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Hüter des Gesetzes (Die Nebelgeborenen 4)

Brandon Sanderson
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Die Nebelgeborenen 4

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Hüter des Gesetzes (Die Nebelgeborenen 4) — Inhalt

Der fulminante Beginn der zweiten Ära der Nebelgeborenen-Reihe: Alte Helden werden zu Legenden, und neue treten auf den Plan.

Rund 300 Jahre nach dem Ende von „Held aller Zeiten“. Waxillium Ladrian verbrachte viele Jahre in der Einöde, dem sogenannten Rauland, und hat mit Hilfe seiner Allomantie Verbrecher gejagt. Nun muss er die Waffen beiseitelegen, nach Elantel zurückkehren und seine Rolle als Oberhaupt eines Adelshauses übernehmen. Doch nicht nur im staubigen Rauland, auch zwischen den schicken Herrenhäusern der Stadt lauern Gefahren: Sein ehemaliger Partner Wayne wird durch seine Ermittlungen nach Elantel geführt und bittet Wax um Hilfe. Zusammen begibt sich das ungleiche Ermittlerduo auf die Spur einer gefährlichen Verbrecherbande ...

Dieser Roman erschien vormals unter dem Titel: „Jäger der Macht“.


Weitere Bände der Reihe:

Erstes Zeitalter der Nebelgeborenen:

Kinder des Nebels (Band 1)
Krieger des Feuers (Band 2)
Held aller Zeiten (Band 3)

Zweites Zeitalter der Nebelgeborenen („Wax & Wayne“-Reihe):

Hüter des Gesetzes (Band 4)
Schatten über Elantel (Band 5)
Bänder der Trauer (Band 6)
Metall der Götter (Band 7)

€ 20,00 [D], € 20,60 [A]
Erschienen am 31.08.2023
Übersetzt von: Michael Siefener
432 Seiten, Klappenbroschur
EAN 978-3-492-70664-3
Download Cover
€ 9,99 [D], € 9,99 [A]
Erschienen am 31.08.2023
Übersetzt von: Michael Siefener
432 Seiten, WMePub
EAN 978-3-492-60493-2
Download Cover

Leseprobe zu „Hüter des Gesetzes (Die Nebelgeborenen 4)“

Prolog


Geduckt kroch Wax an dem zerbrochenen Zaun entlang. Seine Stiefel knirschten über den trockenen Boden. Er hielt seinen Sterrion 36 in Kopfhöhe; der lange, silbrige Lauf war mit rotem Lehm bestäubt. Der Revolver machte zwar keinen besonders ansehnlichen Eindruck, doch die sechsschüssige Trommel war mit solcher Präzision in den Rahmen – aus einer Stahllegierung – eingesetzt, dass in ihren Bewegungen nicht das geringste Spiel war. Das Metall schimmerte nicht, und in den Griff waren keinerlei exotische Materialien eingelassen. Aber die Waffe lag so [...]

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Prolog


Geduckt kroch Wax an dem zerbrochenen Zaun entlang. Seine Stiefel knirschten über den trockenen Boden. Er hielt seinen Sterrion 36 in Kopfhöhe; der lange, silbrige Lauf war mit rotem Lehm bestäubt. Der Revolver machte zwar keinen besonders ansehnlichen Eindruck, doch die sechsschüssige Trommel war mit solcher Präzision in den Rahmen – aus einer Stahllegierung – eingesetzt, dass in ihren Bewegungen nicht das geringste Spiel war. Das Metall schimmerte nicht, und in den Griff waren keinerlei exotische Materialien eingelassen. Aber die Waffe lag so gut in seiner Hand, als wäre sie eigens dafür geschaffen worden.

Der hüfthohe Zaun war baufällig, das Holz, mit der Zeit grau geworden, wurde von ausgefransten Seilen zusammengehalten. Es roch nach hohem Alter. Sogar die Würmer hatten dieses Holz schon vor langer Zeit aufgegeben.

Wax spähte über die Bretter, in denen sich viele Astlöcher befanden, und beobachtete die verlassene Stadt. Blaue Linien schwebten vor seinem Blick; sie nahmen ihren Ausgang in seiner Brust und deuteten auf Metallquellen in der Nähe – eine Auswirkung seiner Allomantie. Das Verbrennen von Stahl brachte dies hervor; es ermöglichte ihm, Metall aufzuspüren und dagegen zu drücken, wenn er es wollte. Sein Gewicht stand dann gegen das Gewicht des Metalls. Wenn es schwerer war als er, wurde er zurückgedrückt. War er selbst aber schwerer, dann wurde es von ihm abgestoßen.

