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Kein Schweigen im Walde

Madlen Ziege
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Wie Tiere und Pflanzen miteinander kommunizieren

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Kein Schweigen im Walde — Inhalt

Die Sprache von Tieren und Pflanzen

„Es ist immer wieder erstaunlich, wie gesprächig die Natur ist – sehr erhellend und unterhaltsam!“ Peter Wohlleben

Wie sich Fuchs und Tanne gute Nacht sagen 


Wussten Sie, dass Fische lügen? Oder dass Fledermäuse Selbstgespräche führen? Erstaunliche Erkenntnisse aus der Wissenschaft zeigen: Tiere und Pflanzen kommunizieren ständig und auf vielfältigste Weise miteinander. Wer meint, dass nur wir Menschen zu Übertreibungen und Unwahrheiten neigen, der irrt. Vögel, Fische oder Schnecken sind weitaus einfallsreicher als wir, wenn es zum Beispiel darum geht, einen Partner zu erobern. Die Verhaltensbiologin Madlen Ziege entführt uns in eine faszinierende Welt und erklärt leicht verständlich, wie ganze Ökosysteme in Kontakt zueinander treten. Dabei zeigt sie, wie uns die Sprache der Natur im Alltag weiterhelfen kann und warum man mit Tomatenpflanzen sprechen sollte.

€ 15,00 [D], € 15,50 [A]
Erschienen am 01.04.2021
240 Seiten, Klappenbroschur
EAN 978-3-492-40648-2
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€ 14,99 [D], € 14,99 [A]
Erschienen am 03.02.2020
240 Seiten, WMePub
EAN 978-3-492-99462-0
Download Cover

Leseprobe zu „Kein Schweigen im Walde“

Einleitung
Jedes Lebewesen kommuniziert
Mit wem haben Sie heute schon kommuniziert? Mit Ihrem Partner, dem Haustier oder Ihrer Zimmerpflanze? Der Psychotherapeut und Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick brachte es auf den Punkt, als er sagte: „Man kann nicht nicht kommunizieren, denn jede Kommunikation (nicht nur mit Worten) ist Verhalten, und genauso wie man sich nicht nicht verhalten kann, kann man nicht nicht kommunizieren.“ Es ist also kein Wunder, dass wir ständig mit anderen Menschen Informationen austauschen – innerhalb unserer Familie, [...]

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Einleitung
Jedes Lebewesen kommuniziert
Mit wem haben Sie heute schon kommuniziert? Mit Ihrem Partner, dem Haustier oder Ihrer Zimmerpflanze? Der Psychotherapeut und Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick brachte es auf den Punkt, als er sagte: „Man kann nicht nicht kommunizieren, denn jede Kommunikation (nicht nur mit Worten) ist Verhalten, und genauso wie man sich nicht nicht verhalten kann, kann man nicht nicht kommunizieren.“ Es ist also kein Wunder, dass wir ständig mit anderen Menschen Informationen austauschen – innerhalb unserer Familie, mit Freunden oder Arbeitskollegen. Wie aber sieht es eigentlich mit all den anderen Lebewesen auf unserer Erde aus? Gilt Paul Watzlawicks „man“ auch für Bakterien, Pflanzen und Tiere, und können diese ebenfalls „nicht nicht kommunizieren“? Das Wort „Biokommunikation“ fasst zusammen, worum es in diesem Buch geht: Alles, was lebt, sendet und empfängt aktiv Informationen und ist somit in der Lage zur Kommunikation! So bedeutet Bio vom griechischen Wortstamm βίος/bíos ganz einfach „Leben“. Kommunikation, vom lateinischen Wort commūnicātiō, heißt so viel wie Mitteilung. Bio passt zur Kommunikation wie der Arsch auf den Eimer, denn es braucht Lebewesen wie Pflanzen oder Tiere, um Mitteilungen aus der Umgebung zu empfangen und darauf zu reagieren. So haben sich auch die Lebewesen in einem Wald vom kleinsten Pilz bis hin zum größten Baum so einiges mitzuteilen. Wer also meint, dass Schweigen im Walde herrscht, hat nur noch nicht richtig hingehört!


Warum braucht es dieses Buch?
Natur ist der Hammer
Meine Begeisterung für die Biokommunikation fand ihren Ursprung in den Wäldern, Wiesen und Gewässern meines Heimatdorfes in Brandenburg. Hier zirpte, muhte und schnatterte es nur so um mich herum, und ich übte mich früh darin, mit meinen Mit-Lebewesen in Kontakt zu treten. Die vielen Märchen, Mythen und Sagen in meinen Lieblingsbüchern gaben mir recht: Hier konnten Menschen mit Tieren und Pflanzen sprechen, hier verhalf die Weisheit der Natur den Helden aus jeder noch so hoffnungslosen Situation. Heute weiß ich, dass es in alten Kulturen wie beispielsweise der keltischen völlig selbstverständlich war, mit der Natur zu kommunizieren. Einige Bewohner Islands und Irlands fragen noch heute „Mutter Natur“ um Erlaubnis, wenn neue Bauprojekte anstehen. Das Urvolk Ainu auf der nördlichsten japanischen Insel Hokkaido tritt ebenfalls regelmäßig in Kontakt mit Tieren und Pflanzen, um die eigene Verbindung zur Natur zu stärken. Warum sollten Menschen das Gespräch mit anderen Lebewesen suchen, wenn sie keine Antwort erwarten würden?

