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Falling for you again (Die besten deutschen Wattpad-Bücher) Falling for you again (Die besten deutschen Wattpad-Bücher) - eBook-Ausgabe

Nina Schilling
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Roman

— Romantisch-witzige Friends to Lovers-Story mit dem Crush nebenan
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Falling for you again (Die besten deutschen Wattpad-Bücher) — Inhalt

Ihr Crush ist zurück – und wohnt nebenan. Ein berührender Sommerroman über Erwachsenwerden, Liebe und Familie für Fans von Jenny Han und Kelly Oram 

„Noah ist mir so nah, dass ich seine Stimme nicht nur höre, sondern auch fühle. Sein Atem, der über mein Gesicht streicht. Seine Brust, die unter den Worten vibriert. Was er sagt, ist nur für mich bestimmt und ich schließe jedes einzelne Wort tief in mein Herz ein.“ 

May will nichts lieber, als das letzte Schuljahr mit ihren Freunden voll auszukosten. Das gestaltet sich allerdings schwer, seitdem ihre Eltern sich haben scheiden lassen, ihre Mutter Schicht arbeitet und sie daheim mit anpacken muss, während ihr Bruder sich in seinem Zimmer verkriecht. Als dann auch noch Noah – Nachbar, alter Freund und Mays früherer Schwarm – in den Semesterferien für einen Besuch zurückkehrt, ist das Chaos perfekt. Alte Gefühle kommen hoch, doch kann May es schaffen, dass er nicht mehr nur das kleine Mädchen von damals in ihr sieht? Dafür bleibt ihr nur dieser Sommer … 

„Bisher konnten mich die tiefgründigen und gefühlvollen Bücher von Nina Schilling immer begeistern und auch bei dieser sommerlichen Coming of Age Romance trifft sie mitten ins Herz. Unsere Heldin May erzählt aus ihrer Perspektive und der lockere und leichte Schreibstil macht es einfach, mit ihr mitzufiebern.“ ((Leserstimme auf NetGalley))

€ 15,00 [D], € 15,50 [A]
Erschienen am 29.08.2024
384 Seiten, Klappenbroschur
EAN 978-3-492-50813-1
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€ 9,99 [D], € 9,99 [A]
Erschienen am 01.08.2024
384 Seiten
EAN 978-3-377-90179-8
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Leseprobe zu „Falling for you again (Die besten deutschen Wattpad-Bücher)“

Kapitel 1

Wut. Sie ist seit einiger Zeit mein treuer Begleiter, klammert sich an mein Herz wie ein Geschwür und lässt die Welt etwas härter, etwas kantiger, etwas gefährlicher aussehen. Sie schiebt einen permanenten Filter über meine Sicht, die den verpassten Schulbus am Morgen wie eine Verschwörung gegen mich wirken lässt, und eine verpatzte Klausur, als könne ich gar nichts mehr auf die Reihe bekommen.

Dabei weiß ich nicht mal, auf wen ich wütend bin. Auf mich, weil ich es nicht schaffe, hinter mir zu lassen, was passiert ist? Auf meine Eltern, obwohl [...]

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Kapitel 1

Wut. Sie ist seit einiger Zeit mein treuer Begleiter, klammert sich an mein Herz wie ein Geschwür und lässt die Welt etwas härter, etwas kantiger, etwas gefährlicher aussehen. Sie schiebt einen permanenten Filter über meine Sicht, die den verpassten Schulbus am Morgen wie eine Verschwörung gegen mich wirken lässt, und eine verpatzte Klausur, als könne ich gar nichts mehr auf die Reihe bekommen.

Dabei weiß ich nicht mal, auf wen ich wütend bin. Auf mich, weil ich es nicht schaffe, hinter mir zu lassen, was passiert ist? Auf meine Eltern, obwohl sie unter dem Ganzen wohl am meisten leiden? Oder auf die gesamte Menschheit, weil die Nachrichten Tag für Tag beweisen, dass wir diese Welt nicht verdient haben?

Poetische Fragen für eine Mittagspause in der Schule. Und die Nudeln auf meinem Teller sind es, die die gesamte Wut abbekommen. Klackend stoßen die Zacken meiner Gabel immer wieder auf die Keramik, als ich die Nudeln aufspieße und sie dann doch nicht esse. Ich stochere nicht in meinem Essen herum, ich ersteche es.