Doch jetzt drückte er nicht dagegen. Er beobachtete nur die Linien und wollte herausfinden, ob sich eine der Metallquellen bewegte. Aber alles blieb ruhig. Es handelte sich um Nägel, die Gebäude zusammenhielten, um leere Patronenhülsen im Staub und um Hufeisen, die in der stillen Schmiede aufgestapelt waren. All das wirkte genauso reglos wie die alte Handpumpe, die rechts von ihm in den Boden gerammt worden war.

Auch er verhielt sich ganz still. Der Stahl brannte noch immer beruhigend in seinem Magen, und als Vorsichtsmaßnahme drückte er von sich aus recht vorsichtig in alle Richtungen. Noch vor ein paar Jahren hätte er diesen Kniff nicht beherrscht. Er drückte keinesfalls gegen einen bestimmten Gegenstand, sondern erschuf eine Art von Schutzblase um sich herum. Jedes Metall, das in seine Richtung fliegen mochte, würde dadurch ein wenig abgelenkt werden.

Er befand sich nicht in vollkommener Sicherheit, denn er konnte noch immer getroffen werden. Aber nicht alle Schüsse würden das Ziel treffen, auf das sie abgefeuert wurden. Dies hatte ihm schon mehrfach das Leben gerettet. Er wusste nicht einmal genau, wie er das machte. Die Allomantie war für ihn oft etwas Instinktives. Irgendwie war es ihm sogar gelungen, das Metall, das er bei sich trug, davon auszunehmen. Die Pistole wurde dabei nicht aus seiner Hand gedrückt.

Nachdem er die Blase erschaffen hatte, schlich er weiter am Zaun entlang und beobachtete die Metalllinien eingehend, damit sich niemand an ihn heranschleichen konnte. Feltrel war einmal eine blühende Stadt gewesen, doch das lag nun schon zwanzig Jahre zurück. Damals hatte sich ein Koloss-Klan in der Nähe angesiedelt, und das war gar nicht gut gewesen.

Heute schien die Geisterstadt vollkommen verlassen zu sein, auch wenn er wusste, dass dem nicht so war. Wax war hergekommen, weil er einen Psychopathen jagte. Und er hatte Unterstützung mitgebracht.

Er packte den oberen Rand des Zauns und sprang hinüber. Der rote Lehm knirschte unter seinen Füßen. Er duckte sich tief und rannte in gebückter Haltung zur Seite der alten Schmiede hinüber. Seine Kleidung war schrecklich staubig, aber gut geschnitten. Er trug einen feinen Anzug, hatte eine silberfarbene Krawatte umgebunden, und an den Ärmeln seines guten weißen Hemdes klimperten Manschettenknöpfe. Er hatte sich einen Kleidungsstil angewöhnt, der immer ein wenig fehl am Platze wirkte. Dabei sah er so aus, als würde er auf einen vornehmen Ball in Elantel gehen, und wirkte keinesfalls wie jemand, der in einer Geisterstadt des Raulands auf der Jagd nach einem Mörder war. Zur Vervollständigung seines Aufzugs trug er einen steifen runden Filzhut als Schutz gegen die Sonne.

Da hörte er etwas. Jemand trat an der gegenüberliegenden Straßenseite auf eine knarrende Planke. Das Geräusch war so schwach, dass er es beinahe nicht bemerkt hätte. Wax reagierte sofort. Er fachte den Stahl an, der in seinem Magen brannte. Dann drückte er gegen einige Nägel in der Wand neben sich, gerade als ein Schuss die Stille durchschnitt.

Die Wand erbebte unter seinem plötzlichen Drücken, während die alten, rostigen Nägel ächzten. Sein Drücken schob ihn zur Seite, dann rollte er über den Boden. Einen Augenblick lang erschien eine blaue Linie – es war die Kugel, die genau dort auf den Boden traf, wo er vorhin noch gestanden hatte. Als er wieder aufstand, folgte ein zweiter Schuss. Diese Kugel kam ihm näher und wurde nur um Haaresbreite abgelenkt.