Was haben sich Fische zu sagen?
Ich studierte Biologie an der Universität Potsdam und wusste schnell, wohin die Reise gehen sollte: Ich wollte Verhaltensbiologin werden! Ich wollte alles darüber erfahren, warum sich Tiere verhalten, wie sie sich verhalten, und vor allem, wie und warum sie miteinander kommunizieren. Besonders interessierten mich Katzen, und so war es mein Ziel, das Kommunikationsverhalten dieser geheimnisvollen Tiere zu erforschen. Wie so oft im Leben kommen die Dinge anders als gedacht, und ich landete während meiner Diplomarbeit in Mexiko – ganz ohne Katzen. Meine ersten Forschungsobjekte waren völlig unerwartet Fische. Auf den ersten Blick war ich über diese Entwicklung in meiner Verhaltensforscherkarriere nicht besonders begeistert, denn diese Tiere gehörten aus meiner Sicht nicht gerade zu den spannendsten Forschungsobjekten in Sachen Kommunikation. „Meine“ Fische waren jedoch anders!
Der Atlantikkärpfling Poecilia mexicana und der Grijalva-Moskitofisch Heterophallus milleri gehören zur Fischfamilie der Lebendgebärenden, deren Vertreter ein ausschweifendes Sexleben führen. Die meisten Fische haben nicht wirklich viel mit dem anderen Geschlecht zu tun, denn sie praktizieren eine äußere Befruchtung: Das Weibchen legt die Eier ab, das Männchen schwimmt darüber, gibt seinen Samen ab, fertig! Lebend gebärende Fische wie der Atlantikkärpfling oder der Grijalva-Moskitofisch hingegen haben eine innere Befruchtung. Hier muss die Samenzelle des Männchens irgendwie in den Körper des Weibchens gelangen, um dort mit der Eizelle zu verschmelzen. Klar ist bei dieser Form der Befruchtung weitaus mehr Kommunikation zwischen den Geschlechtern gefragt! Ist der „Dialog“ zwischen Männchen und Weibchen nicht ohnehin schon Herausforderung genug, sind im Schwarm lebende Fische automatisch Teil eines großen Kommunikationsnetzwerks. So sind ein Männchen und ein Weibchen selten ganz allein unter sich und können ungestört miteinander kommunizieren. Auf die gesendeten Informationen zwischen den zwei Liebenden können auch andere Fische im Schwarm zugreifen, und es gibt immer den ein oder anderen Gaffer beziehungsweise Zuhörer. Für genau solche Dreiecksbeziehungen in der Kommunikation interessierte ich mich in meiner Diplomarbeit. Ich führte Verhaltensversuche durch, um zum Beispiel herauszufinden, ob sich Männchen in Anwesenheit eines weiteren Männchens anders verhalten als ohne einen Zuschauer. Interessieren sie sich noch für die gleichen Weibchen, oder ändern sie ihre Strategie in Sachen Flirten? Die Antwort auf diese Frage werden Sie in diesem Buch erfahren!

Stadt- und Landkaninchen haben andere Gesprächsthemen
Meine Faszination für den Austausch von Informationen in der Natur hielt nach der Diplomarbeit weiter an, und noch immer war es mein Traum, das Kommunikationsverhalten von Katzen zu erforschen. Im Mai 2010 kam ich an die Goethe-Universität in Frankfurt am Main, um mit meinem späteren Doktorvater über ein Forschungsprojekt zur Kommunikation bei Katzen zu sprechen. Wieder kam alles anders als geplant. Am selben Abend war ich des Nachts mit dem Fahrrad ohne Licht auf den Straßen Frankfurts unterwegs, als es passierte: Ein noch unerfahrenes junges Wildkaninchen hoppelte plötzlich auf den Fahrradweg. Ich konnte den Frontalzusammenstoß in letzter Sekunde nur abwenden, indem ich in die seitliche Heckenbegrenzung hineinfuhr. Das Kaninchen und ich kamen beide mit ein paar blauen Flecken und dem Schrecken davon, allerdings wunderte ich mich schon, warum sich dieses Wildtier in einer Großstadt wie Frankfurt herumtrieb. Am nächsten Tag sprach mich mein Doktorvater auf die blauen Flecken an, und ich erzählte ihm von dem ungewöhnlichen Zusammenstoß mitten in der Finanzmetropole. „An Wildkaninchen wollte ich schon immer forschen“, war seine Antwort. Er schlug mir vor, meine Doktorarbeit dem Kommunikationsverhalten der kleinen Langohren zu widmen. Hartnäckig versuchte ich, ihn weiterhin davon zu überzeugen, dass Katzen viel spannender sind und sie doch der eigentliche Grund waren, warum ich überhaupt Verhaltensbiologin werden wollte. Er ließ nicht locker, und so gab ich den Frankfurter Wildkaninchen eine Chance. Ich studierte die Literatur zu diesem Thema und setzte mich in den Park, um die Tiere genauer zu beobachten. Zu meiner Überraschung besitzen Wildkaninchen eine ganz besondere Art der Kommunikation – sie nutzen gemeinsame Kot- und Urinstellen. Diese Kaninchentoiletten tragen den Namen „Latrinen“ und sind das Kommunikationsmittel für viele Säugetiere, die in Gruppen leben. Für mich noch weitaus interessanter war die Tatsache, dass sich die Wildkaninchen mitten in Frankfurt sehr wohlzufühlen scheinen. Zur Freude der Touristen saßen die Tiere vor der Oper oder den Wolkenkratzern der deutschen Börse. Dieser Anblick war für mich mehr als merkwürdig, und ich fragte mich, was um Himmels willen Wildkaninchen in die deutsche Finanzmetropole zieht: Waren es der reich gedeckte Tisch zu jeder Jahreszeit, die wärmeren Temperaturen in der Stadt oder doch die vielen Versteckmöglichkeiten in der dichten Vegetation? Aus Studien über Vögel wusste ich, dass sich auch das Kommunikationsverhalten von Tieren in der Stadt ändern kann. Ich führte also eine vergleichende Studie zwischen Land- und Stadtkaninchen durch, um herauszufinden, wie sich ihr Kommunikationsverhalten mittels der Latrinen unterscheidet. „Reden“ Stadt- und Landkaninchen womöglich über unterschiedliche Dinge und legen deswegen ihre Latrinen anders an? Ich verspreche Ihnen, dass wir auch dieser Frage auf den Grund gehen werden!