„Wow, May, die Nudeln haben dir nichts getan.“

Beschwichtigend legt Eva eine Hand über meine und hält mich davon ab, als Nächstes die Minimöhren zu erdolchen. Mit einem frustrierten Seufzen lasse ich die Gabel fallen und lehne mich in meinem Stuhl zurück. „Sorry. Habe anscheinend keinen Appetit.“

Eva zieht eine Augenbraue hoch und muss sich sichtlich ein Lächeln verkneifen, als sie deutlich sanfter als ich die Überbleibsel zweier Fusilli aufpikst und sie mir anklagend hinhält.

„Sicher? Oder sind die Nudeln nachts bei dir eingebrochen und haben deine Lieblingspflanze umgebracht?“

Sofort schießt mir das Bild meiner Herzblattblume – Anthurium clarinervium – durch den Kopf, wie sie unter einem Haufen Nudeln begraben ist und ihr neues Blättchen sich Hilfe suchend nach oben reckt. Das lässt meine Mundwinkel zucken, und zusammen mit dem dunklen Knoten in meinem Bauch lösen sich auch meine verschränkten Arme.

„Also, wenn die Übeltäter nicht während der Doppelstunde Geschichte bei mir zu Hause eingebrochen sind, sollte es meinen Pflanzen gut gehen.“

Eva grinst mich an, während sie weitere Nudeln aufspießt und sie mir unter die Nase hält. „Gut, dann öffne jetzt wie eine brave MayMay den Mund und erweise diesen Nudeln die letzte Ehre.“

Zweifelnd schaue ich meine beste Freundin an, doch ich kenne diesen erwartungsvollen, starrsinnigen Blick viel zu gut, um zu wissen, dass sie nicht nachgeben wird, bis ich die Nudeln gegessen habe. Also öffne ich augenverdrehend den Mund und bekomme babygerecht mit Flugzeuggeräuschen mein Essen angereicht. Dass die halbe Schule uns anstarrt, macht Eva nichts aus. Mich im Gegensatz bewegt es dazu, ihr schnell die Gabel aus der Hand zu nehmen.

Das siegreiche Lächeln auf Evas Lippen macht dabei nur zu deutlich, dass sie erreicht hat, was sie wollte. Doch auch wenn ich ihr einen genervten Blick schenke, muss ich beim Kauen ein Grinsen unterdrücken. Weil Eva durchgeknallt ist und ich genau das an ihr liebe. Und weil sie es geschafft hat, die Wut in meiner Brust für eine Zeit lang zu verbannen.

„Hat Eva dich gerade gefüttert?“ Gegenüber von uns wird ein Tablett auf den Tisch geknallt, und eine Sekunde später setzt sich Allie schwungvoll hin. Sie mustert uns mit diesem Blick, den wir seit der dritten Klasse regelmäßig kassieren und der so viel aussagt wie: Ich habe euch lieb, aber ihr habt sie nicht mehr alle. Übel nehmen kann ich es ihr nicht. Also winke ich einfach ab, in der Hoffnung, dass das Thema damit gegessen ist. Aber da habe ich nicht mit David, Max und Rico gerechnet, die sich genau diesen Moment raussuchen, um sich ebenfalls zu uns zu gesellen.

„Ja, hat sie. Und die Propellergeräusche waren sehr authentisch, Eva.“

David hält Eva die Hand zum Abschlagen hin, und ich verdrehe erneut die Augen. Na prima.

„Hat die kleine May etwa nicht artig gegessen?“ Rico wuschelt mir im Vorbeigehen durch die Haare, ist jedoch leider zu schnell und weicht meinem Schlag aus.

„Genau genommen hat sie ihr Essen ermordet“, meint Eva mit einem bedeutungsvollen Blick zu meinem Teller, der tatsächlich wie ein Kriegsgebiet aussieht.

„Okay, okay.“ Frustriert stöhne ich auf. „Ich hab’s verstanden. Mit Essen spielt man nicht.“ Auf Evas hochgezogene Augenbraue hin ergänze ich genervt: „Und man ermordet es auch nicht. Aber können wir uns jetzt vielleicht wichtigeren Dingen zuwenden? Zum Beispiel, was wir heute Abend machen?“ Etwas Besseres ist mir auf die Schnelle nicht eingefallen, aber die Ablenkung funktioniert erstaunlich gut.