Sie zischte an seinem Ohr vorbei. Wäre sie etwas weiter nach rechts geflogen, hätte sie ihn mitten in die Stirn getroffen, ob er nun in einer Stahlblase steckte oder nicht. Er atmete ruhig, hob seinen Sterrion und beobachtete den Balkon des alten Hotels auf der anderen Straßenseite, von wo der Schuss gekommen sein musste. Vor dem Balkon hing das Reklameschild des Hotels, hinter dem sich ein Schütze gut verstecken konnte.

Wax feuerte, drückte gegen die Kugel und trieb sie mit zusätzlichem Schwung vorwärts, damit sie schneller flog und eine größere Durchschlagskraft bekam. Er verwendete nicht die üblichen Blei- oder Kupferkugeln; er brauchte etwas Stärkeres.

Die großkalibrige Stahlkugel knallte gegen den Balkon, und aufgrund der zusätzlichen Kraft durchschlug sie das Holz und traf den Mann dahinter. Die blaue Linie, die zum Revolver des Mannes führte, zitterte, als er zu Boden sackte. Wax stand langsam auf und rieb sich den Staub von der Kleidung. In diesem Augenblick peitschte ein weiterer Schuss durch die Luft.

Er fluchte und drückte wieder gegen die Nägel, obwohl ihm sein Instinkt sagte, dass es zu spät war. Wenn er einen Schuss hörte, half ihm kein Drücken mehr.

Diesmal wurde er zu Boden geschleudert. Die Kraft musste irgendwo bleiben, und wenn sich die Nägel nicht bewegen konnten, dann musste er selbst es tun. Er ächzte auf, als er hinfiel, und hob seinen Revolver. Schweiß verklebte den Staub mit seiner Hand. Rasch suchte er nach dem Schützen. Er hatte Wax nicht getroffen. Vielleicht war die Stahlblase …

Ein Körper rollte vom Dach der Schmiede herunter und fiel auf den Boden. Eine rote Staubwolke stieg auf. Wax blinzelte, hob den Revolver in Brusthöhe und hastete wieder zum Zaun, hinter dem er in gebückter Haltung Deckung suchte. Er behielt die blauen allomantischen Linien im Auge. Sie warnten ihn, wenn sich jemand näherte – aber nur dann, wenn derjenige auch Metall bei sich hatte.

Auf den Leichnam, der neben das Gebäude gefallen war, deutete keine einzige Linie hin. Einige andere zitternde Linien wiesen allerdings auf etwas, das sich im hinteren Teil der Schmiede bewegte. Wax zielte mit seinem Revolver, als eine Gestalt um die Ecke des Gebäudes bog und auf ihn zulief.

Die Frau trug einen weißen Staubmantel, der am Saum gerötet war. Sie hatte das schwarze Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, war in eine Hose mit einem breiten Gürtel gekleidet und trug dazu klobige Stiefel. Ihr Gesicht war kantig. Es wirkte stark; die Lippen hoben sich an der rechten Seite zu einem schwachen Grinsen.

Wax stieß einen Seufzer der Erleichterung aus und senkte seine Waffe. „Lessie.“

„Wirfst du dich wieder selbst zu Boden?“, fragte sie, als sie sich neben ihn hockte, in den Schutz des Zauns. „Du hast mehr Staub auf deinem Gesicht, als Miles Runzeln hat. Vielleicht ist es an der Zeit, dich zur Ruhe zu setzen, alter Mann.“

„Lessie, ich bin drei Monate älter als du.“

„Es sind drei lange Monate.“ Sie spähte über den Zaun. „Hast du sonst noch jemanden gesehen?“

„Ich habe einen Mann auf dem Balkon da oben getroffen“, sagte Wax. „Ich konnte nicht erkennen, ob es der verdammte Tan war oder nicht.“

„Er war es nicht“, sagte sie. „Er hätte nicht versucht, dich aus einer so großen Entfernung zu erschießen.“

Wax nickte. Tan mochte es eher persönlich. Ganz nah. Dieser Psychopath bedauerte es jedes Mal, wenn er einen Revolver benutzen musste, und er erschoss nie jemanden, ohne dabei in die Lage zu kommen, die Angst in seinen Augen zu sehen.

Lessie beobachtete die stille Stadt und sah dann Wax an. Sie war bereit und schaute kurz nach unten. Auf seine Hemdtasche.