Und was hat das alles mit uns Menschen zu tun?
Je mehr ich mich mit der Biokommunikation beschäftigte, desto mehr fiel mir auf, dass meine eigenen Kommunikationsfähigkeiten nicht gerade die besten sind: Ich höre oft nicht richtig zu, antworte gern mal an einer Frage vorbei oder bin mir nicht darüber klar, was ich eigentlich sagen will. Was für den einen exzellente Kommunikationsfähigkeiten sind, grenzt für den anderen an eine verbale Beleidigung. Für mich als Brandenburgerin ist es schon viel, wenn ich mir zur Begrüßung ein einsilbiges „Morgen“ abringen kann. Das kam während meiner Doktorarbeitszeit an der Goethe-Universität in Frankfurt etwas komisch bei meinen hessischen Kollegen an. Dort wurde ich jeden Morgen mit vier Wörtern mehr begrüßt: „Ei gude morsche alle miteinanner!“ Wie viel schlimmer es hätte kommen können, zeigte mir ein Besuch in Stuttgart, wo ein „Gudde Morge! Au emmr am Schaffa oder älls fleißig, gell?“ meine Kommunikationskapazität am Morgen definitiv gesprengt hat. Ist der Schwabe mit seinen zehn Wörtern morgendlicher Begrüßung deshalb kommunikativer als ein Hesse oder ein Brandenburger? Wo liegt zwischen „Morgen“ und „gelle“ das Kommunikationsoptimum?
Auf der Suche nach Antwort auf diese Fragen nahm ich an unzähligen Kursen und Veranstaltungen zur Kommunikation teil: von der Wissenschaftskommunikation über ein Elevator-Pitch-Training bis hin zu Science Slams. Parallel zu meiner Arbeit als Verhaltensbiologin im Feld und Labor war ich so gesehen auch mein eigenes Forschungsobjekt. Ich kam mit vielen Menschen in Kontakt und erzählte ihnen von meiner Forschung und den täglichen Problemen menschlicher Kommunikation. Fasziniert schaute mich mein Gegenüber an, sobald ich von den komplizierten Latrinenmustern der Wildkaninchen berichtete, die für die Tiere fast so etwas sind wie die sozialen Medien für uns Menschen. Immer wieder wurde ich gefragt, wie Kommunikation in der Natur funktioniert und ob auch Pflanzen oder Bakterien kommunizieren. Was ist das Geheimnis der Natur für eine funktionierende Kommunikation? Wie können wir Menschen in unserem Alltag davon profitieren? Ich begann, mich immer mehr mit diesen Fragen zu beschäftigen, und stieß dabei auf die faszinierendsten Zusammenhänge. In diesem Buch nun vereine ich mein Wissen als Verhaltensforscherin mit Erfahrungen aus meinem eigenen Kommunikationsalltag, um diese und andere Fragen zu beantworten.


Die To-do-Liste des Lebens
Bevor wir tief in die Welt der Biokommunikation abtauchen, brauchen wir zunächst ein wenig theoretisches Rüstzeug. Dass „bio“ Leben bedeutet, wissen wir nun – doch was ist Leben überhaupt? Welche Merkmale sind allen Lebewesen gemeinsam, und wie viele davon braucht es, damit sich Leben „Leben“ nennen darf? Generationen von Wissenschaftlern zerbrachen sich bereits ihre Köpfe über diese grundlegenden Fragen, und noch längst ist dieses Thema nicht abschließend diskutiert. Was wir zum jetzigen Zeitpunkt wissen, ist, dass es einige Merkmale wie die Fortpflanzung oder die Fähigkeit zur Reaktion auf die Umwelt gibt, anhand derer wir Leben als solches erkennen. Am Anfang des Buches habe ich alle wichtigen Merkmale des Lebens in einem Gedicht untergebracht. Jetzt ist es an der Zeit, Strophe für Strophe einen genaueren Blick hinter die Kulissen des Lebens zu werfen – ich wünsche Ihnen viel Spaß dabei!