David wird sofort hellhörig, und wenn ich ihn nicht so gut kennen würde, hätte ich ihm die lässige Art abgenommen, mit der er die Hände hinter dem Kopf verschränkt und sich auf seinem Stuhl nach hinten lehnt.

„Lasst uns ins Connect gehen. Was Besseres gibt’s in diesem Dorf doch eh nicht.“

Dorf ist vielleicht nicht ganz die richtige Beschreibung für eine Stadt mit fünfzigtausend Einwohnern, aber wenn man hier aufgewachsen ist, hat Neustadt doch irgendwann nichts Neues mehr zu bieten.

„Ach, komm, du hast den Laden gehasst, bis du letzte Woche diese süße Blondine abschlabbern konntest.“ Max macht Kussgeräusche, und Rico lacht über die zarte Röte, die sich auf Davids Gesicht ausbreitet.

„Ich schlabbere nicht. Fragt May, ich küsse zehnmal besser als ihr Vollidioten.“

Da ist es mit dem Lachen schlagartig vorbei, und drei ernst blickende Augenpaare richten sich auf mich.

„Was?“ Verteidigend hebe ich die Hände. „Ist ja nicht so, als könnte ich das bei euch Zweien bewerten.“

Mit hochgezogenen Augenbrauen sehe ich von Max zu Rico, und während Ersterer mit einem Schulterzucken nachgibt und in sein Sandwich beißt, scheint Rico die Kränkung persönlicher zu nehmen.

„Das stimmt nicht. Wir haben uns schon mal geküsst!“

Jetzt werden auch die Mädels aufmerksam. Allie gibt mit vollem Mund etwas von sich, das man als „Hä?“ interpretieren könnte, und Eva neben mir sitzt innerhalb von einer Sekunde kerzengerade da. „Wie bitte?!“

Böse starre ich Rico an. Kann man mit einer Gabel auch Menschen aufspießen? „Du meinst, damals mit fünf im Kindergarten? Ja, dieser Kuss hat meine Welt aus den Angeln gehoben.“ Meine Stimme trieft vor Sarkasmus, aber das scheint Rico gewissenhaft zu ignorieren.

Er grinst nur breit und schlägt David mit einem „Siehst du?“ auf die Schulter. Eva wiederum gibt einen enttäuschten Laut von sich und lässt sich zurück in den Stuhl sinken. Sie hat sich eine spannendere Story erhofft, aber da muss ich sie leider enttäuschen.

„Okay, nachdem wir geklärt haben, dass ihr alle Schlappschwänze seid“, Allie schenkt den Jungs einen genervten Blick, „können wir uns dem eigentlichen Thema wieder zuwenden. Ich finde das Connect auch eine gute Idee. Da sind wenigstens keine Minderjährigen.“

„Außer unsere MayMay.“ Das Y in die Länge ziehend legt Eva einen Arm um mich, was mich frustriert aufstöhnen lässt.

„Ich bin ein halbes Jahr jünger als du!“

„Das stimmt.“ Grinsend stupst Eva meine Nase mit ihrem Finger an. „Trotzdem bist du minderjährig und ich nicht.“

Ein Fakt, der mir nur allzu oft unter die Nase gerieben wird und bei dem ich es kaum erwarten kann, dass er sich ändert. Noch zwei Monate, und ich muss endlich nicht mehr von meinen Freunden in den Club geschmuggelt werden. Noch zwei Monate, und ich kann auch ohne meine Eltern Auto fahren. Noch zwei Monate, und ich kann endlich machen, was ich will.

Na ja, wäre dann nicht die heiße Phase vor unserem Schulabschluss. Aber das ist ein anderes Thema.

„Aber May ist eine coole Minderjährige. Sie darf mit“, steigt Allie grinsend in die Stichelei mit ein, während sie sich in ihrem Stuhl zurücklehnt, ihre Dr. Martens auf dem Tisch ablegt und in ihren Apfel beißt. Dass sie jede Woche mindestens einmal von einem Lehrer ermahnt wird, die Füße vom Tisch zu nehmen, macht ihr nichts aus. Wahrscheinlich stachelt es sie sogar nur weiter an.

„Danke, da fühle ich mich aber geehrt“, erwidere ich genervt, kann aber nichts dagegen tun, dass meine Mundwinkel nach oben zucken.

„Immer gern“, zwitschert meine Freundin und wirft mir einen Kussmund zu. Ich fange ihn in der Luft auf, so, wie wir das seit Kindertagen machen, und wir grinsen uns an.

