerungen in Ehren zu halten.“

Er klingt bedauernd, beinahe zaghaft, als hätte er Angst vor einem wütenden Zwischenruf aus der Trauergemeinde.

Ich blende seine Stimme aus und bewege meinen Kopf nur wenige Millimeter, während ich die anderen Anwesenden auf der Suche nach einem bekannten Gesicht mustere. Nach jemandem aus meinem früheren Leben. Nach meinen Freunden, ehemaligen Nachbarn und dem, was von meiner Familie noch übrig ist. Ich sehe ein paar vertraute Züge, aber die meisten sind Fremde.

Die kurze Trauerrede neigt sich bereits dem Ende zu, als ich den Blick wieder auf die beiden Jungen in der ersten Reihe richte. Sie sind umgeben von Menschen, wirken aber dennoch – zumindest in meinen Augen – schrecklich allein. Der jüngere, Finn, hält den Kopf gesenkt, und seine Schultern beben, während er leise vor sich hin schluchzt. Ich verspüre das vertraute Ziehen in meiner Brust. Der Stein wird weicher, der Marmor bröckelt. Das Verlangen, zu ihm zu gehen, ihn zu trösten, neben ihm zu sitzen und seine Hand in meiner zu halten, ist unbeschreiblich. Er ist gerade erst dreizehn geworden. Er war ein Spätsommerbaby, das eine Woche nach dem errechneten Termin auf die Welt kam. Mit einem Schopf dunkler Haare und den blauesten Augen, die ich je gesehen habe. Theo ist einen Kopf größer, und die Ähnlichkeit zu seinem Vater ist schon jetzt so eklatant, dass sie mir beinahe den Atem raubt. Er wirkt unbeweglich wie eine Statue und starrt geradeaus, als würde er einen Punkt über dem Altar fixieren. Der Ältere scheint fest entschlossen, nicht zusammenzubrechen, nicht zu weinen, und hat seinem kleinen Bruder den rechten Arm um die Schultern gelegt.

Ich frage mich, ob sie manchmal über ihre Mutter sprechen, die sie im Grunde schon viele Jahre vor dem heutigen Tag verloren haben. Ob es irgendwo Fotos von uns vieren gibt oder ob man sie alle von den Wänden genommen und in eine Kiste gesteckt hat, die irgendwo auf einem staubigen Dachboden ihr Dasein fristet. Vielleicht hat man sie auch längst im Kamin des großen Hauses in Bath verbrannt. Ich frage mich, ob sie glauben, was man ihnen erzählt hat. Ob sie es von Anfang an geglaubt haben oder ob da immer leise Zweifel waren. Ein Funken Zuversicht, dass ich das, was mir vorgeworfen wurde, nicht getan haben kann.

Ich frage mich, ob sie mir jemals verzeihen werden.

Hier, im Schatten im hinteren Teil der Kirche, stehe ich und wiederhole mein Mantra. Mein Gebet. Mein Versprechen. Fünf Worte, die mich so oft vom Rande des Abgrunds zurückgeholt haben, dass ich es nicht in Worte fassen kann.

Ich komme zu euch zurück.

Auch wenn der Trauergottesdienst, die Kirche und der Sarg etwas anderes vermuten lassen.

Es ist keine große Kirche. Ich befinde mich vielleicht fünfundzwanzig Meter hinter ihnen, aber ich könnte genauso gut auf der anderen Seite der Weltkugel sein. Trotzdem ist das Verlangen, mich ihnen zu zeigen, beinahe überwältigend groß. Ich stelle mir vor, wie ich die schmale Steintreppe nach unten steige und den Mittelgang entlanggehe, um schließlich die Kappe, die Brille und die Jacke abzulegen, sodass sie in mein Gesicht sehen können. Ich stelle mir vor, wie ich sie in die Arme schließe und an mich ziehe. Wie ich ihnen sage, dass sie nicht alleine sind und dass ihre Mutter sie niemals wieder verlassen wird.

Aber das ist nicht möglich. Noch nicht.

Nicht, solange sie sich hier auf meiner Beerdigung befinden.