Leben hält Ordnung
Struktur ist fürs Leben ein echter Gewinn.
Zwei Hände, zwei Augen? Das alles macht Sinn!
Leben braucht Ordnung und schafft sie zugleich.
Das Geheimnis des Lebens: Mit System wirst du reich.
Das Sprichwort „Ordnung ist das halbe Leben“ sollte eigentlich „Ordnung ist das ganze Leben“ heißen, denn ohne Ordnung und Struktur gibt es kein Leben auf dieser Welt. Ordnung zeigt sich auf allen Ebenen und bedeutet, dass alles seinen Platz hat und nicht zufällig durch die Gegend schwirrt. Die Atome sind Bausteine, die sich zu Molekülen „zusammensetzen“ lassen. Moleküle wiederum organisieren sich zu den Bestandteilen einer Zelle. Das Wort Zelle stammt vom Lateinischen cellula und bedeutet so viel wie „kleine Kammer“. So ist eine Zelle nach außen durch eine feste Wand oder flexible Membran abgeschlossen. In der kleinen Kammer gibt es alles, was für das Leben gebraucht wird. Viele solcher Zellen können nun mehrzellige Lebewesen wie Tiere und Pflanzen bilden, und auch bei ihnen findet sich das Prinzip der Organisation und Struktur wieder: Einige Zellen sind für den Stoffwechsel zuständig, andere für die Bewegung, wieder andere für die Weiterleitung von Informationen. Alle Zellen mit der gleichen Aufgabe gehören zu einem Zellverband, auch als Gewebe bekannt. Gewebe mit der gleichen Funktion gehören zu einem Organ. Organe mit ähnlichen Aufgaben wiederum bilden ein Organsystem. Diese einzelnen Zell-Abteilungen werden vom restlichen Organismus mit allem Nötigen versorgt, damit sie in Ruhe ihrer Arbeit nachgehen können. Diese Aufgabe wiederum übernehmen Transportsysteme, die zum Beispiel Nahrung und Sauerstoff zu den Zellen transportieren. Gäbe es keine Ordnung im Kleinen, zum Beispiel bei der Anordnung der Zellen, dann gäbe es sie auch nicht im Großen, wie wir sie beispielsweise in der symmetrischen Form einer Blüte finden.

Leben wechselt Stoffe
Sonne, Wasser und Nährstoff dazu,
es wechseln sich Stoffe vom Wurm bis zur Kuh.
Entstehen und Vergehen, das Leben muss mit.
Ohne Energie geht kein einziger Schritt.
Wie schnell aus Ordnung Unordnung wird, kennen wir Menschen nur zu gut aus unserem Alltag. Damit alles an Ort und Stelle und somit die Ordnung erhalten bleibt, braucht es Energie. Wenn wir aufräumen und unser Heim säubern, kommt die Energie für den Staubsauger aus der Steckdose. Im Gegensatz zum Haushaltsgerät sind Sie ein Lebewesen, und Ihre Energie können Sie nicht einfach aus der Wand beziehen. Energie ist somit nicht gleich Energie. Für Sie, mich und alle anderen Lebewesen ist die chemische Energie für den Erhalt der Ordnung entscheidend. Diese Energie steckt in der Nahrung, die jedes Lebewesen zu sich nimmt. Der Austausch von Nährstoffen mit der Umgebung ist somit ein weiteres Merkmal des Lebens: Erst der Stoffwechsel hält die Ordnung der Zellen und somit das ganze Lebewesen aufrecht. Lassen wir der Natur freien Lauf, werden nur so viele Stoffe „gewechselt“, wie für das Erhalten eines Gleichgewichts nötig ist. Ohne Energie aus der Nahrung kann das Leben keine Informationen aufnehmen oder senden, und es kann auch keine Kommunikation stattfinden.

Leben nimmt seine Umwelt wahr und reagiert darauf
Geheimes bleibt nicht lang verborgen,
Leben kennt heut schon die Infos von morgen.
Sinne scharf wie ein Samurai-Schwert,
Leben reagiert auf den brandheißen Herd.
In seiner Gesamtheit ist der Wald die zu jedem Zeitpunkt einzigartige Zusammensetzung aus allen lebenden und nicht lebenden Bestandteilen der Umgebung – ein Ökosystem. Zu diesen nicht lebenden Bestandteilen gehören jedes Sandkorn, jeder Kubikmeter Luft und jedes Tröpfchen Wasser! Ein Regenwurm kann einen Stein im Boden wahrnehmen und sich notfalls einen anderen Weg durch das Erdreich suchen. Der unbelebte Stein hingegen zeigt für uns keine sichtbare Reaktion auf den Regenwurm. Ein wichtiges Merkmal aller Lebewesen ist somit die Fähigkeit, ihren Lebensraum mithilfe von Empfängersystemen wahrzunehmen und darauf zu reagieren. So ist der Lebensraum voller optischer, akustischer (mechanischer), chemischer oder elektrischer Daten. Diese Daten werden erst zu Informationen, wenn ein Lebewesen sie mit seinen Empfangsstationen „Zellen“ wahrnehmen kann. Solche Empfänger-Zellen heißen auch Rezeptoren, abgeleitet vom lateinischen Wort receptor, was so viel bedeutet wie „Aufnehmer“. Die Art der Rezeptoren entscheidet darüber, welche Informationen ein Lebewesen aufnimmt: So sind die tierischen Sinnesorgane Augen wie gemacht für Farben und Formen und Nasen „just perfect“ für Gerüche. Rezeptoren ermöglichen somit einem Lebewesen, sich im eigenen Lebensraum zu orientieren: Wo gibt es Licht oder Wasser, und wohin kann ich mich bewegen, ohne gegen einen Stein zu stoßen? Trifft nun ein Lebewesen auf ein anderes Lebewesen, können beide mittels ihrer Rezeptoren Informationen empfangen und austauschen. Die Fähigkeit zum Austausch von Informationen ist wiederum die Basis für Kommunikation! Erst der Austausch an Informationen der Lebewesen untereinander und die Interaktion mit ihrer unbelebten Umwelt ergibt das große Ganze: ein in sich funktionierendes Ökosystem.