Wax folgte ihrem Blick. Ein Brief lugte aus seiner Tasche hervor, der ihm früher am Tag zugestellt worden war. Er kam aus der großen Stadt Elantel und war an den Herrn Waxillium Ladrian adressiert. Diesen Namen hatte Wax schon seit Jahren nicht mehr benutzt; er erschien ihm irgendwie falsch.

Er steckte den Brief tiefer in die Tasche. Lessie hielt ihn gewiss für bedeutender, als er in Wirklichkeit war. Die Stadt hatte ihm jetzt nichts mehr zu bieten, und das Haus Ladrian kam auch ohne ihn zurecht. Er hätte diesen Brief verbrennen sollen.

Um sie von dem Brief abzulenken, deutete Wax mit dem Kopf auf den Leichnam des Mannes, der neben dem Gebäude lag. „Ist das dein Werk?“

„Er hatte einen Bogen“, sagte sie. „Und Steinspitzen an den Pfeilen. Fast hätte er dich von oben erledigt.“

„Danke.“

Sie zuckte die Achseln, doch in ihren Augen glitzerte Befriedigung. Um diese Augen hatten sich inzwischen Runzeln gebildet, die das grelle Sonnenlicht im Rauland noch vertieft hatte. Es hatte eine Zeit gegeben, als sie und Wax einander nachgerechnet hatten, wer dem anderen öfter das Leben gerettet hatte. Aber jetzt hatten sie schon vor Jahren den Überblick verloren.

„Gib mir Deckung“, sagte Wax leise.

„Was für eine Deckung?“, fragte sie. „Etwa Kontodeckung? So ärmlich siehst du nun auch wieder nicht aus.“

Wax hob eine Braue und sah sie an.

„Verzeihung“, meinte sie und zog eine Grimasse. „In letzter Zeit bin ich zu oft mit Wayne zusammen gewesen.“

Er schnaubte, rannte geduckt zu der Leiche, die vom Dach gefallen war, und drehte sie um. Es war ein Mann mit einem grausamen Gesicht, der sich seit mehreren Tagen nicht mehr rasiert hatte. Blut tropfte aus seiner Schusswunde an der rechten Flanke. Ich glaube, ich kenne ihn, dachte Wax, als er die Taschen des Mannes durchsuchte und einen kleinen Splitter aus rotem Glas hervorzog, der die Farbe von Blut hatte.

Er eilte zum Zaun zurück.

„Na?“, fragte Lessie.

„Donals Leute“, sagte Wax und hob den Glassplitter hoch.

„Diese Bastarde“, sagte Lessie. „Sie konnten die Sache einfach nicht auf sich beruhen lassen.“

„Du hast auf seinen Sohn geschossen, Lessie.“

„Und du auf seinen Bruder.“

„Bei mir war es Notwehr.“

„Bei mir auch“, meinte sie. „Dieser Knabe war einfach lästig. Außerdem hat er überlebt.“

„Mit einem Zeh weniger.“

„Man braucht doch keine zehn“, sagte sie. „Eine meiner Cousinen hat nur vier. Sie kommt gut damit zurecht.“ Lessie hob den Revolver und warf einen Blick auf die Geisterstadt. „Natürlich sieht sie etwas lächerlich aus, wenn sie geht. Gib mir Deckung.“

„Wie viel?“

Sie grinste bloß, kam hinter dem Zaun hervor und huschte dicht über den Boden auf die Schmiede zu.

Heiliger Einträchtiger, dachte Wax und lächelte, ich liebe diese Frau.

Er hielt nach anderen Schützen Ausschau, aber Lessie erreichte das Gebäude, ohne dass weitere Schüsse abgefeuert wurden. Wax nickte ihr zu und rannte quer über die Straße auf das Hotel zu. Er huschte ins Innere und suchte in allen Ecken nach ihren Feinden. Der Schankraum war aber völlig leer, und so stellte er sich neben die Tür und winkte Lessie zu. Sie rannte zum nächsten Haus auf ihrer Seite und überprüfte es.