1

Freitag, 12. Juli 2013

Theo wollte nicht ins Bett. Er war gerade in einem Alter, in dem Kinder so lange wie möglich wach bleiben wollen und einen Grund nach dem anderen finden, warum sie nicht einschlafen können. Ihm war zu heiß oder zu kalt, er war hungrig oder durstig, er hatte Angst oder musste noch mal auf die Toilette. Wenn ihn schließlich doch der Schlaf übermannte, schlief er die ganze Nacht durch – doch bis dahin war er fest entschlossen, möglichst viel Zeit herauszuschinden.

Ich hatte ihm eine zweite Geschichte vorgelesen, ihm zum zweiten Mal einen Gutenachtkuss gegeben und zum zweiten Mal das Licht ausgemacht. Wir hatten nachgesehen, ob sein Kissen umgedreht und die Decke festgesteckt war, und wir hatten sichergestellt, dass sein Nachtlicht funktionierte.

Ich versuchte, nach zwei Geschichten eine Grenze zu ziehen, denn ich hatte genug Elternratgeber gelesen und wusste, dass es am besten war, sich gar nicht erst auf diese Art von Verhandlungen einzulassen, mit denen er schon vor seinem vierten Geburtstag begonnen hatte.

Aber die Theorie war eine Sache, die Realität eine andere. Wenn Theo weiter so herumbrüllte, würde er seinen kleinen Bruder wecken, und dann wären beide Jungs noch stundenlang wach, was dazu führen würde, dass wir alle drei am nächsten Tag unleidig, mürrisch und sogar noch erschöpfter wären als ohnehin schon. Denn ganz egal, wie lange die beiden am Vortag wach gewesen waren, am darauffolgenden Morgen bot sich immer dasselbe Bild: Der zweijährige Finn kletterte irgendwann vor sieben aus dem Bett und weckte seinen großen Bruder. Ich war unglaublich müde, aber gleichzeitig von einer inneren Anspannung und Unruhe erfüllt, und ich wusste schon jetzt, dass ich ohne meine Tabletten keinen Schlaf finden würde. Außerdem musste ich dringend das Abendessen für Liam und mich kochen, eine weitere Ladung in die Waschmaschine stecken und an dem Bericht weiterarbeiten, den ich dieses Wochenende fertigstellen sollte.

Es blieb nie genug Zeit.

Vor allem nicht morgen, denn ich hatte die Jungs ab dem späten Vormittag, wenn für beide der Schwimmkurs anstand, und anschließend musste ich Theo zum Fußball und Finn zu einer Geburtstagsparty bringen. Außerdem hatte ich ihnen versprochen, dass wir mal wieder auf den Spielplatz gehen würden, und der Hund musste ebenfalls raus. Liam hatte so gegen Mittag Sprechstunde in seinem Wahlkreisbüro und danach einen Pressetermin bei der Tafel im Ort, und …

Wo, zum Teufel, steckte mein Mann eigentlich?

Ich sah erneut auf die Uhr. Zehn Minuten vor acht. Ich wollte nie zu den Frauen gehören, die ihren Ehemännern ständig hinterhertelefonieren und über jeden ihrer Schritte Bescheid wissen, aber Liam hatte schon vor einer Stunde zu Hause sein wollen. Andererseits arbeitete er in letzter Zeit häufig länger. Eigentlich ständig. Mir war klar, dass es Teil der Verpflichtung war, die er eingegangen war. Aber andauernd? Und vor allem an einem Freitagabend?

Mein Handy lag zum Laden auf der Kücheninsel. Ich entsperrte es, um zu sehen, ob eine neue Nachricht von Liam eingegangen war. Ich hatte einige neue Nachrichten in den diversen Gruppenchats – eine Müttergruppe, meine Chorgruppe und eine Nachbarschaftsgruppe –, die ich später lesen würde, aber nichts Neues von Liam. Seine letzte Nachricht hatte er eine Minute vor 3 Uhr nachmittags abgeschickt.

Es wird wieder später, tut mir leid. Die Ausschusssitzung dauert noch, anschließend geht’s für ein paar Drinks in den Terrace Pavilion. Komme gegen 7?

Ich war zu dem Zeitpunkt selbst gerade von einem Meeting zum nächsten gehetzt und hatte geantwortet:

Okay, bis später.

Worauf mein Mann mit einem Daumen hoch reagiert hatte.