Leben vermehrt sich
Leben pflanzt sich munter fort,
besiedelt auch den fernsten Ort.
Teilung ist ein Kinderspiel,
aus eins mach zwei, aus zwei mach viel.
Omnis cellula e cellula. Dieser wohlklingende lateinische Satz bedeutet so viel wie „Jede Zelle geht aus einer Zelle hervor“. Leben pflanzt sich fort und gibt somit den eigenen Bauplan, die DNA, an die Nachkommen weiter. Im besten Fall sind diese Nachkommen ebenfalls wieder in der Lage, sich zu vermehren. Dabei hat Fortpflanzung nicht zwangsläufig etwas mit Sex zu tun! Eine einzelne Zelle kann sich durch die Teilung ihrer selbst verdoppeln und sich somit vermehren. Diese Vermehrung durch Zellteilung findet vor allem bei einzelligen Lebewesen wie den Bakterien statt. Die Zelle vervielfältigt ihre Zellbestandteile inklusive des eigenen Bauplans und teilt sich. Unter guten Bedingungen können sich einige Bakterienarten alle zehn bis zwanzig Minuten verdoppeln und somit zwei identische Tochterzellen hervorbringen. Diese asexuelle Fortpflanzung heißt auch ungeschlechtliche Fortpflanzung, denn sie kommt ohne Geschlechter wie beispielsweise „männlich“ und „weiblich“ aus. Für ein sich ungeschlechtlich fortpflanzendes Lebewesen fällt die aufwendige Suche nach dem anderen Geschlecht somit weg.
Ganz anders die sexuelle Fortpflanzung: Hier verschmelzen die Geschlechtszellen zweier gleichartiger Lebewesen miteinander. So ist die Besonderheit dieser Zellen, dass sie einen halbierten DNA-Bauplan mitbringen. Erst das Verschmelzen zweier Geschlechtszellen zu einer gemeinsamen Zelle komplettiert den Bauplan wieder. Aus dieser Zellfusion mit dem Namen Zygote kann nun durch Zellteilung ein neues Lebewesen heranwachsen. Die durch geschlechtliche Fortpflanzung entstehenden Nachkommen unterscheiden sich somit sowohl untereinander als auch von ihren Eltern. Die Eltern sind wiederum mehrzellige Lebewesen wie Pilze, Pflanzen und Tiere, die solche Geschlechtszellen für ihre sexuelle Vermehrung bilden. Dabei handelt es sich nicht immer um männliche und weibliche Geschlechtszellen. Lebewesen wie die Pilze können theoretisch mehrere Tausend verschiedene Geschlechter für die sexuelle Fortpflanzung ausbilden – ziemlich abgefahren, wie ich finde!

Leben wächst und bewegt sich
Hölzerne Türme, tausend Jahre alt,
Leben wächst und macht keinen halt.
Schneckentempo oder Katzensprung,
Bewegung hält das Leben jung.
War die Befruchtung erfolgreich, kann das neue Leben wachsen und somit an Masse zunehmen. Diese Masse basiert auf der Teilung und Streckung der Zellen. Je mehr Zellen sich nun teilen und strecken, desto mehr Wachstum findet auch auf den anderen Organisationsebenen wie bei den Geweben, Organen usw. statt – das gilt für den Baumumfang gleichermaßen wie für den Bauchumfang. Wie groß der Spielraum in Sachen Wachstum in der Natur sein kann, wird an folgenden Extremen deutlich: Eines der bisher größten bekannten Lebewesen ist der unterirdisch wachsende Pilz Armillaria ostoyae. Er bedeckt in einem amerikanischen Naturschutzgebiet in Oregon eine Fläche von über 950 Hektar und somit mehr als 678 Fußballfelder. Das Alter des Pilzes schätzen Wissenschaftler auf stattliche 2400 Jahre. Im Gegensatz dazu misst eines der kleinsten Lebewesen im Durchmesser nur zwischen winzigen 350 und 500 Nanometern und trägt den Namen Nanoarchaeum equitans. Aus dem Lateinischen übersetzt bedeutet dies so viel wie „reitender Urzwerg“. Der Name dieses Einzellers ist nicht aus einer reinen Bierlaune heraus entstanden, denn tatsächlich reitet der Urzwerg auf dem „Rücken“ eines anderen Einzellers namens Ignicoccus hospitalis – auch als Feuerkugel bekannt – durch die Gegend. Apropos durch die Gegend reiten: Die Fähigkeit zur Bewegung ist ein weiteres Merkmal des Lebens, auch bei den auf den ersten Blick unbeweglich erscheinenden Pilzen und Pflanzen.