Donals Männer. Ja, Wax hatte seinen Bruder erschossen – den Mann, der einen Eisenbahnwaggon nach dem anderen ausgeraubt hatte. Soweit er wusste, hatte Donal nicht einmal etwas um seinen Bruder gegeben. Nein, Donal geriet nur dann in Wut, wenn er Geld verlor. Und das war vermutlich auch der Grund, warum er hier war. Er hatte ein Kopfgeld auf den Verdammten Tan ausgesetzt, weil dieser ihm eine Ladung Biegmetall gestohlen hatte. Vermutlich hatte Donal nicht erwartet, dass Wax Tan am selben Tag jagen würde wie er selbst, aber seine Männer hatten den Befehl, Wax und Lessie sofort zu erschießen, sollten sie ihnen über den Weg laufen.

Wax reizte der Gedanke, diese Geisterstadt einfach zu verlassen und Tan Donal zu überlassen. Doch dieser Gedanke war ihm unangenehm. Er hatte versprochen, Tan persönlich zur Strecke zu bringen.

Lessie winkte aus ihrem Gebäude heraus und deutete dann auf den hinteren Teil. Sie würde es dort wieder verlassen und sich dann von der Rückseite an die nächsten Häuser anschleichen. Wax nickte und machte eine knappe Geste. Er würde versuchen, sich Wayne und Barl anzuschließen, die die andere Seite des Ortes durchkämmten.

Lessie verschwand, und Wax durchquerte das alte Hotel bis zu einer Seitentür. Dabei kam er an alten, schmutzigen Nestern von Ratten und Menschen vorbei. Diese Stadt fing die Schurken ebenso ein, wie ein Hund zu Flöhen kam. Er ging sogar an einer Feuerstelle vorbei, die sich ein Wandersmann auf einem Stück Metall innerhalb eines kleinen Steinkreises geschaffen hatte. Es war ein Wunder, dass der Narr nicht das ganze Haus niedergebrannt hatte.

Vorsichtig zog Wax die Tür auf und trat in die Gasse zwischen dem Hotel und dem Laden daneben. Die Schüsse vorhin waren sicherlich nicht unbemerkt geblieben, und es konnte sein, dass jemand auf der Lauer lag. Da war es besser, außer Sichtweite zu bleiben.

Wax umrundete die hintere Ecke des Ladens und schritt dabei leise über den roten Lehmboden. Hier war die Hügelflanke mit Unkraut überwuchert – mit Ausnahme des Zugangs zu einem alten, kalten Keller. Wax umrundete ihn, blieb stehen und betrachtete die Grube, an der es eine Holzeinfassung gab.

Vielleicht …

Er kniete sich neben die Öffnung und spähte hinunter. Früher hatte hier offenbar eine Leiter gestanden, aber sie war nun verfault – ihre Überreste waren unten in einem Haufen alter Splitter zu erkennen. Die Luft roch schimmelig und feucht … und es lag eine Spur von Rauch in ihr. Jemand hatte dort unten eine Fackel angezündet.

Wax warf eine Kugel in das Loch und sprang mit gezogener Waffe hinterher. Während er fiel, füllte er seinen eisernen Metallgeist, wodurch er sein Körpergewicht verminderte. Er war ein Zwillingsgeborener – ein Ferrochemiker und gleichzeitig ein Allomant. Seine allomantische Gabe bestand im Stahldrücken, und seine ferrochemische Kraft, die Abschöpfen genannt wurde, zeigte sich daran, dass er je nach Belieben schwerer oder leichter zu werden vermochte. Diese Kombination machte ihn sehr mächtig.

Er drückte gegen die Kugel unter sich und verlangsamte seinen Abstieg, bis er sanft aufsetzte. Er kehrte wieder zum Normalgewicht zurück – das heißt zu dem Gewicht, das für ihn normal war. Oft lief er mit etwa drei Vierteln seines Gewichtes herum, um leichtfüßiger und reaktionsschneller zu sein.

Er schlich durch die Finsternis, war schon einen langen und schwierigen Weg gegangen, bis er endlich das Versteck des Verdammten Tan aufgespürt hatte. Am Ende war der Umstand, dass plötzlich alle anderen Banditen, Streuner und Wegelagerer Feltrel verlassen hatten, der entscheidende Hinweis gewesen. Mit leichten Schritten arbeitete sich Wax tiefer in den Keller hinein. Hier war der Geruch des Rauchs auch stärker geworden, und obwohl das Licht immer schwächer wurde, konnte er neben der Erdwand eine Feuerstelle erkennen – dies und eine Leiter, die bei Bedarf in den Eingang gestellt werden konnte.