Seitdem hatte er sich nicht mehr gemeldet. Und am Ende seiner Nachricht gab es auch kein Kuss-Emoji. Wann hatte er damit aufgehört? Und wenn ich schon dabei war: Wann hatte ich damit aufgehört? Vor Monaten? Oder vor Jahren? Am Beginn unserer Ehe hatten wir nie darauf verzichtet. Mittlerweile war es eines der Dinge, die im täglichen Kampf, das Familienleben mit zwei kleinen Kindern zu meistern, verloren gegangen waren.

Ich legte das Handy beiseite und griff nach der Weinflasche auf der Anrichte. Ich hatte am Vorabend zwei Gläser zu einem (sehr) späten Abendessen getrunken, aber sie war noch zur Hälfte voll. Ich goss mir ein großzügiges Glas ein, lehnte mich an die Arbeitsplatte, nippte daran und genoss den kräftigen, fruchtigen Geschmack des französischen Rotweins, während mit dem ersten Schluck auch meine innere Anspannung nachließ. Dann lauschte ich gebannt auf mögliche Geräusche aus dem Obergeschoss.

Bitte schlaf, mein Liebling. Bitte wecke deinen Bruder nicht auf. Nur dieses eine Mal. Für mich. Nur heute Abend.

Es herrschte eine wunderbare Stille, in der nur das Ticken der Uhr an der Küchenwand zu hören war. Das Licht war gedämpft und die schwarze Arbeitsfläche aus Granit endlich von dem Spielzeug, den Ausmalbüchern und den schmutzigen Tellern befreit, an deren Stelle mein geöffneter Laptop getreten war. Die Küche war der Hauptgrund gewesen, warum ich mich für das Haus entschieden hatte – die Küche und natürlich auch die guten Schulen in der Nähe. Ich mochte das Gefühl, das mir dieser Raum mit seinen klaren Linien und dem italienischen Marmor vermittelte, bis heute.

Über den Fernseher an der Wand flimmerten nun, da die Kinder endlich im Bett waren, lautlos die Nachrichten, und ich betrachtete die ablaufenden Bilder einen Moment lang, nippte an meinem Wein und versuchte, den ersten friedlichen Moment des Tages noch ein wenig hinauszuzögern. Ich sah Premierminister David Cameron in Brüssel, gefolgt von Andy Murray mit seinem Wimbledonpokal, und spürte, wie ich mich entspannte, dann wandte ich mich ab und nahm die Zutaten für die geplanten Spaghetti Carbonara aus den Schränken.

Unser Welpe Jet lag zusammengerollt in seinem Körbchen neben dem Heizkörper. Liam hatte den knuffigen, mittlerweile sechs Monate alten Collie vor einiger Zeit nach Hause gebracht, nachdem die Jungs ihm immer wieder wegen eines Hundes in den Ohren gelegen hatten. Jet war ein Geschenk an unsere Söhne gewesen, gab Liam aber auch ein zusätzliches Gefühl der Sicherheit, da er aufgrund seines Jobs immer mehr im Licht der Öffentlichkeit stand und oft unterwegs war. Ein weiteres Paar Augen, das einen Blick auf meine Familie wirft, hatte er gesagt, und Jet beschützte die beiden Jungs schon jetzt sehr beherzt und war unglaublich tolerant, was ihre enthusiastischen Liebesbekundungen betraf. Ich liebte den schwarz-weißen Welpen ebenfalls, aber Liam war tatsächlich selten zu Hause, was bedeutete, dass Jet zu einem weiteren Punkt in meinem Verantwortungsbereich geworden war. Seine Pfoten zuckten im Schlaf, offenbar jagte er im Traum einer Schafherde hinterher.

Ein Schrei erklang.

Zwei schrille Silben, die meinen Kopf in Richtung des Geräusches herumfahren ließen wie bei einem Terrier, der Witterung aufgenommen hat.

„Mummy?“

Ich seufzte, stellte das Weinglas ab und machte mich langsam auf den Weg in den Flur. Meine Beine waren schwer wie Blei, als ich schließlich ein weiteres Mal die Treppe nach oben stieg. Ich drückte die Tür ins Zimmer meines älteren Sohnes auf, und meine Füße versanken in dem dicken, weichen Teppichboden. Theo saß aufrecht im Bett, umhüllt von dem sanften Schein des Nachtlichtes auf dem Boden.