Leben entwickelt sich weiter
Panta rhei, wie die Griechen sagen,
das Leben stellt stets neue Fragen.
Alles fließt und ist verbunden,
Leben will sich selbst erkunden.
Das Gesicht unseres Planeten hat sich im Laufe der letzten Jahrmillionen oft gewandelt und mit ihm die darauf herrschenden Lebensbedingungen. Mal war es heiß, mal kalt, mal gab es viele Nährstoffe und mal wieder weniger. Das Leben hat sich jedoch nie unterkriegen lassen und sich immer wieder an neue Bedingungen angepasst. Dafür musste es sich weiterentwickeln, und genau diese Fähigkeit zur Weiterentwicklung ist unser letztes Merkmal für Leben. So kommt zwar eine Zelle gut für sich allein zurecht, doch erst im Verbund mit anderen Zellen kann sie neue Aufgaben übernehmen. Wir können uns die Entwicklung von mehrzelligen Pilzen, Pflanzen und Tieren wie einen Hausbau vorstellen: Setzen wir einzelne Ziegel richtig aneinander, kann daraus ein Haus entstehen. Dieses Haus kann nun eine ganz neue Funktion übernehmen. So sind Mehrzeller aus einzelnen Zellen aufgebaut und können nun ebenfalls „mehr“ als die einzelne Zelle beziehungsweise die Summe ihrer einzelnen Zellen. Wie bei einem Haus findet sich auch bei mehrzelligen Lebewesen das Prinzip der Organisation und Struktur in den einzelnen Räumen wieder. So ist ein Haus aufgeteilt in verschiedene Zimmer, die in ihrer Einrichtung auf ganz bestimmte Aufgaben spezialisiert sind, zum Beispiel die Küche für die Nahrungszubereitung. Als das Leben den Schritt vom Wasser auf das Land machte, verlangte dieser Lebensraum Neuerungen wie beispielsweise eine Abteilung, die sich nur auf den Transport von Wasser spezialisiert.


Eine Welt voller Informationen
Kommen wir nun zum zweiten Teil der Biokommunikation und somit zur Frage: Was ist eigentlich Kommunikation? Im Laufe meiner Forschung und in Gesprächen mit Wissenschaftlern aus anderen Fachgebieten kreuzten viele Definitionen und theoretische Modelle zur Kommunikation meinen Weg. Die Antwort auf diese Frage kann zweifelsfrei die restlichen Seiten dieses Buches füllen, denn Kommunikation ist eine ganz eigene Welt für sich mit unzähligen Aspekten. Fragen wir einen Psychologen, mag dieser eine andere Antwort parat haben als ein Informatiker oder ein Kommunikationswissenschaftler. Auch unter Biologen gibt es anhaltende Diskussionen darüber, ab wann ein Lebewesen mit einem anderen tatsächlich kommuniziert.

Wie aus Daten Informationen werden
Auf einen Nenner gebracht steht der Begriff Biokommunikation für die aktive Übertragung von Informationen zwischen Lebewesen – so weit, so gut. An dieser Stelle stoßen wir gleich auf zwei neue Fragen: Was sind eigentlich Informationen, und wie kann ein Lebewesen diese aktiv senden? Obwohl es auf den ersten Blick ganz einfach scheint, hat es das Wort Information tatsächlich in sich und führte zu einer abendfüllenden Diskussion zwischen zwei Datenbank-Programmierern und mir. Interpretiert ein Mensch Daten, werden aus diesen Daten für ihn nutzbare Informationen. Die Interpretation setzt jedoch zunächst die Wahrnehmung der Daten voraus.
An dieser Stelle kommen wieder die Empfangsstationen, also die Rezeptoren, ins Spiel. Das Lesen einer Zeitung verdeutlicht aus meiner Sicht schön den Unterschied zwischen Daten und Informationen: Erst wenn Sie eine Zeitung lesen, nehmen Sie die darin befindlichen Daten in Form von Buchstaben, Wörtern und ganzen Sätzen wahr. Interpretieren Sie diese Daten richtig, eröffnet sich Ihnen der Informationsgehalt der Zeitung. Voraussetzung ist, dass Sie die gleiche Sprache sprechen wie die Personen, die diese Zeitung zusammengestellt haben. Bakterien, Pilze, Pflanzen und Tiere sind in ihrem Lebensraum ebenfalls ständig von Daten umgeben. Die Daten eines Waldes, eines Sees oder einer Wiese stammen von den Eigenschaften der sich darin befindenden Bestandteile. Neben sämtlichen Lebewesen gehören auch unbelebte Dinge wie das Wasser, die Steine oder das Licht dazu. Jeder dieser Bestandteile hat messbare Eigenschaften, die sie voneinander unterscheidbar machen. Ein Vogel sieht anders aus, hört sich anders an und riecht anders als ein Baum oder ein Stein. So werden die Daten in der Natur wie Farben, Formen, Klänge oder Gerüche erst zu Informationen, wenn Lebewesen sie mithilfe ihrer Rezeptoren wahrnehmen.