Er hielt inne. Das bedeutete, dass derjenige, der sich in diesem Keller sein Versteck eingerichtet hatte – vielleicht war es Tan, vielleicht auch jemand anders –, noch hier unten war. Es sei denn, es gab einen anderen Weg hinaus. Wax kroch noch etwas weiter voran und blinzelte in die Dunkelheit.

Irgendwo vor ihm befand sich ein Licht.

Vorsichtig spannte Wax den Hahn seines Revolvers, holte eine kleine Phiole aus seinem Staubmantel und zog den Korken mit den Zähnen heraus. Er kippte die Mischung aus Whisky und Stahl in einem einzigen Schluck herunter und füllte seine Reserven auf. Dann fachte er den Stahl an. Ja … dort vor ihm im Tunnel befand sich Metall. Wie lang war dieser Keller? Er hatte angenommen, dass er sehr klein war, aber die hölzernen Stützbalken deuteten auf einen langen und tiefen Raum hin. Es wirkte eher wie der Zugang zu einer Mine.

Er kroch vorwärts und konzentrierte sich ganz auf die Metalllinien. Wenn er entdeckt wurde, würde jemand mit dem Revolver auf ihn zielen, dann würden die Linien zittern und er wäre in der Lage, dem Gegner auf allomantische Weise die Waffe aus der Hand zu drücken. Doch nichts bewegte sich. Er schlich weiter voran, roch feuchte, schimmelige Erde, Pilzbewuchs, knospende Kartoffeln. Er näherte sich einem zitternden Licht, hörte aber nichts. Die Metalllinien bewegten sich noch immer nicht.

Endlich kam er nahe genug heran, um eine Lampe erkennen zu können, die an einem Haken von einem Holzbalken in der Nähe der Wand hing. In der Mitte des Tunnels baumelte noch etwas anderes. Ein Körper? Erhängt? Wax fluchte leise, eilte voran und war sich dabei deutlich bewusst, dass es eine Falle sein konnte. Es war tatsächlich ein Leichnam, der ihn sehr verwirrte. Auf den ersten Blick schien er viele Jahre alt zu sein. Die Augen waren aus dem Schädel gewichen; die Haut spannte sich über die Knochen. Er stank nicht, und er war auch nicht aufgequollen.

Wax glaubte, ihn zu erkennen. Es war Geormin, der Kutscher, der die Post aus den weiter entfernt liegenden Dörfern der Umgegend wach Wettering brachte. Es handelte sich zumindest um seine Uniform, und es schienen auch seine Haare zu sein. Er war eines von Tans ersten Opfern gewesen, und sein Verschwinden hatte Wax überhaupt erst zu dieser Jagd veranlasst. Das war erst vor zwei Monaten gewesen.

Er ist mumifiziert worden, dachte Wax. Getrocknet und gegerbt wie Leder. Es war abstoßend. Manchmal hatte er mit Geormin etwas getrunken, und obwohl der Mann beim Kartenspiel betrogen hatte, war er doch ein liebenswürdiger Knabe gewesen.

Er hing nicht an einem gewöhnlichen Strick. Geormins Arme waren mit Draht umwickelt, so dass sie zu den Seiten ausgebreitet waren; der Kopf war geneigt und der Mund gewaltsam geöffnet worden. Wax wandte sich von diesem schrecklichen Anblick ab; in seinem Auge zuckte es.

Vorsichtig, sagte er zu sich selbst. Du darfst nicht zulassen, dass er dich wütend macht. Konzentrier dich. Er würde Geormin später abschneiden. Jetzt durfte er es sich nicht leisten, auch nur den geringsten Lärm zu verursachen. Wenigstens wusste er nun, dass er auf der richtigen Spur war. Dies hier war eindeutig das Versteck des Verdammten Tan.

In der Ferne schwebte ein weiterer Lichtfleck. Wie lang war dieser Tunnel bloß? Wax näherte sich der Helligkeit und entdeckte noch eine Leiche, die seitwärts geneigt an der Wand hing. Es handelte sich um Annarel, eine Geologin, die kurz nach Geormin verschwunden war. Arme Frau! Man hatte sie auf dieselbe Art getrocknet, und ihr Körper war in einer besonderen Pose an die Wand genagelt worden. Es wirkte, als würde sie gerade niederknien und einen Felsen untersuchen.