„Ich kann nicht schlafen“, sagte er mit leiser, trauriger Stimme. „Kann mir Tante Amy noch eine Geschichte vorlesen?“

„Amy ist nach Hause gefahren, Theo. Sie fährt immer, bevor ihr zu Bett geht, das weißt du doch.“

Meine Schwägerin holte die Kinder montags und freitags von der Kita, kochte das Abendessen für sie und hielt die Stellung, bis ich von der Arbeit nach Hause kam. Sie war ein Teil des komplizierten Uhrwerks, das es uns ermöglichte, die Arbeitswoche zu überstehen. Amy blieb auch länger, wenn wir sie darum baten – sie war sehr stolz darauf, die Lieblingstante der Jungs zu sein –, aber ich wollte ihr nicht zu viel abverlangen.

„Ich habe heute in der Kita ein Bild für dich gemalt, Mummy.“ Er zog ein gefaltetes Blatt Papier unter dem Kissen hervor, auf dem ein großer Schmetterling zu sehen war, den er sorgfältig mit gelbem und violettem Buntstift ausgemalt hatte. „Gefällt es dir?“

„Sehr hübsch, Theo.“ Ich nahm die Zeichnung mit einem Lächeln entgegen und legte sie auf seinen Nachttisch. „Aber jetzt ist Schlafenszeit.“

„Ich will Jet sehen.“

„Jet schläft, Theo. Und du solltest das jetzt auch tun.“

„Ich kann nicht schlafen. Daddy soll mir eine Geschichte vorlesen.“

Ich seufzte. Es entwickelte sich zu einer dieser endlosen Diskussionen, die sich ständig im Kreis drehten und in denen mein Sohn mittlerweile Experte war.

„Daddy arbeitet, Theo.“

„FaceTime?“, flüsterte er hoffnungsvoll.

„Er kommt sicher bald nach Hause, und dann schicke ich ihn hoch. Aber nur, wenn du wirklich leise bist. Du musst so leise sein wie eine Maus und dich bemühen, bald einzuschlafen, okay?“ Ich gab ihm einen Kuss auf die Stirn, drückte ihn zurück aufs Kissen und zog die Decke hoch. „Und jetzt Äuglein zu.“

Ich verließ das Zimmer, zog die Tür hinter mir zu, bis sie nur noch einen Spaltbreit geöffnet war, und dimmte das Licht. Dann hielt ich einen Moment vor dem Nachbarzimmer inne und lauschte. Ich hatte Glück, Theo hatte Finn nicht geweckt.

Zurück in der Küche, machte ich mich sofort an die Arbeit, rieb den Parmesan und brachte Wasser in einem Topf zum Kochen, während ich stets wachsam blieb, falls Theo sich immer noch weigerte einzuschlafen.

Ich warf einen neuerlichen Blick auf mein Handy. Kein Lebenszeichen von Liam. Ich rief ihn an, doch niemand hob ab, und am Ende meldete sich die Voicemail.

Anfangs war alles an seinem neuen Job unbekannt und aufregend gewesen, und vor allem die Jungs waren jedes Mal ganz aus dem Häuschen, wenn sie ihren Dad im Fernsehen und in der Zeitung entdeckten; ich hingegen war zunächst ganz erpicht auf Klatsch- und Tratschgeschichten aus dem Parlament gewesen. Aber es hatte nicht lange gedauert, bis sich der Glanz verflüchtigt hatte. Theoretisch teilten wir uns alles – die Kinder, die Hausarbeit, die Rechnungen und alle anderen Verantwortlichkeiten –, und theoretisch war meine Karriere genauso wichtig wie Liams. Aber in der Praxis war ich es, die nur wenige Kilometer von der Kita entfernt arbeitete, die die Kinder hinchauffierte und wieder abholte und die alles stehen und liegen lassen musste, wenn etwas passierte. Es gab mittlerweile unglaublich viele Menschen, die ein Fitzelchen Zeit meines Mannes für sich beanspruchten, und für mich und die Jungs blieb immer weniger übrig. Was bedeutete, dass die Dinge zu Hause an mir hängen blieben.