Signale – Anschluss unter der richtigen Nummer
Wir wissen nun, dass es Lebewesen mit Rezeptoren braucht, damit aus Daten Informationen werden. Solche Rezeptoren zur Aufnahme von Informationen finden sich auch innerhalb einer Zelle. In diesem Buch bleiben wir jedoch auf der Ebene der Kommunikation zwischen den Zellen und beginnen bei den kleinsten „Gesprächspartnern“, den für sich eigenständig lebenden Einzellern wie beispielsweise einer Bakterie oder einem Pantoffeltierchen.
Wie die aktive Übertragung von Informationen innerhalb der Kommunikation funktioniert, lässt sich an einem einfachen Modell erklären. In den 1940er-Jahren entwickelten die Mathematiker Claude E. Shannon und Warren Weaver in den USA ein Modell basierend auf der menschlichen Kommunikation per Telefon. Mithilfe des Sendegeräts Telefon verpackt der Sender die zu übermittelnden Daten in ein Signal. Sobald der Sender den Empfänger anruft und dieser mithilfe seines Empfangsgeräts Telefon auf Empfang ist, kann das Signal übertragen werden. Mit der Wahrnehmung der im Signal verpackten Daten durch den Empfänger werden diese wieder zu Informationen . Will ein Lebewesen nun aktiv Informationen an ein anderes Lebewesen senden, kann es diese zur verbesserten Übertragung ebenfalls in einem Signal verpacken. Verpacken heißt, dass je nach Grund für die Kommunikation ganz bestimmte Informationen miteinander kombiniert werden. Auf diese Weise entstehen die unterschiedlichsten Signale, zum Beispiel zur Warnung der Artgenossen vor Gefahr. Schauen wir uns das Ganze an einem Beispiel an: Ist eine männliche Amsel in sexueller Aufregung und will ein Amselweibchen zur Paarung überreden, verpackt er diese Information in einem akustischen Signal namens Balztriller. Dieser Triller besteht aus einer Folge von Tönen in einer bestimmten Tonhöhe. Zusätzlich zu diesem akustischen Signal sendet das Männchen auch optische Signale, um seiner Motivation zur Paarung noch weiter Nachdruck zu verleihen. Solche optischen Signale können beispielsweise bestimmte Körperhaltungen oder Bewegungen sein. Im Falle der Amsel gehört dazu das Zittern der leicht herabhängenden Flügel. Das vorhandene Licht, die Luft oder das Wasser im Lebensraum der Amsel sind die Kanäle für die Übertragung solcher Signale. Ein sich in der Nähe befindendes Amselweibchen kann die vom Männchen gesendeten akustischen und optischen Signale nicht nur mit ihren Rezeptoren „Ohr“ und „Auge“ empfangen. Sie erkennt auch den Informationsgehalt dieser Signale und somit die Motivation des männlichen Artgenossen, sich mit ihr zu paaren. Nun ist es an ihr, auf diese Signale zu reagieren und die Anfrage des Männchens nach „Willst du mit mir gehen?“ mit „Ja“, „Nein“ oder „Vielleicht“ zu beantworten.

Warum überhaupt Kommunikation?
Woher aber weiß die weibliche Amsel, dass die Signale „lautes Geschrei“ und „zitternde Flügel“ ihr gewidmet sind und diese Show bedeutet, dass ein Männchen ihrer Art sich mit ihr paaren will? Handelt es sich um so grundlegende Dinge wie die Fortpflanzung, sind das Erkennen und die Interpretation von Kommunikationssignalen meist angeboren. Dieselbe Abfolge an Informationen diente auch schon bei den Eltern der beiden Amseln als Signal für die Fortpflanzung, und bei deren Eltern und deren davor. Die Bedeutung vieler Signale kann aber auch erlernt werden, indem die Nachkommen die Eltern und Geschwister beobachten, Verhaltensweisen nachahmen und auf diese Weise lernen, welche Signale für die eigene Kommunikation wichtig sind. Die Entstehung solcher Kommunikationssignale über viele Generationen wird mit einem gegenseitigen Nutzen des Informationsaustausches zwischen Sender und Empfänger erklärt. So ist das aktive Senden von Informationen mit Aufwand für den Sender verbunden, und auch das Reagieren des Empfängers auf diese Informationen kostet Ressourcen. So viel Aufwand lohnt sich anscheinend nur, wenn am Ende etwas dabei herausspringt – sowohl für den Sender als auch den Empfänger. Je nachdem, für wen die zu sendenden Informationen bestimmt sind, kann es auch in der Natur die unterschiedlichsten Motivationen für Kommunikation geben. Eine Win-win-Situation entsteht immer dann, wenn sowohl Sender als auch Empfänger vom Ausgang einer Kommunikation gleichermaßen profitieren. Zwischen verwandten Lebewesen wie Eltern und ihren Nachkommen ist die Wahrscheinlichkeit besonders groß, dass Sender und Empfänger die gleichen Gründe für Kommunikation besitzen und somit ehrliche (!) Informationen zum gegenseitigen Vorteil austauschen. Haben Sender und Empfänger unterschiedliche Interessen am Ausgang der Kommunikation, kommt es auch in der Natur nicht selten zum Senden falscher Mitteilungen. So können Signale Informationen enthalten, die nicht den tatsächlichen Eigenschaften des Senders entsprechen – ihn beispielsweise größer erscheinen lassen, als er eigentlich ist. Wie Sie später noch genauer sehen werden, besteht so ein Interessenkonflikt vor allem zwischen den Geschlechtern. Die Männchen wollen meist Masse, die Weibchen eher Klasse.