„Also ist die Sache gebongt, wir gehen heute Abend ins Connect!“, verkündet David glücklich, und das hat wohl kaum etwas mit dem Club selbst zu tun.

Aber ich gönne es ihm. Es ist fast ein Jahr her, dass wir uns einvernehmlich getrennt haben, und auch wenn es selten vorkommt, meine ich mit einvernehmlich wirklich einvernehmlich. Manche Dinge muss man erst ausprobieren, um zu merken, dass sie nicht zueinanderpassen. So wie Käse und Nutella. Nur weil ein Brot mit Käse und eines mit Nutella zum Frühstück wunderbar funktionieren, muss die Kombi nicht schmecken. Und nur weil David und ich seit Jahren beste Freunde sind, können wir als Pärchen trotzdem eine Katastrophe sein. Ich bin nur dankbar, dass wir es beide so sehen. Also hoffe ich für ihn, dass die süße Blondine heute Abend wieder da sein wird. Genau genommen wäre es eine unterhaltsame Beschäftigung, die beiden zu verkuppeln. Ein Gedanke, den Eva wohl mit mir teilt, da sie mir verschwörerisch zulächelt.

 

Vier Stunden und meine gesamte Gehirnkapazität später schlurfe ich mit brummendem Schädel aus der Schule. Es sollte verboten werden, Nachmittagsunterricht an einem Freitag zu haben und erst recht Mathe in den letzten Stunden. Aber im Abschlussjahr interessiert das herzlich wenig.

Dass der September sich noch mal von seiner besten Seite zeigt und uns Temperaturen verschafft, bei denen man im Sitzen schwitzt, hilft auch nicht sonderlich. Also ignoriere ich mein schlechtes Gewissen wegen der Vier im Mathetest, den wir gerade zurückbekommen haben, und beschließe nach einer Höllenfahrt im Bus, zu Hause nichts mehr für die Schule zu tun. Genau genommen wird mir meine Zeit sowieso knapp, wenn ich noch etwas essen und Sport machen will, bevor ich für heute Abend aufbreche.

Anders als Eva, Max und David wohne ich nicht direkt in der Stadt. Allein der Weg zur Schule kostet mich eine Dreiviertelstunde, und da wir wie üblich bei Max vorglühen, werde ich genauso lang wieder für den Weg in die Innenstadt brauchen. Nervig, aber trotzdem mag ich das Vorstadtleben. Allein an den Einfamilienhäusern in unserer Straße vorbeizulaufen schenkt mir einen gewissen Frieden, den ich in den letzten Monaten selten empfunden habe. Es erinnert mich an bessere Zeiten, als Nachmittage noch daraus bestanden haben, mit den Nachbarskindern draußen zu spielen und der Eiswagen am Abend das Highlight war. Vor allem im Sommer denke ich viel an meine Kindheit zurück, die mir inzwischen eher wie ein entfernter Traum vorkommt. Damals war alles noch so leicht. Die größte Herausforderung war es, Mom und Dad davon zu überzeugen, dass ich noch eine Stunde länger draußen bleiben darf, anstatt mit meinem jüngeren Bruder Tim heimzumüssen. Dafür hätte ich damals alles getan. Um mich wie eine der Großen zu fühlen, wenn ich mit Noah um die Häuser zog.

Noah … Vor unserer Haustür bleibe ich stehen und werfe einen Blick hinüber zum Haus der Millers. Seitdem ich denken kann, sind unsere Mütter befreundet, und er ist wie der große Bruder, den ich nie hatte. Na ja, zumindest, bis ich in die Pubertät kam und merkte, dass Jungs noch für etwas anderes gut sind als dafür, sie zu ärgern. Das hat die Dinge zwischen uns geändert. Das, oder einfach der Lauf des Lebens. Man findet andere Freunde, wird älter, und jetzt weiß ich eigentlich nur, dass er Bauingenieurwesen studiert und alle paar Monate bei seinen Eltern vorbeischaut. Mehr als ein unverbindliches, kurzes Lächeln, wenn wir uns zufällig an Weihnachten in der Auffahrt begegnen, gab es seit Jahren nicht.