Ein weiteres Licht trieb ihn vorwärts. Dies hier war eindeutig kein Keller. Vermutlich handelte es sich um einen Schmugglertunnel aus der Zeit, als Feltrel eine aufstrebende Stadt gewesen war. Tan hatte das hier nicht erbaut – dazu waren die Stützbalken zu alt.

Wax kam an sechs weiteren Leichen vorbei. Jede wurde von einer brennenden Laterne erhellt und war in einer bestimmten Pose angeordnet. Eine saß auf einem Stuhl, eine andere war aufgehängt worden, als würde sie fliegen, und einige waren an die Wand genagelt. Die späteren Leichen waren frischer, und das letzte Opfer war erst vor ganz kurzer Zeit getötet worden. Wax kannte den schlanken Mann nicht, der da hing, die Hand zum Salut erhoben.

Rost und Ruin, dachte Wax. Das ist nicht bloß Tans Versteck – das ist seine Galerie.

Angeekelt machte sich Wax zum nächsten Lichttümpel auf. Dieser hier war anders. Heller. Als er näher kam, begriff er, dass er das Sonnenlicht sah, das durch eine viereckige Öffnung in der Decke hereinfiel. Der Tunnel führte darauf zu; es war möglicherweise der Zugang zu einer Falltür, die schon vor langer Zeit verrottet war. Der Boden hob sich sanft in Richtung des Loches.

Wax kroch den Hang hoch und steckte den Kopf vorsichtig hinaus. Er befand sich in einem Gebäude, das kein Dach mehr besaß. Die Ziegelmauern standen noch, und links von Wax befanden sich vier Altäre. Es handelte sich um eine alte Kapelle des Überlebenden. Sie schien leer zu sein.

Wax kletterte aus dem Loch und hielt dabei den Sterrion in Kopfhöhe. Sein Mantel war vom Schmutz dort unten fleckig geworden. Die saubere, trockene Luft roch gut.

„Jedes Leben ist ein Theaterstück“, sagte eine Stimme, die in der Kirchenruine widerhallte.

Sofort sprang Wax zur Seite und rollte sich hinter einen Altar.

„Aber wir sind keine Schauspieler“, fuhr die Stimme fort. „Wir sind Puppen.“

„Tan“, sagte Wax. „Komm heraus.“

„Ich habe Gott gesehen, Gesetzeshüter“, flüsterte Tan. Wo war er? „Ich habe auch den Tod gesehen, mit den Nägeln in den Augen. Und ich habe den Überlebenden gesehen, der das Leben selbst ist.“

Wax sah sich hastig in der kleinen Kapelle um. Sie war von zersplitterten Bänken und heruntergefallenen Statuen übersät. Er umrundete den Altar seitlich und bemerkte, dass die Stimme aus dem hinteren Teil des Raumes kam.

„Andere Menschen rätseln darüber“, sagte Tan, „aber ich weiß es. Ich weiß, dass ich eine Marionette hin. Das sind wir alle. Hat dir meine Ausstellung gefallen? Ich habe so hart daran gearbeitet.“

Wax schlich an der rechten Wand des Gebäudes entlang; seine Stiefel hinterließen eine Spur im Staub. Er atmete flach; ein Schweißtropfen rann ihm an der rechten Schläfe herunter. Sein Auge zuckte. Immer wieder sah er die Leichen an den Wänden.

„Viele Menschen erhalten nie die Möglichkeit, wahre Kunst zu schaffen“, meinte Tan. „Und die besten Darbietungen sind diejenigen, die niemals wiederholt werden können. Monate, ja sogar Jahre werden mit der Vorbereitung verbracht. Alles wird an die richtige Stelle gesetzt. Aber am Ende des Tages beginnt die Verwesung. Ich konnte die Körper nicht richtig mumifizieren; dazu hatte ich weder die Zeit noch die Mittel. Ich schaffte es nur, sie so lange zu erhalten, wie es für diese eine Ausstellung nötig war. Schon morgen wird alles zerstört sein. Du bist der Einzige, der sie gesehen hat. Nur du. Ich glaube … wir sind allesamt Marionetten … weißt du …“

Die Stimme kam tatsächlich aus dem hinteren Teil des Raumes, wo ein Schutthaufen Wax die Sicht versperrte.

„Jemand anders bewegt uns“, sagte Tan.

Wax hastete um den Schutthaufen herum und hob seinen Sterrion wieder an.