Ich griff nach der Weinflasche und füllte mein Glas wieder auf.


2

Ich wollte mich nicht mit Liam zoffen. Ich hatte keine Energie dafür, trotzdem passierte es an Abenden wie diesem viel zu leicht, dass unsere Gespräche einen aggressiven Unterton annahmen und wir uns nur noch darüber unterhielten, wer müder war, wer weniger geschlafen hatte und wer am meisten mit den Jungs getan oder im Haushalt erledigt hatte. Wir verschwendeten die wenige Zeit, die wir gemeinsam – als Paar – verbrachten, oft mit sinnlosen Kabbeleien, die ich am Ende fast immer bereute. Meistens wusste ich im Nachhinein nicht einmal mehr, wie es angefangen hatte, trotzdem kam es in den letzten Monaten immer häufiger vor, dass die Abende im Streit endeten.

All das rief ich mir noch einmal in Erinnerung, als ich schließlich seinen Schlüssel in der Tür hörte. Ich lümmelte mit dem Laptop auf den Oberschenkeln auf dem Sofa, Liams Spaghetti Carbonara waren im Topf zu einem Klumpen geronnen, und im Fernsehen lief eine Comedyshow.

Als sich die Haustür mit einem metallischen Klicken öffnete, warf ich einen Blick auf die Uhr auf dem Kaminsims. Eine Minute nach halb zehn.

Liam kam ins Wohnzimmer, ließ seine Aktentasche auf den Boden fallen und warf seine Anzugjacke über eine Stuhllehne. Sein weißes Hemd war zerknittert, seine Krawatte auf halbmast, und die ersten Bartstoppeln warfen einen dunklen Schatten auf sein kantiges Kinn. Er wirkte müde und abgekämpft, aber das tat seinem Charme und seiner mühelosen Attraktivität, die ihn zum Liebling der Boulevardpresse machten, keinen Abbruch.

„Hey“, sagte er. „Tut mir leid, dass ich so spät dran bin. Mein Gott, was für ein Tag! Die Ausschusssitzung war ein Albtraum, und ich bin erst um sechs zu dem Empfang gekommen, wo mich der alte Strachan sofort in Beschlag genommen hat. Ich konnte einfach nicht früher fort.“

Er beugte sich nach unten und drückte mir einen schnellen Kuss auf die Wange. Ich spürte seine Bartstoppeln auf meiner Haut, und der scharfe Geruch von billigem Weißwein stieg mir in die Nase. Aber da war noch etwas anderes. Etwas … Süßes?

„Wer war sonst noch dort?“

Er winkte ab. „Ach, du weißt schon, die üblichen Verdächtigen und ein paar Leute, die Strachan beeindrucken wollten. Er wollte mich ein paar Mitgliedern einer amerikanischen Delegation vorstellen, und es war ein ziemlicher Marathon, denn sie fuhren schweres Geschütz auf. Da war der Vizepräsident der Europaabteilung und …“

Sein Handy läutete irgendwo in seiner Anzugjacke, dem Klingelton nach zu schließen, war es der Geschäftsanschluss. Er holte es aus seiner Tasche und warf einen kurzen Blick darauf, lehnte den Anruf jedoch ab.

Ich schloss den Laptop und stellte ihn auf den Boden. „Dein Abendessen steht in der Küche. Spaghetti Carbonara. Ich dachte, wir könnten uns einen Film ansehen?“

Er verzog verlegen das Gesicht. „Tut mir leid, ich habe schon gegessen.“

„Oh.“ Wut stieg in mir hoch, und ich schluckte den bissigen Kommentar hinunter, der mir bereits auf der Zunge lag. „Okay.“

„Tut mir leid, Schatz, es gab ein großes Buffet, und ich konnte nicht …“ Er brach ab, als er mein Gesicht sah. „Wie geht es den Jungs? War heute alles in Ordnung?“

„Ja“, erwiderte ich. „Sie hatten beide einen guten Tag, und deine Schwester hat ihnen Pfannkuchen zum Abendessen gemacht, mir beim Baden geholfen und Finn eine Geschichte vorgelesen.“

Offenbar las er zwischen den Zeilen – deine Schwester, die unsere Jungs häufiger zu Gesicht bekommt und mehr zum Alltag beiträgt als du –, denn in diesem Moment huschte ein Ausdruck über sein Gesicht, den ich nicht deuten konnte. Es dauerte nur einen kurzen Moment lang, dann war er verschwunden.