Ein kleiner Stich ins Herz verrät mir, dass ich wohl doch noch nicht ganz über die Jahre hinweg bin, in denen ich am Fenster gewartet habe, bis Noah von der Schule heimkam. Nur um mich dann kichernd und mit roten Wangen hinterm Vorhang zu verstecken, damit er mich bloß nicht sieht. Die Erinnerung bringt mich zum Schmunzeln, während ich die Tür aufschließe und in die angenehme Kühle des Hauses trete.

Ich war damals peinlich und verknallt, trotzdem fühlen sich die Erinnerungen wie Sonnenschein und zu Hause an. Vielleicht weil damals jeder Tag mit einem gemeinsamen Abendessen geendet hat, bei dem Tim und ich uns geärgert haben, bis Dad uns ermahnt hat, endlich zu essen. Oder weil Wochenenden aus Grillen, Wasserschlachten und Gartenprojekten bestanden, die ich diesen Sommer schmerzhaft vermisst habe, obwohl es schon Jahre her ist, dass Tim und ich uns dafür interessiert haben. Denn es ist etwas anderes, eine Option zu haben und sie nicht zu wollen, als sie erst gar nicht zu haben.

Die Gedanken stürzen auf mich ein wie eine Lawine, und anstatt meine Tasche abzustellen, die Schuhe auszuziehen und in mein Wochenende zu starten, erwische ich mich dabei, wie ich mich im Hausflur umschaue und nach Beweisen der Veränderung suche, die ich in mir spüre.

Dads Schuhe fehlen im Regal. Der Teppichläufer ist beige, statt grau, und hat ein florales Muster. All unsere Jacken sind fein säuberlich aufgehängt, anstatt in dem Halbchaos, das meinen Vater überallhin begleitet hat, auf der Schuhbank zu liegen. Es sind Kleinigkeiten, aber sie alle sprechen eine eindeutige Sprache: Dad wohnt nicht mehr hier.

Ich will nicht, dass bei dem Gedanken Traurigkeit in mir aufkommt. Immerhin war er es, der eine Affäre mit seiner Sekretärin angefangen hat. Der Klassiker – eine Geschichte, wie man sie schon zigmal gehört hat. Und trotzdem ist sie scheiße, wenn man mittendrin steckt.

Es ist Monate her, dass der ganze Schlamassel ans Licht kam, und wenn ich mir überlege, wie es vor einem halben Jahr hier aussah, sind Teppichläufer und Jacken das kleinste Übel. Irgendwie hat alles seine neue Normalität gefunden. Eine Normalität, die ein abendliches Familienessen wie den Besuch von Aliens erscheinen lässt.

Ein schweres Seufzen überkommt mich, doch ich reiße mich zusammen und lege meine Schulsachen ab. Tim ist da, das erkenne ich an seinen abgetragenen Sneakers in der Diele. Aber ich versuche erst gar nicht, ein Hallo zu rufen. So, wie ich ihn kenne, sitzt er seit Schulschluss in seinem abgedunkelten Zimmer und zockt mit seinen Freunden. Da könnte eine Atombombe neben ihm explodieren und er würde es nicht mitbekommen. Auch nach Mom muss ich nicht suchen. Sie hat Spätdienst und wird erst in ein paar Stunden heimkommen, was mir zumindest für heute Abend eine Predigt über den Mathetest erspart. Also kann ich mich ohne Sorgen im Erdgeschoss ausbreiten und mir erst mal was zu essen holen.

Im Vorbeilaufen schalte ich die Bluetooth-Box im Wohnzimmer an und verschwinde dann, begleitet von meiner Musik, in die angrenzende Küche. Ich will nur kurz etwas aus dem Kühlschrank holen und mich dann entspannen, um fit für heute Abend zu sein, aber ich kann schon aus der Entfernung sagen, dass ein unschuldiges rosa Post-it auf dem Küchentisch mir einen Strich durch die Rechnung macht.

Mitten im Schritt bleibe ich stehen, und da ist sie wieder. Die Wut. Sie wischt den letzten Rest meines sentimentalen Anfalls weg und hinterlässt nichts anderes als hässliche dunkle Gefühle. Was will Mom dieses Mal? Dass ich einkaufen gehe? Oder die Wäsche mache? Vielleicht auch beides?

Am liebsten würde ich den Zettel einfach ignorieren. Ich habe zu viel für die Schule zu tun, um nebenbei noch den ganzen Haushalt zu schmeißen. Ständig will Mom irgendwas von mir, während Tim auf jede Bitte genervt reagiert und dann in Ruhe gelassen wird. Nur weil er vierzehn und in seiner Trotzphase ist, muss ich alles machen, oder was?