Dort stand Tan und hielt Lessie vor sich. Sie war geknebelt und hatte die Augen weit aufgerissen. Wax erstarrte. Lessie blutete aus mehreren Wunden an Arm und Bein. Sie war angeschossen worden, und ihr Gesicht wurde immer blasser. Sie hatte viel Blut verloren. Aus diesem Grunde hatte Tan sie überwältigen können.

Wax regte sich nicht. Er verspürte keine Angst. Das konnte er sich auch nicht leisten, denn sie würde ihn zum Zittern bringen, und dann bestand die Gefahr, dass er sein Ziel verfehlte. Er sah Tans Gesicht hinter Lessie; der Mann hatte ihr eine Garotte um den Hals gelegt.

Tan war ein schlanker Mann mit feingliedrigen Fingern. Er war einmal Leichenbestatter gewesen. Sein ausgedünntes, zurückgekämmtes Haar war schwarz und mit Pomade an den Schädel geklebt. Der hübsche Anzug war blutbeschmiert.

„Jemand anders bewegt uns, Gesetzeshüter“, sagte Tan leise.

Lessie sah Wax in die Augen. Beide wussten, was sie in dieser Lage zu tun hatten. Beim letzten Mal war er derjenige gewesen, der gefangen genommen worden war. Es wurde immer wieder versucht, sie beide gegeneinander auszuspielen. Nach Lessies Meinung war das nicht unbedingt ein Nachteil. Wenn Tan nicht gewusst hätte, dass sie beide ein Paar waren, hätte er sie sofort getötet. Doch so hatte er sie nur in seine Gewalt gebracht. Das ließ ihnen die Möglichkeit, ihm zu entkommen.

Nun senkte Wax den Lauf seines Sterrion. Er drückte gegen den Abzug, bis er kurz vor dem Schuss stand, und Lessie blinzelte. Einmal. Zweimal. Dreimal.

Wax schoss.

Im selben Augenblick riss Tan Lessie nach rechts.

Der Schuss peitschte durch die Luft und hallte von den Lehmziegeln wider. Lessies Kopf wurde zurückgeworfen, als Wax’ Kugel oberhalb des rechten Auges eindrang. Blut spritzte gegen die Lehmwand neben ihr. Sie sackte zusammen.

Wax stand erstarrt und entsetzt da. Nein … so sollte es nicht … es kann nicht …

„Die besten Darbietungen“, sagte Tan und schaute lächelnd auf Lessies Gestalt herunter, „sind diejenigen, die nur ein einziges Mal gegeben werden können.“

Wax schoss ihm in den Kopf.

Brandon Sanderson

Über Brandon Sanderson

Biografie

Brandon Sanderson, geboren 1975 in Nebraska, ist internationaler Bestsellerautor und lebt in Utah. Nach seinem Debütroman „Elantris“ widmete er sich ab 2007 der Vollendung von Robert Jordans epischer Fantasyreihe „Das Rad der Zeit“. Zudem begeistert er mit seiner Saga um „Die Nebelgeborenen“...

Weitere Titel der Serie „Die Nebelgeborenen“

In der Nebelgeborenen-Saga (Originaltitel: „Mistborn“) herrscht der unsterbliche Oberste Herrscher in einer düsteren Welt, in der es Asche von einem roten Himmel regnet und jede Nacht beängstigende Nebel aufsteigen. Er unterdrückt das Volk der Skaa als Sklaven. Eine kleine Gruppe von Rebellen unter ihrem Anführer Kelsier plant, den grausamen Tyrannen zu stürzen - ein Unterfangen, das nur den besten Magiebegabten und gerissensten Abenteurern gelingen kann.

Sandersons Romane sind mehr als Fantasy. Komplexe gesellschaftliche und politische Entwürfe zeichnen ihn ebenso aus wie facettenreiche Figuren und treffsichere Dialoge voller Humor und Schlagfertigkeit. Dabei bleibt Sanderson bei aller Komplexität anschaulich durch einen sehr gefälligen Stil, und nicht selten hat man beim Lesen das Gefühl, dass man das Drehbuch zu einem äußerst unterhaltsamen Film vor sich hat. Viele seiner Romane spielen im gleichen Erzähluniversum, dem sogenannten „Kosmeer“, welches dadurch zu einer faszinierenden, vielschichtigen Welt wird, in der es viel zu entdecken gibt.

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