„Wie geht es meiner kleinen Schwester?“ Er zog sich die dunkle Krawatte vom Hals und legte sie über seine Anzugjacke. „Alles okay bei ihr?“

„Sie war wunderbar, wie immer. Ich glaube, die Jungs wollen, dass sie bei uns einzieht.“

„Ja, das kann ich mir vorstellen.“ Er wandte sich ab, um das Wohnzimmer zu verlassen. „Ich gebe ihnen nur noch schnell einen Gutenachtkuss.“

„Liam?“

Er drehte sich um. „Ja?“

„Muss das sein? Am Ende weckst du Theo, und es war ein absoluter Albtraum, ihn überhaupt zum Einschlafen zu bewegen. Ich bin ständig die Treppe auf und ab gelaufen.“

„Oh.“ Er nickte enttäuscht. „Okay.“

Ich deutete auf mein halb leeres Weinglas. „Im Kühlschrank steht noch eine offene Flasche Weißwein.“

„Heute Abend nicht mehr.“ Er fuhr sich mit den Händen übers Gesicht. „Der Billigwein aus dem Parlament vertreibt auch die Lust auf das gute Zeug.“

Ich musterte ihn genauer. „Du siehst zu Tode erschöpft aus, Liam. Soll ich morgen mit den Jungs aufstehen, damit du ausschlafen kannst?“

„Nein, schon gut, ich stehe auf.“ Er lächelte verlegen. „Ich habe sie diese Woche kaum gesehen.“

„Also … ein Film.“ Ich klopfte auf das Sofakissen neben mir und setzte meinerseits ein Lächeln auf. „Du darfst aussuchen. Was auch immer du willst, solange Jason Statham nicht mitspielt.“

Sein Lächeln gefror. „Ehrlich gesagt … ehrlich gesagt, muss ich bis morgen noch ein paar Dinge erledigen.“

Ich spürte, wie sich auch mein Lächeln verabschiedete. Der vertraute Unmut darüber, dass seine Arbeit so alles verzehrend war, dass wir nicht mal am Freitagabend eine Stunde lang Zeit miteinander verbringen konnten, machte sich in mir breit. Die Nebenbuhlerin in unserer Ehe – seine Arbeit – schien wichtiger als alles andere.

„Okay“, sagte ich, griff nach meinem Weinglas und wandte mich wieder dem Fernseher zu.

„Tut mir leid, Liebling.“ Er legte zerknirscht die Hände aufeinander. „Ich muss noch einige Unterlagen durchgehen, damit ich morgen auf dem aktuellen Stand bin.“

Ich ignorierte ihn. Ich hatte es versucht und war gescheitert. Mehr gab es nicht zu sagen. Ich würde mich an einem Freitagabend sicher nicht auf eine lange Diskussion mit ihm einlassen.

Er zog sich in sein Arbeitszimmer zurück, das ans Wohnzimmer grenzte.

Ich verbrachte zehn wutschnaubende Minuten damit, mich auf der Suche nach etwas Brauchbarem durch die Kanäle zu zappen, dann machte ich den Fernseher entnervt aus und schleuderte die Fernbedienung aufs Sofa.

Liam telefonierte, aber die Worte waren durch die angelehnte Tür nicht zu verstehen.

Es war nicht seine Schuld, das war mir klar. Er versuchte bloß, es allen recht zu machen. Er konnte nicht Nein sagen.

Ich erhob mich und griff nach seiner Anzugjacke, um sie auszuschütteln und im Flur auf einen Kleiderhaken zu hängen. Dabei nahm ich erneut den fremden Geruch wahr. Ich schnupperte. Da. Hatte er ein neues Aftershave? Ich hatte dieses Odeur noch nie an ihm gerochen. Ich warf einen schnellen Blick auf die Tür seines Arbeitszimmers und wollte schon die Hand in die Innentasche stecken, doch ich hielt mich zurück. Ich war nicht diese Art von Ehefrau. Und er war nicht diese Art von Ehemann. Zwar kam er in letzter Zeit tatsächlich häufig zu spät nach Hause, wir verbrachten kaum noch Zeit miteinander, und er hatte ständig eines seiner Handys in der Hand, aber das war Teil seines Jobs.