Wütend knirsche ich mit den Zähnen und stapfe weiter zum Kühlschrank. Am liebsten würde ich mit der Tür knallen oder ordentlich wo dagegentreten. Doch während ich blind in die Kühlfächer starre, übernimmt ein Teil der Vernunft wieder das Ruder und erinnert mich daran, dass es Mom noch schwerer hat. Sie ist diejenige, die Schicht arbeitet, um uns unser Leben zu finanzieren. Sie ist es, die auf einmal allein dasaß, weil Dad beschlossen hat, dass er sich neu finden muss, und seitdem mit seiner neuen Freundin in der Weltgeschichte herumtourt. Wenn ich sie damit entlasten kann, kurz die Wäsche aufzuhängen, sollte ich mich nicht so anstellen.

Mit einem tiefen Atemzug bringe ich meinen Herzschlag runter. Es ist nicht einfach und braucht mehrere Versuche, doch schließlich schließe ich die Kühlschranktür wieder und schlendere zurück zum Küchentisch. Darum bemüht, die Ruhe zu bewahren, greife ich nach dem Zettel.

 

Hallo mein Schatz ❤️

Könntest du bitte für Tim etwas mitkochen? Wenn er sich weiter von Tiefkühlpizza ernährt, hat er mit 40 einen Herzinfarkt. ????

Xoxo Mama

 

Ich rolle mit den Augen, so typisch ist dieser Spruch für Mom. Ich hatte nicht vor, etwas Großes zu kochen. Und erst recht nicht für zwei. Tim soll einfach mal selbst lernen, wie man mehr als Tiefkühlware zubereitet. Das musste ich schließlich auch. Aber ich will Mom nicht auch noch ein Klotz am Bein sein. Das schlechte Gewissen legt sich wie ein Stein in meinen Magen. Sich nicht mit diversem Kleinkram vollzustopfen tut mir gewiss auch gut, nicht wahr? Der gute Zuspruch hilft leider nur wenig gegen die Schwere, die sich in meinem Körper ausbreitet, während ich alles für eine Ratatouille zusammensuche und mit dem Kochen beginne. Vielleicht weil ich weiß, dass Eva jeden Tag von ihrer Mutter mit einem Mittagessen begrüßt wird. Oder Max von seinen Eltern Geld bekommt, um sich etwas zu essen holen zu können.

Die Bitterkeit rumort in mir, bis ich die Musik an meinem Handy lauter stelle und vom Bass abgesehen nichts weiter existieren kann.

 

Zumindest knurrt mein Magen hungrig, als ich eine halbe Stunde später die letzte Prise Salz dazugebe, den Herd ausstelle und zwei Teller aus dem Schrank hole. Miley Cyrus’ Stimme mit Flowers begleitet mich auf dem Weg nach oben zu Tims Zimmer. Und je leiser die Musik wird, desto lauter wird wieder die genervte Stimme in mir. Wenn dieser Idiot nicht zumindest dankbar ist, landet dieses Essen direkt auf seinem Bildschirm.

Ich klopfe erst gar nicht an Tims Tür, sondern trete einfach ein und werde von einem netten „He, verdammt! Ich versuche, mich hier zu konzentrieren!“ begrüßt.

Augen rollend bahne ich mir einen Weg durch die herumliegenden Klamotten, Teller und … Sind das verschimmelte Erdbeeren? Gott, ich glaube, ich muss kotzen.

„Wie kannst du nur in diesem Zimmer leben?“

„Durch Ruhe und Frieden vor nervigen großen Schwestern.“

Die Antwort kommt, ohne dass Tim sich von seinem Bildschirm abwendet. Er hämmert gerade wie blöd auf seine Tastatur ein, aber bringen tut es nichts. Ein anderer Spieler kommt hinter einem Container hervorgesprungen und erschießt meinen kleinen Bruder.

„Verdammt! Siehst du, was du angerichtet hast?“

Nun werde ich doch angefunkelt, während das Headset auf den Schreibtisch gepfeffert wird. Ich verziehe das Gesicht. „O Mann, tut mir leid. Das nächste Mal … Ach nein, warte, interessiert mich nicht.“

Meine reuevolle Miene zerfällt zu Desinteresse, und ich nehme die letzte Hürde, bestehend aus einer Jogginghose samt darin liegender Boxershorts, und stelle den Teller vor dem Ekelpaket ab, mit dem ich leider verwandt bin.

