Für alle, die ihr Single-Leben nicht mehr vor anderen rechtfertigen wollen!
Über das Alleinsein in einer Gesellschaft der Zweisamkeit
„Was stimmt nicht mit mir?“ Diese Frage begleitet Malin Lindroth schon ihr ganzes Leben. Es fing an, als die ersten Mitschülerinnen schüchtern Händchen hielten, während sie allein und unsicher daneben stand. Es ging weiter, nachdem sie ihre erste und einzige Beziehung mit einem Mann nach vier Jahren beendete — in der sicheren Annahme, der Nächste würde schon kommen. Und es endet dreißig Jahre später, als Lindroth es satt hat, sich für ihr nicht vorhandenes Beziehungsleben zu rechtfertigen, denn der Nächste kam nicht.
Malin Lindroth über ihr Buch zum Single sein
Irgendwo habe ich gelesen, dass es für das menschliche Gefühl der Scham keinen eindeutig erkennbaren Gesichtsausdruck gibt. Den wütenden Menschen erkennt man, ganz gleich, wo in der westlichen Welt er sich aufhält, dasselbe gilt für den glücklichen Menschen. Aber woran erkennt man jemanden, der sich schämt? Außer vielleicht an einem abgewandten Blick und roten Flecken am Hals, die man auch anders deuten kann, gibt es nicht viel Entlarvendes. Vielleicht kann man auch deshalb die Scham so schwer in Worten ausdrücken. Sie ist heimlich, man verschweigt sie. Es braucht drastische Maßnahmen, um sie zu fassen zu bekommen. Ein Reclaiming.
Heutzutage ist es weitgehend sozial akzeptiert, wenn man sich selbst als Lesbe, Schwuler, Tunte, Oma oder Bitch bezeichnet. Aber einige schambesetzte Wörter gibt es noch. Mit diesem Buch möchte ich eines wieder in Gebrauch nehmen, das bestens zu einer zweiundfünfzigjährigen, kinderlosen, unfreiwillig allein lebenden Frau passt, die sich in dem Narrativ des Alleinlebens, das unsere Kultur zu bieten hat, nicht wiedererkennt. Ich möchte den Begriff alte Jungfer zurückerobern.
„Lindroth erinnert an die Furcht, die viele von uns versuchen zu vergessen. Daher ist es so ein mutiges Buch. Sie spricht mit einer misstönenden Stimme in einer Zeit in der wir die Idee lieben, dass wir unser eigenes Leben wählen können. Das wir uns selbst erfinden.“
Teresa Bücker über "Ungebunden"
Wenn Menschen von ihren Lebensmodellen erzählen und damit Zuhörer*innen finden wollen, dann müssen es Geschichten von bewussten Entscheidungen sein oder zumindest solche, in denen die Umstände, die ihr Leben prägten, schließlich einen Sinn ergaben. Die erfolgreich machten oder glücklich. Die Geschichten rund um selbstbewusste Entscheidungen wollen Zweifel ausräumen und die Gewissheit vermitteln, das Richtige getan zu haben. Malin Lindroth erzählt jedoch in ihrem Essay Ungebunden eine andere Geschichte.
Man kann nach wie vor nicht einfach alleine leben, ohne eine gute Erklärung dafür zu haben. Die fehlende Partnerschaft wird nur dann von der Gesellschaft übersehen, wenn an ihre Stelle etwas anderes Großes getreten ist, für das sich die Person stattdessen entschieden hat. Sie darf keine seltsame alte Dame mit Katzen sein. Andere müssen zu ihr aufschauen wollen. Die feste Beziehung oder Familie als Indiz für ein gelungenes Leben verlieren zwar an Bedeutung, doch um ein gelungenes Leben als alleinstehender Mensch vorzuweisen, muss dieses maximal selbstbestimmt sein.
Alleinstehende müssen „Überzeugte“ sein, unverwundbar, die Sehnsucht nach etwas anderem abgelegt haben. Sie müssen selbstbewusste, charismatische, unabhängige Singles sein. Entscheidungsstark. Ihr Stereotyp liest sich wie eine Jobanzeige voller leerer Buzzwords. Mit der Realität von Alleinlebenden hat das wenig zu tun.
„Malin Lindroth erzählt davon, wie es ist, wenn das Leben immer wieder Entscheidungen trifft, die dem eigenen Wunsch widersprechen.“
Malin Lindroth erzählt in Ungebunden davon, wie es ist, wenn das Leben immer wieder Entscheidungen trifft, die dem eigenen Wunsch widersprechen. Von Möglichkeiten, die nicht vorhanden waren und die keine noch so große Anstrengung zutage fördern konnte.
Das Bekenntnis dazu, alleine zu leben und dies zu bedauern, hat die letzten zehn Jahre wenig in den Diskurs gepasst. Schmerz muss eleganter sein. In einer Gesellschaft, in der in ohrenbetäubender Lautstärke erzählt wird, dass es an jeder Person selbst liege, das Beste aus ihrem Leben zu machen, dass, wenn sie sich nur genug anstrenge, alles gelingen könne, in solch einer Gesellschaft ist es kaum möglich, diese Dinge nicht selbst, wenigstens ein bisschen, zu glauben.
Wer kann, optimiert sich – und behauptet, das tue sie oder er freiwillig. Für sich selbst. Die schlimmste aller Lügen der Selbstoptimierungsgesellschaft ist, dass, wenn es dem Herzen an etwas fehle, genügend Selbstliebe auch diesen Schmerz lindern könne. Es gehört Mut dazu, sich diesem Paradigma ausgerechnet beim Tema Partnerschaft entgegenzustellen und den kursierenden Rezepten für das Finden einer Liebe eine Absage zu erteilen. Denn wir richten viel von unserem Leben danach aus, geliebt zu werden. Aber das funktioniert nicht für alle, erinnert Malin Lindroth ihre Leser*innen.
Daher ist Malin Lindroths Text fordernd: Ihr geht es nicht darum, tröstend in den Arm genommen zu werden. Ihre Geschichte ist nicht tragisch.
Die gesellschaftliche Analyse, die Malin Lindroth gelingt, handelt daher auch nicht davon, wie allein lebende Menschen glücklicher werden könnten oder wie man ihnen dieses Schicksal ersparen könnte. Die Wiederentdeckung des Lebensmodells „Alte Jungfer“ handelt von einem authentischen Sprechen mit sich selbst und anderen.
(Auszug aus dem Vorwort)
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