Lauschangriffe und abhörsichere Kanäle
Kommen wir nochmals auf unsere Amseln zurück. Das „Gespräch“ zwischen Amselmännchen und Amselweibchen findet nicht im Verborgenen statt, sondern auf einem öffentlichen Kanal innerhalb ihres Lebensraumes. Hier gibt es viele andere Lebewesen, die mithilfe ihrer Rezeptoren ebenfalls ihre Umwelt wahrnehmen können. Eine Katze besitzt beispielsweise Rezeptoren, mit deren Hilfe sie das Gezwitscher der Amseln wahrnehmen und somit deren Kommunikation belauschen kann. Der Balztriller des Amselmännchens hat jedoch nicht denselben Effekt auf die Katze wie auf das Amselweibchen. Für die Katze bedeuten die aufgenommenen Informationen so viel wie: „Hier wartet leicht zu erbeutendes Abendbrot!“ Durch das Belauschen der Vogelkommunikation gelangt die Katze an Informationen, die sie nun für ihren eigenen Vorteil nutzen kann. Mit dem Wissen um den Standort ihrer Beute schleicht sie sich lautlos an die Amseln heran. Im schlimmsten Falle endet die Kommunikation zwischen Amselmännchen und Amselweibchen auf diese Weise mit dem Tod durch Katze. Sehen beziehungsweise hören die Amseln den Angreifer, dann handelt es sich bei den aufgenommenen Informationen mit dem Inhalt „Katze kommt“ um einen Reiz für die Vögel. Das Amselmännchen könnte nun einen Warnruf ausstoßen, der sich in seiner Tonhöhe und Abfolge von dem des Balztrillers eindeutig unterscheidet. Das akustische Signal „Schluss mit lustig, Gefahr droht“, erkennt das Weibchen ebenfalls als solches und bringt sich in Sicherheit. Für die Katze hat dieser Warnruf wiederum eine andere Bedeutung – ihre Anwesenheit wurde entdeckt. Viele Beutetiere sind sich durchaus darüber bewusst, dass in der Öffentlichkeit überbrachte Mitteilungen durch Räuber gegen sie verwendet werden. Oft entwickeln sich aus diesen Spionageangriffen abhörsichere Kommunikationssignale, die über private Kanäle gesendet werden. So nutzen viele Insekten für die Kommunikation mit Artgenossen optische Signale im UV-Bereich. Diese können von ihren Fressfeinden oft nicht wahrgenommen werden, weil ihnen die entsprechenden Rezeptoren fehlen.

Es geht los!
Sie sehen schon, alle Lebewesen – wie eben auch die Bewohner eines Waldes – senden und empfangen Informationen und stehen somit auf vielfältigste Weise im Austausch miteinander. Dabei ist besonders spannend, wie Lebewesen die aufgenommenen Informationen interpretieren und darauf reagieren. Dieses Buch enthält Geschichten über ebensolche Informationsnetzwerke in der Natur, die mich besonders begeistert haben und die ich gern mit Ihnen teilen möchte. Im ersten Teil des Buches gebe ich Ihnen einen kurzen Überblick darüber, WIE Lebewesen Informationen senden und empfangen. Können Pflanzen zum Beispiel hören oder Pilze sehen? Im zweiten Teil treffen wir auf die Sender und Empfänger in der Natur an Land, im Wasser oder in der Luft. Wir statten den Einzellern, Pilzen, Pflanzen und Tieren einen Besuch ab und beantworten die Fragen: WER tauscht eigentlich mit WEM und WARUM Informationen aus? Hier geht es um ehrliche Freundschaften zwischen Pilz und Pflanze, um spionierende Pantoffeltierchen oder lügende Fische. Im dritten Teil verrate ich Ihnen, was es mit den Wildkaninchen in der Stadt Frankfurt am Main auf sich hat und wie sich Informationsnetzwerke in der Natur mit der Umwelt eines Lebewesens verändern. Zurück von der Reise, bleibt es Ihnen am Ende selbst überlassen, wie viel Sie von Ihren Eindrücken und dem neuen Wissen um die Biokommunikation mit in Ihren Alltag nehmen. Als Menschen sind wir Teil des Lebens, und somit gibt es für uns unterwegs sicher mehr Parallelen zu entdecken, als wir jetzt vielleicht vermuten. Vielleicht hilft Ihnen das Wissen um die Kommunikation in der Natur weiter, wenn Sie im Alltag an die Grenzen des Informationsaustausches mit Ihren Artgenossen stoßen – fast so wie bei meinen Kindheitshelden im Märchen. Ich wünsche Ihnen also viel Spaß auf der Reise und viele Aha-Momente.

Madlen Ziege

Über Madlen Ziege

Biografie

Dr. Madlen Ziege hat in Potsdam, Berlin und in Australien Biologie studiert. In ihrer Promotion an der Goethe-Universität in Frankfurt untersuchte sie u.a. das Kommunikationsverhalten von Wildkaninchen in der Stadt und auf dem Land. Sie arbeitet als Verhaltensbiologin, ist Vorständin einer...

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