„Hier, bitte schön, lass es dir schmecken.“

„Wäre nicht nötig gewesen. Ich hab schon was gegessen.“

Mit hochgezogener Augenbraue lasse ich den Blick über Tims Schreibtisch wandern. Chipstüten, Kekspackungen und ein Teller mit einigen Scheiben Toast auf Vorrat. Gott, ich hoffe, die sind noch nicht zu alt.

„Bruderherz, du willst doch irgendwann in deinem Leben mal ein Mädchen abbekommen, oder?“ Die Nase krausgezogen hebe ich eine halb leere Chipstüte hoch und lasse sie wieder runterfallen. „Dann solltest du dringend eine andere Hauptnahrungsquelle als Chips finden.“ Damit schiebe ich seine Tastatur zur Seite und das noch dampfende Essen unter seine Nase. Tims Mittelfinger ignoriere ich, als ich mir einen Weg zurück durch das Minenfeld bahne, und schnappe begierig nach der frischen Luft im Flur.

Dafür kassiere ich ein „Du bist so eine Dramaqueen!“ von meinem Bruder, das ich mit einem „Nein, du bist einfach nur widerlich!“ kontere und die Tür zuschlage. Ich hätte das Essen doch besser auf seinen Bildschirm entleeren sollen.

Zähneknirschend laufe ich die Treppen wieder runter und schnappe mir meinen eigenen Teller. Das dreckige Geschirr, das in der gesamten Küche verstreut herumliegt, ignoriere ich dabei geflissentlich. Mama will, dass ich koche? Dann soll Tim abspülen. Und sein Zimmer säubert er am besten gleich mit.

Zusammen mit meiner Musik verziehe ich mich in mein Zimmer und drehe dabei die Box im Vorbeigehen an Tims Tür besonders laut auf. Das dumpfe „May!“, welches mir durch die Tür zurückschallt, zaubert ein kleines, schadenfrohes Lächeln auf meine Lippen.

Die nächste Stunde verbringe ich mit Essen, Social Media und Netflix, bis ich mich nicht mehr zu vollgefressen für Sport fühle. Da es zum Joggen draußen zu heiß ist, läuft es zwar nur auf ein Home-Workout hinaus, aber ich habe kein Verlangen danach, mein Ratatouille noch mal zu sehen. Wenn ich ins Training gehen würde, hätte ich wahrscheinlich sogar nur eine Banane zu Mittag gegessen. Ein voller Magen und Tanzen vertragen sich nicht sonderlich gut. Aber darum muss ich mir ja keine Sorgen mehr machen. Mom hat mich schon im Frühjahr von meiner Tanzschule abgemeldet, zu der Eva und ich gehen, seitdem wir fünf sind. Immerhin entgleite ich dem Alter für Hobbys, und generell ist es ja besser, mich jetzt voll und ganz auf meinen Schulabschluss zu konzentrieren. Ihr unsicheres Lächeln, als sie mir das mitgeteilt hat, konnte weder sie noch mich überzeugen. Tatsache ist, dass eine Scheidung verflucht teuer ist, genauso wie Tanzunterricht. Und daran ändert auch der Stich in meiner Brust nichts, jedes Mal, wenn Eva etwas von der neuen Choreografie in ihrer Story postet. Vielleicht hätte ich Dad und sein schlechtes Gewissen, uns verlassen zu haben, anpumpen können, aber mein Stolz hält mich davon ab. Zumal ihn unser Leben ja sowieso nicht sonderlich zu interessieren scheint.

Und wieder ist da dieser dunkle, pulsierende Knoten in meiner Brust, der mir für einen Moment die Luft raubt. Ich versuche ihn runterzuschlucken, aber so richtig funktionieren will es nicht. Also tue ich das Einzige, was mir einfällt, und starte ein Workout-Video, bis mein schnaufender Atem den Druck von meiner Brust nimmt und mein Körper die Kontrolle über meinen Kopf erringt.

Nina Schilling

Über Nina Schilling

Biografie

Schon früh war Nina Schilling kaum von Büchern fernzuhalten, bis sie neben dem Lesen ebenfalls mit dem Schreiben anfing. Auf Wattpad feierte sie schon als 14-Jährige große Erfolge. Heute studiert sie Psychologie und schreibt weiterhin.

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