Er war einfach schwer beschäftigt, mehr nicht.

Ich hängte die Anzugjacke zwischen die Jacken der Jungs und kehrte in die Küche zurück, um den Abwasch zu erledigen. Meine Wut bezog sich nicht auf ihn, sondern auf seine Arbeit, das war mir klar, und langsam verflog der Ärger wieder. Morgen Abend würden wir die Jungs früh ins Bett stecken, und dann würde ich ein wenig Zeit mit Liam verbringen. Sonntag war sein freier Tag, und wir würden ihn zusammen erleben. Nur wir vier, vielleicht bei einem Picknick und ein bisschen Kicken im Royal Victoria Park? Liam und Finn gegen Theo und mich, so teilten wir normalerweise unsere Teams ein: der Größte und der Kleinste gegen die beiden in der Mitte.

Meine Hände steckten tief im Seifenwasser, als im Flur ein Handy zu läuten begann. Cigarettes & Alcohol von Oasis in voller Lautstärke. Liams Privathandy. Ich schnappte mir ein Geschirrtuch und lief in den Flur, sonst weckte der Lärm womöglich noch die Jungs. Ich holte Liams iPhone aus der Brusttasche seiner Anzugjacke, und mein Blick fiel auf das Display. Ein vertrauter Name. Liam versuchte, das private und das geschäftliche Handy strikt zu trennen, um Arbeits- und Familienleben nicht zu vermischen, aber das war nicht immer möglich.

Ich kannte die Anruferin und wollte bereits abheben, als der Oasis-Song abrupt verstummte.

Ich steckte das Handy zurück in Liams Jacke und lauschte auf die Jungs.

Es war alles ruhig.

Ich kehrte in die Küche zurück, wo noch ein Berg Geschirr auf mich wartete. Meine Gedanken wanderten zu dem Bericht, den ich am Montag abgeben musste, und ich fragte mich, ob es zu spät war, um noch ein wenig daran zu arbeiten. Morgen hatte ich fast den ganzen Tag mit den Jungs zu tun, und ich ließ mir nicht gerne bis zur letzten Minute Zeit.

Liams Handy klingelte erneut.

Dieses verdammte Ding.

Ich eilte zurück in den Flur und griff zum zweiten Mal in Liams Brusttasche. Dieselbe Anruferin. Ganz offensichtlich wollte sie Liam um 10 Uhr an diesem Freitagabend unbedingt erreichen. Abermals wollte ich gerade abheben, als das Handy wieder verstummte.

Worum auch immer es ging, es konnte offenbar nicht warten. Ich machte mich auf den Weg zu Liam. Die Tür war nicht ganz geschlossen, ich hörte die Stimme meines Mannes auf der anderen Seite. Er sprach leise, die Worte waren kaum zu verstehen.

Das iPhone klingelte zum dritten Mal und vibrierte in meiner Hand.

Ich drückte die Tür auf. Liam hatte sich abgewandt und saß nach vorne gebeugt in seinem Schreibtischsessel. Die Ellbogen auf den Knien, den Kopf gesenkt. Er drückte sein Arbeitshandy, ein Samsung, ans Ohr, und seine Stimme klang leise und verschwörerisch.

„Nein, ich muss es tun“, sagte er gerade, „und du weißt, warum. Ich kann nicht mehr so weitermachen. Ich muss ehrlich sein und es ihr sagen …“ Er verstummte allerdings sofort, als er mich im Türrahmen sah. „Hör zu“, meinte er eilig. „Ich muss jetzt Schluss machen.“

Er beendete abrupt den Anruf, während die Stimme der Frau am anderen Ende der Leitung noch weiter zu vernehmen war.

T.M. Logan

Über T.M. Logan

Biografie

T.M. Logan wurde in Berkshire als Sohn eines englischen Vaters und einer deutschen Mutter geboren. Er war Wissenschaftsreporter bei der Daily Mail und arbeitete anschließend in der Hochschulkommunikation. Seit 2017 lebt T.M. Logan vom Schreiben – und das extrem erfolgreich: Mit seinen Thrillern hat...

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